Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 21:20

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Der logische Determinismus ist falsch und kann die Festgelegtheit der Welt nicht beweisen/stützen. Er schliesst von der jederzeit bestehenden/behaupteten Eindeutigkeit der Welt (so dass jede Aussage über die Zukunft jetzt schon wahr oder falsch sein muss) auf die Form dieser Eindeutigkeit. Dass die Welt aber in ihrer zukünftigen Form jetzt schon feststeht, lässt sich aus der blossen Feststellung, dass jede Zukunft eindeutig sein wird (also auch jede Aussage darüber wahr oder falsch ist) nicht ableiten.
Im Gegensatz dazu impliziert Allwissenheit wirkliches Wissen über die Gestaltetheit der Welt in der Zukunft.

Aber Du sagtest oben:

Dr Fraggles hat geschrieben:Es geht um die rein logische Frage: unter welchen Umständen ist ein freier Wille denkbar und das ist er nur wenn kein notwendig wahres Wissen bezüglich unserer künftigen Entscheidungen existieren KANN (es spielt also keine Rolle ob eine Allwissenheit faktisch existiert, entscheidend ist lediglich ob sie denkbar ist und das bedingt, dass die Zukunft (bzw. alles Geschehen) nicht "offen" ist, sondern in jedem Detail feststeht). Nur das eindeutig Feststehende kann gewusst werden.

Wenn es aber egal ist, ob ein Wesen existiert, das allwissend ist, wenn es reicht, dass das logisch möglich ist, dann kann man Deine Ansicht auf den logischen Determinismus reduzieren.


Nein, du verstehst den logischen Determinismus falsch. Der logische Determinismus impliziert gerade nicht, dass Allwissen möglich ist, sondern er besagt nur, dass jede heutige Aussage über die Zukunft entweder wahr oder falsch ist. Aber das genügt nicht um die Möglichkeit einer Allwissenheit (und das heisst auch und vorgängig: einer festgelegten Welt) zu folgern. Das einzige was aus dem logischen Determinismus folgt, ist dass jede heute schon wahr oder falsch sein müssende Aussage über die Zukunft voraussetzt, dass die betreffende Zukunft nicht so gestaltet sein kann, dass eine heutige Aussage über die Zukunft zugleich wahr und falsch ( bzw. weder wahr noch falsch) ist: der logische Determinismus fordert nicht mehr als das und keineswegs eine bereits jetzt feststehende Zukunft. Allwissenheit setzt aber genau diese festgelegte Zukunft voraus.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 21:37

ujmp hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Allmacht ist eben wegen solchen Problemen ein wesentlich schwieriger zu definierender Begriff als etwa die Allwissenheit (die keineswegs in sich selber schon logisch widersprüchlich ist).

Es ist nur schwer Allmacht so zu definieren, dass du recht behältst - ist es nicht so? ;-)


Anstelle von Allmacht benutzte ich vorwiegend den Ausdruck freier Wille (den ich auch plausibel definiert habe).
Klar: wenn du Allmacht so definierst, dass sie an keine Logik gebunden ist, sich also auch über den logisch zwingenden Widerspruch zu einer allfälligen Allwissenheit keine Gedanken zu machen braucht: ja dann hätte ich dagegen bestimmt keine Argumentation geführt, denn dann wäre die Antwort von Anfang an klar gewesen: Für Gott ist nichts unmöglich und basta. Aber was wäre eine Allmacht (oder jeder andere Begriff) ohne Logik (ohne den Satz der Identität z.B.)? ...
Bitte argumentiere gegen meine letzte/vorletzte Antwort (es sei denn du sagst klar und deutlich, dass eine deiner Prämissen eben ein solcher "translogischer" Allmachtsbegriff ist...warum du dann aber überhaupt diskutieren solltest, ist mir schleierhaft...Begriffe welche die Logik sprengen, verabschieden sich ja aus jedem Verstehenshorizont und verunmöglichen jede verstehbare Argumentation a priori).
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 10. Mai 2012, 22:40

@Dr Fraggles

Mag schon sein, dass ich da was falsch verstehe.

Nehmen wir mal an, es gäbe ein Wesen, dass allwissend sei. 'Allwissenheit' bedeutet nun nach meinem Verständnis, dass dieses Wesen auf jede Frage, die eindeutig beantwortbar ist, die richtige Antwort geben kann. Aber es muss nicht mehr leisten können als das, das bedeutet z.B. explizit nicht per se, dass das, was eintritt, notwendigerweise eintreten muss.

Mir scheint immer noch, dass Du hier irgendwelche ungenannte Zusatzannahmen triffst, irgendwie aus Allwissenheit auf einen dahinter liegenden Mechanismus schließt.

Aber das Wesen kann eben auch 'einfach so' (ohne weiteren Grund/ohne Ursache/ohne dass das aus etwas anderem ableitbar/auf etwas anderes zurückführbar wäre) immer richtig liegen. Das ist zumindest logisch möglich.

Allerdings: dabei muss man nun auch berücksichtigen, dass es meiner Ansicht nach Fragen gibt, die nicht beantwortbar sind.

Z.B.: wenn dieses Wesen ein Teil unserer Welt wäre, wenn es also mit unserer Welt wechselwirkt und ich fragte es "sieh mal, vor mir liegen zwei Kugeln, die eine schwarz, die andere weiß. Welche Kugel werde ich nehmen, vorausgesetzt, ich werde nicht die Kugel nehmen, die Du nun nennst?" - dann könnte das Wesen diese Frage nicht beantworten.

Wenn dieses Wesen aber nicht Teil unserer Welt, (d.h. nicht mit unserer Welt wechselwirkte), wäre, dann wäre es kein Widerspruch mehr, wenn es diese Frage beantworten könnte. Dann würde es mit der Beantwortung voraussetzungsgemäß keinen Einfluss auf unsere Welt nehmen. Und also wäre es egal, (für die Festgelegtheit, Notwendigkeit oder so in unserer Welt), ob dieses Wesen existiert oder nicht oder ob es hypothetisch existieren könnte oder nicht.

Oder?
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Do 10. Mai 2012, 23:08

Dr Fraggles hat geschrieben:ich versichere dir, dass er nicht logisch sauber argumentiert!


Eine Versicherung ist vielleicht ein netter Zug, aber kein Argument.

ZurAllmacht kurz und knapp:
Würde ich als die Macht sehen, alles tun zu können, fertig.
Die Paradoxie mit dem Stein ist nicht schlecht, denn sie sprengt das vorgesehene System, das tut ujmps Antwort aber auch.

Dr Fraggles hat geschrieben:Anstelle von Allmacht benutzte ich vorwiegend den Ausdruck freier Wille (den ich auch plausibel definiert habe).


Erscheint mir nicht nachvollziehbar.
Mit einem freien Willen wähle ich bei der Wahl zwischen Vanille- und Schokoeis, das Vanilleeis.
Mit Allmacht mache ich aus Schokoeis Vanilleeis, wenn Vanille alle ist.
Da scheint mir eine erhebliche Differenz vorzuliegen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 23:37

AgentProvocateur hat geschrieben:@Dr Fraggles

Mag schon sein, dass ich da was falsch verstehe.

Nehmen wir mal an, es gäbe ein Wesen, dass allwissend sei. 'Allwissenheit' bedeutet nun nach meinem Verständnis, dass dieses Wesen auf jede Frage, die eindeutig beantwortbar ist, die richtige Antwort geben kann. Aber es muss nicht mehr leisten können als das, das bedeutet z.B. explizit nicht per se, dass das, was eintritt, notwendigerweise eintreten muss.

Mir scheint immer noch, dass Du hier irgendwelche ungenannte Zusatzannahmen triffst, irgendwie aus Allwissenheit auf einen dahinter liegenden Mechanismus schließt.

Aber das Wesen kann eben auch 'einfach so' (ohne weiteren Grund/ohne Ursache/ohne dass das aus etwas anderem ableitbar/auf etwas anderes zurückführbar wäre) immer richtig liegen. Das ist zumindest logisch möglich.

Allerdings: dabei muss man nun auch berücksichtigen, dass es meiner Ansicht nach Fragen gibt, die nicht beantwortbar sind.

Z.B.: wenn dieses Wesen ein Teil unserer Welt wäre, wenn es also mit unserer Welt wechselwirkt und ich fragte es "sieh mal, vor mir liegen zwei Kugeln, die eine schwarz, die andere weiß. Welche Kugel werde ich nehmen, vorausgesetzt, ich werde nicht die Kugel nehmen, die Du nun nennst?" - dann könnte das Wesen diese Frage nicht beantworten.

Wenn dieses Wesen aber nicht Teil unserer Welt, (d.h. nicht mit unserer Welt wechselwirkte), wäre, dann wäre es kein Widerspruch mehr, wenn es diese Frage beantworten könnte. Dann würde es mit der Beantwortung voraussetzungsgemäß keinen Einfluss auf unsere Welt nehmen. Und also wäre es egal, (für die Festgelegtheit, Notwendigkeit oder so in unserer Welt), ob dieses Wesen existiert oder nicht oder ob es hypothetisch existieren könnte oder nicht.

Oder?


Allwissenheit habe ich wohl nirgends explizit definiert. Da die Fragestellung (der ich in meiner Argumentation folgte) jene der möglichen Vereinbarkeit von Gottes (oder wessen auch immer) Allwissenheit und dem hypothetisch angenommenen freien Willen des Menschen/oder Gottes war, impliziert das gemeinte Wissen notwendig nur das Vorherwissen um jede menschliche Handlung...im Grunde genügt ein solches eingeschränktes Wissen (was natürlich Teilmenge eines umfassenderen Allwissens wäre) um der Fragestellung zu genügen.

Nach deiner Definition von Allwissenheit muss durchaus alles was eintreten kann und dessen Eintreten sowohl als Frage formuliert werden kann und eine eindeutige Antwort zulässt auch notwendigerweise eintreten (ansonsten die richtige Antwort eben zugleich falsch wäre). Nur was eintritt und wonach entweder nicht gefragt werden könnte oder worauf nicht eindeutig (was heisst das hier genau) geantwortet werden könnte, müsste nicht notwendig eintreten. Zumindest menschliche Handlungen erfüllen aber die Kriterien der Befragbarkeit (Wie wird dieser oder jener Mensch künftig entscheiden?) und der eindeutigen Beantwortbarkeit (der Entscheid fällt so und nicht anders aus).

Allwissenheit bewirkt in meiner Annahme gar nichts (und muss das auch nicht damit die Argumentation schlüssig ist). Allwissenheit impliziert lediglich (oder besser: setzt voraus), dass die Wirklichkeit (in diesem Fall: menschliche Entscheidungen/Handlungen) festgelegt sind. Das Wissen braucht auf keinerlei Weise mit der Wirklichkeit zu interagieren, auf diese Einfluss zu nehmen. Das wissende Wesen kann nur das Wissen was wissbar ist und das ist das eindeutig Festgelegte (ansonsten die Antwort auf eine Frage nie lauten könnte: so, aber nicht anders...eben eindeutig). Auch ein Wesen welches einfach so immer richtig läge, könnte nur RICHTIG liegen wenn das Wissbare Richtigkeit zulässt, also eindeutig festgelegt ist.

Ob es Unbeantwortbare Fragen gibt, ist irrelevant, da mich a) in dieser Diskussion nicht interessiert ob Allwissenheit ein plausibles Konstrukt ist (in der Fragestellung selber wird es schlicht hypothetisch vorausgesetzt) und b) weil die Allwissenheit davon unabhängig ist ob es die Welt bestimmt oder nicht.
Dein erstes diesbezügliche Gedankenexperiment besagt im übrigen nur, dass Gott nicht die Kugel benennen kann welche du nehmen wirst, nicht aber, dass er er es nicht weiss.
Aber wie gesagt: es spielt grundsätzlich keine Rolle: Gottes Wissen muss das Gewusste nicht determinieren um existieren/entstehen zu können. Das Wissbare (sprich: die Festgelegtheit) ist logisch notwendige Bedingung des Wissens. Dass (All)wissen möglich ist, hat keine anderen notwendigen Voraussetzungen.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Do 10. Mai 2012, 23:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 10. Mai 2012, 23:48

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:ich versichere dir, dass er nicht logisch sauber argumentiert!


Eine Versicherung ist vielleicht ein netter Zug, aber kein Argument.

ZurAllmacht kurz und knapp:
Würde ich als die Macht sehen, alles tun zu können, fertig.
Die Paradoxie mit dem Stein ist nicht schlecht, denn sie sprengt das vorgesehene System, das tut ujmps Antwort aber auch.

Dr Fraggles hat geschrieben:Anstelle von Allmacht benutzte ich vorwiegend den Ausdruck freier Wille (den ich auch plausibel definiert habe).


Erscheint mir nicht nachvollziehbar.
Mit einem freien Willen wähle ich bei der Wahl zwischen Vanille- und Schokoeis, das Vanilleeis.
Mit Allmacht mache ich aus Schokoeis Vanilleeis, wenn Vanille alle ist.
Da scheint mir eine erhebliche Differenz vorzuliegen.


Nun, die ursprüngliche Fragestellung war jene nach der Vereinbarkeit von Allwissenheit und freiem Willen Gottes bzw. des Menschen...aus meiner Sicht das identische Problem (und ich habe mich längst reserviert gezeigt bezüglich dem Begriff Allmacht). O.k., wenn man aber eine diesbezügliche Fragestellung will...
Wie du Allmacht interpretierst, ist deine Sache...um eine Diskussion zu führen muss man einfach einmal einen Konsens bezüglich der Fragestellung und der Definition der darin enthaltenen Begriffe finden um nicht aneinander vorbei zu reden. Möglich, dass in dieser Diskussion da einiges durcheinander geriet.
Mein Standpunkt bleibt unverändert bezüglich der anfänglichen und von mir intendierten Fragestellung. Dass ujmp nicht logisch korrekt argumentiert hat, habe ich ja aufgezeigt (und geschrieben unter welchen jede Diskussion a priori ausschliessenden Prämissen er allenfalls "Recht" hätte)...andernfalls bitte meine Kritik an ujmps Argumentation ktitisieren. Falls ujmp eine alle logischen Grenzen übersteigende grenzenlose Allmacht im Sinn hatte, haben wir aneinander vorbei geredet...dann muss er/sie sich aber zumindest den Vorwurf gefallen lassen eine Diskussion mit Begriffen geführt zu haben die eine Argumentation a priori nicht zulässt, es sei denn im Sinne von: Gott kann alles weil er alles kann.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 11. Mai 2012, 00:07

Dr Fraggles hat geschrieben:Dein erstes diesbezügliche Gedankenexperiment besagt im übrigen nur, dass Gott nicht die Kugel benennen kann welche du nehmen wirst, nicht aber, dass er er es nicht weiss.

Okay, dieser Punkt geht an Dich, da gebe ich Dir recht, ich ziehe das Gedankenexperiment zurück.

Dr Fraggles hat geschrieben:Aber wie gesagt: es spielt grundsätzlich keine Rolle: Gottes Wissen muss das Gewusste nicht determinieren um existieren/entstehen zu können. Das Wissbare (sprich: die Festgelegtheit) ist logisch notwendige Bedingung des Wissens. Dass (All)wissen möglich ist, hat keine anderen notwendigen Voraussetzungen.

Aber das bekomme ich dennoch noch nicht zusammen. Du sagst, wenn ich das recht verstehe:

1. 'echtes' (All-)Wissen impliziert eine logische Notwendigkeit, (und zwar eine Notwendigkeit, die inhärent ist, die also nicht einfach so per ordre de mufti vorausgesetzt wird, also: ich nehme einfach mal an, dass logische Notwendigkeit vorliegt)
2. aber es ist egal, ob tatsächlich ein Wesen existiert, dass allwissend ist, es spielt nur eine Rolle, ob es hypothetisch ein Wesen geben könnte, dass allwissend ist
3. Allwissenheit impliziert aber keinen Determinination, kausale Zusammenhänge oder dergleichen
4. Allwissenheit bedeutet Festgelegtheit

Wie passt das zusammen?

Nehmen wir an, ein Wesen existiert, das alles weiß, aber ohne dieses Wissen jemals auch nur im geringsten Maße nach außen kund zu tun. Und auch hat es keinerlei Einfluss auf die Welt, was dieses Wesen weiß. Nun hat aber das Wissen dieses Wesen nichts mit der Welt zu tun, es ist einfach ein factum brutum, dass dieses Wesen alles weiß, es gibt keinen kausalen oder sonstigen Zusammenhang zu der Welt, über die das Wesen alles weiß. Daraus folge nun, so behauptest Du, dass die betreffende Welt notwendigerweise so ist, wie sie ist, (abläuft, wie sie abläuft). Und da es aber keinerlei Grund oder Ursache oder Zusammenhang zwischen Welt und Wesen gibt, spielt es keine Rolle, ob dieses Wesen tatsächlich existiert oder nicht, also können wir es auch weglassen. Und also folgt logischerweise, dass jede Welt notwendigerweise so ist, wie sie ist.

Soweit richtig?
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Fr 11. Mai 2012, 00:14

@AgentProvokateur:

Muss ins Bett. Werde dann morgen antworten.
Gute Nacht!
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Lumen » Fr 11. Mai 2012, 14:40

ujmp hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:I "Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht anheben kann?"


"Ja, natürlich, er ist ja allmächtig. Er tut es aber auf Grund seiner Allwissenheit nicht - weil er dann nicht mehr allmächtig wäre" A.D. ;-)


Das zugrundeliegende Prinzip ist hier dass Denken/Rechnen eine Operation ist, also ihrerseits eine zeitliche Abfolge besitzt und in den entstehenden Schritten fortwährend falsche Aussagen produziert werden. Eine Gleichung wie "15 = 1+2+3+4+5" ist in "Zeitlupe" betrachtet stellenweise unsinnig. Das Beispiel ist vergleichbar mit rekursiven Denken (einen Vorsatz haben, einen Vorsatz zu haben, etwas zu tun ...). Der Punkt ist mA nach unauflösbar, solange wir unsere Gehirne benutzen und uns keinerlei Regeln auferlegen, die solche (oder andere, wie "muss naturwissenschaftlich plausibel sein") Löcher stopfen. :)
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Fr 11. Mai 2012, 15:23

ujmp hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:I "Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht anheben kann?"


"Ja, natürlich, er ist ja allmächtig. Er tut es aber auf Grund seiner Allwissenheit nicht - weil er dann nicht mehr allmächtig wäre" A.D. ;-)


Meine Interpretation wäre folgende: Falls Gott obiges nicht kann beweist er offensichtlich seine nicht-Allmacht, aber eben auch wenn er es kann. Im ersteren Fall (des nicht-könnens) kann Gott nichts tun was seine Allmacht in der Folge verneint/unterminiert (dies verallgemeinert die Aussage). Im zweiten Fall kann seine Allmacht dazu führen, dass sie seine Allmacht negiert. Man könnte verkürzt fragen: Kann Gottes Allmacht sich selbst (zeitweilig, im Einzelfall oder für immer, generell) durch Handlung ausser Kraft setzen oder muss er sich gewisser Handlungen enthalten um sich seine Allmacht bewahren zu können?
Deine Antwort, dass er es könne, da er ja allmächtig ist, ignoriert was die Fragestellung impliziert (dass er seine Allmacht so gebrauchen kann, dass er sie in der Folge verliert). Was dann dein Nachsatz zeigen soll, ist mir völlig schleierhaft, da falls er den Stein erschaffen kann er dann so oder so seine Allmacht einbüsst (Allwissenheit tut da rein gar nichts zur Sache...die Satzanalyse mit den darin enthaltenen Begriffen genügt völlig um das aufzuzeigen).
Die einzig denkbare Lösung ist dann die, dass Gottes Allmacht über der Logik steht: durch Schaffung des besagten Steines eliminiert er seine Allmacht was den Widerspruch konstituiert: Gottes Allmacht begründet dessen nicht-Allmacht (oder wäre das dialektisch?). Wie auch immer: diesen Widerspruch könnte Gott als Illusion behaupten wenn er die Logik negiert (allerdings müsste er die Logik benützen um dies zu kommunizieren und diese Kommunikation würde keine diesbezügliche Erfahrung beinhalten können, solange der Mensch Mensch bleibt).
Falls er den Stein nicht erschaffen kann, dann folgt daraus, dass seine Allmacht sich nicht selbst negieren kann und dadurch aber eben schon von vornherein eingegerenzt sein muss.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Fr 11. Mai 2012, 15:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Fr 11. Mai 2012, 15:48

Vollbreit hat geschrieben:
ZurAllmacht kurz und knapp:
Würde ich als die Macht sehen, alles tun zu können, fertig.
Die Paradoxie mit dem Stein ist nicht schlecht, denn sie sprengt das vorgesehene System, das tut ujmps Antwort aber auch.

Erscheint mir nicht nachvollziehbar.
Mit einem freien Willen wähle ich bei der Wahl zwischen Vanille- und Schokoeis, das Vanilleeis.
Mit Allmacht mache ich aus Schokoeis Vanilleeis, wenn Vanille alle ist.
Da scheint mir eine erhebliche Differenz vorzuliegen.


Zum ersten: Ich behaupte, dass Gott nicht alles tun kann. Er kann z.B. nicht zugleich mich so sein lassen wie ich bin (mit meinen Verstehensgrenzen, meinem an die Logik gebundenem Denken) und zugleich dafür sorgen, dass ich seine die Logik sprengenden Attribute verstehe. D.h. selbst wenn Gottes Allmacht die Logik transzendieren kann und für/in Gott Widersprüche bis hin zur nicht-Existenz völlig relativiert werden, so kann er mich daran nicht teilhaben lassen und mich zugleich mit meinen Verstehensgrenzen bestehen lassen: hier versagt seine die Logik und damit Widersprüche transzendierende Macht an meiner Erfahrung..
Aber vielleicht ist dies nur ein Beispiel aus dem nicht vorgesehenen gesprengten System.

Zwischen Allmacht und feier Wille besteht ein massiver Unterschied, wesshalb ich eben schrieb den Begriff Allmacht problematisch zu finden (nicht weil das meine Argumentation negativ tangiert, sondern um der Klarheit der Argumentation willen...ausserdem müsste eine Definition von Allmacht zuerst ausgehandelt werden, über den Begriff des freien Willens ein solcher Minimal-Konsens bereits besteht).
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Fr 11. Mai 2012, 16:40

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Aber wie gesagt: es spielt grundsätzlich keine Rolle: Gottes Wissen muss das Gewusste nicht determinieren um existieren/entstehen zu können. Das Wissbare (sprich: die Festgelegtheit) ist logisch notwendige Bedingung des Wissens. Dass (All)wissen möglich ist, hat keine anderen notwendigen Voraussetzungen.

Aber das bekomme ich dennoch noch nicht zusammen. Du sagst, wenn ich das recht verstehe:

1. 'echtes' (All-)Wissen impliziert eine logische Notwendigkeit, (und zwar eine Notwendigkeit, die inhärent ist, die also nicht einfach so per ordre de mufti vorausgesetzt wird, also: ich nehme einfach mal an, dass logische Notwendigkeit vorliegt)
2. aber es ist egal, ob tatsächlich ein Wesen existiert, dass allwissend ist, es spielt nur eine Rolle, ob es hypothetisch ein Wesen geben könnte, dass allwissend ist
3. Allwissenheit impliziert aber keinen Determinination, kausale Zusammenhänge oder dergleichen
4. Allwissenheit bedeutet Festgelegtheit

Wie passt das zusammen?

Nehmen wir an, ein Wesen existiert, das alles weiß, aber ohne dieses Wissen jemals auch nur im geringsten Maße nach außen kund zu tun. Und auch hat es keinerlei Einfluss auf die Welt, was dieses Wesen weiß. Nun hat aber das Wissen dieses Wesen nichts mit der Welt zu tun, es ist einfach ein factum brutum, dass dieses Wesen alles weiß, es gibt keinen kausalen oder sonstigen Zusammenhang zu der Welt, über die das Wesen alles weiß. Daraus folge nun, so behauptest Du, dass die betreffende Welt notwendigerweise so ist, wie sie ist, (abläuft, wie sie abläuft). Und da es aber keinerlei Grund oder Ursache oder Zusammenhang zwischen Welt und Wesen gibt, spielt es keine Rolle, ob dieses Wesen tatsächlich existiert oder nicht, also können wir es auch weglassen. Und also folgt logischerweise, dass jede Welt notwendigerweise so ist, wie sie ist.

Soweit richtig?



Wissen (erweitert: Allwissen) setzt ein Wissbares voraus. Das Wissbare ist das Festgelegte. Was in wahren Sätzen formuliert werden kann untersteht damit gewissen logischen Bedingungen (dem Satz der Identität). Was "ist" kann von mir aus zugleich sein und nichtsein oder zugleich (und in gleicher Hinsicht) so und nicht-so sein. Aber selbst wenn es so und zugleich nicht-so oder sowohl seiend als auch nicht-seiend wäre: zumindest der Satz der Identität muss gegeben sein: es ist so (wie auch immer), aber bleibt so wie es ist: das ist seine Festgelegtheit. Es ist so und nicht anders.
Wissen impliziert (setzt logisch voraus) Festgelegtes im obigen Sinn, weil sonst nichts existierte was gewusst werden könnte (was nicht irgendwie ist, ist nicht). Das scheint mir eine Analyse des Wissensbegriffs zu liefern, womit der Zusammenhang ein analytischer und damit logisch notwendiger wäre...falls mich nicht alles täuscht.
Allwissenheit könnte determinieren, muss es aber in meiner Argumentation nicht. In meiner Argumentation impliziert es nur oben Dargelegtes. Allwissenheit bedeutet Festgelegtheit in dem Sinne dass Allwissenheit ohne Festgelegtheit nicht existieren könnte, Festgelegtheit impliziert aber nicht Wissen, ist aber eine notwendige Bedingung dafür.

Aber du verstehst da etwas falsch: aus meiner Sicht besteht ein Zusammenhang zwischen Welt (=Wissbarem) und Wissen/Wissendem. Wie gesagt: die Welt muss festgelegt sein um Wissen zu ermöglichen. Der Wissende mag in seiner Monade sitzen und (im Gedankenexperiment) kausal völlig isoliert von der Welt sein (wie er zu seinem Allwisen kommt ist ja ein gänzlich anderes Problem).
Du verkennst diesen Zusammenhang wenn du sagst, dass jede Welt notwendig so ist wie sie ist. Eine Welt ist nur dann notwendig so wie sie ist, wenn sie eine gewisse Eigenart hat, nämlich jene des Festgelegtseins...dazu braucht es keine Allwissenheit, aber die logische Möglichkeit einer solchen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 11. Mai 2012, 18:22

Hm, wir haben wohl eine etwas differierende Auffassung über 'Wissen', ich möchte mich dabei der gängigen Definition anschließen: (Wikipedia - Wissen) "Wissen wird in der Erkenntnistheorie traditionell als wahre und gerechtfertigte Meinung (englisch justified true belief) bestimmt."

Mir scheint nun irgendwie, dass Du etwas darüber hinaus verstehst, bloß ist mir noch nicht so recht klar, was das ist.

Und ich habe wohl auch immer noch ein Problem damit, dass Du keine Zeitkomponente nennst, die aber dennoch implizit in Deiner Ansicht enthalten zu sein scheint.

Du sagst nun:

Dr Fraggles hat geschrieben:Wissen (erweitert: Allwissen) setzt ein Wissbares voraus. Das Wissbare ist das Festgelegte. [...] Eine Welt ist nur dann notwendig so wie sie ist, wenn sie eine gewisse Eigenart hat, nämlich jene des Festgelegtseins...dazu braucht es keine Allwissenheit, aber die logische Möglichkeit einer solchen.

Inwiefern aber ist die Welt festgelegt?

Mir scheint nun, dass es nach Deinem Begriff von 'Wissen' keinerlei Wissen über die Zukunft geben kann - falls die ontologisch offen (= nicht festgelegt) ist.

Nehmen wir nun mal an, es könnte festgelegte Welten und nicht festgelegte (ontologisch offene) Welten geben.

Wenn nun Wissen das Festgelegte wäre, dann kann jemand in einer nicht festgelegten Welt nichts über die Zukunft wissen. Aber auf der anderen Seite kann er auch in einer solchen Welt etwas über die Vergangenheit wissen, denn die ist auch in einer nicht festgelegten Welt festgelegt. (Oder?)

Und hier gibt es dann nun eine Asymmetrie, die sich daraus ergibt, dass für einen bestimmten Zeitpunkt etwas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist.

Nehmen wir nun das allwissende Wesen. Wenn all das oben Gesagte stimmt und das Wesen Teil der Welt ist, dann kann es nichts über die Zukunft wissen, (nach Deinem Begriff von 'Wissen'). Was aber auch heißt, dass es dennoch allwissend sein kann - denn 'Allwissenheit' kann ja doch wohl nur bedeuten: "komplett und ohne Ausnahme alles zu wissen, was logisch möglich ist, zu wissen". Andererseits erweitert sich das Wissen dieses Wesens permanent, denn zu jedem späteren Zeitpunkt kommt mehr hinzu, das logisch möglich 'wissbar' ist.

----

Ich fasse mal meine Einwände ein bisschen zusammen:

- in einer ontologisch offenen Welt würde Wissen nach Deiner Definition kein Wissen über die Zukunft beinhalten können (weil man dann jetzt nichts über die Zukunft wissen könnte)
- in einer solchen Welt würde also das habbare Wissen (und somit auch Allwissen) permanent wachsen, (und zwar abhängig zu dem jeweiligen allwissenden Wesen - so man sich es in dieser Welt denkt)
- d.h. man kann aus einer solchen Allwissenheit nicht auf Festgelegtheit schließen
- und wieso überhaupt sollte man annehmen müssen, dass es nur eine Welt mit einem einzigen Zeitablauf gibt?
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Sa 12. Mai 2012, 10:08

Dr Fraggles hat geschrieben:Falls der Mensch einen "freien Willen" hat, so ist Gott nicht allwissend (ebensowenig wenn Gott selbst einen freien Willen hat).


Das war der einleitenden Satz, den Du meintest?
Ich halte ihn für falsch, aber meine Position in der Frage der Willensfreiheit ist sehr nahe an der von Agent Provocateur, so dass es vermutlich für keinen der Beteiligten ein Gewinn ist, das doppelt zu diskutieren.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zum ersten: Ich behaupte, dass Gott nicht alles tun kann. Er kann z.B. nicht zugleich mich so sein lassen wie ich bin (mit meinen Verstehensgrenzen, meinem an die Logik gebundenem Denken) und zugleich dafür sorgen, dass ich seine die Logik sprengenden Attribute verstehe. D.h. selbst wenn Gottes Allmacht die Logik transzendieren kann und für/in Gott Widersprüche bis hin zur nicht-Existenz völlig relativiert werden, so kann er mich daran nicht teilhaben lassen und mich zugleich mit meinen Verstehensgrenzen bestehen lassen: hier versagt seine die Logik und damit Widersprüche transzendierende Macht an meiner Erfahrung..
Aber vielleicht ist dies nur ein Beispiel aus dem nicht vorgesehenen gesprengten System.


Von mystischen Erfahrungen wird ja zum Teil behauptet, dass man eins mit Gott wird und einen intuitiven Einblick in Gottes „Räderwerk“ erhält. Inwieweit man dabei allerdings vom „Verstehen“ reden kann ist strittig, da gewöhnlich außerhalb der mystischen Erfahrung die Funktionsweise von Gottes Räderwerk nicht erklärt werden kann.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zwischen Allmacht und feier Wille besteht ein massiver Unterschied, wesshalb ich eben schrieb den Begriff Allmacht problematisch zu finden (nicht weil das meine Argumentation negativ tangiert, sondern um der Klarheit der Argumentation willen...ausserdem müsste eine Definition von Allmacht zuerst ausgehandelt werden, über den Begriff des freien Willens ein solcher Minimal-Konsens bereits besteht).


Dass hier ein massiver Unterschied besteht, sehe ich auch so, aufgrund dieses schon mal zitierten Satzes
Dr Fraggles hat geschrieben:Anstelle von Allmacht benutzte ich vorwiegend den Ausdruck freier Wille (den ich auch plausibel definiert habe).

Hatte ich den Eindruck, dass Du Allwissen und Allmacht gleichsetzen würdest, aber das hatte ich dann missverstanden.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 13. Mai 2012, 15:08

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, wir haben wohl eine etwas differierende Auffassung über 'Wissen', ich möchte mich dabei der gängigen Definition anschließen: (Wikipedia - Wissen) "Wissen wird in der Erkenntnistheorie traditionell als wahre und gerechtfertigte Meinung (englisch justified true belief) bestimmt."

Mir scheint nun irgendwie, dass Du etwas darüber hinaus verstehst, bloß ist mir noch nicht so recht klar, was das ist.

Und ich habe wohl auch immer noch ein Problem damit, dass Du keine Zeitkomponente nennst, die aber dennoch implizit in Deiner Ansicht enthalten zu sein scheint.

Mir scheint nun, dass es nach Deinem Begriff von 'Wissen' keinerlei Wissen über die Zukunft geben kann - falls die ontologisch offen (= nicht festgelegt) ist.

Nehmen wir nun mal an, es könnte festgelegte Welten und nicht festgelegte (ontologisch offene) Welten geben.

Wenn nun Wissen das Festgelegte wäre, dann kann jemand in einer nicht festgelegten Welt nichts über die Zukunft wissen. Aber auf der anderen Seite kann er auch in einer solchen Welt etwas über die Vergangenheit wissen, denn die ist auch in einer nicht festgelegten Welt festgelegt. (Oder?)

Und hier gibt es dann nun eine Asymmetrie, die sich daraus ergibt, dass für einen bestimmten Zeitpunkt etwas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist.

Nehmen wir nun das allwissende Wesen. Wenn all das oben Gesagte stimmt und das Wesen Teil der Welt ist, dann kann es nichts über die Zukunft wissen, (nach Deinem Begriff von 'Wissen'). Was aber auch heißt, dass es dennoch allwissend sein kann - denn 'Allwissenheit' kann ja doch wohl nur bedeuten: "komplett und ohne Ausnahme alles zu wissen, was logisch möglich ist, zu wissen". Andererseits erweitert sich das Wissen dieses Wesens permanent, denn zu jedem späteren Zeitpunkt kommt mehr hinzu, das logisch möglich 'wissbar' ist.

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Ich fasse mal meine Einwände ein bisschen zusammen:

- in einer ontologisch offenen Welt würde Wissen nach Deiner Definition kein Wissen über die Zukunft beinhalten können (weil man dann jetzt nichts über die Zukunft wissen könnte)
- in einer solchen Welt würde also das habbare Wissen (und somit auch Allwissen) permanent wachsen, (und zwar abhängig zu dem jeweiligen allwissenden Wesen - so man sich es in dieser Welt denkt)
- d.h. man kann aus einer solchen Allwissenheit nicht auf Festgelegtheit schließen
- und wieso überhaupt sollte man annehmen müssen, dass es nur eine Welt mit einem einzigen Zeitablauf gibt?



Ein paar wenige korrigierende Anmerkungen:
Mein Wissensbegriff ist durchaus identisch mit deinem.
Zum Zeitbegriff: Allwissenheit impliziert ein Wissen über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft (aller möglichen Welten): fehlte ein diesbezügliches Wissen wäre es kein ALLwissen. D.h. Allwissen wächst nicht und schrumpft nicht. Wissen welches wachsen kann ist kein Allwissen. Allwissen ist nicht das Gesamt des gegenwärtig wissbaren Wissens (was ja erst künftig wissbares Wissen nicht ausschliesst), sondern bedeutet ein präsentes Wissen um Alles. Aus Allwissenheit lässt sich also die Festgelegtheit (aller Welten) schliessen.
Allwissenheit kann natürlich nicht Teil der Welt sein, d.h. festgelegt/im Horizont beschränkt auf einen bestimmten Zeitpunkt des Zeitkontinuums, ansonsten ihm ja das Wissen über die Zukunft (ob festgelegt oder nicht) nicht gegeben wäre. Will man die Allwissenheit mit dem erfahrenen Ablauf der Zeit in Verbindung bringen, könnte man allenfalls sagen, dass das Allwissen (bzw. die Instanz des Allwissens) am Ende aller Zeiten seinen "Platz" einnimmt. Dem würde entsprechen, dass Allwissen eine Position aussserhalb der Zeit impliziert (= eine alle Zeiten umfassende).
In einer ontologisch offenen Welt könnte man nichts über die offene Zukunft wissen weil die offene Zukunft noch nicht existiert (d.h. festgelegt ist). Freie Entscheidungen und Zufälle würden durch Allwissenheit festgelegt und dadurch aufgehoben (im nicht-Hegelschen Sinne) werden.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am So 13. Mai 2012, 15:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 13. Mai 2012, 15:33

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Falls der Mensch einen "freien Willen" hat, so ist Gott nicht allwissend (ebensowenig wenn Gott selbst einen freien Willen hat).


Das war der einleitenden Satz, den Du meintest?
Ich halte ihn für falsch, aber meine Position in der Frage der Willensfreiheit ist sehr nahe an der von Agent Provocateur, so dass es vermutlich für keinen der Beteiligten ein Gewinn ist, das doppelt zu diskutieren.

Von mystischen Erfahrungen wird ja zum Teil behauptet, dass man eins mit Gott wird und einen intuitiven Einblick in Gottes „Räderwerk“ erhält. Inwieweit man dabei allerdings vom „Verstehen“ reden kann ist strittig, da gewöhnlich außerhalb der mystischen Erfahrung die Funktionsweise von Gottes Räderwerk nicht erklärt werden kann.

Dr Fraggles hat geschrieben:Zwischen Allmacht und feier Wille besteht ein massiver Unterschied, wesshalb ich eben schrieb den Begriff Allmacht problematisch zu finden (nicht weil das meine Argumentation negativ tangiert, sondern um der Klarheit der Argumentation willen...ausserdem müsste eine Definition von Allmacht zuerst ausgehandelt werden, über den Begriff des freien Willens ein solcher Minimal-Konsens bereits besteht).


Dass hier ein massiver Unterschied besteht, sehe ich auch so, aufgrund dieses schon mal zitierten Satzes
Dr Fraggles hat geschrieben:Anstelle von Allmacht benutzte ich vorwiegend den Ausdruck freier Wille (den ich auch plausibel definiert habe).

Hatte ich den Eindruck, dass Du Allwissen und Allmacht gleichsetzen würdest, aber das hatte ich dann missverstanden.



Dass Allwissenheit und freier Wille sich ausschliessen...ist evident...leider kann ich nicht plausibler argumentieren als ich es bereits getan habe (auch sehe ich nicht wo/von wem meine Argumentation widerlegt worden wäre).
Was du zum Inhalt mystischer Erfahrungen sagst ist sehr interessant bzw. ist (aus meiner Sicht) die Crux aller Mystik/Spiritualität (selbst wen sie auf einem objektiven Sachverhalt beruhte). Aus meiner Sicht (auf Grund dessen was mir bekannt ist) vermittelt KEINE mystische Erfahrung (bzw. Berichte darüber) irgendwelche Informationen welche Gottes Wirken oder Sein irgendwie erhellen. Mir scheint hier nicht ein Ende alles Fragens einzutreten weil alle Fragen ihre Antwort finden sondern weil alles Fragen durch ein "Wohlgefühl" zu einem Ende kommt, sprich: an Relevanz verliert (wer fragt während einem Orgasmus nach der Natur oder Wirkweise dieses Zustandes? Erkenntnis war doch nie (primäres) Interesse von Religion/Mystik sondern Erlösung und Erkenntnis bestenfalls Mittel dazu). Man tritt in einen Zustand ein in dem "Alles" irgendwie o.k. zu sein scheint ("Und schliesslich glaube ich, dass trotz allem - und dies ist wohl die höchste mystische Überzeugung - dass trotz Schmerz, Tod und Schrecken die Welt doch völlig in Ordnung ist..." Aldous Huxley...eine aus meiner Sicht Menschenverachtende Aussage, wie sie alle Theodizees beinhalten). Ich zumindest kenne keinen einzigen mystischen Text der bezüglich der Knacknüsse aller Theologie (Theodizee zuvorderst, Erkenntnis über die Natur eines angeblichen freien Willens, warum etwas ist und nicht nichts, warum Gott ist und nicht nicht etc. etc.) irgendetwas Relevantes beizutragen hätte. Im Gegenteil: alle redlichen Mystiker werden konstatieren müssen: " Viele Menschen glauben, dass erleuchtet zu sein bedeutet , dass man alles verstehen müsse, aber es bedeutet in Wirklichkeit genau das Gegenteil: Man versteht überhaupt nichts. Es ist alles ein absolutes Geheimnis." (Ken Wilber)
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » So 13. Mai 2012, 17:24

Dr Fraggles hat geschrieben:Zum Zeitbegriff: Allwissenheit impliziert ein Wissen über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft (aller möglichen Welten): fehlte ein diesbezügliches Wissen wäre es kein ALLwissen. D.h. Allwissen wächst nicht und schrumpft nicht. Wissen welches wachsen kann ist kein Allwissen. Allwissen ist nicht das Gesamt des gegenwärtig wissbaren Wissens (was ja erst künftig wissbares Wissen nicht ausschliesst), sondern bedeutet ein präsentes Wissen um Alles.

Ich nehme das mal einfach als Definition / Begriffsbestimmung. Und über Defrinitionen will ich mich nicht streiten, also: okay, wir setzen das mal so fest.

Dr Fraggles hat geschrieben:Aus Allwissenheit lässt sich also die Festgelegtheit (aller Welten) schliessen.

Aber das folgt nun nicht, es folgt vielmehr folgendes:

Dr Fraggles hat geschrieben:Allwissenheit kann natürlich nicht Teil der Welt sein, d.h. festgelegt/im Horizont beschränkt auf einen bestimmten Zeitpunkt des Zeitkontinuums, ansonsten ihm ja das Wissen über die Zukunft (ob festgelegt oder nicht) nicht gegeben wäre. Will man die Allwissenheit mit dem erfahrenen Ablauf der Zeit in Verbindung bringen, könnte man allenfalls sagen, dass das Allwissen (bzw. die Instanz des Allwissens) am Ende aller Zeiten seinen "Platz" einnimmt. Dem würde entsprechen, dass Allwissen eine Position aussserhalb der Zeit impliziert (= eine alle Zeiten umfassende).

Und in dem Sinne ('außerhalb der Zeit stehen') wäre dann Allwissenheit in Deinem obigen Sinne logisch möglich. (Möglich wäre auch eine eingeschränkte/abgemilderte Form: Allwissenheit bezüglich nur einer [oder auch bezüglich mehreren Welten, aber nicht aller, z.B. nicht der eigenen] Welt).

Dr Fraggles hat geschrieben:In einer ontologisch offenen Welt könnte man nichts über die offene Zukunft wissen weil die offene Zukunft noch nicht existiert (d.h. festgelegt ist). Freie Entscheidungen und Zufälle würden durch Allwissenheit festgelegt und dadurch aufgehoben (im nicht-Hegelschen Sinne) werden.

Aber der erste Satz müsste, wenn schon, dann so lauten:

"In einer ontologisch offenen Welt könnte man jetzt nichts über die offene Zukunft wissen, weil die offene Zukunft jetzt noch nicht existiert (d.h. festgelegt ist)"

Ich finde es nun sehr irritierend, zu sagen: "ein Ablauf X in der Zukunft würde durch ein vorheriges Wissen darüber festgelegt". Wissen ist aber nach meiner Ansicht immer durch ein Geschehen festgelegt (von dem Geschehen abhängig) und nicht anders herum, (das Geschehen von dem Wissen abhängig).

Wäre X anders, wäre notwendigerweise auch das Wissen über X anders, (und X kann solange auch völlig problemlos anders sein, kann kontingent sein, als man nicht eine Notwendigkeit von X annimmt, z.B. eine bestimmte Art von kausaler Determination).

Um nun aus dem Wissen über X eine Notwendigkeit für X ableiten zu können, müsste man auch irgendwie eine Notwendigkeit des "Wissens über X" behaupten.

Aber woher könnte diese Notwendigkeit kommen, wenn nicht von X?
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 13. Mai 2012, 18:07

[MOD]Unnötiges Vollzitat des kompletten Vorbeitrags inkl. dort enthaltenen Zitaten entfernt, 1v6,5M[/MOD]

Allwissenheit in meinem Sinne zu interpretieren ist in der Wortverbindung ja irgendwie schon enthalten. ALL-Wissen, kann nur schlecht Teil-Wissen sein. "Alles" impliziert aber alles was war und sein wird in allen möglichen Welten (nun, darüber könnte man zugegebenermassen wohl streiten...).
Ich kann aber Aussagen...nicht-zufällige wahre Überzeugungen über die Zukunft haben nur dann wenn ich als wissende Instanz die entsprechende Zukunft umfasse (und insofern ausserhalb der Zeit stehe). Allwissenheit als Wissen von Allem ist natürlich nur denkbar wenn die Instanz jenseits aller Zeit existiert (für alle möglichen Welten auch ausserhalb allen Raumes...). Entscheidend für das Problem der Vereinbarkeit ist das Zukunftswissen. Zukunftswissen über welche bestimmte Zukunft auch immer bedingt ihre entsprechende Festgelegtheit (genau das impliziert natürlich auch Allwissen!).
Beispiel: Ich habe eine Tasse Tee und Wasser vor mir stehen. Falls ich einen freien Willen habe, steht bis zum Moment meines Entscheides nicht fest wie dieser Teil der Welt...meine Handlung auf Grund meines freien Entscheides, aussieht, sprich: festgelegt ist (ja, dieser Teil der Welt existiert noch gar nicht bis zu meinem gefällten Entscheid, auch für mich nicht). Jede davor geäusserte Überzeugung wie mein Entscheid ausfällt, kann nur zufällig wahr sein, kann kein Wissen sein. Wäre eine nicht-zufällig wahre Aussage über meinen Entscheid vor meinem faktischen Entscheid möglich, würde mein Entscheid NOTWENDIG vor dem Entscheid schon feststehen. Wie man ein solch plakatives Beispiel nicht als evident beurteilen kann, weiss ich nicht.
Wenn ich schreibe: Allwissen legt die Welt fest, ist das eine fehlerhafte Formulierung meinerseits. Was ich meine ist: Allwissen setzt die Festgelegtheit der Welt voraus, mehr behaupte ich nicht. Wissen ist also nur möglich insofern und inwiefern die Welt festgelegt ist. Sorry für diesbezügliche falsche Formulierungen (habe aber in einem vorhergehenden Beitrag schon explizit gemacht, was ich mit der irreführenden Formulierung meine).

Also: Insofern und insoweit es nicht-zufällig wahre Überzeugungen über die Zukunft gibt, muss diese entsprechende Zukunft festgelegt sein und schliesst (noch) nicht festgelegte (und damit noch nicht existierende) Zukunft aus. Der freie Wille (bzw. dessen Entscheid/Handlung) ist noch nicht festgelegte Zukunft. Also schliessen sich freier Wille und nicht-zufällige wahre Überzeugungen den freien Willen (bzw. dessen Entscheide/Handlungen) betreffend aus.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » So 13. Mai 2012, 20:04

Dr Fraggles hat geschrieben:Beispiel: Ich habe eine Tasse Tee und Wasser vor mir stehen. Falls ich einen freien Willen habe, steht bis zum Moment meines Entscheides nicht fest wie dieser Teil der Welt...meine Handlung auf Grund meines freien Entscheides, aussieht, sprich: festgelegt ist (ja, dieser Teil der Welt existiert noch gar nicht bis zu meinem gefällten Entscheid, auch für mich nicht).


"Dein Wissen drückt sich in der Aussage aus "Ich will diese Tasse Tee drinken." Du hast recht, wenn du dieser Aussage nicht logisch widersprechen willst musst du sie auch trinken. Das ist aber bloß eine logische Konsequenz und keine Einschränkung deiner Freiheit. Ganz im Gegenteil, deine Freiheit wäre eingeschränkt, wenn du sie nicht trinken würdest, denn du wolltest sie ja drinken. Es kommt also nur darauf an, dass Gott weiß, was er will. Er kann seinen Willen jeder Zeit ändern, aber er tut es nicht, denn er irrt sich nicht in dem, was er will. " A.D.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » So 13. Mai 2012, 20:31

Dr Fraggles hat geschrieben:Allwissenheit in meinem Sinne zu interpretieren ist in der Wortverbindung ja irgendwie schon enthalten. ALL-Wissen, kann nur schlecht Teil-Wissen sein. "Alles" impliziert aber alles was war und sein wird in allen möglichen Welten (nun, darüber könnte man zugegebenermassen wohl streiten...).

Ich will mich nicht darüber streiten, ich akzeptiere Deine Definition. Von irgendwas müssen wir ja ausgehen und außerdem stehen Deine Behauptungen über 'Allwissenheit' im Zusammenhang mit Deinem Verständnis von Allwissenheit und sind nur gültig unter Zugrundelegung dessen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich kann aber Aussagen...nicht-zufällige wahre Überzeugungen über die Zukunft haben nur dann wenn ich als wissende Instanz die entsprechende Zukunft umfasse (und insofern ausserhalb der Zeit stehe). Allwissenheit als Wissen von Allem ist natürlich nur denkbar wenn die Instanz jenseits aller Zeit existiert (für alle möglichen Welten auch ausserhalb allen Raumes...). Entscheidend für das Problem der Vereinbarkeit ist das Zukunftswissen. Zukunftswissen über welche bestimmte Zukunft auch immer bedingt ihre entsprechende Festgelegtheit (genau das impliziert natürlich auch Allwissen!).

An diesem Punkt habe ich meine Schwierigkeiten. Du akzeptierst zwar auf der einen Seite die Rede von möglichen Welten, (was aber impliziert, dass deren Zeitabläufe unterschiedlich sein können, oder?), aber auf der anderen Seite tust Du dennoch immer wieder so, als ob es nur einen einzigen übergeordneten Zeitablauf (und eine einzige ausgezeichnete Gegenwart) für alle Welten geben müsse. Ich finde, das passt nicht zusammen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Beispiel: Ich habe eine Tasse Tee und Wasser vor mir stehen. Falls ich einen freien Willen habe, steht bis zum Moment meines Entscheides nicht fest wie dieser Teil der Welt...meine Handlung auf Grund meines freien Entscheides, aussieht, sprich: festgelegt ist (ja, dieser Teil der Welt existiert noch gar nicht bis zu meinem gefällten Entscheid, auch für mich nicht).

Aber auch in diesem Beispiel musst Du doch berücksichtigen, dass es nicht nur Deinen Standpunkt geben kann und dass Deine Zukunft nur etwas mit Deinem hier und jetzt zu tun hat, davon abhängig ist. Was heute Deine Zukunft ist, ist übermorgen Deine Vergangenheit. Übermorgen wirst Du sagen können: "ich habe das und das gemacht", (oder auch, allgemeiner: "das und das ist passiert") - und würdest wohl kaum daraus schließen wollen, dass es deswegen, weil Du dann diese Aussage treffen könntest, nicht 'offen' war. Und was jetzt für Dich hier und jetzt in Deinem Sinne offen sein kann, kann für andere (und eben auch für Dich) zu anderen Zeitpunkten nicht mehr offen sein. 'Offen' ist daher etwas Subjektives, (vom subjektiven 'hier-und-jetzt'-Abhängiges).

Dr Fraggles hat geschrieben:Jede davor geäusserte Überzeugung wie mein Entscheid ausfällt, kann nur zufällig wahr sein, kann kein Wissen sein. Wäre eine nicht-zufällig wahre Aussage über meinen Entscheid vor meinem faktischen Entscheid möglich, würde mein Entscheid NOTWENDIG vor dem Entscheid schon feststehen.

Aber wie könnte sich eine notwendig (und nicht nur zufällig) wahre Aussage über eine Zukunft der eigenen Welt ergeben, die noch nicht eingetreten ist?

Wie kann man unterscheiden, ob eine solche Aussage über die Zukunft zufällig oder notwendig wahr ist?

Wie könnte ein allwissendes Wesen zufällige Allwissenheit von nicht-zufälliger Allwissenheit unterscheiden? Ergibt diese Unterscheidung überhaupt einen Sinn (abseits von pragmatischen Überlegungen), d.h. ist das ein ontologisch existierender Unterschied? Wenn ja: inwiefern? (Und wenn nicht, dann gehört diese - dann nicht existierende Unterscheidung - auch nicht zur einer hypothetischen Allwissenheit.)

Bedeutet doch, dass Du hier einen irgendwie dahinterliegenden Mechanismus annimmst, der die Aussage über ein Geschehnis der Zukunft wahr macht, oder etwa nicht? Was sonst sollte die Aussage wahr machen können - falls wir ausschließen, dass der Aussagende in die Zukunft schauen kann, (er z.B. nicht in der Zeit reisen kann und auch nicht außerhalb dieser Welt steht - und auch ausschließen, dass der Aussagende die vorhergesagte Zukunft selber gezielt herbeiführt)?

Und: entsteht nicht unweigerlich ein infiniter Regress, wenn man 'absolute Wahrheit/absolutes Wissen' annimmt? "Ich weiß zu 100%, ohne Irrtumsmöglichkeit, dass A, weil B und B, weil C und C, weil D" usw. ad infinitum?

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn ich schreibe: Allwissen legt die Welt fest, ist das eine fehlerhafte Formulierung meinerseits. Was ich meine ist: Allwissen setzt die Festgelegtheit der Welt voraus, mehr behaupte ich nicht. Wissen ist also nur möglich insofern und inwiefern die Welt festgelegt ist. Sorry für diesbezügliche falsche Formulierungen (habe aber in einem vorhergehenden Beitrag schon explizit gemacht, was ich mit der irreführenden Formulierung meine).

Okay, kein Problem, ich habe das zur Kenntnis genommen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Also: Insofern und insoweit es nicht-zufällig wahre Überzeugungen über die Zukunft gibt, muss diese entsprechende Zukunft festgelegt sein und schliesst (noch) nicht festgelegte (und damit noch nicht existierende) Zukunft aus. Der freie Wille (bzw. dessen Entscheid/Handlung) ist noch nicht festgelegte Zukunft. Also schliessen sich freier Wille und nicht-zufällige wahre Überzeugungen den freien Willen (bzw. dessen Entscheide/Handlungen) betreffend aus.

Aber, wie gesagt: das gilt nur, wenn man einen für alle identischen Zeitablauf (eine für alle identische Zeit) annimmt - was aber nicht plausibel ist, wenn man mögliche Welten akzeptiert.

Man muss doch hier immer fragen: "für wen ist ein Zeitpunkt X Zukunft und also: für wen kann man sinnvoll fragen, ob X zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt ist oder nicht?"

Und man kann mE nicht sinnvoll sagen: "freier Wille ist, wenn für alle möglichen Wesen zu allen möglichen Zeitpunkten gilt: die Zukunft ist noch nicht festgelegt". Denn wenn wir alle möglichen Wesen zu allen möglichen Zeitpunkten betrachten, dann gilt: es gibt keinen Zeitpunkt, der für alle diese Wesen sinnvoll als 'Zukunft' bezeichnet werden könnte.
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