Vollbreit hat geschrieben:Das nur bedingt, Klassen haben wir bei uns nicht, auch ein armer arbeitsloser Mensch könnte Frau Merkel verklagen, alle haben die gleichen Rechte (außer wenn es um Kredite fürs Haus geht. )
Das sind Formalitäten. Faktisch haben wir immer noch Klassen. Ich habe keine Ahnung, aus was für Verhältnissen Du kommst und wie Dein Leben sich so gestaltet hat, aber ich bekomme das ziemlich gut zu spüren (und habe mich trotzdem ziemlich über meine Verhältnisse hinaus entwickelt, aber es war und ist ein harter Kampf, anderen wird das von Geburt an in den Schoß gelegt und ich bin auch noch lange nicht da, wo ich hinwill).
Was soll mir das mit der Klage bringen? Alle haben die gleichen Rechte, aber manchen nützen diese Rechte auf sehr vorteilhafte Weise und dem anderen sind sie sehr zum Nachteil. Die Frage bleibt doch, wem das tatsächlich nützt.
Vollbreit hat geschrieben:Weil Dir diese Normen erst mal irgendwelche doofen Gründe dafür liefern, warum Du so und so zu sein hast und weil selbst ein primitives „Gott will das nicht“ oder „Ich, Dein Vater will das nicht, basta!“ erst mal dazu führt, dass man die Wohnung nicht abfackelt, den Hund nicht quält und sonst was.
Mag ja sein, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, den gleichen Effekt zu erzielen, das ist noch lange kein Grund daran festzuhalten. Wo ist das Problem, den Sachverhalt einfach zu erklären? Du kannst ja als Vater etwas nicht wollen, aber Du kannst auch den Grund nennen und nicht einfach nur basta sagen, was ist daran so problematisch? Du kannst doch defensive Grenzen setzen.
Vollbreit hat geschrieben:Irgendwann bekommt man mit, dass das mit dem lieben Gott vielleicht eher fragwürdig ist, dass der Vater auch nur ein Mensch ist, der Fehler begeht und so weiter, aber auch wenn man die ersten 12 Jahre nur nach diesen Regeln funktioniert hat, es ist ja gut, dass man dann nicht das Haus angezündet, den Rottweiler gequält hat (der kann sich wehren), oder an der Nadel hängt.
Es funktioniert aber leider nicht so einfach. Wenn der Grund nicht plausibel ist, wird sich jedes Kind irgendwann von der „Sünde“ versucht fühlen, schon allein, weil es verboten ist. Klingt vielleicht erstmal kontraintuitiv, ist aber tatsächlich so.
Es tritt nach 12 Jahren dann auch nicht einfach der Fall ein, dass ein Jugendlicher anfängt zu reflektieren, wenn er als Kind so erzogen wurde, wird er diese Fähigkeit kaum haben. Er wird nur irgendwie merken, dass irgendwie irgendwas nicht stimmt und anfangen sich aufzulehnen, wird aber nicht die richtigen Gründe sehen, sondern sich andere Gründe suchen und anfangen sich destruktiv zu verhalten. Habe ich schon zu oft erlebt.
Vollbreit hat geschrieben:Dass die Gründe allesamt defizitär sind, okay, aber nach dem Sturm der ersten Entrüstung, die dazugehört, kann man sich dann schon Fragen, ob es denn wirklich so dämlich ist, das Haus nicht anzuzünden oder den Hund nicht zu quälen.
Man könnte, aber wird nicht, wenn die eigene Fähigkeit zur Reflexion nicht ernst genommen wurde, weil die dadurch verkümmert.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Eltern mit ihren dreijährigen Kindern diskutieren, wie mit Erwachsenen, stehen mir die Haare zu Berge, die Ergebnisse sieht man, wenn Papa dann mit klein Malte im Bioladen einkauft.
Darum geht es ja gar nicht. Ein dreijähriges Kind hat meistens genug sprachliche Fähigkeiten, um plausible Erklärungen zu verstehen. Du wirst ihm ja nicht erklären müssen, warum die USA den Irak angreift, sondern eher, warum es nicht einfach auf die Straße rennen sollte.
Vollbreit hat geschrieben:Und ob Kinder, die an einer Schnellstraße wohnen wirklich alle Erfahrungen mal selbst machen sollten, damit sie was fürs Leben lernen, da wäre ich anderer Meinung.
Also hat ein Kind einfach Pech gehabt, wenn es in einer nicht kindgerechten Umgebung aufwächst und es ist dann gerechtfertigt, das Kind dafür zu strafen?
Vollbreit hat geschrieben:Dreijährige Kinder haben noch keine reflexive Einsicht, aber vielleicht ein Feuerzeug, ein Messer oder einen Rottweiler.
Doch, haben sie, wenn man es ihnen nicht von Anfang an verbaut. Kinder haben übrigens mehr Angst vor Feuer, scharfen Gegenständen und großen Hunden als Erwachsene.
Vollbreit hat geschrieben:Man kann natürlich auch phobisch alle Steckdosen vernageln, Hunde abschaffen, das Kind einsperren und es dann frei aufwachsen lassen, ich halte das aber auch nicht für richtig.
Na ja, Kindersicherungen in die Steckdose zu machen, ist sicher kein Fehler. Hunde und Kinder können wunderbar auch harmonisch zusammen aufwachsen, auch ohne Normen. Da sollte man vor allem drauf achten, dass der Hund richtig dressiert ist. Ein Hundehalter, der das nicht macht, ist bei mir eh unten durch.
Vollbreit hat geschrieben:Also reflexive Freiheit – die ich absolut befürworte – wächst nicht auf den Bäumen, sondern erwächst aus der Reflexion der zuvor gesetzten Struktur, wenn die fehlt, hängen die Kinder in der Luft, warst Du es nicht, der genau das kritisiert hat (oder bin ich jetzt im Forum verrutscht)?
Struktur ist ja so oder so da. Du hast ja ein strukturiertes Leben und wenn ein Kind dazu kommt, wird es automatisch in diese Struktur reinkommen. Diese Struktur muss ja aber nicht normiert sein, sie kann ja Deinen Reflexionen entsprungen sein, also wirst Du sie auch dem Kind plausibel erklären können. Wenn das Kind eigene Bedürfnisse hat, die sich damit nicht decken, dann kannst Du immer noch überlegen, wie weit Du auch bereit bist, Dich anzupassen, ohne dass Du dem Kind damit die „Vorherrschaft“ geben muss. Es gibt da sehr gute und sehr differenzierte Modelle und es ist natürlich immer erlaubt, das Leben des Kindes auch gegen den Willen des Kindes zu schützen (wenn es zum Beispiel auf die Straße rennen will), man sollte nur dann das Kind verstehen lassen, warum man das getan hat.
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe Vertrauen, aber nicht in das Reflexionsvermögen von kleinen Kindern. Ein wenig Piaget und man ist kuriert.
Ein wenig Lacan und man ist von Piaget kuriert. Piaget hat nur an seinen eigenen Kindern geforscht, hat nur dummerweise nicht in Frage gestellt, wie weit sein Umgang mit ihnen schon ihr Verhalten und auch ihr Reflexionsvermögen beeinflusst hat. Er konnte also gar nicht unvoreingenommen an die Sache herangehen. Irgendwie ist das ganze bei ihm tautologisch.
Vollbreit hat geschrieben:Deshalb muss man Kinder erziehen, idealerweise so, dass die Regeln auch hier klar und nicht willkürlich sind und eingehalten werden müssen, ohne sadistisch oder drangsalierend zu ein.
Nein, man muss Kinder begleiten, nicht erziehen (vielleicht willst Du auch darauf hinaus, aber ich reagiere auf „Erziehung“ echt allergisch). Regeln sollte es immer geben, das ist klar. Auch Grenzen, aber defensive Grenzen, keine aggressiven Grenzen. Und es ist erlaubt, Kinder vor starken Gefahren durch eine intervenierende Handlung zu schützen, auch wenn es gegen den Willen des Kindes geschieht, das ist aber für mich noch keine Manipulation, sondern ein Verhalten, dass man generell seinen Mitmenschen gegenüber an den Tag legen sollte.
Vollbreit hat geschrieben:Die Psychologie weiß heute, dass Unterstrukturierung um Längen schlimmer ist, als Überstrukturierung, aber beides ist nicht gut. Zum Glück ist die Mitte aber recht breit, so dass Erziehung eine solide Basis hat und kein Drahtseilakt ist. Umso schlimmer, dass sie dennoch oft schief geht.
Wenn Eltern für sich selbst schon keine Struktur haben, ist das immer ein Problem. Solche Eltern können Kindern aber auch nicht wirklich die Vorzüge eines strukturierten Lebens beibringen, wenn sie es nicht selbst leben können. Das ist keine Frage der richtigen Erziehungsmethode, sondern eine Frage dessen, was Eltern überhaupt für ihre Kinder bieten können. Deswegen finde ich es auch generell begrüßenswert, wenn Kinder nicht nur an ihre Eltern als Bezugspersonen gebunden sind, sondern ein größeres soziales Umfeld haben, auch mit unterschiedlichen Strukturen, damit sie sehen können, dass es da verschiedene Präferenzen gibt und sie eben tatsächlich darüber reflektieren können.
Vollbreit hat geschrieben:Eigene spirituelle Erfahrungen gemacht zu haben statt nur davon gehört oder gelesne zu haben.
Klingt so erstmal sehr schwammig für mich.
Vollbreit hat geschrieben:Teh Asphyx hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Ist ja wurscht, ich will Dich ja nicht kritisieren, sondern nur aufzeigen, dass Du innehalten und Dich anders entscheiden könntest, in welche Richtung nun auch immer.
Ja, aber was ändert das? Wenn der Irre tot ist, ist er tot. Daraus folgt an sich nichts.
Was es ändert, dass Du Dich entscheiden kannst? Das ist Deine Freiheit.
Du hast gesagt, dass daraus folgt, dass ich auch für Strafe sein müsste, ich habe Dich gefragt, woraus Du das da folgerst, also beantworte bitte einfach die Frage und stelle mir keine Gegenfrage, die damit nichts mehr zu tun hat.
Vollbreit hat geschrieben:Du hast es doch oben selbst erwähnt, nicht jeder sieht alles ein.
Doch, er sieht etwas ein, aber nicht das gleiche wie Du. Warum ist Deine Position besser und rechtfertigt, dass Du Gewalt gegen die Person ausüben darfst?
Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich Dir Selbstjustiz durchgehen lasse, warum den türkischen Vater, der sich in seiner Ehre verletzt fühlt, weil seine Tochter aus der Reihe tanzt, nicht? Warum der Rockergruppe, die einen Abtrünnigen ermordet nicht? Warum sollte ich irgendwen nicht erschießen, weil ich gerade meine, dass der es nicht verdient hat zu leben, weil der doofe Ansichten hat? Ein Grund findet sich immer.
Wenn ich das aber prinzipiell nicht will, dann kann ich Dir Deine Selbstschutzmotive, die ich gut verstehe, dennoch nicht durchgehen lassen.
Weil das völlig verschiedene Dinge sind (was meinst Du, warum es Notwehr gibt?). Allerdings machst Du es Dir hier auch für jemanden, der sich mit Psychologie ein wenig auskennt, viel zu einfach. Die angeblichen Gründe, die Du hier lieferst sind ja nicht die wirklich Gründe (sonst würde jeder jeden töten, der andere Ansichten hat, da es nur manche tun, muss es da noch andere Gründe geben).
Vollbreit hat geschrieben:Dann bist Du für Selbstjustiz und ich würde zusehen, dass Du, um diesen Unsinn nicht ernsthaft verbreiten zu können, möglichst keinen einflussreichen Posten bekommst. Ich würde ich also mit allen demokratischen Mitteln an dieser Stelle bekämpfen.
Du würdest also mit Gewalt gegen mich vorgehen als letzte Begründung für Deine Ansicht?
Ich bin allerdings nicht für Selbstjustiz, die Tötung des „Irren“ hat mit Justiz nichts zu tun, sondern damit, dass ich in dem Moment keine andere Möglichkeit mehr sehe, meine Liebsten zu schützen. Ich richte nicht über ihn.
Vollbreit hat geschrieben:Teh Asphyx hat geschrieben:Was sollte Strafe da ändern?
Dasselbe wie bei Dir.
Also gar nichts? Na toll.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich ein schlechtes Vorbild bin, habe ich Strafe verdient (wenn ich dafür bin, dass alle Gewalt von Staat ausgeht und das bin ich hier und jetzt) und vielleicht bin ich in einer emotionalen Ausnahmesituation in der Lage das abzuwägen. Vielleicht aber auch nicht, das weiß ich erst, wenn ich in die Lage gerate, also hoffentlich nie.
Bist Du irgendwie masochistisch veranlagt oder so?
Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich dann sage, dass ich zwar grundsätzlich ein Anhänger des staatlichen Gewaltmonopols bin, aber doch bitte bei mir eine Ausnahme gemacht werden sollte, weil es mir in der Situation wirklich mies ging, mit welchem Recht sollte ich das dem türkischen Vater absprechen, der leidet auch wirklich und fühlt sich entehrt?
Wen schützt der türkische Vater in der direkten Situation (als Abgrenzung dazu, was er vielleicht meint, indirekt damit zu schützen, seine traditionellen Werte oder was auch immer) durch seine Tat?
Außerdem: Wenn ich einen Staat bezahlen muss, damit er mit seinem Gewaltmonopol mich und meine Liebsten schützt, sich aber rausstellt, dass er das nicht tut, dann habe ich zu Recht kein Vertrauen mehr in den Staat. Da gibt es auch keine Ausrede für, die das irgendwie rechtfertigen würde, dass der Staat es nicht geschafft hat. Es falsifiziert einfach nur die Sinnhaftigkeit des Gewaltmonopols.
Vollbreit hat geschrieben:Und weil mir dazu nichts einfällt, was nicht egozentrisch wäre, muss ich den Entführer meiner Frau und Kinder, wenn ich ihn in die Finger kriege der Polizei übergeben, oder schlimmste Folgen für sie ggf. in Kauf nehmen, wenn die Umstände es nicht hergeben oder die Zeit abläuft. Ob ich dazu bereit wäre, weiß ich nicht, könnte sein, dass ich ihm die Haut in einzelnen Streifen vom Körper ziehe.
Das würde ich zum Beispiel nicht tun, ich würde nur alles tun, um meine Liebsten zu retten und wenn der Entführer dabei drauf geht, würde ich das zwar bedauern, aber ich würde es ja nicht in der Absicht machen, ihm als Person schaden zu wollen, sondern meine Liebsten zu retten und das in einer Situation, wo eine direkte Bedrohung von dem Entführer ausgeht, nicht in einer Situation, wo ich irgendein ideelles Konstrukt wie „Ehre“ bedroht sehe.
Vollbreit hat geschrieben:Das halte ich für bedenklich, wie schon mehrfach erwähnt.
Du findest Ehrenmorde also gut?
Wie kommst Du auf so abstruse Schlussfolgerungen? Ich lehne Gewalt in diesem Sinne grundsätzlich ab, wie könnte ich da Ehrenmorde gut finden? Ich lehne Gewalt in dem Sinne, wie Gandhi gewaltsam war nicht ab, aber das ist auch die einzige Form von Gewalt (falls Du Dich wunderst, Gandhi selbst hat später erklärt, dass sein Widerstand nicht gewaltlos war, sondern eine eigene Form von Gewalt, siehe auch „Der Yogi und der Kommissar“ von Arthur Koestler).
Du bist der, der Gewalt befürwortet, sie muss dabei nur von der richtigen Instanz ausgeführt werden (warum ist sogar egal, Hauptsache „legitimiert“).
Vollbreit hat geschrieben:Ist der gegen geltendes Recht, ich glaube nicht. Kann ich mir bei unserer Geschichte eigentlich nicht vorstellen.
Doch, wer Hitler zu seiner Herrschaftszeit getötet hätte, hätte gegen geltendes Recht verstoßen.
Vollbreit hat geschrieben:Ja, und? Es ist determiniert, wie Du Dich, aufgrund Deiner Prägung, Erziehung, Intelligenz, Bildung, Deines Tempermentes und der vorliegenden Gründe, Sachverhalte usw. entscheiden wirst, nur weißt Du das ja nicht, Du musst Dich ja immer noch entscheiden. Dass Gott das schon weiß, hilft Dir und mir wenig.
Nein nein, es ist determiniert, dass Du Dich so und so entscheiden wirst und das wird über eine Ursachenkette so verlaufen. Eine Entscheidung hättest Du dann ja eben nicht getroffen.
Vollbreit hat geschrieben:Und es beschreibt ja nur das, was Du jetzt ohnehin auch tust. Du hast eine bestimmte Vorgaben, aus Genen, Erziehung, Peergroup, Büchern, eigenen Überlegungen und Temperament, man legt Dir bestimmte Daten vor und Du entscheidest. Wäre die Erziehung anders oder Dein Temperanment, hättest Du anders entschieden, es ist aber nun mal so, wie es ist und darum entscheidest Du hier und jetzt auf der Basis Deiner Erkenntnisse über die Fakten, die Dir hier und heute vorliegen.
Wenn das alles schon determiniert ist, was ändert das an diesem Sachverhalt?
Es ändert, dass Du gar nicht in der Lage bist, zu entscheiden, sondern ein reiner Reiz-Reaktions-Automat wärst.