Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Mo 19. Dez 2011, 02:37

Okay, das muss jetzt doch noch sein.

AgentProvocateur hat geschrieben:- es kann keine absolute Freiheit geben - wenn man darunter verstehen will: Unabhängigkeit von absolut allem - bezogen auf Entscheidungen, Handlungen, einen Willen usw. All dies wäre, wenn es unabhängig von allem wäre, logischerweise auch unabhängig von der Person, die diese Entscheidung trifft, die Handlung ausführt, den Willen hat - und das kann sich wohl niemand ernsthaft wünschen, denn das wäre dann eine Entscheidung, eine Handlung, ein Wille, der völlig aus dem Nichts käme, der oder die auch ebenso entgegengesetzt/völlig anders sein könnte - ohne Einflussmöglichkeit der Person. Es wäre eine Entscheidung, eine Handlung, ein Wille, die außerhalb der Kontrolle der Person liegen würde, ihr nur zustoßen würde. Diese Person wäre daher in diesem Falle nicht frei - denn notwenige Bedingung für Freiheit einer Person ist, dass ihr Wille, ihre Entscheidungen, ihre Handlungen ihrer Kontrolle unterliegen und sie diese nicht unkontrolliert / zufällig ausführen muss. Genau genommen würde man all dies noch nicht mal Entscheidung, Handlung und Willen nennen wollen. Jemand, der unaufhörlich willkürliche Zuckungen hat, dem permanent Zwangsgedanken durch den Kopf schießen, der einen von ihm nicht gewünschten Trieb hat, den er nicht unterdrücken / kontrollieren kann, der wäre unfrei. Ich glaube nicht, dass es darüber allgemein einen großen Dissens geben würde, selbst wenn das jemand hier anders sieht.


Ob es das geben kann oder nicht, das ist die Definition von absoluter Freiheit, um die es letztendlich geht. Und jetzt solltest Du noch bedenken, dass es um den freien Willen, nicht um die freie Person geht, das heißt tatsächlich dann auch, dass nicht die Person den Willen, sondern der Wille die Person bestimmt. Der Wille hat das Attribut „frei“, nicht die Person!

AgentProvocateur hat geschrieben:- mir erscheint es völlig absurd und es ist für mich nicht nachvollziehbar, einen (nicht existierenden) "god's point of view" zu postulieren und von diesem ausgehend bestimmen zu wollen, ob eine Person frei sei oder nicht. Denn dann wäre die hypothetische Person 1 in der (determinierten) Welt A unfrei und die hypothetische Person 2 in der (nicht-völlig-determinierten) Welt B frei - auch dann, wenn Person 1 und Person 2 eine vollkommen identische Lebensgeschichte hätten, immer das gleiche denken und tun würden, vom Zeitpunkt ihrer Geburt bis zum Zeitpunkt ihres Todes. Sie unterschieden sich nur durch die hypothetische Möglichkeit, dass, spulte man hypothetisch Welt A und Welt B zurück, es sein könnte, dass das Weltgeschen in Welt B daraufhin anders ablaufen könnte als beim ersten Mal. Also: alles läuft nur nur einmal ab, Person 1 und Person 2 sind identisch bis ins allerletzte Detail, bis auf die unterste Ebene - von einem hypothetischen "god's point of view" aus gesehen - aber trotzdem soll Person 1 unfrei sein und Person 2 frei? Tut mir leid, aber das erscheint mir absurd.


Mag ja sein, aber wir willst Du diese hypothetische Situation sonst betrachten? Wenn Du eine Hypothese aufstellst, bist Du doch von Anfang an in genau der Position des „god“, der diesen „point of view“ hat.

AgentProvocateur hat geschrieben:- oder aber: es reicht nicht, dass Welt B hypothetisch indeterminiert ist, um Person 2 frei zu machen, es muss noch etwas Grundlegendes, Wichtiges hinzukommen, damit der Inkompatibilist sagen würde: "ja, jetzt ist Person 2 frei". Gut, aber was? Das muss der Inkompatibilist darlegen, ansonsten ist er er - zumindest für mich - einfach nur unglaubwürdig, unverständlich, unlogisch. Es reicht jedenfalls nicht, mal eben schnell - furchtbar schwammig, weil nicht näher bestimmt - von einem "unbewegten Beweger" oder von "Propensitäten" redet. Das müsste näher dargelegt werden. Und es reicht auch nicht, einfach mal eben so zu behaupten, Freiheit und Determinismus würden sich einfach so schlicht per definitionem ausschließen. Da reicht ein einfaches "nö" als hinreichende Widerlegung dessen, mehr kann man dann dazu nicht sagen. Sprich: jeder kann alles und das Gegenteil behaupten, aber er muss es belegen, falls ernst genommen werden will.


Willst Du mich irgendwie verarschen oder so?
Ich habe das jetzt fast 100 Millionen mal hier belegt (und damit meine ich nicht die Propensitäten, sondern den Gegensatz, der sich ausschließt), Du ignorierst es nur einfach und wiederholst den gleichen Käse, dass ich zu belegen hätte, was ich sage …
Ich bin ja in der Lage eine klare Definition vom freien Willen zu liefern, Du bist es nicht, weil es nicht in Dein Weltbild passt, allerdings ist hier vielleicht auch einfach das Problem, dass das Konzept des freien Willens zu einer Zeit entstanden ist, indem es dieses Weltbild nicht gab und dass es einfach nicht kompatibel ist und somit da nur selbstwiedersprechender Blödsinn bei rauskommen kann, wenn man trotzdem versucht es zu integrieren (auf der einen wie auf der anderen Seite).

AgentProvocateur hat geschrieben:- und: wenn derjenige Inkompatibilist, der harter Determinist ist, also, der sagt: in einer determinierten Welt (und unsere Welt sei eine solche Welt) sei niemand verantwortlich für seine Taten, niemand könne zur Rechenschaft gezogen werden, an niemanden dürfe!? eine moralische Forderung gestellt werden, weil niemand etwas steuern könne, weil niemand etwas dafür könne, was er denke und überlege, weil alles unabänderlich so abliefe, wie es abliefe, ohne Eingriffsmöglichkeit; wieso, zum Teufel, fordert er dann von anderen, z.B. das Strafrecht zu ändern, eine andere Politik zu machen, gerechter zu sein? Das kann er sich doch dann in die Haare schmieren, er sagte das doch dann nur, (wenn er recht hätte), weil er es sagen müsste, weil er so determiniert wäre. Wäre er anders determiniert, (und: wie jemand determiniert wäre, könnte man nicht wissen, man könnte dann garnichts wissen), würde er was anderes sagen, eventuell genau das Gegenteil davon. Warum sollte mich das jucken, was ein harter Determinist sagt, wenn er gleichzeitig aussagt, dass er gar nichts aus eigenen Gründen sagen kann? Wieso sollte ich unlogische Aussagen akzeptieren? Das kann ich gar nicht, dazu bin ich nicht determiniert, ich bin dazu determiniert, nur logische Aussagen anerkennen zu können.


Und wie soll ich Dir diese Frage beantworten können? Ich muss es nicht mal, weil es gar nicht meine Position ist, die Du da angreifst. Komm mal von dem Kategoriendenken runter und lies, was ich schreibe, anstatt Dir zu denken, was ich meinen könnte, weil Du glaubst, dass ich diese oder jene Position vertrete, weil Du mich in dieser oder jenen Kategorie eingeordnet hast. So kommt man nicht weiter.

AgentProvocateur hat geschrieben:- und wieso eigentlich soll ich gnädig, nachsichtig, moralisch gut, verzeihend usw. usf. sein und die anderen nicht? Wenn jemand mein Kind tötet, warum soll ich nicht ihn, seine Kinder, seine Familie, seine Verwandten, sein Dorf, sein Land und seinen Kontinent vergewaltigen und zerstören? Wieso wäre er in diesem Falle nicht böse, aber ich? Wo wir doch dann beide gleichermaßen determiniert wären (falls der harte Determinist recht hätte) das zu tun, was wir tun, ohne etwas dafür zu können. weil wir dann (bach Argumentation des hartren Deterministen) seltsame, merkwürdige dualistische Entitäten in einer (für mich Naturalisten überhaupt nicht nachvollziehbaren) Sphäre außerhalb der eigentlichen physikalischen Welt wären, die nur Zuschauer eines Geschehens, ohne eigene Einflussmöglichkeit, wären. Ich fühle mich bei einer solchen Argumentation in Absurdistan: "niemand kann etwas für seine Taten, weil alles determiniert ist, also existierst Du gar nicht in der physikalischen Welt, also kannst Du gar nichts tun, also kannst Du auch von niemandem etwas verlangen und nichts erwarten, es wäre moralisch falsch, eben das zu tun, was Du gar nicht tun kannst, also darfst Du (und die anderen) das auch nicht tun". Dümmer geht nimmer.


Am dümmsten ist es immer noch, seine Untaten damit zu rechtfertigen, dass andere auch Untaten begangen haben. Der Clou ist doch gerade, dass Du dadurch, dass Du erkennen kannst, dass etwas eine „schlechte“ Tat ist, diese in jedem Fall vermeiden solltest. Dass Du keine Rache übst bedeutet nicht, dass die Tat nicht „böse“ war. Keine Rache zu üben ist sogar in gewisser Hinsicht die gewaltsamste Reaktion, die Du zeigen kannst, weil Du eben nicht auf die erwartete Art reagierst, die den gleichen Kreislauf am leben hältst. Die Fähigkeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen (das ist eben die Gewalt), indem Du statt Vergeltung eine positive Tat ausübst, das macht die Freiheit aus.

AgentProvocateur hat geschrieben:- wie kann Zufall Freiheit bedeuten / Freiheit herstellen?


Das habe ich einige Posts vorher anhand eines Würfels zu erklären versucht.

AgentProvocateur hat geschrieben:1. entweder gestehen wir uns gegenseitig Freiheit zu, halten uns gegenseitig für frei (d.h.: die Fähigkeit haben, zu verstehen, nach Gründen zu handeln, zu begründen, nicht einfach nur völlig willkürlich aus uns nicht verständlichen, weil völlig auf in der Vergangenheit liegenden und uns unbekannten Umständen Zurückführbares etwas für uns aus prinzipiellen Gründen Unverständlich abzusondern)


Noch mal, Willkür und freier Wille sind Synonyme. Wenn Deine Position nicht mehr hergibt als dass freier Wille kein freier Wille ist, dann solltest Du Deine Position wirklich überdenken (oder überlegen wie von mir vorgeschlagen, ob Du vom Willen oder viel eher von der Vernunft sprichst).

AgentProvocateur hat geschrieben:2. oder 1. gilt nicht; was wir sagen und schreiben, tun wir nur, weil es so determiniert ist, ob wir sagen: "A ist wahr" oder ob wir sagen: "A ist unwahr" ist völlig irrelevant, für uns gar nicht unterschedbar, wir sind nur Papageien, die das sagen und schreiben, was die Vergangenheit, die wir nicht kennen, für uns bestimmt hat.


Diese Position vertritt ein Determinist. Ich halte sie für falsch, aber sie ist kaum zu widerlegen, weil ihr eine Immunisierungsstrategie innewohnt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Falls 1.: das ist aber die kompstibilistische Freiheit. Mehr Freiheit gibt es nicht, jedenfalls wüsste ich nicht, wie die auch nur im Ansatz aussehen könnte. Hier ist der Inkompatibilist gefordert, er muss zeigen, was es noch mehr als das geben jkönnte. Er muss einen Freiheitsbegriff präsentieren, der mehr und zwar Wesentliches mehr umfasst.


Die kompatibilistische Freiheit ist aber eben keine. Genausowenig wie die bürgerlich liberale Freiheit eine tatsächliche Freiheit ist (das war die Parallele, auf die ich hinauswollte). Tatsächliche Freiheit ist eben die Freiheit, die die Naturwissenschaft nicht denken kann. Die Freiheit die einer Sache innewohnt, die aus einer Kraft, die aus der Sache selbst kommt, geschöpft wird. Du kannst natürlich sagen, dass es eine solche Kraft nicht gibt, in dem Fall ist aber auch Freiheit nicht möglich und es bleibt nur noch die Möglichkeit auf semantischen Umwegen eine Pseudofreiheit zu argumentieren, wenn man trotzdem unbedingt auf Freiheit bestehen will.

AgentProvocateur hat geschrieben:Falls 2.: Papageien können keine moralischen Forderungen an andere stellen, die Geltung beanspruchen. Es wäre absurd, überhaupt mit Papageien diskutieren zu wollen. Was immer der Papagei sagt: danach wird sich keiner richten, der noch alle Tassen im Schrank hat.


Mag ja sein, aber das spielt keine Rolle, weil es im Determinismus trotzdem passieren würde oder eben nicht (was auch ein Teil der eingebauten Immunisierungsstrategie ist, wie man an der Formulierung schon merkt).

AgentProvocateur hat geschrieben:a) Du schwafelst ("radikale Dimension des Seins")


Mach mal halblang. Wenn Du auf solch einem Niveau diskutieren willst, dann breche ich die Diskussion mit Dir ab. Deine Weigerung zu verstehen werde ich schon gar nicht mit einem solchen Vorwurf gegen mich dulden. Solche eristrischen Tricksereien kannst Du Dir echt sparen.

AgentProvocateur hat geschrieben:und b) - was viel schlimmer ist - Du tust hier so, als ob Du die Definitionshoheit über Begriffe - z.B. über den "freien Willen" hättest. Aber die hast Du nicht - Du musst im Gegenteil darlegen und begründen, wieso Deine Definition/Dein Verständnis besser ist als die/das der Kompatibilisten. Eine reine Behauptung reicht dazu nicht, da kann jeder mit derselben Berechtigung das Gegenteil behaupten. Und: als Allererstes musst Du das, was Du vertrittst, erst mal nachvollziehbar darlegen. Und wenn Du das schon getan hast: eine stichpunktartige Definition/Darlegung der notwendigen und hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in Deinem Sinne wäre dennoch hilfreich.


Das hat mit einer Definitionshoheit überhaupt nichts zu tun.
Das hatten wir schon mal, ich habe keine Lust mich andauernd zu wiederholen, das ist doch auch bloß nur noch ein rhetorischer Bluff.
Du hast Dich kaum argumentativ damit auseinander gesetzt, was ich geschrieben habe. Immer kommt nur der gleiche Mist mit irgendwelchen Wischiwaschi-Aussagen, die ich schlucken soll und immer wieder irgendwelche Behauptungen, ich würde schwafeln, die Ideen irgendwelcher Inkompatibilisten, die ich gar nicht vertrete, wären absurd, ich wäre in der Begründungspflicht, obwohl ich die Begründung zigtausendmal geliefert habe, was einfach ignoriert wird.
Im Ernst: was soll das? Das ist für mich nicht der Sinn einer Diskussion.

PS: Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass eine Definition mit Deinem Weltbild kompatibel sein muss. Nehmen wir mal ein ganz einfaches Beispiel, nehmen wir an, ich spreche von einem Drachen. Würdest Du mir dann entgegnen, dass eine solche Kreatur absurd ist (was sie ja ist, wie soll so ein fettes Viech mit so kleinen Flügeln fliegen können? Und Feuer spucken wird auch schwierig) und ich deswegen einen anderen Drachenbegriff brauche, der in Dein Weltbild passt? Hier haben wir immerhin aber noch den Fall, dass die einzelnen Signifikanten in den meisten Weltbildern vorstellbar sind. Nur gibt es auch Begriffe, bei denen es komplizierter wird.
Die Evolutionstheorie wird für einen Kreationisten auch absurd klingen, da ist sogar der Fall gegeben, dass einzelne Signifikanten nicht mal vorstellbar sind. Bin ich jetzt dem Kreationisten gegenüber in der Beweispflicht, weil er ansonsten recht hätte?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Mo 19. Dez 2011, 20:32

Ich versuche mal noch mal zu erklären, was ich mit der radikalen Dimension des Subjekt-Seins meine:

Der freie Wille setzt nämlich voraus, dass es einen Subjekt-Objekt-Gegensatz gibt. Das Problem ist aber, dass es Weltbilder gibt, die versuchen, diesen Gegensatz aufzulösen, indem sie die Subjektivität negieren (was allerdings konsequent weitergedacht dazu führen müsste, dass es auch keine Objektivität mehr gäbe) und in diesen Weltbildern ist kein Platz für einen freien Willen.
Die Kompatibilisten wie auch die Inkompatibilisten sind voll in einem empirischen Positivismus gefangen (selbst wenn sie in letzter Instanz einen Skeptizismus pflegen), der nur ein behavioristisch/kognitivistisches Menschenbild zulässt.
Dementsprechend ist die „freie“ Handlung keine dem Subjekt innewohnende Kraft mehr, sondern eine Objekt-Eigenschaft. Wenn man den freien Willen versucht als Objekt-Eigenschaft zu definieren, kann aber nichts bei rauskommen, was dem eigentlichen Willen entspricht, sondern es kann nur eine Vernunft dabei rauskommen (die eben sehr wohl determiniert sein kann). Wille und Vernunft sind aber in der Philosophie zu trennen. Der freie Wille ist eben reine Willkür (wobei Willkür auch nicht immer negative Konnotationen hatte).
Der Kompatibilist ist jetzt in der Pflicht, mir eine Trennung der Definitionen von Vernunft und Wille zu liefern, mit der sich sowohl seine Position vertreten lässt, mit der aber ebenso die philosophischen Auseinandersetzungen über das Primat des Willens oder der Vernunft nicht absurd werden.
Der Wille ist ein Streben nach einem Ziel, die Vernunft das Handeln aufgrund vorgefundener Gründe.

Der freie Wille ist eben der kontingente Akt des Subjekts, der freie Wille ist radikal anders als der Determinismus, weil er als Kraft aus dem Subjekt in das Weltgeschehen einwirkt. Dass eine solche Kraft existiert ist mit der momentanen Sicht des Kognitivismus nicht vereinbar, das ist wohl richtig, aber das liegt daran, dass der Kognitivismus eben keinen freien Willen, sondern nur die Vernunft als Eigenschaft kennt (die nur dadurch als frei zu bezeichnen sein kann, dass sie eine Mehrzahl an Möglichkeiten hat).

Der einzige denkbare Kompatibilismus wäre der gleichzeitige Inkompatibilismus, also Determinismus und freier Wille als dialektisch gegensätzliche Kräfte, die als Synthese den kreativen Prozess erwirken. Das scheint mir auch überhaupt die plausibelste Möglichkeit zu sein.
Und wer jetzt immer noch meint, ich sei Inkompatibilist und Libertarianer, der braucht dann wohl dringend Nachhilfe in Dialektik.

Wenn es einen objektiven Determinismus geben soll, dann muss es zwangsweise einen subjektiven Willen als substanzielle (Gegen-)Kraft geben, die dem Subjekt innewohnt, da das Subjekt für die Objektivität substantiell notwendig ist. Die Auflösung des Subjekts würde auch die Auflösung des Objekts mit sich ziehen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Dissidenkt » Di 20. Dez 2011, 19:42

Teh Asphyx hat geschrieben: Der Wille hat das Attribut „frei“, nicht die Person!


Der "freie Wille" ist ein contradictio in adiecto.
Strahlender Restmüll aus der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Verstandes.
Was Freiheit tatsächlich bedeutet, versteht erst der, der sich davon verabschieden kann.
Lass einfach los! Wirst merken, es tut nicht weh :2thumbs:
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon mat-in » Di 20. Dez 2011, 20:49

Dissidenkt hat geschrieben:Strahlender Restmüll aus der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Verstandes.
Super Formulierung, darf ich das zitieren?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 20. Dez 2011, 22:19

Teh Asphyx hat geschrieben:Ob es das geben kann oder nicht, das ist die Definition von absoluter Freiheit, um die es letztendlich geht. Und jetzt solltest Du noch bedenken, dass es um den freien Willen, nicht um die freie Person geht, das heißt tatsächlich dann auch, dass nicht die Person den Willen, sondern der Wille die Person bestimmt. Der Wille hat das Attribut „frei“, nicht die Person!

Wie gesagt: es gibt mE keinen Willen, keine Entscheidung, keine Handlung, die unabhängig von der Person existieren könnten. Und da dies keine eigenständigen Entitäten sind, ergibt es mE auch keinen Sinn, zu fragen, ob die für sich frei sein könnten, ob ihnen selber das Attribut "frei" zukommen könne. Man kann mE nur sinnvoll fragen, ob eine Person frei sei (in ihren Entscheidungen und Handlungen).

Was meinst Du eigentlich mit "absoluter Freiheit" und wieso geht es "letztlich" darum?

Teh Asphyx hat geschrieben:Mag ja sein, aber wir willst Du diese hypothetische Situation sonst betrachten? Wenn Du eine Hypothese aufstellst, bist Du doch von Anfang an in genau der Position des „god“, der diesen „point of view“ hat.

Nein, niemand ist in der Position des "god's point of view", (außer evtl. einem hypothetischen Gott). Wir haben nur unsere (die Menschen-) Position, unsere Erkenntnismöglichkeiten. Es ergibt meiner Ansicht nach keinen Sinn, darüber hinaus zu spekulieren.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich bin ja in der Lage eine klare Definition vom freien Willen zu liefern, Du bist es nicht, weil es nicht in Dein Weltbild passt, allerdings ist hier vielleicht auch einfach das Problem, dass das Konzept des freien Willens zu einer Zeit entstanden ist, indem es dieses Weltbild nicht gab und dass es einfach nicht kompatibel ist und somit da nur selbstwiedersprechender Blödsinn bei rauskommen kann, wenn man trotzdem versucht es zu integrieren (auf der einen wie auf der anderen Seite).

Hm, ich meine, ich habe gesagt, was ich unter einem freien Willen verstehe:

1. (hinreichende) Freiheit von (äußerem und innerem) Zwang
2. (hinreichende) Freiheit zu reflektierter und informierter Entscheidung

Wiederhole doch mal bitte Deine klare Definition, stelle die doch mal stichpunktartig dar, die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für einen freien Willen in Deinem Sinne.

Übrigens, hier mal ein paar Definitionen / Begriffsklärungen von Philosophen bezüglich des freien Willens:

Philosophie verständlich

In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:

* Um die begriffliche Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Entscheidung als frei angesehen werden kann, und
* um die faktische Frage, ob diese Bedingungen in unserer Welt tatsächlich erfüllt sind.

Wikipedia - Free Will Free will is the apparent ability of agents to make choices free from certain kinds of constraints.

SEP - Free Will “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. Which sort is the free will sort is what all the fuss is about.

IEP - Free Will Let us then understand free will as the capacity unique to persons that allows them to control their actions.

REP - Free Will 'Free will' is the conventional name of a topic that is best discussed without reference to the will. Its central questions are 'What is it to act (or choose) freely?', and 'What is it to be morally responsible for one's actions (or choices)?'

Peter van InwagenThe free-will thesis is the thesis that we are sometimes in the following position with respect to a contemplated future act: we simultaneously have both the following abilities: the ability to perform that act and the ability to refrain from performing that act.

Also: es geht all diesen Philosophen nicht um eine eigenständige (mE merkwürdige) Entität "Wille", die abgehoben und getrennt von der Person diese irgendwie "frei" (fern-)steuern würde, sondern es geht darum, ob eine Person frei entscheiden und handeln kann.

Und diese Frage kann ich nachvollziehen, darum geht es mir auch; wofür aber die andere Frage, die implizit zugrundelegt, dass es eine für sich (von einer Person unabhängige) existierende Entität namens "Wille" geben würde, überhaupt von Interesse und von Belang sein könnte, ist mir absolut unklar. Für mich jedenfalls ist die weder von Interesse noch von Belang.

Anders ausgedrückt, es geht mir um dieses:

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:"Es ist zentral für unser Selbstverständnis, dass wir keine Puppen sind; dass wir unser Schicksal durch die Entscheidungen, die wir treffen, kontrollieren; dass wir uns verändern können; dass wir uns entschließen können, sorgfältig durchdachte, anstelle von irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen zu treffen; dass wir keine Sklaven unserer Emotionen sind; dass wir über die Umstände hinauswachsen können, in die wir hineingeboren wurden; dass wir uns deshalb korrigieren und verbessern und aus schlechten Umständen entkommen können; dass unsere Emotionen uns gehören und niemandem sonst; dass unsere Handlungen unsere Persönlichkeit demonstrieren; dass wir verantwortlich sind für die Entscheidungen, die wir treffen; und so weiter. Und doch: Jeder einzelne Eintrag auf dieser Liste ist wahr. CCF [der kontra-kausale/libertarische freie Wille] hat tatsächlich nichts mit all dem zu tun."

Und ich sehe das auch so: alles dies ist wahr - egal, ob unsere Welt determiniert ist oder nicht, das spielt dabei keine Rolle - zumindest habe ich bisher noch nie verstanden, wieso es eine Rolle spielen sollte. Dafür muss es doch mindestens ein Argument geben - außer dem: "ich definiere das einfach so, dass sich Determinismus und freier Wille auschließen". Denn das ist gar kein Argument. Ich kann nämlich ebensogut und mit derselben Berechtigung was ganz anderes definieren und dann haben wir mindestens ein Patt.

Worum geht es dir in dieser Diskussion?

Teh Asphyx hat geschrieben:Und wie soll ich Dir diese Frage beantworten können? Ich muss es nicht mal, weil es gar nicht meine Position ist, die Du da angreifst. Komm mal von dem Kategoriendenken runter und lies, was ich schreibe, anstatt Dir zu denken, was ich meinen könnte, weil Du glaubst, dass ich diese oder jene Position vertrete, weil Du mich in dieser oder jenen Kategorie eingeordnet hast. So kommt man nicht weiter.

Du hast recht insofern, als das nicht Deine Position ist, ich habe die Position des harten Deterministen angegriffen. Ich meinte nicht, dass Du ein solcher bist, ich meine ja, dass Du ein Libertarier bist. Sorry, wenn das so rüberkam als ob ich damit Dich gemeint hätte, habe ich aber nicht. Vielleicht aber äußert sich noch ein harter Inkompatibilist dazu.

Teh Asphyx hat geschrieben:Noch mal, Willkür und freier Wille sind Synonyme. Wenn Deine Position nicht mehr hergibt als dass freier Wille kein freier Wille ist, dann solltest Du Deine Position wirklich überdenken (oder überlegen wie von mir vorgeschlagen, ob Du vom Willen oder viel eher von der Vernunft sprichst).

Hm, für mich sind aber Willkür (darunter verstehe ich reinen Zufall, etwas Grundloses) und freier Wille Gegensätze. Bleibt an der Stelle festzuhalten, dass wir also da einen Dissens haben. Ich meine aber nun, dass nicht ich das ungewöhnlich sehe, sondern Du. (Aber das ist eine empirische Frage).

Es ist nicht richtig, wenn Du sagst, dass freier Wille für mich kein freier Wille ist. Richtig wäre evtl. aber, zu sagen, dass freier Wille in meinem Sinne kein freier Wille in deinem Sinne ist. Gut, aber da ich immer noch nicht hinreichend verstehe, was freier Wille in Deinem Sinne ist, kann ich weiter nichts dazu sagen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:2. oder 1. gilt nicht; was wir sagen und schreiben, tun wir nur, weil es so determiniert ist, ob wir sagen: "A ist wahr" oder ob wir sagen: "A ist unwahr" ist völlig irrelevant, für uns gar nicht unterschedbar, wir sind nur Papageien, die das sagen und schreiben, was die Vergangenheit, die wir nicht kennen, für uns bestimmt hat.

Diese Position vertritt ein Determinist. Ich halte sie für falsch, aber sie ist kaum zu widerlegen, weil ihr eine Immunisierungsstrategie innewohnt.

Hm, der harte Determinist vertritt diese Position. Die ich zwar auch für falsch halte, aber aus einem ganz anderen Grund als Du, nämlich aus dem entgegengesetzten Grunde. Ich meine nämlich, dass meine Position immun ist. Entweder behauptet der harte Determinist, dass niemand verantwortlich und rechenschaftspflichtig wäre, weil Determinismus das angeblich verhindern würde, (und dann bin auch logischerweise ich ebenso nicht verantwortlich und rechenschaftspflichtig und also kann es mir egal sein, was der harte Determinist sagt), oder aber er gesteht Verantwortung und Rechenschaftspflicht zu, aber dann muss er unweigerlich eben diese Art von Freiheit zugestehen, die mir wichtig ist. Etwas Drittes gibt es dabei nicht. So oder so ist sein Standpunkt daher irrelevant.

Teh Asphyx hat geschrieben:Die kompatibilistische Freiheit ist aber eben keine. Genausowenig wie die bürgerlich liberale Freiheit eine tatsächliche Freiheit ist (das war die Parallele, auf die ich hinauswollte). Tatsächliche Freiheit ist eben die Freiheit, die die Naturwissenschaft nicht denken kann. Die Freiheit die einer Sache innewohnt, die aus einer Kraft, die aus der Sache selbst kommt, geschöpft wird. Du kannst natürlich sagen, dass es eine solche Kraft nicht gibt, in dem Fall ist aber auch Freiheit nicht möglich und es bleibt nur noch die Möglichkeit auf semantischen Umwegen eine Pseudofreiheit zu argumentieren, wenn man trotzdem unbedingt auf Freiheit bestehen will.

Meiner Ansicht nach ist die konpatibilistische Freiheit die einzige Freiheit, die überhaupt logisch möglich ist - und diese Freiheit steht nicht im Gegensatz zum Determinismus. Ich hätte ja gerne mal ein Argument gesehen, wieso das falsch sei, wieso Determinismus Freiheit ausschließen würde, bzw. was überhaupt eine bessere Freiheit als die kompatibilistische wäre. Tut mir leid, wenn ich weiter oben etwas barsch war, aber irgendwo muss es doch mal ein Argument geben dafür, dass Determinismus Freiheit ausschließen würde. Und das würde ich gerne mal sehen. Dem Inkompatibilisten scheint das wohl selbstevident zu sein, er versteht gar nicht, dass er das begründen muss. Aber es ist nun mal nicht selbstevident - also braucht es mindestens ein Argument, warum das eine das andere ausschließt.

Tut mir auch leid, dass ich mit Deinen Ausführungen in diesem Absatz nichts anfangen kann."Eine Freiheit, die aus einem selber kommt?" Okay, verstehe ich zwar in meinem Sinne, könnte ich Dir auch eigentlich zustimmen, so könnte ich das auch ausdrücken, aber meine Frage bleibt: wieso kann in einer determinierten Welt nicht etwas aus einem selber kommen? Das ist es, was ich nicht verstehe.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:a) Du schwafelst ("radikale Dimension des Seins")

Mach mal halblang. Wenn Du auf solch einem Niveau diskutieren willst, dann breche ich die Diskussion mit Dir ab. Deine Weigerung zu verstehen werde ich schon gar nicht mit einem solchen Vorwurf gegen mich dulden. Solche eristrischen Tricksereien kannst Du Dir echt sparen.

Ich nehme das hiermit zurück.

Ich möchte Dich einfach nur mal bitten, Deine (notwendigen und hinreichenden) Anforderungen an einen freien Willen stichpunktartig darzustellen, auch wenn Du das oben schon gemacht hast. Das kann ja dennoch nicht schaden.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Dissidenkt » Sa 24. Dez 2011, 14:47

mat-in hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Strahlender Restmüll aus der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Verstandes.
Super Formulierung, darf ich das zitieren?


Spontan wollte ich schreiben, "Selbstverständlich!"
Dann wurde mir klar, dass das nur eine Zustimmung wäre, die auf meine Sozialisation und die Tatsache, dass es mich nichts kostet, in diesem Fall großzügig zu sein, zurückzuführen wäre.
Also habe ich mich von diesen Zwängen gelöst und eine Münze so hoch und schnell rotierend geworfen, dass niemand behaupten kann, mein Unterbewusstsein hätte sich in die Entscheidung eingemischt.
Ergebnis:
Du darfst mich nicht zitieren! :erschreckt:

Ich finde das Ergebnis sehr bedauerlich. Es widerspricht mir total und ist mir geradezu peinlich, weil jetzt das Bild eines asigen Arschlochs entstehen könnte. Aber was soll ich machen?

Frohe Weihnachten!
:santagrin:

P.S. Wirf einfach eine Münze, wenn du dich fragst, ob du dich an das Verbot, mich zu zitieren, halten solltst! :mg:
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Mark » Mi 28. Dez 2011, 01:48

Wenn ein komplexes System theoretisch in allen seinen Reaktionen auf Einflüsse von Aussen vorhersehbar ist, kann man dann den Begriff "frei" überhaupt noch zuschreiben, oder ist das Wort selbst nicht im Grunde für ein theoretisches Konstrukt "Vorstellung vom menschlichen Geist" geschaffen, welche den Determinismus noch nicht berücksichtig hat ?
Die Diskussion um den freien Willen muss so oder so auf die Fortschritte der Neurobiologie bzw Quantenbiophysik warten müssen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 28. Dez 2011, 10:41

Mark hat geschrieben:Wenn ein komplexes System theoretisch in allen seinen Reaktionen auf Einflüsse von Aussen vorhersehbar ist, kann man dann den Begriff "frei" überhaupt noch zuschreiben, oder ist das Wort selbst nicht im Grunde für ein theoretisches Konstrukt "Vorstellung vom menschlichen Geist" geschaffen, welche den Determinismus noch nicht berücksichtig hat ?


Man kann es zuschreiben, genau das ist ja das Gedankenexperiment der Kompatibilisten.
Du müsstest für Dich klären, inwieweit eine unterstellte totale Determiniertheit Deiner Freiheit Abbruch tun würde.
Wenn Freiheit aber auch für Dich bedeutet, inne zu halten, zu überlegen, zu revidieren, reflexiv zu denken, Dich inspirieren zu lassen, auf Dein Bauchgefühl zu hören und so weiter und dann am Ende zu einem Ergebnis zu kommen von dem Du sagen kannst: „Ja, das ist es, was ich will“, dann ist dies auch dann gewährleistet, wenn Du und alles in der Welt vollkommen determiniert ist.

Mark hat geschrieben:Die Diskussion um den freien Willen muss so oder so auf die Fortschritte der Neurobiologie bzw Quantenbiophysik warten müssen.


Wenn Du den oberen Gedanken zu Ende denkst, wirst Du erkennen, dass es vollkommen schnuppe ist, was Neurobiologen und Co. dazu noch erforschen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mi 28. Dez 2011, 11:06

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Freiheit aber auch für Dich bedeutet, inne zu halten, zu überlegen, zu revidieren, reflexiv zu denken, Dich inspirieren zu lassen, auf Dein Bauchgefühl zu hören und so weiter und dann am Ende zu einem Ergebnis zu kommen von dem Du sagen kannst: „Ja, das ist es, was ich will“, dann ist dies auch dann gewährleistet

Wenn ich innehalte, überlege und revidiere, genau weil die Faktoren A und B das determieren, dann ist das keine Freiheit sondern nur die Illusion einer Freiheit.
Wichtig ist doch immer die Frage, hätte ich auch anders innehalten (oder gar nicht innehalten) können? Hätte ich auch anders überlegen, revidieren oder reflexiv denken können? Wenn ja, dann läge Freiheit vor. Wenn nein, dann Determinismus.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Mi 28. Dez 2011, 13:09

ganimed hat geschrieben:Wenn ich innehalte, überlege und revidiere, genau weil die Faktoren A und B das determieren, dann ist das keine Freiheit sondern nur die Illusion einer Freiheit.


Kann ich gut verstehen, dass Du so denkst, schon allein weil das auch mein Denken war.
Du kommst aber nicht drum herum, wenn Du nicht einfach blind dies oder das glauben willst, der Sache auf den Grund zu gehen.
Was Determinismus heißt, ist zwar auch nicht unbedingt klar, aber bei den Kompatibilisten ja gesetzt, das kannst Du Dir also schon schenken.
Deine Aufgabe wäre also, bei aller Kontraintuition, zu definieren, was genau Du unter Freiheit verstehen möchtest.
Es wird Dir dabei eine Freiheit über den Weg laufen, die als Zufall oder Willkür zu bezeichnen wäre, völlig wurscht ob man die aus irgendeinem quantenbiologischen Konstrukt ableitet oder sonst woher.
Und bei dieser Freiheit musst Du Dich fragen, ob Zufall oder Willkür wirklich mit Deinem Begriff von Freiheit konform gehen. Und kritisch gefragt: Wie und wo genau erhöht denn der reine Zufall oder die reine Willkür den Grad Deiner persönlichen Freiheit?

Frei bist Du (sei’s nur empfunden oder echt) wenn es Deine Entscheidung war, dies oder das zu tun, oder zu lassen. Etwas dem Zufall oder der Willkür zu überlassen, heißt aber gerade, dass Du es nicht selbst entschieden hast, sondern für oder über Dich entschieden wurde.

Wenn Du das hast, kannst Du Dich der schweren Frage zuwenden, was denn nun eigentlich genau der Unterschied zwischen „echter“ und „nur empfundener“ Freiheit ist. Mach das mal an einem Beispiel fest und Du wirst sehen, dass der intuitiv gewaltige Unterschied eigentlich keiner ist.
Worin er besteht ist ganz schwer oder eigentlich gar nicht in Worte zu fassen.
Denn frei bist Du, wenn Du unterschreiben kannst, dass Du etwas so und nicht anders wolltest und willst.
Ob da Deine frühkindliche Prägung, Deine Gene, sozialer Druck oder sonst was beteiligt war spielt keine Rolle, solange Du empfindest, Du hättest frei entschieden und dazu stehen kannst.
Ich habe bei der letzten Wahl das Kreuz bei der Partei X gemacht, aus dem und dem Grund.
Da wabert nicht etwas ursachen- und grundlos (und beides ist nicht dasselbe) in der Luft herum, sondern hat seine mannigfaltigen Ursachen und Gründe. Einige kennst Du, andere nicht, einige könntest Du kennen lernen, andere bleiben Dir prinzipiell verschlossen, aber unterm Strich geht es darum, ob Du meinst, dass Du frei entschieden hast, oder eben nicht.
Das Gegenteil wäre an dieser Stelle Zwang, nicht Determiniertheit.

Problematisch ist der Begriff der „echten Freiheit“, weil es Dir, wie mir, wie anderen nicht gelingen wird, zu definieren, worin diese überhaupt bestehen soll. Aber, wie gesagt, durch diesen Dschungel musst Du am Ende selbst und man muss das Ergebnis nicht mögen, aber es ist logisch zwingend.

Wie schon öfter erwähnt, muss man den Freiheitsbegriff den die Kompatibilisten vorschlagen nicht teilen, nur sollte man dann nachvollziehbar definieren, was man selbst unter Freiheit verstanden wissen möchte.

ganimed hat geschrieben:Wichtig ist doch immer die Frage, hätte ich auch anders innehalten (oder gar nicht innehalten) können? Hätte ich auch anders überlegen, revidieren oder reflexiv denken können? Wenn ja, dann läge Freiheit vor. Wenn nein, dann Determinismus.


Klar, hättest Du, solange Dich niemand zwingt. Du weißt ja nicht, was die Naturgesetze, der liebe Gott oder Dein Karma als nächstes mit Dir vorhaben, Du entscheidest auf dem Boden dessen, was Dir gerade zugänglich ist: Freunde, Experten, Wikipedia, Intuition, Vernunftsgründe, Erfahrungen und Du kannst Diene Meinung ändern so oft Du willst. Wer wollte Dich hindern? Es wäre halt nur determiniert, ob Du Dich beim erstem Mal entscheidest oder 75 mal umentscheidest.
Aber Deiner Freiheit, begründet zu entscheiden und bei dem Vorliegen anderer Gründe auch anders zu können, nimmt das nichts.

Doch Freiheit der Entscheidung ist kein „hätte“, sondern ein „hat“ Zustand.
Du bist nicht wirklich frei, wenn Du Dir alle Möglichkeiten ad ultimo offen hältst, sondern nur entscheidungsschwach. Und dann wird über Dich entschieden und das ganz sicher und oft gegen Deinen Willen. Freiheit geht anders.

Wenn Du sagst, ich weiß nicht, was ich studieren soll, weil mich eigentlich alles interessiert und ich mich nicht festnageln lassen möchte, dann hast Du am Ende gar nichts studiert und – selbes Vorgehen unterstellt – keine Frau (es könnte ja eine andere geben), keinen Beruf und wärst ein ziemlich lebensunfähiger Tropf, den man nicht unbedingt ein hohes Maß an Freiheit unterstellen würde.

Du kannst natürlich wie ein indischer Yogi dem Schicksal die Karten in die Hand geben und einfach alles annehmen, was Dir begegnet. Du isst in Demut, was man Dir vorsetzt, schläfst mit jedem der Dich will, arbeitest was man Dir gerade anbietet und man kann sich drüber unterhalten, ob das der helle Wahnsinn oder die totale Freiheit ist, aber Schritt dahin ist in jedem Fall Deine Entscheidung und eine radikale obendrein.

Wenn Du sagst – was Du wahrscheinlich nicht tust – Freiheit ist für mich nur dann gegeben, wenn ich übers Wasser laufen, die Naturgesetze ändern und von den Toten auferstehen kann, bewegst Du Dich außerhalb des Rahmens der Diskussion in dem gesetzt ist, dass die Naturgesetze gelten und alles mit rechten Dinge zugeht.
Wollen kannst Du das natürlich, aber das ist dann ein anderer Kontext in dem man Freiheit vermutlich prinzipiell nicht erreichen kann.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mi 28. Dez 2011, 21:40

Vollbreit hat geschrieben:Deine Aufgabe wäre also, bei aller Kontraintuition, zu definieren, was genau Du unter Freiheit verstehen möchtest.

Eigentlich verstehe ich darunter, dass ich in derselben Situation (also mit allen gegebenen ursächlichen Faktoren) auch anders entscheiden könnte. Wenigstens teilweise müsste dazu meine Entscheidung unabhängig von den ursächlichen Faktoren sein. Puh, das wäre geschafft und die Aufgabe ist erfüllt. :)

Vollbreit hat geschrieben:Und bei dieser Freiheit musst Du Dich fragen, ob Zufall oder Willkür wirklich mit Deinem Begriff von Freiheit konform gehen. Und kritisch gefragt: Wie und wo genau erhöht denn der reine Zufall oder die reine Willkür den Grad Deiner persönlichen Freiheit?

Das Konstrukt X (denn Zufall oder reine Willkür scheint es mir nicht zu geben im kausalen Universum) würde mich (wenigstens) teilweise unabhängig von den Determinanten, also den Ursachen machen. Diese Unabhängigkeit würde meine Freiheit nicht erhöhen, sondern überhaupt erst begründen bzw. erzeugen.

Vollbreit hat geschrieben:Frei bist Du (sei’s nur empfunden oder echt) wenn es Deine Entscheidung war, dies oder das zu tun, oder zu lassen.

Hier meinst du die Handlungsfreiheit. Auch eine wichtige Sache, zugegeben, aber sollte lieber nicht mit der Willensfreiheit verwechselt werden. Eine Handlung ist dann frei, wenn es meine Entscheidung war, sie auszuführen. Ein Wille ist aber erst dann frei, wenn ich ursächlich unabhängig entscheiden hätte können und damit eine wirkliche Wahl gehabt hätte.

Vollbreit hat geschrieben:Ob da Deine frühkindliche Prägung, Deine Gene, sozialer Druck oder sonst was beteiligt war spielt keine Rolle, solange Du empfindest, Du hättest frei entschieden und dazu stehen kannst.

Solange die Ursachen so und nicht anders sind, kann ich mich nur so und nicht anders entscheiden. Und das spielt für dich keine Rolle? Das finde ich komisch. Wenn man sich nur für eine einzige Sache entscheiden kann (bei gegebenen Ursachen), dann nenne ich das "keine Freiheit". Ich käme nie auf die Idee, das als frei zu deklarieren. Keine Wahl haben ist Unfreiheit, oder?

Vollbreit hat geschrieben:Problematisch ist der Begriff der „echten Freiheit“, weil es Dir, wie mir, wie anderen nicht gelingen wird, zu definieren, worin diese überhaupt bestehen soll.

Ich kann definieren, was echte Freiheit ist. Ich kann nur nicht beschreiben, wie sie konkret in diesem Universum aussehen könnte bzw. wodurch sie erlangt werden könnte. Und das liegt vermutlich daran, weil es sie in diesem Universum nicht gibt. Aber für die Frage, ob unser Wille frei ist, muss ich dieses theoretische X auch nicht beschreiben. Das müsste höchstens jemand tun, der behauptet, wir hätten einen freien Willen.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst – was Du wahrscheinlich nicht tust – Freiheit ist für mich nur dann gegeben, wenn ich übers Wasser laufen, die Naturgesetze ändern und von den Toten auferstehen kann, bewegst Du Dich außerhalb des Rahmens der Diskussion in dem gesetzt ist, dass die Naturgesetze gelten und alles mit rechten Dinge zugeht.

Das stimmt nicht ganz, finde ich. Ich behaupte ja gerade, dass der freie Wille eine Illusion ist, eben weil er, wenn er da wäre, gegen Naturgesetze verstieße. Mit anderen Worten: Freiheit wäre nur dann gegeben, wenn ich (teilweise) unabhängig von Ursachen entscheiden könnte. Kann ich nicht, also gibt es auch keine Freiheit. Ich hoffe doch sehr, dass ich damit noch innerhalb des Diskussionsrahmens verbleibe.

Vollbreit hat geschrieben:Wollen kannst Du das natürlich, aber das ist dann ein anderer Kontext in dem man Freiheit vermutlich prinzipiell nicht erreichen kann.

Genau so. Freiheit, so wie ich sie verstehe, kann es prinzipiell nicht geben. Aber ist auch nicht schlimm. Ich habe kein Problem damit, dass der freie Wille nur eine Illusion ist.

Es bleibt wohl die Kernfrage, wieso ist meine Definition von Willensfreiheit, die mir intuitiv und richtig erscheint, angeblich nicht die "richtige"? Und wieso ist deine Definition der Willensfreiheit, die mir als Begriffsverwechslung mit "Handlungsfreiheit" erscheint, die "richtige"? Was ist intuitiv und richtig daran, einen Willensbildungsprozess, bei dem einem keine Wahl bleibt, als frei zu bezeichnen?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Do 29. Dez 2011, 00:05

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Deine Aufgabe wäre also, bei aller Kontraintuition, zu definieren, was genau Du unter Freiheit verstehen möchtest.

Eigentlich verstehe ich darunter, dass ich in derselben Situation (also mit allen gegebenen ursächlichen Faktoren) auch anders entscheiden könnte. Wenigstens teilweise müsste dazu meine Entscheidung unabhängig von den ursächlichen Faktoren sein. Puh, das wäre geschafft und die Aufgabe ist erfüllt. :)


Hab‘ letztens ne schöne Karte gesehen.
Und aus dem Chaos sprach eine Stimme: „Seid froh und lächelt, es könnte schlimmer kommen.“
Wir waren froh, lächelten und es kam schlimmer.

Will sagen. So habe ich auch argumentiert und habe es mir sehr lange nicht nehmen lassen.
Freiheit muss heißen, sich unter gleichen Bedingungen auch anders entscheiden zu können, sonst ist es keine Freiheit.
Der Pferdefuß dabei: Wenn man begründet entscheidet kann man nicht anders, sonst verfällt man in die Willkür oder den Zufall. Wenn ich sage, dass nach allem hin und der das meine freie Wahl ist, dann müsste im gleichen Fall genau das wieder meine Wahl sein.
Ich habe auch gedacht, dass das mit Freiheit dann nichts mehr zu tun hat, denn Freiheit heißt die Wahl zu haben. Aber die hast Du ja. Und wenn es Deine Wahl war, muss es unter gleichen Bedingungen wieder Deine Wahl sein (unter minimal anderen freilich nicht).
Da es in der realen Welt keine gleichen Bedingungen gibt, fällt das eh flach, in diesem Gedankenexperiment muss man sich ein wenig zwingen, bzw. der Logik überlassen.


ganimed hat geschrieben: „Das Konstrukt X (denn Zufall oder reine Willkür scheint es mir nicht zu geben im kausalen Universum) würde mich (wenigstens) teilweise unabhängig von den Determinanten, also den Ursachen machen. Diese Unabhängigkeit würde meine Freiheit nicht erhöhen, sondern überhaupt erst begründen bzw. erzeugen.“


Was heißt unabhängig von den Determinanten? Du musst aufpassen, dass Du die reale Welt – in der es höchstwahrscheinlich Zufälle gibt – nicht mit dem Gedankenexperiment verwechselst. Hier gilt ja, dass Du total determiniert bist, da kommst Du also nicht raus.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Frei bist Du (sei’s nur empfunden oder echt) wenn es Deine Entscheidung war, dies oder das zu tun, oder zu lassen.


Hier meinst du die Handlungsfreiheit. Auch eine wichtige Sache, zugegeben, aber sollte lieber nicht mit der Willensfreiheit verwechselt werden.


Stimmt, sollte man nicht. Aber ich meine hier schon auch den Willen, habe mich nur blöde ausgedrückt, ich meinte, eine Entscheidung zu wollen. Die Umsetzung (Handlung) ist eine andere Geschichte.

„Eine Handlung ist dann frei, wenn es meine Entscheidung war, sie auszuführen. Ein Wille ist aber erst dann frei, wenn ich ursächlich unabhängig entscheiden hätte können und damit eine wirkliche Wahl gehabt hätte.“


Welche Wahl? Die Wahl was zu tun oder zu lassen?
Ganz frei zu wollen geht in Richtung der Libertarier und das ist ein Begriff von Freiheit, den kaum jemand teilt. Wenn jemand vor Dir ein kühles Bier trinkt und Du denkst, dass Du das jetzt auch gerne hättest, dann ist der Impuls sicher in dem Sinne nicht von/aus Dir kommend gewesen, aber das braucht Dich nicht zu stören.
Und so ist ja alles immer auch irgendwie determiniert (und in dem Gedankenexperiment sogar vorgeschriebenerweise). Aber auch wenn die Gene, die Eltern und die momentanen Umstände alle ihren Teil dazu beitragen, der Freiheit, dass Du ein eigenes Ich gegründet hast, tut das keinen Abbruch und dass Du weißt, was Du willst und was nicht, kann ja ebenfalls gut sein.
Und Du könntest in den meisten Fällen auch sagen, warum Du willst was Du willst und auch wenn Du nicht so genau weißt, warum die Vanilleeis lieber magst als Erdbeereis, so weißt Du immerhin, dass es so ist und damit, was Du lieber willst. Das nimmt Dir auch keiner, wenn Du immer mit Vanilleeis belohnt wurdest und da was in Deinen Genen ist.
Und auch in der „normalen“ Welt, in der Du Dir ja vermutlich Freiheit zusprechen würdest, fühlst Du Dich ja nicht beleidigend unfrei, wenn Du lieber Schnitzel als Käse isst, Du magst es halt einfach lieber und fertig und kämst nicht auf die Idee zu sagen, dass Du Dich erst so richtig frei fühlen würdest, wenn Du lieber Käse als Schnitzel mögen könntest.

ganimed hat geschrieben:Solange die Ursachen so und nicht anders sind, kann ich mich nur so und nicht anders entscheiden. Und das spielt für dich keine Rolle?


Nicht solange Du es willst.
Ich unterstelle Du liebst Deine Frau/Freundin. Das gibt Dir an guten Tagen ein gutes bis sehr gutes Gefühl. Aber würdest Du sagen freier wärst Du wenn Du sie nicht lieben würdest und die Nachbarin genauso lieben könntest?

ganimed hat geschrieben:Das finde ich komisch. Wenn man sich nur für eine einzige Sache entscheiden kann (bei gegebenen Ursachen), dann nenne ich das "keine Freiheit". Ich käme nie auf die Idee, das als frei zu deklarieren. Keine Wahl haben ist Unfreiheit, oder?


Du kannst Dich ja nicht nur für eine Sache entscheiden – ich meine entscheiden kann man sich eh nur in einem Moment für eine Sache – aber Du kannst Dich ja umentscheiden. Es ist halt nur determiniert, aber Du kannst nach wie vor tun was Du willst.

ganimed hat geschrieben:Ich kann definieren, was echte Freiheit ist. Ich kann nur nicht beschreiben, wie sie konkret in diesem Universum aussehen könnte bzw. wodurch sie erlangt werden könnte. Und das liegt vermutlich daran, weil es sie in diesem Universum nicht gibt. Aber für die Frage, ob unser Wille frei ist, muss ich dieses theoretische X auch nicht beschreiben. Das müsste höchstens jemand tun, der behauptet, wir hätten einen freien Willen.


Tun die ja. Freiheit ist innehalten und nach guten Gründen wählen zu können.
Echte Freiheit gibt es gar nicht, man ist entweder frei oder nicht. Wenn man frei ist, ist man frei, echte Freiheit ist ein Bonus der nichts aussagt und keinen Mehrwert bringt.
Die Einschränkungen die galten warten, dass die Naturgesetze gelten und alles mit rechten Dingen zugeht. Du kannst also nicht von Dir aus fliegen (wegen der Naturgesetze), aber Du kannst es natürlich wollen. Hier wäre dann Deine Handlung begrenzt, nicht Dein Wille.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst – was Du wahrscheinlich nicht tust – Freiheit ist für mich nur dann gegeben, wenn ich übers Wasser laufen, die Naturgesetze ändern und von den Toten auferstehen kann, bewegst Du Dich außerhalb des Rahmens der Diskussion in dem gesetzt ist, dass die Naturgesetze gelten und alles mit rechten Dinge zugeht.


Das stimmt nicht ganz, finde ich. Ich behaupte ja gerade, dass der freie Wille eine Illusion ist, eben weil er, wenn er da wäre, gegen Naturgesetze verstieße.


Warum? Wenn Du ein Schnitzel willst, wieso verstößt das gegen die Naturgesetze?

ganimed hat geschrieben:Mit anderen Worten: Freiheit wäre nur dann gegeben, wenn ich (teilweise) unabhängig von Ursachen entscheiden könnte.


Nö. Freiheit ist dann gegeben, wenn ich frei bin, etwas zu wollen und sagen kann, dass ich das so will.
Ob ich es dann immer bekomme, ist eine andere Frage, aber um die geht es ja nicht.
Aber man ist ja nicht nur frei, wenn man den Wunsch hat von den Toten aufzuerstehen.

ganimed hat geschrieben:Kann ich nicht, also gibt es auch keine Freiheit. Ich hoffe doch sehr, dass ich damit noch innerhalb des Diskussionsrahmens verbleibe.


Klar, es gibt nur keinen Grund anzunehmen, dass Freiheit gegen Naturgesetze verstoßen muss um Freiheit zu sein. Es ist nicht mal klar, wie ein Wunsch oder Wille gegen Naturgesetze verstoßen könnte. Wenn er determiniert ist – was er ja ist, in unserem Beispiel –, dann ist er ja selbst vollständig von den Naturgesetzen determiniert.
Und wenn ich den Wunsch hätte ewig zu leben, dann würde die Ausführung vielleicht an den Naturgesetzen scheitern, der Wunsch aber nicht.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wollen kannst Du das natürlich, aber das ist dann ein anderer Kontext in dem man Freiheit vermutlich prinzipiell nicht erreichen kann.


Genau so. Freiheit, so wie ich sie verstehe, kann es prinzipiell nicht geben. Aber ist auch nicht schlimm. Ich habe kein Problem damit, dass der freie Wille nur eine Illusion ist.


Das sind aber zwei Paar Schuhe. Einmal der Wunsch, der Wille selbst, ein anderes mal die Umsetzung. Ich könnte ja sagen: „Ich weiß, dass es albern ist und nicht geht, aber ich will trotzdem 1000 Jahre leben.“ Das wird mir kaum gelingen, aber mein Wunsch mag echt sein und er verstößt in keinem Fall gegen die Naturgesetze. Ein bisschen Angst vorm Tod, da können die Naturgesetze gut mit leben.

ganimed hat geschrieben:Es bleibt wohl die Kernfrage, wieso ist meine Definition von Willensfreiheit, die mir intuitiv und richtig erscheint, angeblich nicht die "richtige"?


Das habe ich ganz oben versucht zu erläutern.
Wenn Du das weiter diskutieren willst, nur zu.

ganimed hat geschrieben:Und wieso ist deine Definition der Willensfreiheit, die mir als Begriffsverwechslung mit "Handlungsfreiheit" erscheint, die "richtige"?


Es ist nicht unbedingt meine, sondern die der Kompatibilisten.
Richtig ist sie nicht unbedingt, aber konsistent und fallibel, sie sagt, was der Fall sein muss, damit (Willens-)Freiheit gegeben ist und auch wann man nicht mehr von Freiheit reden kann.
Schmidt-Salomon verfehlt das übrigens und behauptet es gäbe überall nur Determinismus und skizziert damit kein Szenario was falsifizierbar ist.
Das könnte man noch hinbiegen, aber der Schluss, dass es aufgrund des Determinismus keinen freien Willen geben könne, ist wirklich nicht richtig.

ganimed hat geschrieben:Was ist intuitiv und richtig daran, einen Willensbildungsprozess, bei dem einem keine Wahl bleibt, als frei zu bezeichnen?


Der Fehler ist, dass Du annimmst, das determiniert zu sein, bedeuten würde keine Wahl zu haben.
Aber warum solltest Du keine haben? Wenn wählen bedeutet Dich so oder anders entscheidne zu können, nach Deinen Kriterien, dann hast Du immer dann die Wahl, wenn Du nicht unter zwang stehst. Erpressung, Sucht, Zwangsstörung das gibt es, aber wenn das nicht der Fall ist, kannst Du wählen, wie Du lustig bist. Dass das dann alles schon beim Urknall feststand, ändert an Deiner Möglichkeit beliebig oft, nach beliebigen Kriterien, die allein Du bestimmst zu wählen, nichts.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Do 29. Dez 2011, 07:58

Vollbreit hat geschrieben:Freiheit muss heißen, sich unter gleichen Bedingungen auch anders entscheiden zu können, sonst ist es keine Freiheit. Der Pferdefuß dabei: Wenn man begründet entscheidet kann man nicht anders, sonst verfällt man in die Willkür oder den Zufall. Wenn ich sage, dass nach allem hin und der das meine freie Wahl ist, dann müsste im gleichen Fall genau das wieder meine Wahl sein.

Die Formulierung "Pferdefuß" finde ich bezeichnend. Wenn bei logischen Überlegungen herauskäme, dass es keine Willensfreiheit gibt, dann wäre das für dich der Pferdefuß der Überlegungen. Ich habe den Eindruck, das ist genau der Grund, wieso du nicht ergebnisoffen darüber nachdenkst. Du (bzw. die Kompatibilisten) wollen, so kommt es mir vor, lieber die Logik opfern und die intuitive Definition aufgeben, als die Folgerung, dass es keinen freien Willen gibt, akzeptieren, weil das ja ein "Pferdefuß", etwas Negatives wäre. Ich sage: nein, es ist kein Pferdefuß. Es ist die logische Folge aus dem Determinismus.

Vollbreit hat geschrieben:Ich habe auch gedacht, dass das mit Freiheit dann nichts mehr zu tun hat, denn Freiheit heißt die Wahl zu haben. Aber die hast Du ja. Und wenn es Deine Wahl war, muss es unter gleichen Bedingungen wieder Deine Wahl sein (unter minimal anderen freilich nicht).

Ich leugne nicht, dass ich eine Wahl habe. Ich leugne nur, dass sie "frei" ist. Wenn sie zu 100% abhängig ist von den Ursachen, dann vergebe ich hier nicht das Wort "frei", sondern das Wort "abhängig". Und ich wundere mich halt sehr darüber, was mit dem Sprachverständnis der Kompatibilisten los sein könnte. Wieso nennst du etwas frei, was vollständig von etwas anderem abhängig ist?

Vollbreit hat geschrieben:Ich unterstelle Du liebst Deine Frau/Freundin. Das gibt Dir an guten Tagen ein gutes bis sehr gutes Gefühl. Aber würdest Du sagen freier wärst Du wenn Du sie nicht lieben würdest und die Nachbarin genauso lieben könntest?

Aha. Frei ist etwas für dich dann, wenn es ein gutes Gefühl auslöst (weil etwas nach üblichen moralischen Prinzipien einer monogamen Gesellschaft abläuft)? Ich muss diesen Wortgebrauch zurückweisen. "Frei" ist, wenn man unabhängig von Vorgaben ist. "Frei" ist nicht, wenn man sich bei etwas gut fühlt.

Vollbreit hat geschrieben: aber Du kannst Dich ja umentscheiden. Es ist halt nur determiniert, aber Du kannst nach wie vor tun was Du willst.

"nur determiniert"? Entschuldige, wenn ich kurz schmunzeln muss. Denn genau dieses "determiniert" bedeutet für mich die Unfreiheit. Und wenn man tun kann, was man will, dann ist das "Handlungsfreiheit". Die verwechselst du hier wieder mit Willensfreiheit.

Vollbreit hat geschrieben:Aber auch wenn die Gene, die Eltern und die momentanen Umstände alle ihren Teil dazu beitragen, der Freiheit, dass Du ein eigenes Ich gegründet hast, tut das keinen Abbruch ...

Ich habe mein eigenes Ich gegründet? (Wieso nennst du das hier im Satz eigentlich "Freiheit" und nicht "Tatsache"?) Wann habe ich das gemacht? Als meine Gene zusammengewürfelt wurden? Als meine Eltern mich in der Frühkindphase geprägt haben? Nein, ich kann nicht erkennen, wo und wann ich mich selbst gegründet hätte. Ich bin zu 100% das Produkt von äußeren Umständen und ursächlichen Faktoren. Und selbst wenn nicht, dann redest du an dieser Stelle doch von Selbstbestimmtheit, von einer Ich-Definition. Was hat das mit Freiheit zu tun? Von was soll mein Wille frei sein?

Vollbreit hat geschrieben:Und auch in der „normalen“ Welt, in der Du Dir ja vermutlich Freiheit zusprechen würdest, fühlst Du Dich ja nicht beleidigend unfrei, wenn Du lieber Schnitzel als Käse isst, Du magst es halt einfach lieber und fertig und kämst nicht auf die Idee zu sagen, dass Du Dich erst so richtig frei fühlen würdest, wenn Du lieber Käse als Schnitzel mögen könntest.

Hier verwechselst du wieder Handlungsfreiheit mit Willensfreiheit. Es scheint dir nicht aufzufallen, so dass ich mir diese penetranten Besserwisserhinweise mal erlaube. Auch in der "normalen" Welt spreche ich mir eben keine Willensfreiheit zur, nur Handlungsfreiheit. Und ich würde mich tatsächlich erst so richtig frei fühlen, wenn ich unabhängig von Ursachen (z.B. meinem Geschmack) lieber mal den Käse mögen würde.

Vollbreit hat geschrieben:Warum? Wenn Du ein Schnitzel willst, wieso verstößt das gegen die Naturgesetze?

Das verstößt nicht gegen die Naturgesetze, ist aber auch kein freier Wille. Freier Wille wäre, wenn ich allen Grund hätte (Gene, Prägung, etc.) nur Käse zu wollen. Ich aber akausal und völlig ohne Grund doch lieber Schnitzel wollte. Das würde gegen die Kausalität verstoßen.

Vollbreit hat geschrieben:Nö. Freiheit ist dann gegeben, wenn ich frei bin, etwas zu wollen und sagen kann, dass ich das so will.

Ob ich sagen kann, dass ich das so will, spielt keine Rolle. Freiheit hat nichts mit kommunikativen Fähigkeiten zu tun. Wichtig ist doch, ob ich frei wählen kann, was ich will. Es geht eben nicht darum, frei "etwas" zu wollen. Es geht darum, eine Stufe vorher zu entscheiden, was genau dieses "etwas" ist, das ich dann will. Hier scheint mir genau der Knackpunkt zu sein, wieso du öfter mal in die Handlungsfreiheit abrutscht. Bei Willensfreiheit müssen wir bei der Stufe davor bleiben. Wie frei ist der Wille? Deine Argumentation, dass wir überhaupt einen Willen haben (und ihn sogar formulieren können) behandelt die spätere Stufe Handlungsfreiheit.

Vollbreit hat geschrieben:Klar, es gibt nur keinen Grund anzunehmen, dass Freiheit gegen Naturgesetze verstoßen muss um Freiheit zu sein. Es ist nicht mal klar, wie ein Wunsch oder Wille gegen Naturgesetze verstoßen könnte. Wenn er determiniert ist – was er ja ist, in unserem Beispiel –, dann ist er ja selbst vollständig von den Naturgesetzen determiniert.

Man muss gegen Naturgesetze verstoßen, damit ein Wille sich akausal bildet. (Bildet er sich kausal, dann ist er determiniert, zu 100% abhängig von Ursachen, und deshalb nach meiner Definition nicht frei).
Der Wille oder ein Wunsch verstoßen nicht gegen Naturgesetze. Aber ein freier Wille täte das. Aber letzteres gibt es ja, genau aus diesem Grund, eben nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht unbedingt meine, sondern die der Kompatibilisten. Richtig ist sie nicht unbedingt, aber konsistent und fallibel, sie sagt, was der Fall sein muss, damit (Willens-)Freiheit gegeben ist und auch wann man nicht mehr von Freiheit reden kann.

So kommt es mir auch vor. Die Kompatibilisten sagen, wie muss ich meine Sprache und die Definition von Willensfreiheit verdrehen, damit sie der Fall ist. Ich kapiere nur nicht, wieso sie das tun. Und die Worte "konsistent" und "fallibel" würde ich damit auch nicht in Verbindung bringen. Die Umdefinition ist jedenfalls nicht konsistent mit meinem Sprachgefühl. Meine Frage dazu: wovon ist der freie Wille bei den Kompatibilisten frei?

Vollbreit hat geschrieben:Der Fehler ist, dass Du annimmst, das determiniert zu sein, bedeuten würde keine Wahl zu haben. Aber warum solltest Du keine haben? Wenn wählen bedeutet Dich so oder anders entscheidne zu können, nach Deinen Kriterien, dann hast Du immer dann die Wahl, wenn Du nicht unter zwang stehst. Erpressung, Sucht, Zwangsstörung das gibt es, aber wenn das nicht der Fall ist, kannst Du wählen, wie Du lustig bist. Dass das dann alles schon beim Urknall feststand, ändert an Deiner Möglichkeit beliebig oft, nach beliebigen Kriterien, die allein Du bestimmst zu wählen, nichts.

Ich habe nie die Wahl, weil ich immer unter Zwang stehe, nämlich unter dem Zwang der ursächlichen Faktoren. Ich kann nicht wählen, wie ich lustig bin, sondern immer nur so, wie es mir von den Ursachen vorgegeben wird. Und ich kann auch nicht die Kriterien beliebig bestimmen. Die sind ja ebenfalls bereits festgelegt beim Urknall. Deine Annahmen stimmen irgendwie alle nicht.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Do 29. Dez 2011, 15:05

ganimed hat geschrieben:Die Formulierung "Pferdefuß" finde ich bezeichnend. Wenn bei logischen Überlegungen herauskäme, dass es keine Willensfreiheit gibt, dann wäre das für dich der Pferdefuß der Überlegungen. Ich habe den Eindruck, das ist genau der Grund, wieso du nicht ergebnisoffen darüber nachdenkst. Du (bzw. die Kompatibilisten) wollen, so kommt es mir vor, lieber die Logik opfern und die intuitive Definition aufgeben, als die Folgerung, dass es keinen freien Willen gibt, akzeptieren, weil das ja ein "Pferdefuß", etwas Negatives wäre. Ich sage: nein, es ist kein Pferdefuß. Es ist die logische Folge aus dem Determinismus.


Aber nein, das ist streng logisch.
Wie gesagt, meine Intuition war ziemlich exakt wie Deine, außer dass ich nie den freien Willen infrage gestellt habe und mir schien es sonnenklar, dass man, wenn man determiniert ist, nicht gleichzeitig frei sein kann.

Der Rest ist philosophische Wühlarbeit, d.h. Begriffsbestimmung.
Man kann sich lange damit aufhalten zu klären, was nun determiniert zu sein bedeutet.
Ebenso was Willens- und Handlungsfreiheit betrifft.
Damit man sich beim Determinismus nicht darüber streitet, dass der eine ihn breiter, der andere aber enger versteht, wird er maximal gesetzt.
Der Begriff der Freiheit ist die Variable in dem Experiment. Du kannst darunter verstehen, was immer Du willst. Der Begriff muss nur konsistent sein.
Aber schaun mer mal…

ganimed hat geschrieben:Ich leugne nicht, dass ich eine Wahl habe. Ich leugne nur, dass sie "frei" ist. Wenn sie zu 100% abhängig ist von den Ursachen, dann vergebe ich hier nicht das Wort "frei", sondern das Wort "abhängig".


Einverstanden, aber ich glaube, wir kommen auch auf dem Pfad weiter.
Ein Meteor ist abhängig von Impuls und Schwerkraft.
Ein Pantoffeltierchen ist abhängig von rein biologischen Programmen, die ihm Reiz-Reaktions-Verhalten erlaubt.
Ein erbkoordiniertes Tier ebenfalls, nur komplexer.

Manche Tiere brechen Handlungen einfach ab, wenn sie die Lust verlieren oder sonst etwas. Man könnte ihnen Intentionen unterstellen, zu spielen, sich fortzupflanzen, zur Aggression, zur Kooperation. Ein breites Repertoire.

Beim Menschen wird die Spanne fast noch breiter. Nimm mal wirklich die schwerst gestörten Serienstraftäter. Die sind ja nicht unendlich frei, sondern die können nicht anders, als sich antisozial zu verhalten.

Andere sind in der Lage die Regeln und Rollen der Gesellschaft zu verstehen und sie zu erfüllen.
Das proben schon Kinder, wenn sie ihren Eltern etwas Gutes tun wollen, den Frühstückstisch decken, oder sonst was um zu zeigen, dass man mit macht und weil man sich mit Freuden mit der Rolle des braven Kindes identifiziert.

Die Rollen werden komplexer, man muss ihnen später hier und da und dort genügen und es sind immer unterschiedliche Anforderungen. Guter Freund, Sohn, Partner, Liebhaber, Sportkumpel, Abenteurer, Verkäufer, Hobbyphilosoph, Bright und so weiter. Ein sehr komplexes Geschehen, bei dem man genau wissen muss, welche Anforderungen die Rollen mit sich bringen. Und dennoch gibt es Menschen, die nur ihren Rollen verhaftet bleiben, diese nicht abstreifen können, von einer in die andere springen. Das ist immer dann der Fall, wenn es ausgesprochen peinlich wird, wenn die Skatbrüder auf die Ehefrau treffen.

Ein Mensch, der ein eigenes reflexives Ich gegründet hat ist hiervon nicht bedroht. Er kann sich auch anpassen, ändert sich aber nicht so gravierend, dass man ihn in verschiedenen Situationen kaum wiedererkennt, der steht zu sich und weiß was, er will, auf dem Boden der Gründe, die er dafür hat.

Meine Frage ist jetzt, ob Du wirklich dem Meteor und dem rollenerprobenden Kind den gleichen Grad an Freiheit – nämlich absolut überhaupt keine – zusprechen möchtest und wenn ja, wie Du das begründest, ich sehe hier nämlich erhebliche Unterschiede.
Und ob die weiter dem rollenerprobenden Kind und dem reflexiven Menschen den gleichen Grad an Freiheit zusprechen möchtest, mit der gleichen Anschlussfrage.

Zwischen einer Erbkoordination, die auch dann stumpf weiterläuft, wenn der auslösende Reiz nicht mehr da ist und der Überlegung „Das Hotel ist abgebrannt, oh, dann müssen wie umbuchen“ scheint mir doch eine Lücke zu klaffen.
Mit einem uniformen Freiheitsbegriff wird man dieser Lücke nicht gerecht.

ganimed hat geschrieben:Und ich wundere mich halt sehr darüber, was mit dem Sprachverständnis der Kompatibilisten los sein könnte. Wieso nennst du etwas frei, was vollständig von etwas anderem abhängig ist?


Damit war ich auch überhaupt nicht einverstanden.
Die Begründung ist, man kommt aus gewissen Abhängigkeiten nicht raus, wie den Genen, der Erziehung, der Sprache, den Naturgesetzen und ihren Auswirkungen, das wäre Deine Linie, aufgrund der Du sagst: Na eben, deshalb – keine Freiheit.
Der andere Punkt ist aber der, dass eine Zunahme an Freiheit zu beobachten ist und dass es irgendwann weniger Sinn macht etwas als physikalisches System zu beschreiben, denn als intentionales System und zwar mit Blick auf die Prognosen. Eisenspänen im Magnetfeld brauchst Du keine Intention zu unterstellen, einem Schimpansen schon eher.
Doch die Differenzierung physikalisch/intentional ist zu grobschlächtig, denn einem Hund kann man gewisse Intentionen schlecht absprechen, aber er ist kein diskursives Wesen, der Mensch schon und das gibt – wenn die Diskursivität ausreichend beherrscht wird – noch mal einen sehr erheblichen Sprung.
Wenn Du diese Zunahme an Freiheit unter den Tisch fallen lässt, wirst Du einfach dem Normalempfinden nicht gerecht, Du würdest versuchen mit dem Radio zu reden, weil das ja „spricht“ und so weiter – aber all das wirst Du nicht tun.


ganimed hat geschrieben:Aha. Frei ist etwas für dich dann, wenn es ein gutes Gefühl auslöst (weil etwas nach üblichen moralischen Prinzipien einer monogamen Gesellschaft abläuft)? Ich muss diesen Wortgebrauch zurückweisen. "Frei" ist, wenn man unabhängig von Vorgaben ist. "Frei" ist nicht, wenn man sich bei etwas gut fühlt.


Ich wollte damit jetzt keine Monogamiediskussion auslösen.
Bleiben wir bei Schokolade. Du würdest dann vermutlich versuchen als Kind oft Schokolade zu essen, weil Dich das befriedigt. Irgendwann begreifst Du, dass immer Schokolade auch irgendwie öde ist, dass das Zeug in hohen Dosen ungesund ist und würdest Dein Verhalten entsprechend anpassen, in einer Mischung aus Erfahrung und Einsicht. Wieso wärst Du dabei unfrei?


ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: aber Du kannst Dich ja umentscheiden. Es ist halt nur determiniert, aber Du kannst nach wie vor tun was Du willst.


"nur determiniert"? Entschuldige, wenn ich kurz schmunzeln muss. Denn genau dieses "determiniert" bedeutet für mich die Unfreiheit.


Ich weiß, aber genau das ist der Punkt.
Determinismus und Freiheit berühren sich nicht, das ist die – zugegeben schwer zu schluckende –
Kernüberlegung des Kompatibilismus. Dreht man den Determinismus nicht maximal hoch, wie die Kompatibilisten es taktisch tun, dann ist glaube ich schwer zu leugnen, dass wir alle dennoch in äußere Umstände eingebunden sind. Gleichzeitig ist es auch schwer zu leugnen, dass es verschiedene Grade an Freiheit gibt.
Ein starrer und absoluter Begriff der Freiheit, wie der von Schmidt-Salomon (es gibt überhaupt keine) oder Sartre (der Mensch ist zur Freiheit verdammt und immer frei) verliert diese Dynamik von mehr oder weniger Freiheit, die man im Alltag schlicht sieht.
Und auch wenn man den Begriff der Freiheit ablehnt, muss man klären, was man da ablehnt.

ganimed hat geschrieben:Und wenn man tun kann, was man will, dann ist das "Handlungsfreiheit". Die verwechselst du hier wieder mit Willensfreiheit.

Einer freien Handlung geht ja eine Willensentscheidung voraus.
Wenn ich das Hotel umbuche, dann ja nicht, weil meine Finger die Tasten drücken, sondern weil ich mir das überlegt habe. Aber die Trennung zwischen Willen und Handlung gibt es, das stimmt.
Ich kann aufstehen wollen, aber gefesselt oder gelähmt sein.

ganimed hat geschrieben:Ich habe mein eigenes Ich gegründet? (Wieso nennst du das hier im Satz eigentlich "Freiheit" und nicht "Tatsache"?) Wann habe ich das gemacht? Als meine Gene zusammengewürfelt wurden? Als meine Eltern mich in der Frühkindphase geprägt haben? Nein, ich kann nicht erkennen, wo und wann ich mich selbst gegründet hätte. Ich bin zu 100% das Produkt von äußeren Umständen und ursächlichen Faktoren.


Du hast vollkommen die Einstellungen Deiner Eltern, zu 100%? Hast Du Dir niemals eine eigene Meinung gebildet? Tust Du alles was man Dir sagt, oder boykottierst Du alles aus Prinzip? Oder hast Du hier und da eigene Überlegungen?
Klar, da waren die Gene, der Erziehung, dann aber auch die Peergroup, Fernsehsendungen, Bücher, online-Foren, Schule, kürzere Bekanntschaften, wieder Bücher, das Studium und all das veränderte Dich ein wenig, sicher. Aber hast Du keine eigene Meinung über Religion, Sterbehilfe, Atomwaffen, Monogamie ;-), Politik… hat sich da gar nichts verändert in all den Jahren?
Du würdest sagen, sicher, eine ganze Menge, aber das sind halt alles Erfahrungen, die mich geprägt haben.
Nehmen wir Religion, ist hier sicher ein breiter gemeinsamer Nenner. Irgendwann wirst Du Teile der Bibel gelesen haben (oder erfahren haben was drin steht) und ein Buch über Chemie, Physik, Astronomie, Evolutionsbiologie. Meinst Du wirklich, dass jeder, der das Gymnasium hinter sich hat unweigerlich ein Bright wird? Nein, das war Deine Entscheidung, es gibt gläubige Menschen die Naturwissenschaftler sind, die haben sich anders entschieden.
Hast Du nicht das Für und Wider innerlich gewichtet und bist für Dich zu dem Schluss gekommen: „Alles Quatsch“, die Sache mit den Religionen? Und könntest Du nicht 100 Gründe aufzählen, wenn jemand sagt, aber es könnte doch sein, dass der liebe Gott die Naturgesetze gemacht hat?
Rasselst Du wirklich nur den von A bis Z auswendig gelernten Dawkins runter, oder bist Du nicht auch in der Lage, Dich auf Deinen Gesprächspartner einzustellen und seine Überzeugungen aufzunehmen und ihm Deine alternativ anzubieten?
Du folgst dabei doch keinem Reiz-Reaktions-Programm, sondern hast Ansichten und Absichten, Überzeugungen und Gründe, ethische Einstellungen und gesammelte Erfahrungen und all das bringst Du ins Spiel und hast auf Deine individuelle Art und Weise auch nur Du zu bieten.
Und warum sollte ich Deine Gründe nicht ernst nehmen und denken, ach ja so’n Dawkins Roboter, die brabbeln halt ihren Atheisten Kram ohne Sinn und Verstand, sind etwas anders konditioniert als die Kirchenfans, aber ist dasselbe Spiel in grün.
Ihr wollt doch gerade nicht blind glauben und einfach nur Eingetrichtertes, ohne kritische Prüfung gebetsmühlenartig wiederholen, sondern seid doch der Meinung in einigen Fällen, wie ich lese, wohl zurecht, über das Abspulen von Glaubenssätzen erhaben zu sein.
Und das willst Du ins Klo schütten, zugunsten der öden Geschichte vom unfreien Willen, die noch nicht mal logisch konsistent ist?

ganimed hat geschrieben:Und selbst wenn nicht, dann redest du an dieser Stelle doch von Selbstbestimmtheit, von einer Ich-Definition. Was hat das mit Freiheit zu tun? Von was soll mein Wille frei sein?


Ohne Ich, keine Freiheit (spirituelle Definitionen mal ausgeklammert).
Dein Wille ist frei von reinen Glaubenssätzen, immer dann, wenn Du in der Lage bist, Deine Einstellungen kritisch-reflexiv zu prüfen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und auch in der „normalen“ Welt, in der Du Dir ja vermutlich Freiheit zusprechen würdest, fühlst Du Dich ja nicht beleidigend unfrei, wenn Du lieber Schnitzel als Käse isst, Du magst es halt einfach lieber und fertig und kämst nicht auf die Idee zu sagen, dass Du Dich erst so richtig frei fühlen würdest, wenn Du lieber Käse als Schnitzel mögen könntest.


Hier verwechselst du wieder Handlungsfreiheit mit Willensfreiheit. Es scheint dir nicht aufzufallen, so dass ich mir diese penetranten Besserwisserhinweise mal erlaube.


Nein, ich rede nicht von der Fähigkeit sie zu essen, sondern von meiner Präferenz, dem, was ich lieber mag.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Do 29. Dez 2011, 15:06

ganimed hat geschrieben: Auch in der "normalen" Welt spreche ich mir eben keine Willensfreiheit zur, nur Handlungsfreiheit. Und ich würde mich tatsächlich erst so richtig frei fühlen, wenn ich unabhängig von Ursachen (z.B. meinem Geschmack) lieber mal den Käse mögen würde.


Einverstanden, dann erklär‘ mir den Unterschied dieses Freiheitsbegriffs von der Willkür, die fallen nämlich hier vollkommen zusammen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Warum? Wenn Du ein Schnitzel willst, wieso verstößt das gegen die Naturgesetze?


Das verstößt nicht gegen die Naturgesetze, ist aber auch kein freier Wille.


Warum denn nicht, wenn Du Schnitzel gerne isst? Mein Vater macht jedes Jahr Weihnachten phantastischen Nudelsalat, auf den ich mich freue, den will ich.
Wäre ich auf Heringssalat gedrillt worden, würde ich vielleicht den mögen, bin ich aber nicht.
Soll ich mich unfrei fühlen, weil ich den Heringssalat den ich jetzt nicht vorziehen würde, nicht vorziehe? Ich bin halt geprägt, spreche Deutsch und kein Polnisch, essen lieber Nudel- als Heringssalat, höre lieber Deep Purple als Heino, aber ist man freier wenn man Polnisch spricht oder Heino bevorzugt? Meine WILLENSFREIHEIT ist doch einzig und allein davon abhängig ob ich etwas WILL, nicht davon, warum es so gekommen ist. Du kannst sagen, es hätte unter anderen Umständen auch anders kommen können, ja, aber ist es nicht. Jetzt will ich halt lieber Nudelsalat und Deep Purple als Hering und Heino.
Eine Freiheit die frei von allen äußeren Einflüssen ist, wäre die Freiheit der Libertarier, die ich nicht teile, weil ich sie mir nicht mal vorstellen kann, weil ich mich in und unter Einflüssen wiederfinde.
Aber Unfreiheit (des Willens) hieße, etwas gar nicht erst wollen zu können, wie ein erbkoordiniertes Tier. Ich kann aber wollen und das deckt sich zum Teil mit dem, was ich tue, zum Teil nicht. Ich fühle mich manchmal auch gezwungen und muss tun, was ich nicht so gerne will, aber genau weil das so ist, weiß ich, dass mein Wille nicht 1 zu 1 das ist, was ich tue. Und wenn es mir reicht, sage ich irgendwann: „Jetzt will ich nicht mehr.“

ganimed hat geschrieben:Freier Wille wäre, wenn ich allen Grund hätte (Gene, Prägung, etc.) nur Käse zu wollen. Ich aber akausal und völlig ohne Grund doch lieber Schnitzel wollte. Das würde gegen die Kausalität verstoßen.


Das wäre Willkür. Wenn ich aber – wie Du richtig sagst – Gründe hätte, wäre es keine Willkür.
Ich könnte aus einem religiösen Elternhaus stammen, Messdiener gewesen sein und jeden Abend inniglich gebetet haben, hätte also allen Grund, dass es so ist. Doch dann habe ich 25 naturwissenschaftliche Bücher studiert, begann nach und nach zu zweifeln und am Ende konnte ich nicht mehr an die Inhalte der Bibel glauben. Bei allem Wissen, dass meine Eltern enttäuscht sein würden, dass ich aus bestimmten sozialen Bindungen falle und so weiter, entscheide ich mich am Ende doch, dass ich nach reiflicher Überlegung nicht mehr glauben kann, dass es die Jungfrauengeburt gibt, die Erde in 6 Tagen erschaffen wurde und Moses das Meer teilte, weil ich meinen könnte, das rein gar nichts dessen, was ich für richtig halte dafür spricht. Und diese wäre meine Entscheidung, basierend auf Reflexion und guten Gründen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nö. Freiheit ist dann gegeben, wenn ich frei bin, etwas zu wollen und sagen kann, dass ich das so will.


Ob ich sagen kann, dass ich das so will, spielt keine Rolle. Freiheit hat nichts mit kommunikativen Fähigkeiten zu tun. Wichtig ist doch, ob ich frei wählen kann, was ich will. Es geht eben nicht darum, frei "etwas" zu wollen. Es geht darum, eine Stufe vorher zu entscheiden, was genau dieses "etwas" ist, das ich dann will.


Nein, nicht, wenn Freiheit bedeutet, dass man das, was man denkt und möchte billigen kann.

ganimed hat geschrieben:Hier scheint mir genau der Knackpunkt zu sein, wieso du öfter mal in die Handlungsfreiheit abrutscht. Bei Willensfreiheit müssen wir bei der Stufe davor bleiben. Wie frei ist der Wille? Deine Argumentation, dass wir überhaupt einen Willen haben (und ihn sogar formulieren können) behandelt die spätere Stufe Handlungsfreiheit.


Was wäre in puncto Freiheit gewonnen, wenn Du wollen kannst, was Du wollen kannst?
Dann wärst Du Libertarier, der unbeeinflusst von allem (aber was bedeutet das und wie sollte das gehen?) wählen kann, was er will – diese Stufe davor.
Und etwas zu wollen ist noch keine Handlung. Wenn ich Nudelsalat an Weihnachten will, mein Vater ihn aber nicht machen kann oder will, will ich ihn (und bin frei es zu wollen), bekomme ihn aber nicht (die Handlungsebene läuft nicht in meinem Sinne).
Und wenn ich begründe, dass ich den immer Weihnachten bekommen habe, ihn gerne esse und es obendrein eine liebe alte Gewohnheit ist, dann habe ich auch noch einen Grund für mein Wollen.
Ich könnte auch sagen, dass ich mir vorstellen könnte, wenn ich einen anderen Geschmack hätte und anders geprägt worden wäre, dass ich dann Heringssalat vorziehen würde, aber all das wissend, will ich dennoch Nudelsalat und dann sag‘ mir mal was daran unfrei ist.
Zum Libertartier wirst Du in dem Moment, wo Du behauptest Freiheit sei für Dich gegen alle Gewohnheiten und Gründe etwas zu wollen. Diese Freiheit erscheint Dir absurd – mir übrigens auch – aber dann schüttest Du das Kind mit dem Bade aus, wenn Du sagst: Und weil diese Freiheit absurd ist, ist jede Freiheit absurd. Wer geprägt und genetisch prädisponiert ist kann nicht frei sein, fertig, Ende, aus. Aber das ist nicht die Position der Kompatibilisten, die besagt, dass Du determiniert und dennoch frei sein kannst, wenn unter Freiheit verstanden wird, dass man gute Gründe hat, etwas zu wollen und damit einverstanden ist.
Du behauptest – und darin liegt Dein Widerspruch – dass Freiheit nur dann vorliegen könne, wenn sie zur Willkür wird (ich habe gute Gründe und lange überlegt, will aber das genaue Gegenteil), lehnst aber gleichzeitig den Begriff der Willkür als Grundlage der Freiheit ab. Und das ist logisch inkonsistent.
Die Freiheit der Kompatibilisten sagt: Ich habe gute Gründe und lange überlegt und darum will ich das. Und das reicht ihnen um Freiheit zu bestimmen, nach guten Gründen und aus eigener Überlegung zu wollen. Und das ich konsistent.
Ob das was ich will, nun vom lieben Gott, den Genen, den Eltern oder den Naturgesetzen kommt, ist eine andere Baustelle. Und ich glaube, von Freiheit des Willens genau dann zu sprechen wenn man etwas begründet (und nicht rein zufällig oder willkürlich) will, ist das was man unter Freiheit verstehen kann. Willkür und Zufall als Grundlage der Freiheit schließt Du ja auch aus, solltest Dich dann aber auch nicht darauf berufen, was Du tust, wenn Du sagst, dass Freiheit für nicht nur wäre, wenn man trotz guter Gründe und reiflicher Überlegung irrationalerweise das Gegenteil will.

ganimed hat geschrieben:Man muss gegen Naturgesetze verstoßen, damit ein Wille sich akausal bildet. (Bildet er sich kausal, dann ist er determiniert, zu 100% abhängig von Ursachen, und deshalb nach meiner Definition nicht frei).
Der Wille oder ein Wunsch verstoßen nicht gegen Naturgesetze. Aber ein freier Wille täte das. Aber letzteres gibt es ja, genau aus diesem Grund, eben nicht.


Wenn ich für Deep Purple, Nudelsalat, Demokratie bin und das begründen kann (und sei’s in der ersten Fällen durch ein lapidares „mag ich halt lieber“ und im letzten etwas breiter und rationaler) warum verstoße ich dann gegen Naturgesetze?`(Zumal das Experiment davon ausgeht, dass gerade das nicht der Fall ist: Die Naturgesetze gelten und es geht alles mit rechten Dingen zu.)

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht unbedingt meine, sondern die der Kompatibilisten. Richtig ist sie nicht unbedingt, aber konsistent und fallibel, sie sagt, was der Fall sein muss, damit (Willens-)Freiheit gegeben ist und auch wann man nicht mehr von Freiheit reden kann.


So kommt es mir auch vor. Die Kompatibilisten sagen, wie muss ich meine Sprache und die Definition von Willensfreiheit verdrehen, damit sie der Fall ist. Ich kapiere nur nicht, wieso sie das tun.


Weil konkret Deine inkonsistent und widersprüchlich ist.
Du sagst 1. Freiheit ist für mich nur dann gegeben, wenn ich entgegen guter Gründe und reiflicher Überlegungen, irrational das genaue Gegenteil meiner Überlegungen wollen kann. Das ist Dein Begriff von Willensfreiheit. 2. sagst Du selbst, dass Du diesen irrationalen, willkürlichen und zufälligen Freiheitsbegriff nicht teilst, benutzt ihn aber. (Du unterstellst ihn obendrein den Befürwortern der Freiheit und das stimmt ganz einfach nicht, da dies mehrere Freiheitsbegriffe haben, Kompatibilsiten sind keine Libertarier, letztere sind obendrein Inkompatibilisten.) 3. Wäre es widersprüchlich, wenn Du sagst, Freiheit kann es nirgends geben und (ob Du das tust, weiß ich aber noch nicht) zugestehen würdest, dass einem Meteor, einem Igel, einem 5-jährigen Kind und Daniel Dennett unterschiedliche Grade an Freiheit zugesprochen werden können. Ich glaube, dass Du im Alltag nicht auf die Idee kämst mit einem kleinen Kind über den Kompatibilismus zu diskutieren, mit Dennett vielleicht schon. Ich glaube, Du könntest einem Igel nicht ernsthaft böse sein, wenn er Deine Lieblingsvase umwirft, einem 5-jährigen Kind würdest Du vermutlich zugestehen, dass es besser hätte aufpassen können.
Ich glaube also, dass Du im praktischen Leben ganz selbstverständlich verschiedene Grade an Freiheit, Rationalität, Reflexionsvermögen unterstellst, es aber in der Theorie leugnest, das wäre ein performativer Selbstwiderspruch.

ganimed hat geschrieben:Und die Worte "konsistent" und "fallibel" würde ich damit auch nicht in Verbindung bringen. Die Umdefinition ist jedenfalls nicht konsistent mit meinem Sprachgefühl. Meine Frage dazu: wovon ist der freie Wille bei den Kompatibilisten frei?


Von Zufall, Willkür und Irrationalität.

ganimed hat geschrieben:Ich habe nie die Wahl, weil ich immer unter Zwang stehe, nämlich unter dem Zwang der ursächlichen Faktoren.


Dann hast Du einen eigenartigen Begriff von Zwang. Wenn Du Deinen Urlaub planst oder Dir einer eine Knarre an den Kopf hält und Dich als Geisel nimmt, ist das exakt dasselbe für Dich?
Es gibt sicher Grenzfälle, wo man die Schwiegereltern besuchen sollte und eigentlich nicht will, aber um des lieben Friedens und so weiter es zähneknirschend dann doch tut, oder über minderkomischen Witze lacht, weil sie von Chef kommen oder was auch immer.
Aber dass Dein ganzes Leben Zwang ist, möchte ich für Dich nicht hoffen, meines ist es nicht.

ganimed hat geschrieben:Ich kann nicht wählen, wie ich lustig bin, sondern immer nur so, wie es mir von den Ursachen vorgegeben wird. Und ich kann auch nicht die Kriterien beliebig bestimmen. Die sind ja ebenfalls bereits festgelegt beim Urknall. Deine Annahmen stimmen irgendwie alle nicht.


Es könnte sein, dass feststand, dass das Brightsforum gegründet wird und Du Atheist wirst.
Aber wer hat Dich denn gezwungen hier mitzuschreiben?
Würdest Du Dich erst so richtig frei fühlen, wenn Du mit glühendem Eifer drei mal täglich beten würdest oder das Verlangen hättest? Hast Du das nicht irgendwie aus freien Stücken verworfen? Im Kopf überzeugter Bright und ansonsten glühender Katholik, das wäre ein bisschen schizo, aber doch nicht frei. Und selbst wenn Du Dich nur als große Rechenmaschine siehst, dann wirst Du das Ergebnis Deiner Berechnungen mit einiger Überzeugung vertreten und nicht einfach wie ein Schachcomputer ausspucken.
Du sagst mir ja hier im Grunde auch, dass meine Argumente Dich nicht überzeugen und Du darum nicht gewillt bist, Deine Meinung zu ändern.
Streng genommen dürftest Du gar nicht mit mir diskutieren – und das ist ein weiterer Selbstwiderspruch – weil, wenn du allen Ernstes glaubst, dass niemand von uns seine Meinung ändern aufgrund von Argumenten ändern kann, die Diskussion sinnlos wäre.
Die Brights versuchen aber gerade argumentativ zu überzeugen und wenn das nicht nur Beschäftigungstherapie ist, dann setzen sie ja dabei auf de Kraft der Argumente, die, wenn alles determiniert und unter Zwang wäre, keinerlei Relevanz hätten.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Do 29. Dez 2011, 21:31

Vollbreit hat geschrieben:Ein starrer und absoluter Begriff der Freiheit, wie der von Schmidt-Salomon (es gibt überhaupt keine) oder Sartre (der Mensch ist zur Freiheit verdammt und immer frei) verliert diese Dynamik von mehr oder weniger Freiheit, die man im Alltag schlicht sieht.

Was wir im Alltag schlicht sehen ist eine Illusion. Niemand bestreitet, dass es diese Illusion gibt und sie übrigens trotz besseren Wissens auch erhalten bleibt, weil unser Gehirn nunmal so arbeitet. Ich hielte es aber für abwegig, über die Existenz dieser Illusion nun zu schlußfolgern, dass starre Freiheitsbegriffe falsch sind. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Starre Freiheitsbegriffe haben eben deshalb größere Chancen, richtig zu sein, weil sie sich nicht von einer Illusion verbiegen lassen.


Vollbreit hat geschrieben:Einverstanden, dann erklär‘ mir den Unterschied dieses Freiheitsbegriffs von der Willkür, die fallen nämlich hier vollkommen zusammen.

Was meinst du mit Willkür? Wenn damit purer Zufall gemeint ist oder Akausalität (beides gibt es in einer deterministischen Welt nicht), dann stimme ich zu, die beiden Begriffe fallen zusammen.


Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Meine Frage dazu: wovon ist der freie Wille bei den Kompatibilisten frei?

Von Zufall, Willkür und Irrationalität.

Gute Antwort. Ich muss einsehen, meine Frage war noch nicht auf dem Punkt. Ich versuche es nochmal: Was sieht der Kompatibilist bei seinem freien Willen als den Freiheitsgrad, den Spielraum, die Möglichkeit für Alternativen?
Ich sehe nämlich keinen Spielraum, weil ja, wie wir uns einig sind, im Determinismus alles von Ursachen festgelegt ist. Und meinem Sprachverständnis nach, wäre mit Freiheit genau ein Freiheitsgrad gemeint, genau das auch anders können, eine Alternative haben.
Wenn ich zu jemandem sage: "du hast die freie Wahl." Glaubst du wirklich, der versteht mich so, dass er nun ohne Zufall, Willkür oder Irrationalität wählen darf? Nein, natürlich ist mit freier Wahl gemeint, dass man ohne Zwang zwischen verschiedenen Alternativen wählen kann. Aber genau das ist im Determinismus nicht möglich. Bei bestimmten ursächlichen Faktoren gibt es immer nur genau eine Wahl. Unfreier geht es nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Und das willst Du ins Klo schütten, zugunsten der öden Geschichte vom unfreien Willen, die noch nicht mal logisch konsistent ist?

Was war nochmal logisch inkonsistent an der Geschichte vom unfreien Willen?

Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube also, dass Du im praktischen Leben ganz selbstverständlich verschiedene Grade an Freiheit, Rationalität, Reflexionsvermögen unterstellst, es aber in der Theorie leugnest, das wäre ein performativer Selbstwiderspruch.

Das was wir im praktischen Leben als Freiheit erleben und benennen, bezeichne ich als eine Illusion (vom Gehirn geschaffen). Die Illusion ist real. Aber in der Tat, kann man sich wenigstens in der Theorie davon lösen und die Illusion als Illusion entlarven. Ich sehe also keinen Selbstwiderspruch, sondern einfach nur zwei Ebenen.

Ich war schon fleißig dabei, auf viele deiner Fallbeispiele und Argumente zu antworten (Meteor, lernendes Kind; gewählter Urlaub oder Kidnapping; viel Schokolade oder weniger; Hotel umbuchen; Diskursfähigkeit; Rückkopplung; Lernfähigkeit; Intention,...) aber mir fällt auf, dass ich, soweit ich sehe, alle diese Argumente auf immer dieselbe Art beantworten kann: Du selber hast vorgeschlagen, eine deterministische Welt anzunehmen. Und in dieser Welt ist per Definition alles kausal festgelegt. Jede menschliche Entscheidung auch. Und jeder Diskurs, jedes Lernen, jede Meinung, einfach alles. Insofern erscheinen mir deine Argumente mit Komplexität und anderen Besonderheiten des menschlichen Entscheidungsprozesses alle hinfällig. Oder übersehe ich da was? Determiniert heißt determiniert, heißt zu 100% abhängig von ursächlichen Faktoren, heißt: bei gleichen Faktoren kommt immer dasselbe raus. Oder?

Deine Argumente machen erst Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Freiheit anders definiert wird als ich es tue. Aber genau darum streiten wir ja, wenn ich richtig verstehe. Wieso ist mein Freiheitsbegriff falsch? Deine Argumente, die davon ausgehen, dass er falsch ist, helfen da nicht. Vielleicht kommen wir weiter mit der Frage von oben: was ist deiner Meinung nach logisch inkonsistent an der Geschichte vom unfreien Willen?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Do 29. Dez 2011, 21:44

@ Vollbreit

Ignorierst Du eigentlich mit Absicht, was ich hier schreibe? :explodieren:
Du schmeißt hier einfach weiterhin freier Wille und persönliche Freiheit in einen Topf. Der Wille ist nicht die Person, also ist ein freier Wille auch keine persönliche Freiheit, das habe ich doch schon lang und breit erklärt, worauf Du aber wohl anscheinend nicht mehr eingehen möchtest.
Und dass Willkür und freier Wille Synonyme sind habe ich auch schon mehrfach erwähnt, auch das ignorierst Du einfach (damit argumentierst Du auch nur, dass der freie Wille und die Handlungsfreiheit zwei verschiedene Dinge sind, aber das ist glaube ich für keinen hier was neues).

Ob Du oder AgentProvocateur meinen, dass man nicht sinnvoll fragen kann, ob ein Wille frei ist, sondern nur, ob es eine Person ist, ist mir ziemlich egal, denn dann dürft Ihr auch gar nicht vom freien Willen sprechen und dementsprechend sind Eure Ansichten dann für die Diskussion über einen freien Willen irrelevant.
So wie hier aber damit rumargumentiert wird ist das pure Eristrik und langsam nervt mich das richtig, weil ich mich richtig verarscht vorkomme und ich mich frage, warum ich mir hier überhaupt die Mühe mache, wenn eh nur stur immer wieder der gleiche Mist wiederholt wird. :down:
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 30. Dez 2011, 01:28

Teh Asphyx hat geschrieben:Du schmeißt hier einfach weiterhin freier Wille und persönliche Freiheit in einen Topf. Der Wille ist nicht die Person, also ist ein freier Wille auch keine persönliche Freiheit, das habe ich doch schon lang und breit erklärt, worauf Du aber wohl anscheinend nicht mehr eingehen möchtest.

Und ich habe schon lang und breit erklärt, dass nicht ein Wille, eine Entscheidung, eine Handlung für sich gesehen frei sein kann, da dies keine unabhängigen, für sich existierenden Entitäten sind.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ob Du oder AgentProvocateur meinen, dass man nicht sinnvoll fragen kann, ob ein Wille frei ist, sondern nur, ob es eine Person ist, ist mir ziemlich egal, denn dann dürft Ihr auch gar nicht vom freien Willen sprechen und dementsprechend sind Eure Ansichten dann für die Diskussion über einen freien Willen irrelevant.

Und mir ist es ziemlich egal, wenn jemand meint, dass ein Wille ein Ding für sich wäre, damit kann ich schlicht nichts anfangen, das halte ich für völlig unsinnig. Ebensowenig ist eine Handlung ein Ding für sich, existiert genausowenig ohne Bezug zu einer Person.

Oder argumentierst Du genauso bezüglich Handlungsfreiheit? Hat eine Handlung auch nichts mit einer Person zu tun? Kann man sinnvoll fragen, ob eine Handlung an sich frei sein kann und ist sie automatisch unfrei, wenn es die Handlung einer Person ist, weil dann nicht mehr völlig unabhängig, sondern von der Person abhängig?

Zur Irrelevanz: ich habe mir oben die Mühe gemacht, mal ein paar Begriffsklärungen aus philosophischen Artikeln aufzulisten, hier nochmal, diesmal mit Übersetzungen:

Philosophie verständlich

In der Willensfreiheitsdebatte geht es um zwei Fragen:

* Um die begriffliche Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Entscheidung als frei angesehen werden kann, und
* um die faktische Frage, ob diese Bedingungen in unserer Welt tatsächlich erfüllt sind.

Wikipedia - Free Will Free will is the apparent ability of agents to make choices free from certain kinds of constraints.
Freier Wille ist die anscheinende Fähgkeit von Handelnden, Entscheidungen frei von bestimmten Beschränkungen zu treffen.
SEP - Free Will “Free Will” is a philosophical term of art for a particular sort of capacity of rational agents to choose a course of action from among various alternatives. Which sort is the free will sort is what all the fuss is about.
"Freier Wille" ist ein philosophischer Fachbegriff für eine bestimmte Art von Fähigkeit rational Handelnder einen Handlungsablauf zwischen verschiedenen Alternativen auszuwählen. Welcher Art diese Fähigkeit ist - darum geht der Streit.
IEP - Free Will Let us then understand free will as the capacity unique to persons that allows them to control their actions.
Lasst uns dann freier Wille verstehen als die Personen einzigartige Fähigkeit, die es ihnen erlaubt, ihre Handlungen zu kontrollieren.
REP - Free Will 'Free will' is the conventional name of a topic that is best discussed without reference to the will. Its central questions are 'What is it to act (or choose) freely?', and 'What is it to be morally responsible for one's actions (or choices)?'
"Freier Wille" ist die gebräuchliche Bezeichnung für ein Thema, das am besten ohne Bezug auf den Begriff 'Willen' behandelt wird. Seine zentralen Fragen sind: "Was bedeutet es, frei zu handeln (oder zu entscheiden)?" und "Was bedeutet es, moralisch verantwortlich für seine Handlungen (oder Entscheidungen) zu sein?"
Peter van InwagenThe free-will thesis is the thesis that we are sometimes in the following position with respect to a contemplated future act: we simultaneously have both the following abilities: the ability to perform that act and the ability to refrain from performing that act.
Die "freier-Wille-These" ist die These, dass wir manchmal in folgender Situation in Bezug zu einer vorgestellten zukünftigen Handlung sind: wir haben sowohl die Fähigkeit, die Handlung auszuführen, als auch die Fähigkeit, die Handlung nicht auszuführen.


Teh Asphyx hat geschrieben:So wie hier aber damit rumargumentiert wird ist das pure Eristrik und langsam nervt mich das richtig, weil ich mich richtig verarscht vorkomme und ich mich frage, warum ich mir hier überhaupt die Mühe mache, wenn eh nur stur immer wieder der gleiche Mist wiederholt wird. :down:

Mir scheint nun aber, anhand der Zitate oben, dass Deine Ansicht irrelevant ist, denn Du scheinst dazu keinen Berührungspunkt zu haben, zumindest sehe ich den nicht. Das wäre aber wichtig, denn sonst hättest Du das Thema verfehlt, dann würdest Du über etwas anderes reden als diese Philosophen. Was zwar per se noch kein Problem wäre, man kann ja über jedes beliebige Thema reden. Nur müsste man die Relevanz dessen darstellen, um andere dafür zu interessieren. Und man müsste zugestehen, dass man über etwas anderes redet und über etwas anderes reden möchte.

Jeder kann definieren, wie immer er will:

1. Freier Wille ist, wenn die Naturgesetze verletzt werden.
2. Freier Wille ist, wenn man das tut, was man nicht tun will.
3. Freier Wille ist, wenn man man irgendwas von allem Unabhängiges, d.h. etwas völlig Zufälliges will (und tut).

Kann man zwar, wie gesagt, tun, aber wieso sollte man? Und wieso sollte das jemanden interessieren, wo ist der Zusammenhang zu dem philosophischen Thema "Willensfreiheit" und wo ist die Relevanz, für was und wieso ist das relevant?

Meine Vermutung ist: die Frage, ob Menschen völlig zufällige (aus dem Nichts kommende) Entscheidungen und Handlungen durchführen (können), tangiert niemand wirklich. Bzw. das interessiert nur insofern, als man das nicht möchte. Niemand (zumindest kaum jemand) möchte eine Marionette des unkalkulierbaren und unkontrollierbaren Zufalls sein. Ich vermute auch, dass die meisten Leute das als Unfreiheit ansehen würden. So wie jemand mit Tourette-Syndrom, der unkontrollierbare Ticks und Zuckungen hat. Der soll deswegen frei sein? Ich meine nicht.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Fr 30. Dez 2011, 09:30

ganimed hat geschrieben:Was wir im Alltag schlicht sehen ist eine Illusion. Niemand bestreitet, dass es diese Illusion gibt und sie übrigens trotz besseren Wissens auch erhalten bleibt, weil unser Gehirn nunmal so arbeitet. Ich hielte es aber für abwegig, über die Existenz dieser Illusion nun zu schlußfolgern, dass starre Freiheitsbegriffe falsch sind. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Starre Freiheitsbegriffe haben eben deshalb größere Chancen, richtig zu sein, weil sie sich nicht von einer Illusion verbiegen lassen.


Was heißt denn Illusion? Was Du meinst ist ein Konstrukt, aber ich nehme an, dass Du kein Solipsist bist, oder?

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Einverstanden, dann erklär‘ mir den Unterschied dieses Freiheitsbegriffs von der Willkür, die fallen nämlich hier vollkommen zusammen.


Was meinst du mit Willkür? Wenn damit purer Zufall gemeint ist oder Akausalität (beides gibt es in einer deterministischen Welt nicht), dann stimme ich zu, die beiden Begriffe fallen zusammen.


Ich meinte Willkür, das bedeutet für mich, vollkommen grundlos und irrational zu agieren.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Meine Frage dazu: wovon ist der freie Wille bei den Kompatibilisten frei?


Von Zufall, Willkür und Irrationalität.


Gute Antwort. Ich muss einsehen, meine Frage war noch nicht auf dem Punkt. Ich versuche es nochmal: Was sieht der Kompatibilist bei seinem freien Willen als den Freiheitsgrad, den Spielraum, die Möglichkeit für Alternativen?
Ich sehe nämlich keinen Spielraum, weil ja, wie wir uns einig sind, im Determinismus alles von Ursachen festgelegt ist.


Vorsicht, Du bist dabei wieder beides zu vermengen, was die Kompatibilisten getrennt haben wollen.
Ja, es ist alles festgelegt, aber der Spielraum der Freiheit (des Willens) ist sehr groß, prinzipiell nahezu unbegrenzt.

ganimed hat geschrieben: Und meinem Sprachverständnis nach, wäre mit Freiheit genau ein Freiheitsgrad gemeint, genau das auch anders können, eine Alternative haben.


Auch anders wollen können, das kannst Du ja. Eigentlich möchtest Du in Hotel A, aber das ist abgebrannt, oder der Besitzer hat gewechselt und alles ist schlechter, das wissend, buchst Du um, Hotel B. Du kannst also anders. Zu dem Zeitpunkt wo Hotel A gebucht hast, war das aber völlig rational. Irrational wäre zu sagen: „Schatz, hier gibt es ein Hotel, 4 Sterne, guter Koch, super Lage, saubillig. Und ein anderes, 2 Sterne, mieser Koch, Hauptverkehrsstraße und fast gleich teuer. Wir nehmen das 2 Sterne Ding.“ Wenn Du einen schönen Urlaub mit Deiner Holden willst und dann Nummer 2 nimmst, bist Du in Erklärungsnot. Warum sollte es ein Ausdruck von Freiheit sein, das schlechtere zu wählen, was nach den eigenen Kriterien schlechter ist?

ganimed hat geschrieben: Wenn ich zu jemandem sage: "du hast die freie Wahl." Glaubst du wirklich, der versteht mich so, dass er nun ohne Zufall, Willkür oder Irrationalität wählen darf?


Warum nicht? Steht man vor einem Buffet, ist man ja in der Situation und nimmt in der Regel, was einem schmeckt. Wo ist das Problem?

Nein, natürlich ist mit freier Wahl gemeint, dass man ohne Zwang zwischen verschiedenen Alternativen wählen kann. Aber genau das ist im Determinismus nicht möglich. Bei bestimmten ursächlichen Faktoren gibt es immer nur genau eine Wahl. Unfreier geht es nicht.


Wieso denn das? Du packst Dir Deinen Teller turmhoch mit allen Leckereien voll und gut ist.
Determiniert heißt doch nicht, dass Du nur eine Scheibe Knäcke bekommst. Du kannst auch dreimal gehen und bis zur Herzrhythmusstörung stopfen, es wäre halt nur determiniert.
Würdest Du die Asketenummer durchziehen, wäre auch das determiniert gewesen, aber dennoch kannst Du doch wählen, was Du willst.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und das willst Du ins Klo schütten, zugunsten der öden Geschichte vom unfreien Willen, die noch nicht mal logisch konsistent ist?


Was war nochmal logisch inkonsistent an der Geschichte vom unfreien Willen?


1. Er ist nicht falsifizierbar.
2. Wir schreiben in der realen Welt unterschiedliche Grade von Freiheit zu. Diese Begriff benutzen wir nicht willkürlich sondern begründet. Wenn es keine Freiheit gibt, ist dieser Begriff aber willkürlich.
Dann müsstest Du erklären, warum der Grad des Wollens von Daniel Dennett vollkommen gleichwertig mit dem einer Amöbe ist, der Begriff also tatsächlich sinnlos ist.

ganimed hat geschrieben: Das was wir im praktischen Leben als Freiheit erleben und benennen, bezeichne ich als eine Illusion (vom Gehirn geschaffen). Die Illusion ist real.


Eine Illusion ist nicht real, sondern eine Illusion.

ganimed hat geschrieben: Aber in der Tat, kann man sich wenigstens in der Theorie davon lösen und die Illusion als Illusion entlarven. Ich sehe also keinen Selbstwiderspruch, sondern einfach nur zwei Ebenen.


Du meinst damit, dass es eine Ebene gibt, auf der unser Hirn uns etwas vorgaukelt, es aber gelingen kann, aufgrund der bekannten Faktenlage diese Gaukelei zu durchschauen, so?
Diese Idee, bei der man immer aufpassen muss nicht in einen Solipsismus zu rutschen, hat ein massives Problem.
Gesetzt, wir nehmen die Umwelt tatsächlich nicht so wahr, wie sie wirklich ist. Dann rekurriert dieses „nicht so, wie sie wirklich ist“ darauf, dass jemand weiß, wie sie wirklich ist. Wie kann das gehen, hat dieser Mensch, der das behauptet, kein Gehirn (was ihm Illusionen vorspielt)?
Der Einwand noch mal aus anderer Perspektive: Wenn wir unsere Umwelt illusionär erleben, worauf berufen sich eigentlich die Hirnforscher, die uns das erzählen? Auf die empirischen Daten, die sie gewonnen und interpretiert haben. Aber warum sollte die Wahrnehmung dieser Daten – wenn wir doch nichts in der Welt illusionsfrei wahrnehmen können – nicht auch eine Illusion sein? Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, wäre durch und durch Illusion, außer den Daten, den Bildern, die wir von Gehirnen enthalten, die sind vollkommen real. Da liegt der Widerspruch.

ganimed hat geschrieben: Ich war schon fleißig dabei, auf viele deiner Fallbeispiele und Argumente zu antworten (Meteor, lernendes Kind; gewählter Urlaub oder Kidnapping; viel Schokolade oder weniger; Hotel umbuchen; Diskursfähigkeit; Rückkopplung; Lernfähigkeit; Intention,...) aber mir fällt auf, dass ich, soweit ich sehe, alle diese Argumente auf immer dieselbe Art beantworten kann: Du selber hast vorgeschlagen, eine deterministische Welt anzunehmen. Und in dieser Welt ist per Definition alles kausal festgelegt.


Ja.

ganimed hat geschrieben:Jede menschliche Entscheidung auch. Und jeder Diskurs, jedes Lernen, jede Meinung, einfach alles.


Ja.

ganimed hat geschrieben: Insofern erscheinen mir deine Argumente mit Komplexität und anderen Besonderheiten des menschlichen Entscheidungsprozesses alle hinfällig. Oder übersehe ich da was? Determiniert heißt determiniert, heißt zu 100% abhängig von ursächlichen Faktoren, heißt: bei gleichen Faktoren kommt immer dasselbe raus. Oder?


Ja, genau das heißt es.

ganimed hat geschrieben: Deine Argumente machen erst Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Freiheit anders definiert wird als ich es tue.


Das wird vermutlich so sein.

ganimed hat geschrieben: Aber genau darum streiten wir ja, wenn ich richtig verstehe. Wieso ist mein Freiheitsbegriff falsch?


Zunächst, kannst Du Dir ja nicht vorstellen, dass es Freiheit überhaupt gibt, also hast Du eigentlich gar keinen Freiheitsbegriff.
Der für Dich in Frage käme, wäre einer in dem der Wille vollkommen frei von Ursachen wäre (das wäre der der Libertarier), aber eigentlich ist das gar nicht Deiner, denn Willkür, Zufall und Irrationalität sind für Dich auch keine sehr glücklichen Komponenten für die Freiheit des Willens.
Du müsstest also versuchen, mal kurz davon zu abstrahieren, dass es für Dich eigentlich keine Freiheit gibt und dann versuchen einen brauchbaren Begriff von Freiheit zu definieren.
Aus Deiner Antwort meine ich zu erkennen, dass Du bis zu einem bestimmten Zeitpunkt durchaus der Meinung warst, dass Du ein Mensch warst, der meinte, dass er frei entscheidet. Dann hast Du ein paar Bücher über Hirnforschung gelesen und bist nicht mehr so sicher oder glaubst sogar, dass es anders ist.
Geh mal in Gedanken zu der Zeit, in der Du überzeugt warst einen freien Willen gehabt zu haben und schau mal, wie Du da argumentiert hättest.
Wenn Irrationalität, Zufall und Willkür keine Grundlage für einen freien Willen sind, dann könnten Rationalität und Konsistenz gute Kandidaten sein. Dafür brauchst Du eigentlich nur Gründe für Dein Handeln und Wollen angeben zu können. Die müssen nicht immer stimmen, es muss nur so sein, dass Du überzeugt bist, dass es so ist. Wenn Du überzeugt bist, dass Du das, was Du tust, denkst, willst und fühlst, magst und nicht magst aus freien Stücken willst, wer könnte Dir absprechen, dass Du frei bist?
Man könnte es Dir absprechen wenn Du krank oder süchtig bist oder erkennbar unter Zwang stehst, aber wenn Freiheit einen Sinn hat, dann den, dass derjenige, der etwas will, das Gefühl hat, es aus freien Stücken und nach reiflicher Überlegung, bei allem Für und Wider zu authentisch zu wollen. Und wer wollte das, aus welchem Grund, bezweifeln? Man mag entsetzt sein, wenn jemand nicht mehr leben will oder in eine Sekte eintreten will. Aber wenn Du sagst, dass Du aus der Kirche austreten willst, dann mag Dich ein religiöser Fundamentalist für besessen halten, aber ich glaube, Du würdest drauf pochen, dass Du für Deine Wahl gute Gründe hast…?

ganimed hat geschrieben: Deine Argumente, die davon ausgehen, dass er falsch ist, helfen da nicht. Vielleicht kommen wir weiter mit der Frage von oben: was ist deiner Meinung nach logisch inkonsistent an der Geschichte vom unfreien Willen?


Habe ich, wie Du gelesen hast, oben beantwortet.



Teh Asphyx hat geschrieben:Du schmeißt hier einfach weiterhin freier Wille und persönliche Freiheit in einen Topf. Der Wille ist nicht die Person, also ist ein freier Wille auch keine persönliche Freiheit, das habe ich doch schon lang und breit erklärt, worauf Du aber wohl anscheinend nicht mehr eingehen möchtest.


Um welche Freiheit, wenn nicht um die des Menschen, also einer Person, soll es bei der Diskussion denn gehen?

Teh Asphyx hat geschrieben:Und dass Willkür und freier Wille Synonyme sind habe ich auch schon mehrfach erwähnt, auch das ignorierst Du einfach (damit argumentierst Du auch nur, dass der freie Wille und die Handlungsfreiheit zwei verschiedene Dinge sind, aber das ist glaube ich für keinen hier was neues).


Willkür und freier Wille Synoyme? Da halte ich für groben Unfug.
Wenn Freiheit heißt, mich entscheiden zu können, wie ich will, dann brauche ich Gründe und keine Willkür, sonst entscheide ich nämlich nicht wie ich will, sondern wie ein Zufallsgenerator will.
Meine Entscheidung mag anderen willkürlich vorkommen, weil meine Prämissen vielleicht anders sind, als die vieler anderer, aber dennoch wäre der Schluss rational, auch wenn andere sagen: Das kannst du doch nicht ernsthaft wollen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » Fr 30. Dez 2011, 10:53

Vollbreit hat geschrieben:Um welche Freiheit, wenn nicht um die des Menschen, also einer Person, soll es bei der Diskussion denn gehen?


Um die Freiheit eines bestimmten Teils der Person, nämlich der des Willens. Die Person als ganzes muss nicht frei sein, nur weil es der Wille ist.

Vollbreit hat geschrieben:Willkür und freier Wille Synoyme? Da halte ich für groben Unfug.


Du kannst das für das halten, was Du willst, ich stütze mich jedenfalls auf gängige Etymologie. Mach Dir ruhig Deine eigene Welt, damit Du immer schön Recht behältst, ist mir egal, nur wird mir dann das Gespräch zu lächerlich. Schade, da ich eigentlich den Eindruck hatte, dass Du nicht so drauf bist …

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Freiheit heißt, mich entscheiden zu können, wie ich will, dann brauche ich Gründe und keine Willkür, sonst entscheide ich nämlich nicht wie ich will, sondern wie ein Zufallsgenerator will.


Nein, das mit dem Zufallsgenerator ist Unsinn. Damit externalisierst Du wieder die Ursache der Entscheidung und machst sie somit wieder determiniert. Ich sprach aber von einem kontingenten Akt des Subjekts (http://de.wikipedia.org/wiki/Kontingenz_(Philosophie)).

Dieses Argument von Dir ist auch deshalb Bullshit, weil Du immer wieder darauf ausweichst, dass es ja das nicht sein kann, also müsse es ja zwangsläufig das andere sein. So läuft das aber nicht. Du musst erklären, warum Deine Position richtig ist und nicht, warum andere falsch sind, indem Du diese dann auch noch völlig verdrehst. Ich weiß echt nicht, was ich noch machen soll, Du scheinst da so verbohrt drin zu sein, dass das alles nichts nützt. Bist Du so von dieser Position überzeugt worden, indem man den gleichen Schwachsinn so oft wiederholt hat, bist Du resigniert hast und dran glaubtest? Dann wach auf!

@ AgentProvocateur

Ich habe verschiedene Definitionen aus der deutschen Wikipedia geliefert, weil diese etwas umfangreicher ist und nicht nur die Definitionen aus dem britischen Empirismus kennt, was Dir aber, wie Du schriebst, ja nicht passt, weil für Dich jede Seite, die andere Definitionen anbietet, nicht zu gebrauchen sei. Damit will ich sagen, dass für mich Deine Links genausowenig Relevanz haben, so kommen wir also nicht weiter.

Ich gehe aber trotzdem zur Begründung noch mal kurz auf die Definitionen ein:

1. In der englischen Wikipedia steht übrigens nicht mehr „apparent“, das wurde aus gutem Grund rausgenommen. Determinismus ist eine Beschränkung.

2. Die SEP-Definition sollte „free choice“ und nicht „free will“ heißen. Ich kann auch etwas wollen, was ich nicht wählen kann.

3. Nein, der Wille ist nicht die Fähigkeit, die Handlungen zu kontrollieren, sondern die Vernunft.

4. Wollen die einen verarschen? Freien Willen ohne Bezug auf den Willen diskutieren? Tut mir leid, aber das kann ich nicht mal ansatzweise ernst nehmen.

5. Und wieder, was hat die Fähigkeit mit dem Willen zu tun? Das ist doch eine Vernunftsentscheidung, ich kann auch etwas wollen und mich trotzdem dagegen entscheiden.

Diese Zitate sind also allesamt irrelevant. Mir ist das egal, worüber diese Philosophen reden, weil diese Philosophen nicht die einzigen sind und die, wie ich schon sagte, eine Weltsicht haben, in der es gar keinen Willen geben kann, weswegen ich mit denen auch nicht über einen freien Willen diskutieren würde. Die wollen nur aus juristischen Gründen an diesem Begriff festhalten und müssen deshalb Theoriefindung betreiben, das ist alles.

Ob jemand eine Marionette des Zufalls sein möchte oder nicht, ist doch scheißegal. Was spielt das für die Frage für eine Rolle, was irgendwer möchte? Oder geht es nur darum? Ich kann mir hier die Finger wundschreiben, aber es auch genauso lassen, weil Kompatibilisten sich eh die Welt so machen, wie sie möchten? Dann sag das doch gleich, das spart mir eine Menge Zeit.
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