Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Re: Telepathie - Wissenschaftlich akzeptiert?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Mai 2012, 22:32

Dr Fraggles hat geschrieben:Wie gesagt: ich glaube nicht an den freien Willen weil er logisch nicht zu denken ist. Warum mich dann wieder darauf festnageln? Natürlich entscheidet der Wille nicht, sowenig es eine abstrakte Willensentität gibt. Aber wenn man hypothetisch etwas Unsinniges gelten lässt dann muss man auch daraus folgende unsinnige Ausdrücke gelten lassen...auch wenn man wörtlich nicht daran glaubt (man redet als ob).
Also bitte lass das Thema...dass die Annahme einer solchen Entität nur Probleme erzeugt ist uns beiden klar.

Mein Einwand an der Stelle ist aber nun folgender:

wenn Dein Konzept eines freien Willens inkohärent ist, wenn es logisch unmöglich ist, dann ist damit schon alles gesagt. Dann spielt alles Weitere keine Rolle mehr, logische Unmöglichkeit ist die 'stärkste' Unmöglichkeit, die denkbar ist. Nichts kann etwas logisch Unmögliches möglich machen. Und also braucht man absolut nichts mehr zusätzlich dazu zu betrachten, weder Kausalität, noch Determinismus, noch Allwissenheit oder was auch immer, all das ist dann völlig Banane, absolut irrelevant. Das sind dann alles nur red herrings.

Nochmal: wenn man ein logisch unmögliches Konzept X (hier: freier Wille) betrachtet, dann ergibt es keinen Sinn, zu sagen: "zusätzlich macht Y (hier: Allwissenheit) X unmöglich". Unmöglicher als 'logisch unmöglich' geht nicht, daher ist damit keine weitere Erkenntnis gewonnen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Du kannst dir zwar ein Wesen denken das zufällig immer wahre Prognosen macht (ja?), aber das ist nicht der Punkt. Zufällige wahre Aussagen über die Zukunft (auch wenn der Zufall nie irren sollte) bleiben kontingent (der Zufall KÖNNTE sich definitionsgemäss irren und damit könnte die Zukunft auch anders sein als er behauptet). Allwissenheit ist notwendig wahr (womit die gewusste Zukunft eben sicher feststeht). Ein Wesen welches nur zufällig die Zukunft (immer) richtig vorhersagen könnte sich aber nicht doch einmal irren könnte, ist nicht denkbar und das ist der entscheidende Unterschied! (Oder meinst du dass Paul sich nie irren könnte...).

Woher kommt aber diese Notwendigkeit? Wie unterscheidet man eine notwendigen von einem zufälligen, aber exakt identischem Ablauf? Wenn das möglich, aber prinzipiell nicht unterscheidbar ist, welchen Sinn ergibt dann diese Unterscheidung?

Dazu mal diesen Link: Regularity - Necessitarinism

(Ich bin nun zufällig ein Regularist und halte also die Ansicht einer irgendwie unerkennbaren dahinterliegenden Notwendigkeit des Geschehens für unsinnig und unnötig, für nicht hilfreich.)

Dr Fraggles hat geschrieben:Die meisten Menschen erfahren ihr Leben als ontologisch offen (weil sie epistemisch indeterminiert ist): als nicht festgelegt, man ist frei aus verschiedenen imaginierten Zukunftsszenarios auszuwählen etc.

Nö, ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Menschen mit dem Konzept 'ontologische Offenheit' nichts anfangen können, (damit meine ich nicht die Begriffe, sondern das dahinterliegende Konzept). Ich kann damit auch nichts anfangen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Falls es Allwissenheit gibt, gibt es keinen freien Willen, jedermanns Zukunft ist dann festgelegt (ob man darum weiss oder nicht).

Jetzt mal abgesehen von meinem Einwand ganz oben: wenn es Allwissenheit tatsächlich gibt oder wenn es Allwissenheit geben könnte? Ist festgelegt durch die Allwissenheit oder durch was anderes? Falls Letzteres: durch was? Falls Ersteres: was aber, wenn es bis gestern ein allwissendes Wesen gab, das aber heute morgen gestorben ist? Kann deswegen die Zukunft wieder 'ontologisch offen' sein? Oder spielt es zusätzlich irgendwie eine Rolle, ob das nun verschiedene Wesen bisher mal einen Blick in die weitere Zukunft riskiert hat oder nicht? Aber wieso?

Dr Fraggles hat geschrieben:Veränderliche Zukunft bedeutet, dass ganz real die Zukunft offen ist: es in meiner Macht steht durch meine freien Entscheidungen dem Lauf meines Lebens (und damit auch der Welt) einen nicht vorgängig festgelegte Richtung zu geben. Veränderlich bedeutet lediglich diese Faktizität des ontologisch nicht Festgestelltseins. Es ist notwendiger Bestandteil einer Definition des freien Willens.

Was Du mit "ganz real" meinst, ist mir zwar nicht klar, aber es steht doch in meiner Macht, die Zukunft (in einem gewissen Rahmen) zu ändern - und zwar im Vergleich zu der hypothetischen Situation, dass ich nicht existierte. Oder? Aber dass ich sie nicht insofern ändern kann, als dass sie anders sein wird, als sie sein wird, ist ja auch klar.

Von wem oder was festgestellt/festgelegt? Von Gegebenheiten ausschließlich meiner Wenigkeit oder auch von mir?

Dr Fraggles hat geschrieben:Wissen determiniert weitgehend meine "Entscheidungen". Zu sagen Wissen habe keinen kausalen Einfluss auf Handlungen und damit den Lauf der Welt ist absurd.

Dazu verweise ich einfach nochmal auf mein Gedankenexperiment. Die beiden Welten sind getrennt, es gibt keinen Zugang von unserer Welt zur Welt des Computer-Freaks, ist eine Einbahnstraße. Er weiß also Dinge über unsere Welt, die aber dennoch keinen kausalen Einfluss auf unsere Welt haben.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Di 8. Mai 2012, 22:38, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ganimed » Di 8. Mai 2012, 22:38

Ich finde, Dr Fraggles hat recht. Lediglich die Formulierung ist vielleicht etwas unglücklich gewählt.
Dr Fraggles hat geschrieben:Der Umkehrschluss wäre dann wohl, dass [...] Wissen welches eben Wissen ist (WAHRE Überzeugung, also Überzeugung welche nicht irren tut) die Zukunft festlegt.


Ich würde denken, dass die Zukunft festgelegt sein muss, damit man sie wissen kann. Allwissenheit legt also die Zukunft nicht wirklich fest, sondern benötigt die Festgelegtheit der Zukunft als Voraussetzung. Wenn es aber dann Allwissenheit gibt, muss die Voraussetzung erfüllt sein. Wenn die Zukunft aber festgelegt ist, kann man sie nicht ändern. Wenn man das nicht kann, ist man (Gott) nicht allmächtig. Ergo: Dr Fraggles hat recht, Allwissenheit und Allmächtigkeit sind logisch nicht vereinbar.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Mai 2012, 22:43

ganimed hat geschrieben:Ergo: Dr Fraggles hat recht, Allwissenheit und Allmächtigkeit sind logisch nicht vereinbar.

Aber die Aussage von Dr Fraggles ist stärker als das, er sagt nicht lediglich: meine Allwissenheit schließt meine Allmacht aus, sondern er sagt: Allwissenheit eines Einzelnen legt die Zukunft fest.

Zu Deiner, (eingeschränkten), Behauptung: das kommt wohl darauf an, was man unter 'Allmächtigkeit' versteht. Das finde ich schwerer zu fassen als 'Allwissenheit'. Zumindest ich würde darunter nicht verstehen: 'auch die Gesetze der Logik brechen zu können'. (Wenn man aber das darunter versteht, dann kann man nicht mehr sinnvoll darüber reden.)
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 8. Mai 2012, 23:00

Die Ansicht: "Allwissenheit legt die Zukunft eindeutig fest" hat übrigens starke Ähnlichkeit zum sogenannten 'logischen Determinismus':

Philosophie verständlich - Determinismus hat geschrieben:Der logische Determinismus beruht auf folgender Überlegung. Es ist eine unter Logikern allgemein verbreitete Annahme, dass jede Aussage wahr oder falsch ist. Aussagen werden nicht wahr oder falsch und sie hören auch nicht auf, wahr oder falsch zu sein. Sie sind (zeitlos) wahr oder falsch. Daher ist z.B. auch die Aussage "Anna Schmidt wird am 20. Juni 2045 heiraten" (schon heute) wahr oder falsch. Wenn das so ist, steht aber heute schon fest, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht. Und wenn das heute schon feststeht, kann nichts anderes passieren. Insofern ist heute schon determiniert, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht.

Ein Unterschied dazu bestünde nur dann, wenn man meinte, dass es tatsächlich jemanden geben müsse, der allmächtig sei, damit die behauptete Notwendigkeit gegeben sein. Was aber bedeuten würde, wie oben schon gesagt, dass dann, falls derjenige stürbe, diejenigen Bereiche der Zukunft, die er noch nicht betrachtet hat, deswegen nicht festgelegt seien. Was nun aber nicht unbedingt als per se plausibel erscheint.

Edit:
Philosophie verständlich - Determinismus hat geschrieben:Eine verwandte Überlegung führt zum theologischen Determinismus. Hier spielt die Allwissenheit Gottes die entscheidende Rolle. Wenn Gott heute schon weiß, was im Jahre 2045 passiert, dann muss heute schon feststehen – und ist insofern auch heute schon determiniert –, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiraten wird.
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: Telepathie - Wissenschaftlich akzeptiert?

Beitragvon Dr Fraggles » Di 8. Mai 2012, 23:33

AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Einwand an der Stelle ist aber nun folgender:

wenn Dein Konzept eines freien Willens inkohärent ist, wenn es logisch unmöglich ist, dann ist damit schon alles gesagt. Dann spielt alles Weitere keine Rolle mehr, logische Unmöglichkeit ist die 'stärkste' Unmöglichkeit, die denkbar ist. Nichts kann etwas logisch Unmögliches möglich machen. Und also braucht man absolut nichts mehr zusätzlich dazu zu betrachten, weder Kausalität, noch Determinismus, noch Allwissenheit oder was auch immer, all das ist dann völlig Banane, absolut irrelevant. Das sind dann alles nur red herrings.
Nochmal: wenn man ein logisch unmögliches Konzept X (hier: freier Wille) betrachtet, dann ergibt es keinen Sinn, zu sagen: "zusätzlich macht Y (hier: Allwissenheit) X unmöglich". Unmöglicher als 'logisch unmöglich' geht nicht, daher ist damit keine weitere Erkenntnis gewonnen.


Woher kommt aber diese Notwendigkeit? Wie unterscheidet man eine notwendigen von einem zufälligen, aber exakt identischem Ablauf? Wenn das möglich, aber prinzipiell nicht unterscheidbar ist, welchen Sinn ergibt dann diese Unterscheidung?

Dazu mal diesen Link: Regularity - Necessitarinism

(Ich bin nun zufällig ein Regularist und halte also die Ansicht einer irgendwie unerkennbaren dahinterliegenden Notwendigkeit des Geschehens für unsinnig und unnötig, für nicht hilfreich.)

Nö, ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Menschen mit dem Konzept 'ontologische Offenheit' nichts anfangen können, (damit meine ich nicht die Begriffe, sondern das dahinterliegende Konzept). Ich kann damit auch nichts anfangen.

Jetzt mal abgesehen von meinem Einwand ganz oben: wenn es Allwissenheit tatsächlich gibt oder wenn es Allwissenheit geben könnte? Ist festgelegt durch die Allwissenheit oder durch was anderes? Falls Letzteres: durch was? Falls Ersteres: was aber, wenn es bis gestern ein allwissendes Wesen gab, das aber heute morgen gestorben ist? Kann deswegen die Zukunft wieder 'ontologisch offen' sein? Oder spielt es zusätzlich irgendwie eine Rolle, ob das nun verschiedene Wesen bisher mal einen Blick in die weitere Zukunft riskiert hat oder nicht? Aber wieso?

Was Du mit "ganz real" meinst, ist mir zwar nicht klar, aber es steht doch in meiner Macht, die Zukunft (in einem gewissen Rahmen) zu ändern - und zwar im Vergleich zu der hypothetischen Situation, dass ich nicht existierte. Oder? Aber dass ich sie nicht insofern ändern kann, als dass sie anders sein wird, als sie sein wird, ist ja auch klar.

Von wem oder was festgestellt/festgelegt? Von Gegebenheiten ausschließlich meiner Wenigkeit oder auch von mir?

Dazu verweise ich einfach nochmal auf mein Gedankenexperiment. Die beiden Welten sind getrennt, es gibt keinen Zugang von unserer Welt zur Welt des Computer-Freaks. Er weiß also Dinge über unsere Welt, die aber dennoch keinen kausalen Einfluss auf unsere Welt haben.




Man kann ein Problem auch dann vernünftig thematisieren wenn die verwendeten Ausdrücke (z.B. freier Wille) als solche nicht logisch klar zu fassen sind. Der common sense weiss was darunter zu verstehen ist oder zumindest werden die meisten Personen eine Minimal-Definition ("in einer gegebenen Situation so oder anders handeln zu können") verstehen und zwar weil diese Definition verständlich ist und die allermeisten vorgängig schon mit ontologischer Offenheit etwas anfangen können! Es ist der natürliche Daseinsmodus wie mir scheint: man fühlt sich frei (was den epistemischen Indeterminismus voraussetzt), fühlt sich nicht festgelegt in seiner Zukunft und das ist die intuitive Grundlage dieser Existenzinterpretation, und das genügt. Wer sich unfrei fühle, sei geisteskrank meinte Nietzsche, wer den freien Willen behaupte dumm (sinngemäss).
Zudem könnte man argumentieren, dass es einen freien Willen gibt, unsere an Logik gebundenen "Erkenntnisorgane" ihn aber nicht begreifen können (Kant). Dann wäre es kein red herring sondern würde schlicht einer Portion Skepsis Rechnung tragen. Auf alle Fälle sehe ich dein Problem nicht. B.Gesang z.B. gesteht in ebensolcher Weise den Vertretern einer Theodizee die Existenz des freien Willen zu um dann aufzuzeigen, dass selbst mit diesem Konzept eine Theodizee scheitern muss.

Dass Allwissen notwendig wahr ist, ist eine Definitionsfrage...daran ist nichts Verwerfliches. Es geht mir hier nicht um empirische Aussagen...also nicht darum ob ein zufälliges von einem notwendigen aber identischen Geschehen unterscheidbar sind. Es geht um die rein logische Frage: unter welchen Umständen ist ein freier Wille denkbar und das ist er nur wenn kein notwendig wahres Wissen bezüglich unserer künftigen Entscheidungen existieren KANN (es spielt also keine Rolle ob eine Allwissenheit faktisch existiert, entscheidend ist lediglich ob sie denkbar ist und das bedingt, dass die Zukunft (bzw. alles Geschehen) nicht "offen" ist, sondern in jedem Detail feststeht). Nur das eindeutig Feststehende kann gewusst werden.

Veränderliche Zukunft: damit meine ich, dass die Zukunft offen ist, nicht festgelegt, so dass sie einem (Vorher)wissen nicht zugänglich ist. Natürlich macht deine Existenz einen Unterschied, aber erst durch nicht vorhersehbare Ereignisse (freier Wille, Zufallsgeschehnisse?) wird die Welt offen im Sinne von "nichtwissbar". Es geht auch nicht um ein anders sein können als es sein wird. Die Frage ist ob das wie es sein wird feststeht oder nicht.

Ich sage nicht, dass alles Wissen einen Einfluss auf unsere Welt hat, aber das war auch nicht die Frage (die war: ob Wissen überhaupt einen Einfluss haben kann). Immerhin könnte man argumentieren dass alles Wissen Energie verbraucht etc. und damit die Welt verändert. Bei deinem Computer-Gedankenexperiment hätte ich immer noch Zweifel ob eine solche völlige Abkopplung denkbar ist (im Gedankenexperiment natürlich schon).

Habe bestimmt nicht auf alles geantwortet und das mit dem Zitieren hab ich auch noch nicht im Griff...
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Di 8. Mai 2012, 23:52, insgesamt 1-mal geändert.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Di 8. Mai 2012, 23:37

AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Ergo: Dr Fraggles hat recht, Allwissenheit und Allmächtigkeit sind logisch nicht vereinbar.

Aber die Aussage von Dr Fraggles ist stärker als das, er sagt nicht lediglich: meine Allwissenheit schließt meine Allmacht aus, sondern er sagt: Allwissenheit eines Einzelnen legt die Zukunft fest.

Zu Deiner, (eingeschränkten), Behauptung: das kommt wohl darauf an, was man unter 'Allmächtigkeit' versteht. Das finde ich schwerer zu fassen als 'Allwissenheit'. Zumindest ich würde darunter nicht verstehen: 'auch die Gesetze der Logik brechen zu können'. (Wenn man aber das darunter versteht, dann kann man nicht mehr sinnvoll darüber reden.)


Nein, ich sage nirgends dass Allwissenheit die Zukunft festlegt (Das sagt z.B. Thomas von Aquin über die Allwissenheit Gottes). Sondern: Allwissenheit impliziert die Festgelegtheit der Welt. Ich sage: falls Allwissenheit möglich ist, dann weil die Welt festgelegt ist. Ganimed interpretiert mich da schon richtig: Mögliche Allwissenheit ist die Konsequenz einer festgelegten Welt, nicht umgekehrt.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Mi 9. Mai 2012, 00:17, insgesamt 2-mal geändert.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Di 8. Mai 2012, 23:51

AgentProvocateur hat geschrieben:Die Ansicht: "Allwissenheit legt die Zukunft eindeutig fest" hat übrigens starke Ähnlichkeit zum sogenannten 'logischen Determinismus':

Philosophie verständlich - Determinismus hat geschrieben:Der logische Determinismus beruht auf folgender Überlegung. Es ist eine unter Logikern allgemein verbreitete Annahme, dass jede Aussage wahr oder falsch ist. Aussagen werden nicht wahr oder falsch und sie hören auch nicht auf, wahr oder falsch zu sein. Sie sind (zeitlos) wahr oder falsch. Daher ist z.B. auch die Aussage "Anna Schmidt wird am 20. Juni 2045 heiraten" (schon heute) wahr oder falsch. Wenn das so ist, steht aber heute schon fest, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht. Und wenn das heute schon feststeht, kann nichts anderes passieren. Insofern ist heute schon determiniert, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht.

Ein Unterschied dazu bestünde nur dann, wenn man meinte, dass es tatsächlich jemanden geben müsse, der allmächtig sei, damit die behauptete Notwendigkeit gegeben sein. Was aber bedeuten würde, wie oben schon gesagt, dass dann, falls derjenige stürbe, diejenigen Bereiche der Zukunft, die er noch nicht betrachtet hat, deswegen nicht festgelegt seien. Was nun aber nicht unbedingt als per se plausibel erscheint.

Edit:
Philosophie verständlich - Determinismus hat geschrieben:Eine verwandte Überlegung führt zum theologischen Determinismus. Hier spielt die Allwissenheit Gottes die entscheidende Rolle. Wenn Gott heute schon weiß, was im Jahre 2045 passiert, dann muss heute schon feststehen – und ist insofern auch heute schon determiniert –, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiraten wird.


Der logische Determinismus ist falsch und kann die Festgelegtheit der Welt nicht beweisen/stützen. Er schliesst von der jederzeit bestehenden/behaupteten Eindeutigkeit der Welt (so dass jede Aussage über die Zukunft jetzt schon wahr oder falsch sein muss) auf die Form dieser Eindeutigkeit. Dass die Welt aber in ihrer zukünftigen Form jetzt schon feststeht, lässt sich aus der blossen Feststellung, dass jede Zukunft eindeutig sein wird (also auch jede Aussage darüber wahr oder falsch ist) nicht ableiten.
Im Gegensatz dazu impliziert Allwissenheit wirkliches Wissen über die Gestaltetheit der Welt in der Zukunft.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Telepathie - Wissenschaftlich akzeptiert?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 9. Mai 2012, 00:56

Dr Fraggles hat geschrieben:Man kann ein Problem auch dann vernünftig thematisieren wenn die verwendeten Ausdrücke (z.B. freier Wille) als solche nicht logisch klar zu fassen sind. Der common sense weiss was darunter zu verstehen ist oder zumindest werden die meisten Personen eine Minimal-Definition ("in einer gegebenen Situation so oder anders handeln zu können") verstehen und zwar weil diese Definition verständlich ist [...]

Aber wie oben schon angedeutet: das kann auf zweierlei Arten verstanden werden:

1. Wir betrachten eine bestimmte Situation und zwar so: [Welt exklusive mir] und fragen, ob ich dann einen Einfluss auf die [Welt ohne mich] haben kann

2. Wir betrachten die Situation so: [Welt inklusive mir] und fragen, ob ich die Welt so verändern kann, dass sie (jetzt oder später) anders ist/sein wird, als sie (jetzt oder später) ist/sein wird, (zum selben Zeitpunkt betrachtet)

Aber beide Fragen sind wenig erkenntnisfördernd: die erste Frage muss mit 'ja' beantwortet werden, die zweite mit 'nein'. (Bezüglich der ersten Frage mit der kleinen Einschränkung: falls man keinen Epiphänonalismus vertritt, falls doch, müsste man sie ebenfalls mit 'nein' beantworten).

Anders gesagt: diese Definition ist keineswegs eindeutig. Ich meine nicht, dass die Leute sie im Sinne von 2 verstehen würden. Und mit 'ontologischer Offenheit', (was auch immer das sein mag), hat das gar nichts zu tun.

Dr Fraggles hat geschrieben:[...] und die allermeisten vorgängig schon mit ontologischer Offenheit etwas anfangen können!

Haste mal 'nen Beleg? Oder nur 'ne reine Behauptung? Falls Letzteres: dann kann ich ebenso das Gegenteil behaupten.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zudem könnte man argumentieren, dass es einen freien Willen gibt, unsere an Logik gebundenen "Erkenntnisorgane" ihn aber nicht begreifen können (Kant). Dann wäre es kein red herring sondern würde schlicht einer Portion Skepsis Rechnung tragen.

Nö, so kann man nicht argumentieren, (und Kant argumentiert garantiert nicht so). Wenn man Logik außen vorlässt, dann ist jede Behauptung erlaubt und gleichermaßen sowohl gültig als auch ungültig. Dann kann ich existieren und gleichzeitig nicht existieren, kann einen freien Willen haben und gleichzeitig keinen haben etc. pp. Was aber völlig unverständlich wäre. Und jenseits einer Verständlichkeit hört jede Argumentation auf. "Kann aber sein, dass Gott über jeder Logik steht" - das kenne ich nur von Gläubigen, wenn sie allzusehr in eine Ecke gedrängt wurden - obwohl, genau genommen, kenne ich das noch nicht mal von Gläubigen - die haben einen andere Strategie, die ungefähr so abläuft: "1. ich will nicht sagen, was ich unter 'Gott' verstehe, 2. alles, was Du unter 'Gott' verstehst, ist nicht das, was ich unter 'Gott' verstehe, 3. Du musst ihn tief in Dir drin fühlen, da kommst Du nicht mit Logik ran, 4. Dir fehlt wohl ein Sinnesorgan, Du bist unvollkommen, weil nur ein Atheist."

Aber so oder so: an der Stelle muss dann jeglicher Diskurs aufhören, da gibt es keinerlei Ansatzpunkt für ein weiteres Gespräch mehr. Mit Unlogik kann man alles und nichts beweisen und genau deswegen ist das wenig beeindruckend.

Ansonsten konntest Du nicht - zumindest nicht für mich verständlich - darstellen, was eine 'ontologisch offene Zukunft' bedeuten soll. Warum und inwiefern die Zukunft jetzt schon feststeht, was das eigentlich genau bedeuten soll - jenseits von: "die Zukunft wird so eintreten, wie sie eintreten wird". In Bezug auf was, im Vergleich zu was die Zukunft anders bzw. 'offen' sein soll/kann.

Meiner Ansicht nach spielt für einen freien Willen nur eine Rolle, ob jemand selber einen Einfluss auf seinen Willen hat, (haben kann), und in welchem Maße. Völlig egal, ob in einer anderen Welt (und somit einer anderen Zeit) jemand das schon vorher (in meiner Zeit) weiß oder nicht, das spielt dabei überhaupt keine Rolle. Hätte ich aber keinen Einfluss auf mein Wollen, wäre das ausschließlich durch Gegebenheiten außerhalb von mir festgelegt, dann wäre ich diesbezüglich unfrei. Und was auch immer man mit: "steht schon jetzt fest" meint - das ist auch irrelevant. Relevant wäre nur, wenn man zeigen könnte, dass meine Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen keinen Einfluss auf die Zukunft haben könnten.

Nun einfach zu proklamieren:

1. Nehmen wir mal an, dass Du selber keinen Einfluss auf Deine Entscheidungen hast
2. deswegen bist Du unfrei

erkenne ich zwar so als gültige Argumentation an, aber mit Allwissenheit hat das nichts zu tun, Du müsstest also zeigen, dass die 1 aus Allwissenheit folge.

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass Allwissen notwendig wahr ist, ist eine Definitionsfrage...daran ist nichts Verwerfliches. Es geht mir hier nicht um empirische Aussagen...also nicht darum ob ein zufälliges von einem notwendigen aber identischen Geschehen unterscheidbar sind. Es geht um die rein logische Frage: unter welchen Umständen ist ein freier Wille denkbar und das ist er nur wenn kein notwendig wahres Wissen bezüglich unserer künftigen Entscheidungen existieren KANN (es spielt also keine Rolle ob eine Allwissenheit faktisch existiert, entscheidend ist lediglich ob sie denkbar ist und das bedingt, dass die Zukunft (bzw. alles Geschehen) nicht "offen" ist, sondern in jedem Detail feststeht). Nur das eindeutig Feststehende kann gewusst werden.

Was Du reinsteckst, holst Du heraus.

P1. Allwissenheit impliziert Notwendigkeit
P2. Notwendigkeit steht in Widerspruch zu einem freien Willen
----
K. Allwissenheit schließt einen freien Willen aus

Leider aber sind beide Prämissen strittig, (bzw. ist strittig, ob es eine 'Notwendigkeit' geben kann, falls das irgendwie etwas Unerkennbares und von Kontingenz Ununterscheidbares sein soll).
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 9. Mai 2012, 01:07

Dr Fraggles hat geschrieben:Der logische Determinismus ist falsch und kann die Festgelegtheit der Welt nicht beweisen/stützen. Er schliesst von der jederzeit bestehenden/behaupteten Eindeutigkeit der Welt (so dass jede Aussage über die Zukunft jetzt schon wahr oder falsch sein muss) auf die Form dieser Eindeutigkeit. Dass die Welt aber in ihrer zukünftigen Form jetzt schon feststeht, lässt sich aus der blossen Feststellung, dass jede Zukunft eindeutig sein wird (also auch jede Aussage darüber wahr oder falsch ist) nicht ableiten.
Im Gegensatz dazu impliziert Allwissenheit wirkliches Wissen über die Gestaltetheit der Welt in der Zukunft.

Aber Du sagtest oben:

Dr Fraggles hat geschrieben:Es geht um die rein logische Frage: unter welchen Umständen ist ein freier Wille denkbar und das ist er nur wenn kein notwendig wahres Wissen bezüglich unserer künftigen Entscheidungen existieren KANN (es spielt also keine Rolle ob eine Allwissenheit faktisch existiert, entscheidend ist lediglich ob sie denkbar ist und das bedingt, dass die Zukunft (bzw. alles Geschehen) nicht "offen" ist, sondern in jedem Detail feststeht). Nur das eindeutig Feststehende kann gewusst werden.

Wenn es aber egal ist, ob ein Wesen existiert, das allwissend ist, wenn es reicht, dass das logisch möglich ist, dann kann man Deine Ansicht auf den logischen Determinismus reduzieren.

Denkbar ist, dass ein Wesen existiert, dass alles über unsere Welt weiß - bzw., um das einzuschränken, siehe mein Gedankenexperiment: zumindest ein Wesen, das einige Dinge über unsere Welt weiß - der Computer-Freak aus meinem Gedankenexperiment. Aber dass er nur einige Dinge weiß, ist hier irrelevant, weil ein kontingenter Fakt. Er könnte jeden beliebigen Sachverhalt kennen - dass er nur X kennt und nicht Y, spielt keine Rolle, es könnte ebenso umgekehrt sein. Und also - weil das logisch möglich ist und wenn Deine Argumentation richtig wäre - ist die Zukunft (Zukunft von unserem jetzigen Standpunkt aus, d.h. von unserer Gegenwart aus, von unserem subjektiven Zeitpunkt aus betrachtet) in unserer Welt festgelegt.

Und außerdem folgt aus dieser prinzipiellen Möglichkeit, dass das für alle logisch möglichen Welten gilt, (die Welt des Computer-Freaks könnte von einem anderen Computer-Freak in einer 'übergeordneten Welt' simuliert sein).
Benutzeravatar
AgentProvocateur
 
Beiträge: 731
Registriert: Di 13. Nov 2007, 01:46

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » Mi 9. Mai 2012, 07:23

Dr Fraggles hat geschrieben:
AHA...jetzt löst sich das Problem auf fast schon parodistische Art: dein Wissen schränkt dich nicht ein weil es eben gar kein Wissen ist, sondern Irrtumsanfällige Überzeugung. Der Umkehrschluss wäre dann wohl, dass auch du einsiehst dass Wissen welches eben Wissen ist (WAHRE Überzeugung, also Überzeugung welche nicht irren tut) die Zukunft festlegt.


Nein. Wissen ist nur eine Abbildung der Wirklichkeit. Zu dieser Wirklichkeit gehört auch mein Wille und die Änderungen meines Willens. Das Abbild über eine konkrete Handlung bestimmt diese Handlung nicht. Die Handlung hängt nur von meinem Willen ab. Deshalb schränkt das Abbild meine Macht auch nicht ein. Die Richtigkeit des Abbildes hängt dagegen von meiner Handlung ab. Es steht in meiner Macht, das Abbild als falsch zu erweisen. Da ich aber allwissend bin, weiß ich im voraus, was ich wollen werde. Was auch immer ich will, vollbringe ich - das ist Allmacht - und ich weiß schon vorher, das ich es vollbringen werde - das ist Allwissenheit.

Du denkst, Gott hat einen Plan gemacht und da er sich daran halten muss, ist er nicht allmächtig, es sei denn er erweist ihn als falsch, dann ist er nicht allwissend. Gott muss sich aber nicht daran halten, sondern er will. Du hast weder "Allwissenheit" noch "Allmacht" zu Ende gedacht.
Benutzeravatar
ujmp
 
Beiträge: 3108
Registriert: So 5. Apr 2009, 19:27

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Lumen » Mi 9. Mai 2012, 08:24

Ich habe nun nicht alles komplett gelesen, aber ist der Moment meiner Willensentscheidung nicht der Entscheidende. Kann Gott etwas vorher wissen, was ich tun werde, bevor ich es selbst weiß? Angenommen, ich möchte in den Urlaub fliegen. Um in den Urlaub fliegen zu können, muss ich den Vorsatz haben, in den Urlaub zu fliegen. Um den Vorsatz zu haben, muss ich einen Vorsatz haben, den Vorsatz zu haben in den Urlaub zu fliegen und so fort. Ich kann den Prozess also als rekursiv betrachten. Wie kann jemand anderes der rekurisven Schleife einen Schritt voraus sein? Neurologisch sind solche Denkmodelle wahrscheinlich teilweise Humbug, obwohl es da Equivalente zu rekursiven Schleifen gibt. Kann Gott die Neuronen schneller lesen, als die Entscheidung mir bewusst wird? Kann er vielleicht einfach schneller als Licht reagieren? Dann geht alles ohne Probleme. Aber wenn wir solche Sprachspiele (und mehr ist es nicht), dann umbauen, können wir auch sagen: "Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht anheben kann?" Wenn dieses Paradoxon nicht ausreicht, kann man irgendeins nehmen und so umschreiben, dass Gott drin vorkommt. Im Übrigen kann man jedes beliebige Konzept in eine "Meta-Ebene" reinpacken, in der sich die Widersprüche auflösen, das sind dann so Sache wie: den Zeitstrahl "von der Seite" sehen (also von einer Perspektive außerhalb angucken), sich in einer Menge befinden, in der alle anderen Mengen enthalten sind usw. (z.B. alle Multiversen gleichzeitig kennen, jede beliebige Konstellation kennen usw...)
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Mi 9. Mai 2012, 10:26

Lumen hat geschrieben:Ich habe nun nicht alles komplett gelesen, aber ist der Moment meiner Willensentscheidung nicht der Entscheidende. Kann Gott etwas vorher wissen, was ich tun werde, bevor ich es selbst weiß?


Das wäre dabei weniger das Problem.
Deine Entscheidung hängt ja nicht ursachenfrei im luftleeren und akausalen Raum, m.a.W. es gibt naturwissenschaftliche Ursachen und rationale Gründe für Deine Entscheidung.
Diese kann man anhand einer (oder mehrerer) gedachten Kausalkette zurückverfolgen.
Inwieweit Letztere komplett in Ersteren aufgehen, darüber kann man streiten.

Diese Ketten überlagern einander, wechselwirken, schwächen sich ab und verstärken sich, so sehr, dass wir sehr bald den Überblick verlieren.
Ein Supercomputer oder ein Laplacescher Dämon könnte den Überblick länger behalten, steht aber vor prinzipiellen Grenzen, nämlich unter anderem der, dass ein Wissen darum, wie man oder jemand sich entscheiden wird, die Entscheidung beeinflussen könnte, was man mitberechnen müsste usf. was in einen Regress mündet.

Doch wenn es keine echten Zufälle gibt, d.h. im Universum überall und ausschließlich Naturgesetze wirken, dann ist alles determiniert und wenn Gott nur dasitzt und schweigt, dann kann er wissen, was Du machen und denken wirst.

Die Frage, wo genau sich dieser Gott befinden soll und wie seine Beschaffenheit ist, führt dann allerdings nach gegenwärtigen Erkenntnissen, im Lichte des Naturalismus gesehen, in jenen Dualismus und zu jenen unauflösbaren Widersprüchen, die die alte Konzeption eines Gottes so widersprüchlich erscheinen lässt, dass sich viele Menschen davon verabschiedet haben.

Man kann es sich auch einfacher machen und sagen, dass Gott auch all das kann, was nicht geht, schließlich sei er genau darum Gott. Warum sollte er sich an logische Zwänge oder Naturgesetze halten, warum sollte es ihn jucken, dass wir ihn nicht denken können?
Ob das befriedigt, mag jeder selbst entscheiden.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Myron » Mi 9. Mai 2012, 13:53

Wissen ist ein dispositioneller Geisteszustand. Habt Ihr Euch schon mal gefragt, wo ein körperloser Geist wie Gott sein Wissen speichern kann?
Wenn man darüber nachdenkt, stellt man fest, dass es da nichts (zu einem Nervensystem Analoges) gibt, das infrage kommt, und körperlose Geister folglich gar nichts wissen können. Das Vorhandensein eines Gedächtnisses setzt das Vorhandensein irgendeines objektiven Speichersystems voraus, doch genau an einem solchen mangelt es einem unkörperlich-unstofflichen Geist, einer "spirituellen Substanz", die 0-dimensional und damit form- und strukturlos ist.
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Lumen » Mi 9. Mai 2012, 15:05

@Vollbreit, was du beschreibst scheint mir eine Variante eines "Ortes" zu sein, der alle Mengen enthält und von wo aus Gott alle Mengen (Universen, auch jede Zeit, jede Kausalkette, jede Möglichkeit ...) simultan betrachten, somit "wissen" kann (bzw. dieser Ort selbst ist). Was zu Myron's Anstoß passt. Denn die Denkbarkeit eines solche Gottes sagt nichts darüber aus, ob es im naturwisschenschaftlichen Sinne vorstellbar ist.

Damit wären wir wieder bei meiner Behauptung, die es an den Anfang des Splits geschafft hat, zu der ich weiterhin stehe. Allwissenheit und andere superlativ-zuschreibungen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit historisch-mythologisch enstanden, vielleicht nach dem Muster der "Mein Vater kann..." Witze. Die Monotheismen haben sich dann den Chuck Norris Spruch ausgedacht haben und ihn einfach für nicht steigerbar erklärt. Sprachlich gesehen ganz einfach. Ich demonstiere es mal: "Chuck Norris glaubt nicht an Gott, Gott glaubt an Chuck Norris". Ich sehe die Adocadus Diaboli Nummer vom ujmp also eher sportlich. Ja, Theologie kann ganz witzig sein, hat aber doch eher wenig mit dem zutun, was Gläubige so denken, wenn sie an Allmacht und Allwissenheit (oder auch nur Gott) denken. Gott ist ein Vexierbild und die Eigenschaften, die er haben soll, können beliebig einer Seite des Bildes zugewiesen werden. Es kann praktisch unmöglich gemacht werden, beide Seiten gleichzeitig zu denken.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Do 10. Mai 2012, 11:15

@ Myron und Lumen:

Ja, ein Gott ohne Ort und Raum gibt naturwissenschaftlich nichts her, aber Lumens Frage war ja eine logische. Prinzipiell ist das denkbar und Lumen käme eher in Erklärungsnot, wenn es darum ginge, wie seine Willensbildung denn akausal zustande käme.

Dann wäre er ein Mensch, der außer Zeit und Raum stünde, das würde ich einem Gott im Zweifel noch eher zutrauen. Wenn der Geist dann irgendwann durch Glasfasern und Transistoren fließt und nicht mehr nur durch organisches Material werden wir wissen, dass Bewusstsein nicht zwingend an Kohlenstoff gebunden ist, der Rest ist eine Frage, wie viel Phantasie man investiert um sich da aus dem Energie/Materie-Konstrukt was zusammenzubasteln, in dem ein mythischer Gott Platz hätte.

Ich sehe keinen Sinn darin, damit meine Zeit zu verplempern.
Ich sehe den mythischen Gottesbegriff auch primär als eine Projektion von idealen menschlichen Eigenschaften an, der man dann zu folgen versucht.
Der mystische Gott (falls es dort noch einen Gott gibt) hingegen beruht auf direkter Wahrnehmung.

Ich habe den Anfang jetzt überflogen, so weit ich das sehen kann, argumentiert ujmp da logisch sauber. Die Unsauberkeit kommt eher dann ins Spiel, wenn man zwischen Empirie und Logik versucht hin und herzuspringen, was eigentlich dauernd geschieht.

Dem liegt die durchaus fragwürdige Prämisse zugrunde, die Natur müsse sich immer „logisch“ verhalten (und mit „der Logik“ ist dann die zweiwertige Prädikatenlogik, eines von vielen Konstrukten aus dem weiten Gebiet der Logik, gemeint) oder die Logik müsse den „Tatsachen“ entsprechen.
Dass es so eine Basis von unwiderlegbaren Tatsachen gibt, die a priori zu akzeptieren seien, ist ja willkürliche Setzung und obendrein auch schwer haltbar.
Aber das ist ein anderes Thema.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » Do 10. Mai 2012, 18:38

Lumen hat geschrieben:I "Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht anheben kann?"


"Ja, natürlich, er ist ja allmächtig. Er tut es aber auf Grund seiner Allwissenheit nicht - weil er dann nicht mehr allmächtig wäre" A.D. ;-)
Benutzeravatar
ujmp
 
Beiträge: 3108
Registriert: So 5. Apr 2009, 19:27

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 20:35

ujmp hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:
AHA...jetzt löst sich das Problem auf fast schon parodistische Art: dein Wissen schränkt dich nicht ein weil es eben gar kein Wissen ist, sondern Irrtumsanfällige Überzeugung. Der Umkehrschluss wäre dann wohl, dass auch du einsiehst dass Wissen welches eben Wissen ist (WAHRE Überzeugung, also Überzeugung welche nicht irren tut) die Zukunft festlegt.


Nein. Wissen ist nur eine Abbildung der Wirklichkeit. Zu dieser Wirklichkeit gehört auch mein Wille und die Änderungen meines Willens. Das Abbild über eine konkrete Handlung bestimmt diese Handlung nicht. Die Handlung hängt nur von meinem Willen ab. Deshalb schränkt das Abbild meine Macht auch nicht ein. Die Richtigkeit des Abbildes hängt dagegen von meiner Handlung ab. Es steht in meiner Macht, das Abbild als falsch zu erweisen. Da ich aber allwissend bin, weiß ich im voraus, was ich wollen werde. Was auch immer ich will, vollbringe ich - das ist Allmacht - und ich weiß schon vorher, das ich es vollbringen werde - das ist Allwissenheit.

Du denkst, Gott hat einen Plan gemacht und da er sich daran halten muss, ist er nicht allmächtig, es sei denn er erweist ihn als falsch, dann ist er nicht allwissend. Gott muss sich aber nicht daran halten, sondern er will. Du hast weder "Allwissenheit" noch "Allmacht" zu Ende gedacht.


Die Möglichkeit eines Abbildes über eine bestimmte Handlung (wie du es formulierst) bedingt dass die Handlung festgelegt ist (d.h. nicht frei gewählt sein kann) falls die Abbildung vor der Handlung bereits existiert und Allwissenheit impliziert genau das. Du scheinst dies nicht zu beachten: den Unterschied eines Wissens über eine aktuell stattfindende Handlung und ein Vorherwissen über eine solche Handlung. Ist das Wissen ein Vorherwissen, dann lässt sich auch mit Biegen und Brechen die Vereinbarkeit nicht plausibel darlegen.
Gott mag einen Plan gemacht haben oder nicht...ich setze nur Allwissenheit voraus und das genügt um sehr klar aufzuzeigen, dass damit die Wirklichkeit festgelegt sein muss und dieses eine freie Wahl ausschliesst. Ob Gott die festgelegte Welt die sich in seinem Allwissen "abbildet" ursprünglich will oder nicht will, spielt gar keine Rolle: denn selbst wenn er diese festgelegte Welt frei gewollt hat, schliesst dieses anfängliche freie Wollen alles künftige freie Wollen aus. Zu einem vorgängigen Zeitpunkt durch freie Wahl eine spätere freie Wahl (mittels Allwissen) wollen geht nicht, ohne dass die spätere Wahl zu einer determinierten wird...genau diesen Sachverhalt ignorierst du in deiner Argumentation und das ist dann halt schlicht und einfach falsch gedacht (eine freie Wahl kann nur im Augenblick der Wahl als freie aktualisiert werden, niemals vor der tatsächlichen Wahl).
Klarer kann ich es nicht mehr darlegen. Da ich nicht zum ersten Mal auf diesen Punkt hinweise, verstehe ich nicht wesshalb du immer wieder dein gleiches Argument vorbringst ohne dieses Problem zu berücksichtigen.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 20:49

ujmp hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:I "Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht anheben kann?"


"Ja, natürlich, er ist ja allmächtig. Er tut es aber auf Grund seiner Allwissenheit nicht - weil er dann nicht mehr allmächtig wäre" A.D. ;-)


Allmacht ist eben wegen solchen Problemen ein wesentlich schwieriger zu definierender Begriff als etwa die Allwissenheit (die keineswegs in sich selber schon logisch widersprüchlich ist). Mehrheitlich wird Gottes Allmacht in der Theologie wohl als von der Logik begrenzt gedacht.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 21:00

Vollbreit hat geschrieben:Ich habe den Anfang jetzt überflogen, so weit ich das sehen kann, argumentiert ujmp da logisch sauber. Die Unsauberkeit kommt eher dann ins Spiel, wenn man zwischen Empirie und Logik versucht hin und herzuspringen, was eigentlich dauernd geschieht.


Siehe meine letzte Antwort zu ujmps Argumentation: ich versichere dir, dass er nicht logisch sauber argumentiert!
Zudem: warum eine rein logische bzw. begriffliche Fragestellung (sind Allwissenheit und freier Wille kompatibel) zur Empirie wechseln sollte ist mir unklar. Dass die Begriffe Wissen oder Wille nicht irgendwie angeboren sind, ist natürlich klar, aber das ist etwas anderes.
Dr Fraggles
 
Beiträge: 191
Registriert: So 6. Mai 2012, 17:35

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » Do 10. Mai 2012, 21:16

Dr Fraggles hat geschrieben:Allmacht ist eben wegen solchen Problemen ein wesentlich schwieriger zu definierender Begriff als etwa die Allwissenheit (die keineswegs in sich selber schon logisch widersprüchlich ist).

Es ist nur schwer Allmacht so zu definieren, dass du recht behältst - ist es nicht so? ;-)
Benutzeravatar
ujmp
 
Beiträge: 3108
Registriert: So 5. Apr 2009, 19:27

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron