Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Mo 14. Mai 2012, 08:39

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass Allwissenheit und freier Wille sich ausschliessen...ist evident...leider kann ich nicht plausibler argumentieren als ich es bereits getan habe (auch sehe ich nicht wo/von wem meine Argumentation widerlegt worden wäre).


Kann ich so nicht sehen, da ich ja wissen kann, was passiert und gleichzeitig wollen kann, was passiert. Das wäre aber nur möglich, wenn ich Gott wäre (falls es den gibt).

Dr Fraggles hat geschrieben:Was du zum Inhalt mystischer Erfahrungen sagst ist sehr interessant bzw. ist (aus meiner Sicht) die Crux aller Mystik/Spiritualität (selbst wen sie auf einem objektiven Sachverhalt beruhte). Aus meiner Sicht (auf Grund dessen was mir bekannt ist) vermittelt KEINE mystische Erfahrung (bzw. Berichte darüber) irgendwelche Informationen welche Gottes Wirken oder Sein irgendwie erhellen.


Doch, das ist sogar eine gar nicht so seltene (mystische) Erfahrung.

Dr Fraggles hat geschrieben:Mir scheint hier nicht ein Ende alles Fragens einzutreten weil alle Fragen ihre Antwort finden sondern weil alles Fragen durch ein "Wohlgefühl" zu einem Ende kommt, sprich: an Relevanz verliert (wer fragt während einem Orgasmus nach der Natur oder Wirkweise dieses Zustandes? Erkenntnis war doch nie (primäres) Interesse von Religion/Mystik sondern Erlösung und Erkenntnis bestenfalls Mittel dazu).


Es ist auch meine Einstellung, dass das subjektive Erleben (die innere Gewissheit oder Überzeugung, die zurückbleibt), mehr Kraft hat, als das was wir Erkenntnis nennen (darunter verstehen wir zumeist „Faktenwissen“ und rationales Schließen).

Dr Fraggles hat geschrieben:Man tritt in einen Zustand ein in dem "Alles" irgendwie o.k. zu sein scheint ("Und schliesslich glaube ich, dass trotz allem - und dies ist wohl die höchste mystische Überzeugung - dass trotz Schmerz, Tod und Schrecken die Welt doch völlig in Ordnung ist..." Aldous Huxley...eine aus meiner Sicht Menschenverachtende Aussage, wie sie alle Theodizees beinhalten).


Ja, aber okay, weil man meint, dahinter eine Ordnung oder einen Sinn zu erkennen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich zumindest kenne keinen einzigen mystischen Text der bezüglich der Knacknüsse aller Theologie (Theodizee zuvorderst, Erkenntnis über die Natur eines angeblichen freien Willens, warum etwas ist und nicht nichts, warum Gott ist und nicht nicht etc. etc.) irgendetwas Relevantes beizutragen hätte. Im Gegenteil: alle redlichen Mystiker werden konstatieren müssen: " Viele Menschen glauben, dass erleuchtet zu sein bedeutet , dass man alles verstehen müsse, aber es bedeutet in Wirklichkeit genau das Gegenteil: Man versteht überhaupt nichts. Es ist alles ein absolutes Geheimnis." (Ken Wilber)


Ich sehe den Gewinn auch eher in einem Ende aller Fragen, als in einer Antwort auf alle Fragen.
Es ist auch nicht so, dass die Mystiker mit einer fertigen Theorie zurückgekommen wären, sondern, während der Erfahrung einen klaren Einblick in die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit aller Vorgänge (oft inklusive des Leidens) haben, den sich dann außerhalb des Zustandes kaum wiedergeben können.
Hier scheint mir aber eher eine Grenze der Sprache zu liegen, im Grunde führt das in die Qualia-Diskussion hinein. Finde ich insgesamt sehr interessant und wenn Du magst, können wir das gerne diskutieren, sollten dann nur einen anderen Thread aufmachen, weil das eventuell in eine andere Richtung geht.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 14. Mai 2012, 10:54

ujmp hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Beispiel: Ich habe eine Tasse Tee und Wasser vor mir stehen. Falls ich einen freien Willen habe, steht bis zum Moment meines Entscheides nicht fest wie dieser Teil der Welt...meine Handlung auf Grund meines freien Entscheides, aussieht, sprich: festgelegt ist (ja, dieser Teil der Welt existiert noch gar nicht bis zu meinem gefällten Entscheid, auch für mich nicht).


"Dein Wissen drückt sich in der Aussage aus "Ich will diese Tasse Tee drinken." Du hast recht, wenn du dieser Aussage nicht logisch widersprechen willst musst du sie auch trinken. Das ist aber bloß eine logische Konsequenz und keine Einschränkung deiner Freiheit. Ganz im Gegenteil, deine Freiheit wäre eingeschränkt, wenn du sie nicht trinken würdest, denn du wolltest sie ja drinken. Es kommt also nur darauf an, dass Gott weiß, was er will. Er kann seinen Willen jeder Zeit ändern, aber er tut es nicht, denn er irrt sich nicht in dem, was er will. " A.D.


Bin nicht sicher ob wir vom selben sprechen...
Meine These war: x weiss (d.h. er hat eine nicht-zufällig wahre Überzeugung) zum Zeitpunkt T1 dass zum späteren Zeitpunkt T2 y sich so und nicht anders entscheiden wird. Dies kann x aber nur weil der Entscheid von y zum Zeitpunkt T1 bereits festgelegt ist. Folglich würde eine andere Entscheidung von y als sie x weiss dem wahren Wissen von x widersprechen und sich dadurch als unmöglich erweisen.
Mir scheint für x,y lassen sich beliebige Instanzen einsetzen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 14. Mai 2012, 11:38

Vollbreit hat geschrieben:
Kann ich so nicht sehen, da ich ja wissen kann, was passiert und gleichzeitig wollen kann, was passiert. Das wäre aber nur möglich, wenn ich Gott wäre (falls es den gibt).

Dr Fraggles hat geschrieben:Was du zum Inhalt mystischer Erfahrungen sagst ist sehr interessant bzw. ist (aus meiner Sicht) die Crux aller Mystik/Spiritualität (selbst wen sie auf einem objektiven Sachverhalt beruhte). Aus meiner Sicht (auf Grund dessen was mir bekannt ist) vermittelt KEINE mystische Erfahrung (bzw. Berichte darüber) irgendwelche Informationen welche Gottes Wirken oder Sein irgendwie erhellen.


Doch, das ist sogar eine gar nicht so seltene (mystische) Erfahrung.

Dr Fraggles hat geschrieben:Mir scheint hier nicht ein Ende alles Fragens einzutreten weil alle Fragen ihre Antwort finden sondern weil alles Fragen durch ein "Wohlgefühl" zu einem Ende kommt, sprich: an Relevanz verliert (wer fragt während einem Orgasmus nach der Natur oder Wirkweise dieses Zustandes? Erkenntnis war doch nie (primäres) Interesse von Religion/Mystik sondern Erlösung und Erkenntnis bestenfalls Mittel dazu).


Es ist auch meine Einstellung, dass das subjektive Erleben (die innere Gewissheit oder Überzeugung, die zurückbleibt), mehr Kraft hat, als das was wir Erkenntnis nennen (darunter verstehen wir zumeist „Faktenwissen“ und rationales Schließen).

Dr Fraggles hat geschrieben:Man tritt in einen Zustand ein in dem "Alles" irgendwie o.k. zu sein scheint ("Und schliesslich glaube ich, dass trotz allem - und dies ist wohl die höchste mystische Überzeugung - dass trotz Schmerz, Tod und Schrecken die Welt doch völlig in Ordnung ist..." Aldous Huxley...eine aus meiner Sicht Menschenverachtende Aussage, wie sie alle Theodizees beinhalten).


Ja, aber okay, weil man meint, dahinter eine Ordnung oder einen Sinn zu erkennen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich zumindest kenne keinen einzigen mystischen Text der bezüglich der Knacknüsse aller Theologie (Theodizee zuvorderst, Erkenntnis über die Natur eines angeblichen freien Willens, warum etwas ist und nicht nichts, warum Gott ist und nicht nicht etc. etc.) irgendetwas Relevantes beizutragen hätte. Im Gegenteil: alle redlichen Mystiker werden konstatieren müssen: " Viele Menschen glauben, dass erleuchtet zu sein bedeutet , dass man alles verstehen müsse, aber es bedeutet in Wirklichkeit genau das Gegenteil: Man versteht überhaupt nichts. Es ist alles ein absolutes Geheimnis." (Ken Wilber)


Ich sehe den Gewinn auch eher in einem Ende aller Fragen, als in einer Antwort auf alle Fragen.
Es ist auch nicht so, dass die Mystiker mit einer fertigen Theorie zurückgekommen wären, sondern, während der Erfahrung einen klaren Einblick in die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit aller Vorgänge (oft inklusive des Leidens) haben, den sich dann außerhalb des Zustandes kaum wiedergeben können.
Hier scheint mir aber eher eine Grenze der Sprache zu liegen, im Grunde führt das in die Qualia-Diskussion hinein. Finde ich insgesamt sehr interessant und wenn Du magst, können wir das gerne diskutieren, sollten dann nur einen anderen Thread aufmachen, weil das eventuell in eine andere Richtung geht.


Muss dir in vielem widersprechen.
Dass Gott wollen und wissen kann was passiert, löst doch das Problem nicht wirklich (der Vereinbarkeit von Allwissen und freiem Willen). Also: Wenn Gott für die Zukunft weiss wie er handeln wird, weil er dies am Anfang frei festlegt dann sind alle künftigen Handlungen zum Zeitpunkt ihres Geschehens faktisch determiniert. Es gab nur eine freie Mega- Entscheidung am Anfang welche die ganze Zukunft mitbestimmt. Es ist EINE umfassende freie Entscheidung welche aber alle späteren Entscheide/Handlungen festlegt und faktisch (eben dann wenn sie geschehen) deren Entscheidungscharakter nimmt. Klar, so lässt sich irgendwie sagen, dass Gott trotz Allwissenheit dennoch immer frei gehandelt hat. Aber es ist eine Scheinfreiheit, denn faktisch beraubt dieser erste Entscheid ihm für alle spätere Zukunft die Möglichkeit frei zu wählen. Und das war meine These: Allwissenheit (Wissen um künftige Entscheidungen) verunmöglicht eben dass diese künftige Entscheidungen im Moment ihrer Ausführung frei wären. Sie mögen zwar noch als frei bezeichnet werden, aber die Akte selber sind determiniert. Am Tee/Wasser Beispiel: Angenommen ich wähle jetzt schon frei für morgen Tee und nicht Wasser zu trinken, dann ist meine morgige Handlung determiniert (ich habe keine Wahl mehr). Inwiefern dies Freiheit sein soll (eine die alle künftige ausschliesst)...stimmen tut dieses Konzept vor allem dann wenn die Wirklichkeit jene des Anfangs ist in dem Gott die ganze Zukunft überblickt/entscheidet (und wenn die nachträgliche Ausfaltung nur noch Erscheinung des Wesenhaften Geschehens wäre).
Wenn man aber die Entscheide des Menschen zu Grunde legt, wird es problematischer: Gott könnte man ja noch unterstellen, dass er für alle Zukunft weiss was er will...beim Menschen ist das aber bestimmt falsch. D.h. bestimmt der Mensch seine Zukunft mit einem anfänglichen freien Entscheid so würde die Determiniertheit der künftigen Entscheidungen sehr wohl seinen Unfreiheitscharakter offenbaren, insofern ich nämlich etwas anderes wählen wollte aber nicht könnte. Und nimmt man Gott als allwissende Instanz und fragt sich nach der Vereinbarkeit mit der menschlichen Freiheit lässt sich das Konstrukt auch nicht mehr anwenden.

Bezüglich der erhellenden Eigenart mystischer Erfahrungen: nenne mir ein Beispiel (mit erhellend meine ich natürlich etwas was über blosse Kinderei hinausgeht).

Dass alles IRGENDWIE o.k. ist, impliziert im besten Fall einen erahnten Sinn. Nochmals: Ein Beispiel wo ein solches Erahnen eines Sinnes mehr ist als bloss relativ inhaltsleeres Gestottere. Und ich bezweifle dass dies tatsächlich ein Problem der Genzen unserer Sprache ist, die Grenzen haben wir ja auch im Alltag wenn es darum geht gewisse Gefühle oder Empfindungen in Worte zu fassen. Und wenn es um Sinnkonstrukte geht und nicht bloss um ein mystisch gefühlter Zustand sollte doch auch etwas Kognitives dabei sein und das müsste auch sprachlich (wie rudimentär auch immer)zu vermitteln sein (und selbst wenn nur in Analogien etc.).

Auch was das Leiden angeht und gerade dort (bin ich sehr allergisch) könnte ich fast sicher ausschliessen auch nur einen wirklich gehaltvoll-tiefen Satz von einem Mystiker gelesen zu haben. Hier, das Leiden betreffend, habe ich eine glasklare Trennlinie: eigenes Leid darf man rechfertigen, in Sinnkonzepte einbinden etc., bei fremden Leid ist dies aber absolut unethisch (und weil alle Religionen das tun, habe ich mit allen diesbezüglich meine Mühe). Nur das je betroffene Subjekt kann sein Leiden rechtfertigen...alles andere ist aus meiner Sicht nicht zu legitimieren oder als ethisch zu begründen (und darüber stolpert mit ihrer Grundausgangsstellung jede Theodizee).
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 14. Mai 2012, 13:34

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:An diesem Punkt habe ich meine Schwierigkeiten. Du akzeptierst zwar auf der einen Seite die Rede von möglichen Welten, (was aber impliziert, dass deren Zeitabläufe unterschiedlich sein können, oder?), aber auf der anderen Seite tust Du dennoch immer wieder so, als ob es nur einen einzigen übergeordneten Zeitablauf (und eine einzige ausgezeichnete Gegenwart) für alle Welten geben müsse. Ich finde, das passt nicht zusammen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Beispiel: Ich habe eine Tasse Tee und Wasser vor mir stehen. Falls ich einen freien Willen habe, steht bis zum Moment meines Entscheides nicht fest wie dieser Teil der Welt...meine Handlung auf Grund meines freien Entscheides, aussieht, sprich: festgelegt ist (ja, dieser Teil der Welt existiert noch gar nicht bis zu meinem gefällten Entscheid, auch für mich nicht).

Aber auch in diesem Beispiel musst Du doch berücksichtigen, dass es nicht nur Deinen Standpunkt geben kann und dass Deine Zukunft nur etwas mit Deinem hier und jetzt zu tun hat, davon abhängig ist. Was heute Deine Zukunft ist, ist übermorgen Deine Vergangenheit. Übermorgen wirst Du sagen können: "ich habe das und das gemacht", (oder auch, allgemeiner: "das und das ist passiert") - und würdest wohl kaum daraus schließen wollen, dass es deswegen, weil Du dann diese Aussage treffen könntest, nicht 'offen' war. Und was jetzt für Dich hier und jetzt in Deinem Sinne offen sein kann, kann für andere (und eben auch für Dich) zu anderen Zeitpunkten nicht mehr offen sein. 'Offen' ist daher etwas Subjektives, (vom subjektiven 'hier-und-jetzt'-Abhängiges).

Dr Fraggles hat geschrieben:Jede davor geäusserte Überzeugung wie mein Entscheid ausfällt, kann nur zufällig wahr sein, kann kein Wissen sein. Wäre eine nicht-zufällig wahre Aussage über meinen Entscheid vor meinem faktischen Entscheid möglich, würde mein Entscheid NOTWENDIG vor dem Entscheid schon feststehen.

Aber wie könnte sich eine notwendig (und nicht nur zufällig) wahre Aussage über eine Zukunft der eigenen Welt ergeben, die noch nicht eingetreten ist?

Wie kann man unterscheiden, ob eine solche Aussage über die Zukunft zufällig oder notwendig wahr ist?

Wie könnte ein allwissendes Wesen zufällige Allwissenheit von nicht-zufälliger Allwissenheit unterscheiden? Ergibt diese Unterscheidung überhaupt einen Sinn (abseits von pragmatischen Überlegungen), d.h. ist das ein ontologisch existierender Unterschied? Wenn ja: inwiefern? (Und wenn nicht, dann gehört diese - dann nicht existierende Unterscheidung - auch nicht zur einer hypothetischen Allwissenheit.)

Bedeutet doch, dass Du hier einen irgendwie dahinterliegenden Mechanismus annimmst, der die Aussage über ein Geschehnis der Zukunft wahr macht, oder etwa nicht? Was sonst sollte die Aussage wahr machen können - falls wir ausschließen, dass der Aussagende in die Zukunft schauen kann, (er z.B. nicht in der Zeit reisen kann und auch nicht außerhalb dieser Welt steht - und auch ausschließen, dass der Aussagende die vorhergesagte Zukunft selber gezielt herbeiführt)?

Und: entsteht nicht unweigerlich ein infiniter Regress, wenn man 'absolute Wahrheit/absolutes Wissen' annimmt? "Ich weiß zu 100%, ohne Irrtumsmöglichkeit, dass A, weil B und B, weil C und C, weil D" usw. ad infinitum?

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn ich schreibe: Allwissen legt die Welt fest, ist das eine fehlerhafte Formulierung meinerseits. Was ich meine ist: Allwissen setzt die Festgelegtheit der Welt voraus, mehr behaupte ich nicht. Wissen ist also nur möglich insofern und inwiefern die Welt festgelegt ist. Sorry für diesbezügliche falsche Formulierungen (habe aber in einem vorhergehenden Beitrag schon explizit gemacht, was ich mit der irreführenden Formulierung meine).

Okay, kein Problem, ich habe das zur Kenntnis genommen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Also: Insofern und insoweit es nicht-zufällig wahre Überzeugungen über die Zukunft gibt, muss diese entsprechende Zukunft festgelegt sein und schliesst (noch) nicht festgelegte (und damit noch nicht existierende) Zukunft aus. Der freie Wille (bzw. dessen Entscheid/Handlung) ist noch nicht festgelegte Zukunft. Also schliessen sich freier Wille und nicht-zufällige wahre Überzeugungen den freien Willen (bzw. dessen Entscheide/Handlungen) betreffend aus.

Aber, wie gesagt: das gilt nur, wenn man einen für alle identischen Zeitablauf (eine für alle identische Zeit) annimmt - was aber nicht plausibel ist, wenn man mögliche Welten akzeptiert.

Man muss doch hier immer fragen: "für wen ist ein Zeitpunkt X Zukunft und also: für wen kann man sinnvoll fragen, ob X zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt ist oder nicht?"

Und man kann mE nicht sinnvoll sagen: "freier Wille ist, wenn für alle möglichen Wesen zu allen möglichen Zeitpunkten gilt: die Zukunft ist noch nicht festgelegt". Denn wenn wir alle möglichen Wesen zu allen möglichen Zeitpunkten betrachten, dann gilt: es gibt keinen Zeitpunkt, der für alle diese Wesen sinnvoll als 'Zukunft' bezeichnet werden könnte.


Offenheit ist nichts Subjektives! Mit offen meine ich die faktische nicht-Festgelegtheit eines Ereignisses (dazu zählen noch nicht geschehene Zufälle und noch nicht gefällte freie Entscheidungen im Sinne der Willensfreiheit). Von Offenheit kann nie im nachhinein gesprochen werden, denn ist der Entscheid gefällt, ist er nicht mehr offen sondern festgelegt, faktisch festgelegt, so wie es vorher faktisch offen war. Jener Entscheid der noch bevorsteht ist an sich (weil noch nicht Realität) offen, jener der geschehen ist, ist an sich festgelegt (weil Realität). Der Standpunkt des Beobachters tut hier eigentlich nichts zur Sache da seine Position vor oder nach dem Ereignis nicht das Ereignis bestimmt (als offenes oder festgelegtes), sondern die Position des Beobachters und dessen Wahrnehmung vom Geschehnis selber bestimmt wird. D.h. nicht weil ich eine Position einnehme die zeitlich vor dem freien Entscheid liegt ist dieses offen, sondern weil das Geschehnis offen ist, kann eine solche zeitliche Perspektive gar nicht anders als die Offenheit wahrnehmen. Und wer zurückschaut auf eine gefällte Entscheidung, nimmt diese als festgelegte wahr, nicht weil er eine zeitliche Perspektive nach dem Entscheid einnimmt, sondern weil der Entscheid festgelegt ist, muss meine Position die solches wahrnimmt zeitlich nach dem Entscheid liegen.
Es ist also die freie Entscheidung die im Übergang von offen zu festgelegt die Sichtweise des Beobachters determiniert. Auch ein auf der Zeitachse reisender imaginierter Beobachter der den Zeitpunkt der Entscheidung überholt, bewirkt nicht die Seinsänderung vom offenen zum gefällt-festgelegten Entscheid. Es ist der Entscheid selbst der die Sichtweise modifiziert. Die Offenheit/Festgelegtheit ist ein "objektiv" Gegebenes, welches der Beobachter nur konstatieren kann...insofern gibt es zwar subjektive zeitliche Standpunkte, aber das macht die Offenheit nicht zu etwas Subjektiven. Nicht die Offenheit ist abhängig von der Wahrnehmung des subjektiven hier-und-jetzt, sondern die Wahrnehmung des subjektiven hier-und-jetzt ist vom offenen/festgelgten Entscheid abhängig.

Wie kann eine zufällige von einer gerechtfertigt (notwendig) wahren Aussage über die Zukunft unterschieden werden? Da steigst du wieder in die empirischen Gefilde hinab. Das hat nichts mit meiner Fragestellung zu tun. Aber das mal beiseite lassend: ich würde sagen, dass im Einzelfall nicht zu unterscheiden wäre, aber gemäss der Statistik, liesse eine grosse Zahl von Zukunftsaussagen mit (je nach dem) grosser Wahrscheinlichkeit auf dessen Natur schliessen.

Wie könnte ein allwissendes Wesen zwischen zufällige wahrer und notwendig wahrer Allwissenheit unterscheiden?
Siehe die obige Antwort. Empirisch würde sich eine zufällig wahre Aussagenreihe (besser: fehlende Allwissenheit) zeigen sobald der erste Irrtum erfolgt, also durch Falsifizierung. Dass ein Wesen zufällig abermillionen Aussagen richtig fällt, ist zwar theoretisch möglich aber praktisch auszuschliessen. Empirisch liesse sich natürlich eine Allwissenheit nie verifizieren (es sei denn die Allwissenheit und das zugehörige Gewusste wären zugleich in einem zeitlosen Zustand gegeben...aber das wird schnell spekulativ)
Natürlich könnte ich auch sagen, dass Allwissenheit eben definitionsgemäss nicht-zufälliges wahres Wissen impliziert. Aber deiner Frage wäre damit nicht gedient gewesen.

Leider argumentieren wir mit völlig unterschiedlichen Prämissen. Du führst eine empirische Argumentation, ich eine viel abstraktere mit festgelegten Begriffen und einer logischen Fragestellung. Du fragst z.B. nach dem Mechanismus der meine Aussage über die Zukunft wahr macht. Das ist jenseits meiner Fragestellung. Ich setze Allwissen (bzw. Wissen über die Zukunft) schlicht voraus, was lediglich Festgelegtheit voraussetzt, und frage dann nach der logischen Vereinbarkeit dieses Wissens mit einem postulierten freien Willen. Auch deine Frage nach der Letztbegründung des Wissens (infiniter regress) ist eine Erkenntnistheoretische Frage welche mich hier nicht interessiert...das sind Themen welche Null und Nichts gemein haben.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » Mo 14. Mai 2012, 19:04

Dr Fraggles hat geschrieben:Meine These war...

Da der Gegenstand der Diskussion ein behaupteter logischer Widerspruch zwischen Allmacht und Allwissen ist, genügt es irgend eine Definition von Allmacht und Wissen anzugeben, die nicht widersprüchlich ist, um diese Behauptung zu widerlegen. Deshalb:

"Du müsstest dich schon nach meinen Definitionen richten und mir einen Widerspruch darin zeigen!" A.D.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 14. Mai 2012, 23:18

Dr Fraggles hat geschrieben:Wie kann eine zufällige von einer gerechtfertigt (notwendig) wahren Aussage über die Zukunft unterschieden werden? Da steigst du wieder in die empirischen Gefilde hinab.

Nein, tue ich nicht!

Aber Du tust es:

Dr Fraggles hat geschrieben:Das hat nichts mit meiner Fragestellung zu tun. Aber das mal beiseite lassend: ich würde sagen, dass im Einzelfall nicht zu unterscheiden wäre, aber gemäss der Statistik, liesse eine grosse Zahl von Zukunftsaussagen mit (je nach dem) grosser Wahrscheinlichkeit auf dessen Natur schliessen.

Empirie interessiert mich hier nicht. Dein Wissensbegriff beinhaltet ja mehr als "kann man mit großer Wahrscheinlichkeit schließen". Dieser Schluss mag zwar pragmatisch gesehen sinnvoll und hilfreich sein, aber er kann kein (unfehlbares) Wissen in Deinem Sinne herstellen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wie könnte ein allwissendes Wesen zwischen zufällige wahrer und notwendig wahrer Allwissenheit unterscheiden?
Siehe die obige Antwort. Empirisch [...]
Natürlich könnte ich auch sagen, dass Allwissenheit eben definitionsgemäss nicht-zufälliges wahres Wissen impliziert. Aber deiner Frage wäre damit nicht gedient gewesen.

Genau, meiner Frage wäre damit überhaupt nicht gedient, kann durch Empirie und darauf aufbauende Schlüsse die Zukunft betreffend nicht beantwortet werden.

Meine Frage ist, was hier (bezüglich eines Wissens um die Zukunft) der Wahrmacher ist. Meiner Ansicht nach kann der Wahrmacher der Aussage: "morgen wird das Ereignis X eintreten" nur X selber sein. Und nicht irgendeine Empirie ("die Sonne ist bisher immer aufgegangen, also wird sie auch morgen aufgehen"). Denn diese Aussage wäre nur dann wahr, wenn (und nachdem) die Sonne morgen tatsächlich aufgegangen ist. Und nicht vorher. Es sei denn, es gäbe eben zusätzliche Wahrmacher zu X. Und da frage ich mich, welche das sein könnten.

Dr Fraggles hat geschrieben:Leider argumentieren wir mit völlig unterschiedlichen Prämissen. Du führst eine empirische Argumentation, ich eine viel abstraktere mit festgelegten Begriffen und einer logischen Fragestellung. Du fragst z.B. nach dem Mechanismus der meine Aussage über die Zukunft wahr macht. Das ist jenseits meiner Fragestellung.

Erstens, wie oben erläutert, frage ich nicht nach empirischen Erkenntnissen und zweitens ist die Frage sehr wohl erlaubt und auch notwendig zum Verständnis Deines Begriffes 'Wissen', was denn der Wahrmacher einer Aussage über das zukünftige Ereignis X sein könnte, wenn nicht X selber.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich setze Allwissen (bzw. Wissen über die Zukunft) schlicht voraus, was lediglich Festgelegtheit voraussetzt, und frage dann nach der logischen Vereinbarkeit dieses Wissens mit einem postulierten freien Willen.

Also:

P1. echtes (unfehlbares) Wissen über die Zukunft bedeutet eine Festgelegtheit der Zukunft
P2. eine Festgelegtheit der Zukunft schließt einen freien Willen aus
----
K. also schließt (unfehlbares) Allwissen über die Zukunft eine freien Willen aus

Mir geht es hier nicht um den freien Willen, (P2), ich möchte schon Deine Prämisse 1 bezweifeln. Weil die von zu vielen strittigen, aber ungenannten Grundannahmen ausgeht, (einem für alle Welten und Wesen gleichen Zeitablauf, eine für alle Welten und Wesen gleiche Zeitrichtung, eine für alle Welten und Wesen gleiche Gegenwart, eine Unmöglichkeit von Zeitreisen). Und auch, weil Du anscheinend zusätzlich folgende Prämisse da rein steckst: es ist möglich, dass es einen Wahrmacher bezüglich eines Ablaufes X geben kann, der sich nicht auf X bezieht, der nicht direkt von X abhängt, sondern von etwas anderem. Aber was sollte das sein können?

Dr Fraggles hat geschrieben:Auch deine Frage nach der Letztbegründung des Wissens (infiniter regress) ist eine Erkenntnistheoretische Frage welche mich hier nicht interessiert...das sind Themen welche Null und Nichts gemein haben.

Doch, haben sie sehr wohl: die Frage ist: was ist der Wahrmacher des Wissens über X, wenn das nicht (in Deinem starken Sinne von Wissen) ein direkter Bezug zu X sein muss? Natürlich befriedigt es mich nicht, wenn Du einfach sagst: "wir nehmen einfach mal an, dass es sowas gibt, dass es also einen ontologischen Unterschied zwischen echten Zufall und nomologischer Notwendigkeit gibt". Denn eben das ist, was ich bestreite, ich bestreite, dass das einen Sinn ergibt - und zwar deswegen ergibt es keinen Sinn, weil es eben auf einen infiniten Regress hinausläuft. Der also irgendwo abgebrochen werden muss. Aber nicht so abgebrochen werden kann, indem man einfach sagt: "wir nehmen nun schlicht mal an, dass er nicht abgebrochen werden muss, dass er bis zum Ende durchläuft". Denn das geht schlicht nicht. Irgendwo ist immer der Punkt, wo man etwas als gegeben und nicht weiter hinterfragbar setzen muss. Und das ist dann der Punkt, wo Wissen nach Deinem Verständnis (= unfehlbares Wissen) scheitert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Di 15. Mai 2012, 11:36

Dr Fraggles hat geschrieben:Muss dir in vielem widersprechen.
Dass Gott wollen und wissen kann was passiert, löst doch das Problem nicht wirklich (der Vereinbarkeit von Allwissen und freiem Willen).


Das Problem ist ja auch eher ein künstliches, da es Allwissenheit in einem empirischen Sinne nicht gibt und wohl auch nicht geben kann.
Logisch betrachtet spricht aber nichts dagegen, dass jemand (auch Gott) das, was er weiß gut finden, mithin wollen kann.

Dr Fraggles hat geschrieben:Also: Wenn Gott für die Zukunft weiss wie er handeln wird, weil er dies am Anfang frei festlegt dann sind alle künftigen Handlungen zum Zeitpunkt ihres Geschehens faktisch determiniert. Es gab nur eine freie Mega- Entscheidung am Anfang welche die ganze Zukunft mitbestimmt. Es ist EINE umfassende freie Entscheidung welche aber alle späteren Entscheide/Handlungen festlegt und faktisch (eben dann wenn sie geschehen) deren Entscheidungscharakter nimmt. Klar, so lässt sich irgendwie sagen, dass Gott trotz Allwissenheit dennoch immer frei gehandelt hat. Aber es ist eine Scheinfreiheit, denn faktisch beraubt dieser erste Entscheid ihm für alle spätere Zukunft die Möglichkeit frei zu wählen.


Wieso, wenn die Entscheidung frei war, war sie frei und da man Gott unterstellen darf, dass er weiß was kommt…? Es geht ja gerade um Allwissenheit.

Dr Fraggles hat geschrieben:Und das war meine These: Allwissenheit (Wissen um künftige Entscheidungen) verunmöglicht eben dass diese künftige Entscheidungen im Moment ihrer Ausführung frei wären.


Ja, das ist Deine These, was fehlt, ist die Begründung.

Dr Fraggles hat geschrieben:Sie mögen zwar noch als frei bezeichnet werden, aber die Akte selber sind determiniert.


Determinismus und Freiheit schließen einander aber nicht aus, das behauptet der Kompatibilismus und ich sehe nicht, wo er irrt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Am Tee/Wasser Beispiel: Angenommen ich wähle jetzt schon frei für morgen Tee und nicht Wasser zu trinken, dann ist meine morgige Handlung determiniert (ich habe keine Wahl mehr). Inwiefern dies Freiheit sein soll (eine die alle künftige ausschliesst)...stimmen tut dieses Konzept vor allem dann wenn die Wirklichkeit jene des Anfangs ist in dem Gott die ganze Zukunft überblickt/entscheidet (und wenn die nachträgliche Ausfaltung nur noch Erscheinung des Wesenhaften Geschehens wäre).


Nun, hier ist einfach der Punkt, dass es ja um Allwissenheit geht und die bedeutet eben alles zu wissen, sonst wäre es Vielwissenheit. Wer also weiß was zukünftig kommt (hier ja ganz explizit behauptet) und sich dann dafür entscheidet, der hat frei entschieden, was denn auch sonst?

Der andere Punkt ist der, dass auch dort, wo etwas bereits feststeht (oder feststehen könnte), von dem ich aber nicht weiß, dass und ob und in welcher Weise es feststeht, ich also nur einen partiellen Einblick habe, ich frei entscheiden kann, wenn Freiheit bedeutet, abzuwägen und nach rationalen Gründen entscheiden zu können und die Entscheidung legitimieren zu können. (Und das ist der Willensfreiheitsbegriff der Kompatibilisten.)
Eine rationale Entscheidung muss keine Doktorarbeit sein, es reicht zu sagen, dass man Vanilleeis wünscht, weil es einem am besten schmeckt und man gerne das möchte, was einem am besten schmeckt, warum es einem am besten schmeckt, muss man nicht wissen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn man aber die Entscheide des Menschen zu Grunde legt, wird es problematischer: Gott könnte man ja noch unterstellen, dass er für alle Zukunft weiss was er will...beim Menschen ist das aber bestimmt falsch.


Was aber für unser Problem irrelevant ist, da man beim Menschen keine Allwissenheit unterstellt.

Dr Fraggles hat geschrieben:D.h. bestimmt der Mensch seine Zukunft mit einem anfänglichen freien Entscheid so würde die Determiniertheit der künftigen Entscheidungen sehr wohl seinen Unfreiheitscharakter offenbaren, insofern ich nämlich etwas anderes wählen wollte aber nicht könnte.


Nein, Du verwechselst hier einfach ein paar Dinge:
Du kannst eine einmal getroffene Entscheidung (meistens) nicht rückgängig machen.
Du kannst zwar noch mal beim Pizzaservice anrufen und sagen: „Die Salamipizza doch lieber groß und nicht klein.“ Aber Du kannst einen Stein, den Du geworfen hast nicht anhalten, Du kannst nicht 12 Stunden später ungeschehen machen, dass Du Salamipizza gegessen hast.
Aber, das heißt nicht, dass Du keinen Einfluss auf laufende Prozesse hast, bei denen Du frei entscheidest. Denn im real life verfügst Du ja eben nicht über Allwissenheit und bist darauf angewiesen, den Ausschnitt der Wirklichkeit zu nehmen, den Du überschauen kannst.
Und in diesem wist Du dann und wann auch Gründe für Deine Entscheidungen liefern können, also ein rationales Spiel spielen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Und nimmt man Gott als allwissende Instanz und fragt sich nach der Vereinbarkeit mit der menschlichen Freiheit lässt sich das Konstrukt auch nicht mehr anwenden.


Das muss man ja gar nicht tun, wozu auch?
Du bist hier sehr unklar, was hat die Allwissenheit Gottes mit der Frage zu tun, ob unsere Entscheidungen frei sind?

Dr Fraggles hat geschrieben:Bezüglich der erhellenden Eigenart mystischer Erfahrungen: nenne mir ein Beispiel (mit erhellend meine ich natürlich etwas was über blosse Kinderei hinausgeht).


Was sollte eine Erfahrung davor schützen, dass Du sie als Kinderei bezeichnest?
Ansonsten sagte ich ja bereits, was diese Erfahrungen auszeichnet, Du findest es hier noch mal dargestellt: http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsei ... ewusstsein

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass alles IRGENDWIE o.k. ist, impliziert im besten Fall einen erahnten Sinn. Nochmals: Ein Beispiel wo ein solches Erahnen eines Sinnes mehr ist als bloss relativ inhaltsleeres Gestottere. Und ich bezweifle dass dies tatsächlich ein Problem der Genzen unserer Sprache ist, die Grenzen haben wir ja auch im Alltag wenn es darum geht gewisse Gefühle oder Empfindungen in Worte zu fassen.


Beschreib mal, wie Pfifferlinge schmecken. Und das ist eine Erfahrung die häufig ist und von vielen geteilt wird.

Dr Fraggles hat geschrieben: Und wenn es um Sinnkonstrukte geht und nicht bloss um ein mystisch gefühlter Zustand sollte doch auch etwas Kognitives dabei sein und das müsste auch sprachlich (wie rudimentär auch immer)zu vermitteln sein (und selbst wenn nur in Analogien etc.).


Mystische Erfahrungen haben oft nicht den Anspruch Sinn zu vermitteln.

Dr Fraggles hat geschrieben:Auch was das Leiden angeht und gerade dort (bin ich sehr allergisch) könnte ich fast sicher ausschliessen auch nur einen wirklich gehaltvoll-tiefen Satz von einem Mystiker gelesen zu haben. Hier, das Leiden betreffend, habe ich eine glasklare Trennlinie: eigenes Leid darf man rechfertigen, in Sinnkonzepte einbinden etc., bei fremden Leid ist dies aber absolut unethisch (und weil alle Religionen das tun, habe ich mit allen diesbezüglich meine Mühe). Nur das je betroffene Subjekt kann sein Leiden rechtfertigen...alles andere ist aus meiner Sicht nicht zu legitimieren oder als ethisch zu begründen (und darüber stolpert mit ihrer Grundausgangsstellung jede Theodizee).


Das sind natürlich Fragen der subjektiven Grenzziehung. Die Theodizeefrage ist ja eine breit diskutierte und hat das Gotteskonzept in Schwierigkeiten gebracht, die Argumente beider Seiten sind ja relativ bekannt und abgenutzt.
Mystik ist ja weniger eine Frage der Rechfertigung von Leid als vielmehr ein Versuch, Leid zu überwinden.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon laie » Mi 16. Mai 2012, 16:45

Vollbreit hat geschrieben:Wer also weiß was zukünftig kommt (hier ja ganz explizit behauptet) und sich dann dafür entscheidet, der hat frei entschieden, was denn auch sonst?


Das sehe ich auch so. Nehmen wir an, dieser Allwissende ist der Laplacesche Dämon, dann kennt dieser Dämon den Impuls und den Aufenthaltsort jedes Teilchens im Universum. Aufgrund dieser Kenntnis kann er jeden künftigen physikalischen Zustand (und viele Physiker glaubten damals vielleicht: auch psychischer Zustände) voraussehen, weil voraus berechnen. Er weiss also, dass es so und so kommen muss. Hat das nun etwas zwansgsläufig mit Wahlfreiheit zu tun? Nicht zwangsläufig wie ich meine. Wenn er eine Wahl trifft, dann kann er sich nämlich auch für einen Zustand entscheiden, von dem er weiss, daß dieser Zustand nicht eintritt. Mit anderen Worten, ob ein Zustand mit Sicherheit eintritt und ein anderer mit Sicherheit nicht und ob der Dämon davon weiss, ändert nichts am Charakter seiner Entscheidung, eine freie zu sein. Einzig könnte man ihm unterstellen, eine irrationale Entscheidung getroffen zu haben.

Was aber wenn wir den Laplacschen Dämon selbst als Partikel begreifen, der sich in einer für ihn vorhersagbaren Raumzeitsituation befindet. Dann wählt er zum Beispiel heute frei einen irrationalen Zustand (ausserhalb von ihm selbst), aber dieser Zustand tritt, weil er mit seiner eigenen Raumzeitsituation gekoppelt ist, ein. Ich weiss nicht, ob ich gerade einen Denkfehler begehe, aber ich meine, wenn der Dämon sich selbst ausschließlich als Partikel mit Impuls und Ort beschreiben kann, dann ist seine Wahl nicht mehr frei.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » So 20. Mai 2012, 14:04

"Tätige Allmacht hat es nicht nötig, etwas zu vorherzuberechnen. Sie hat keine Fragen, denn sie bestimmt ja in jedem Augenblick, was geschieht. Daher ist auch Allmacht gleichbedeutend mit Allwissen. Ein Mensch mag wohl berechnen können, wann ein Apfel vom Baum fällt, wie er fällt und sich ein Warum ausdenken. Aber Gott bestimmt dies alles. Er ist das Warum . Und wenn Gott will, bleibt der Apfel mitten im Fall in der Luft stehen." A.D.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 20. Mai 2012, 14:18

laie hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wer also weiß was zukünftig kommt (hier ja ganz explizit behauptet) und sich dann dafür entscheidet, der hat frei entschieden, was denn auch sonst?


Das sehe ich auch so. Nehmen wir an, dieser Allwissende ist der Laplacesche Dämon, dann kennt dieser Dämon den Impuls und den Aufenthaltsort jedes Teilchens im Universum. Aufgrund dieser Kenntnis kann er jeden künftigen physikalischen Zustand (und viele Physiker glaubten damals vielleicht: auch psychischer Zustände) voraussehen, weil voraus berechnen. Er weiss also, dass es so und so kommen muss. Hat das nun etwas zwansgsläufig mit Wahlfreiheit zu tun? Nicht zwangsläufig wie ich meine. Wenn er eine Wahl trifft, dann kann er sich nämlich auch für einen Zustand entscheiden, von dem er weiss, daß dieser Zustand nicht eintritt. Mit anderen Worten, ob ein Zustand mit Sicherheit eintritt und ein anderer mit Sicherheit nicht und ob der Dämon davon weiss, ändert nichts am Charakter seiner Entscheidung, eine freie zu sein. Einzig könnte man ihm unterstellen, eine irrationale Entscheidung getroffen zu haben.

Was aber wenn wir den Laplacschen Dämon selbst als Partikel begreifen, der sich in einer für ihn vorhersagbaren Raumzeitsituation befindet. Dann wählt er zum Beispiel heute frei einen irrationalen Zustand (ausserhalb von ihm selbst), aber dieser Zustand tritt, weil er mit seiner eigenen Raumzeitsituation gekoppelt ist, ein. Ich weiss nicht, ob ich gerade einen Denkfehler begehe, aber ich meine, wenn der Dämon sich selbst ausschließlich als Partikel mit Impuls und Ort beschreiben kann, dann ist seine Wahl nicht mehr frei.


Wie kann man sich für einen Zustand entscheiden welcher nicht eintreten kann? Das wäre nur möglich wenn man Allwissenheit auf die faktische Handlung beschränkt (und nur diese zu den oben genannten "Zuständen" rechnet, nicht aber die Willensbildung selber) die dann im Widerspruch zur getroffenen Wahl stehen könnte, d.h. wenn man Wahlfreiheit so definiert, dass es nicht auch die Ausführung der gewählten Handlung impliziert. Dies ist eine durchaus korrekte Auffassung, aber Allwissenheit impliziert eben mehr als das.
Was dein zweiter Abschnitt sagen will (und inwiefern er eine Modifikation der im ersten Abschnitt gegebenen Situation beinhalten soll), ist mir leider nicht klar.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 20. Mai 2012, 14:21

ujmp hat geschrieben:"Tätige Allmacht hat es nicht nötig, etwas zu vorherzuberechnen. Sie hat keine Fragen, denn sie bestimmt ja in jedem Augenblick, was geschieht. Daher ist auch Allmacht gleichbedeutend mit Allwissen. Ein Mensch mag wohl berechnen können, wann ein Apfel vom Baum fällt, wie er fällt und sich ein Warum ausdenken. Aber Gott bestimmt dies alles. Er ist das Warum . Und wenn Gott will, bleibt der Apfel mitten im Fall in der Luft stehen." A.D.


Sorry, aber du verwechselst rationales Argumentieren (und nebenbei auch das Thema) mit dogmatischem "Theologisieren" und gegen andere Prämissen lässt sich schwer argumentieren.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 20. Mai 2012, 14:27

@Vollbreit:
Ausführlich nochmals zu antworten, bringt wohl wenig. Du akzeptierst meine Prämissen eh nicht...warum also diskutieren (und deine anderen argumentativen Mängel breittreten)?
Für Interessierte: Christoph Jäger "Analytische Religionsphilosophie" (126-146): N.Pike präsentiert darin eine ähnliche Argumentation wie meine (bzw. ich eine ähnliche wie seine) mit derselben Konklusion. Nicht als Autoritätsargument gedacht...aber eine Darlegung auf 20 Seiten ist natürlich weit präziser und zu wissen, dass der Autor ein Fachphilosoph ist, garantiert zwar nicht a priori eine gültige Argumentation, aber einem gelernten Automechaniker würde ich in der Regel zurecht (was das Handwerk betrifft) mehr trauen als einem nicht-gelernten.

ps: Nur ein paar Anmerkungen zur Mystik: was mystische Erfahrungen auszeichnet ist mir bestens bekannt (auch wenn nicht aus erster Hand aber auch nicht nur von Wikipedia). In der Literatur welche mir bekannt ist, habe ich noch keine einzige Antwort gefunden auf Fragen welche mich brennend interessieren würden (Theodizee, Willensfreiheit, Warum etwas ist und nicht nichts etc.). Und das ist kein Problem der Sprache und seiner Grenzen...das ist lediglich ein Immunisierungsargument wenn bezogen auf die sprachlich nicht zu vermittelnden kognitiven Inhalte der Mystik. "Kindereien" bezieht sich darauf, dass die Mystik keine plausibel-rationalen Antworten gibt auf rationale Fragen...eben nur Kindereien, also Antworten die vor der Vernunft schlicht nicht genügen, wenn denn welche überhaupt gegeben werden. Beispiel: Sri Aurobindos (sehr wohl verständliche und sprachlich vermittelten) Antworten zur Theodizee oder zum freien Willen. Bei K.Wilber fällt z.B. exemplarisch die durchgängige diesbezügliche Inhaltlosigkeit seiner Bücher auf (wenn sie auch ansonsten sehr informativ sind). Aber das hat ja lange Tradition: schon Buddha ignorierte sämtliche Fragen welche nicht unmittelbar erlösungsrelevant waren.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am So 20. Mai 2012, 15:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » So 20. Mai 2012, 14:53

Es ist ja nicht so, dass die Kritiker Deiner Position hier nicht argumentieren würden.
Es gibt auch genügend Philosophen von Rang, die sich für den Kompatibilismus stark machen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » So 20. Mai 2012, 15:14

Vollbreit hat geschrieben:Es ist ja nicht so, dass die Kritiker Deiner Position hier nicht argumentieren würden.
Es gibt auch genügend Philosophen von Rang, die sich für den Kompatibilismus stark machen.


Aber ich habe von Anfang an meine Prämissen klargestellt: Willensfreiheit (in einer gegebenen Situation so oder auch anders handeln können) und nicht eine kompatibilistische Freiheitsdefinition.
Gemäss Geert Keil gibt es in der Gegenwartsphilosophie nur zwei prominente Philosophen die eine Willensfreiheit vertreten, alle anderen sind Kompatibilisten!
Das ist aber nicht der Punkt! Dass der Kompatibilismus mit der Allwissenheit (welche einen Determinismus impliziert/voraussetzt) vereinbar ist, gebe ich ja zu.
Dass meine "Gegner" grundsätzlich kompatibilistisch argumentierten (zumindest explizit), sehe ich so nicht. Meist wurde durchaus auch eine Willensfreiheit intendiert, dann aber der Allwissenheitsbegriff nicht so akzeptiert wie ich ihn definiere.
Die Moral der Geschichte: sich zuerst über die Begriffsexplikationen einigen bevor man anfängt zu argumentieren.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » So 20. Mai 2012, 15:52

Dr Fraggles hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:"Tätige Allmacht hat es nicht nötig, etwas zu vorherzuberechnen. Sie hat keine Fragen, denn sie bestimmt ja in jedem Augenblick, was geschieht. Daher ist auch Allmacht gleichbedeutend mit Allwissen. Ein Mensch mag wohl berechnen können, wann ein Apfel vom Baum fällt, wie er fällt und sich ein Warum ausdenken. Aber Gott bestimmt dies alles. Er ist das Warum . Und wenn Gott will, bleibt der Apfel mitten im Fall in der Luft stehen." A.D.


Sorry, aber du verwechselst rationales Argumentieren (und nebenbei auch das Thema) mit dogmatischem "Theologisieren" und gegen andere Prämissen lässt sich schwer argumentieren.


Nein, das tut er nicht. Um die Behauptung, Allwissenheit und Allmacht würden sich logisch widersprechen zu widerlegen, muss er nur Definitionen vorlegen, die sich nicht widersprechen. Wenn du nun von ihm verlangst, dass ausgerechnet deine Defintionen zu Grunde gelegt werden, die dir so eindeutig widersprüchlich erscheinen, dann nennt man das ein Strohmannargument. Und du wirfst ihm Dogmatismus vor, beharrst aber selbst auf deinen eigenen Definitionen, die qualitativ nichts anderes als Dogmen sind. Solange du nicht fähig bist, seinen Standpunkt korrekt zu rekonstruieren, sind deine Argumente dagegen leider nicht ernst zu nehmen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » So 20. Mai 2012, 16:18

@Dr Fraggles

Deine Argumentation ist also:

Def. "Freier Wille" = in einer gegebenen Situation so oder so handeln können (z.B. A oder B tun können)
P. Nun nehmen wir ein allwissendes Wesen an, das heute weiß, dass ich morgen A (und nicht B) tun werde
----
K1. Also werde ich morgen A tun und kann folglich nicht B tun
K2. Also habe ich keinen freien Willen gemäß Def.

Soweit richtig?

Aber diese Konklusion ist meiner Ansicht nach so nicht richtig. Wohlgemerkt: wir nehmen hier nur ein allwissendes Wesen an, das keinerlei Einfluss auf die Welt ausübt, (bei einem [all]-mächtigen Wesen, das mich z.B. gegen meinen Willen einfach zwingen würde, A zu tun, sähe das bezüglich meiner Freiheit natürlich anders aus).

Im obigen Falle hängt Wissen über A von A ab, (oder aber von etwas noch Ungenanntem - das dann aber genannt werden müsste). Und nicht umgekehrt, (A vom Wissen über A). Täte ich morgen B, wüsste das Wesen, dass ich B täte. Es spricht nun erst mal nichts dagegen, dass ich B tun könnte - es ist lediglich laut Voraussetzungen nicht möglich, dass ich B täte und das Wesen das nicht wüsste. Irgendwas werde ich aber immer tun, (bzw. nicht tun), allgemeiner: das Weltgeschehen läuft immer irgendwie ab, (auch zukünftig). Aber dass es trivialerweise so abläuft, wie es abläuft, bedeutet noch keine Notwendigkeit, dass es so ablaufen müsse, wie es abläuft. Und ergo auch noch keine Einschränkung des freien Willens nach Deiner Definition.

Ich meine nach wie vor, dass sich die obige Argumentation auf einen logischen Determinismus reduzieren lässt:

P1. Nehmen wir an, ich täte morgen X
P2. Also kann ich morgen nicht NICHT-[X] tun (X unterlassen)
----
K. Also habe ich keinen freien Willen nach obiger Def.

Das allwissende Wesen ist meiner Ansicht nach hier eine unnötige Zusatzannahme. Was immer das X ist, das hypothetische allwissende Wesen kennt es zwar laut Voraussetzung, aber da es keinen Einfluss auf die Welt ausübt, ist sein Wissen irrelevant für X (und auch dafür, wie frei oder unfrei X ist) - oder aber, wie gesagt, es gäbe hier noch einen bisher ungenannte Zusatzannahme.

Wir können uns nun auch hilfshalber einfach ein Wesen vorstellen, in dessen Welt die Zeit (relativ zu unserer Welt) rückwärts abläuft, (und das unsere Welt beobachten könnte, z.B. beobachtet hat, dass ich morgen A tun werde - bzw. aus seiner Sicht: getan habe). Dieses Wesen wäre nun nicht allwissend - es würde zwar unsere Zukunft kennen können, aber nicht unsere Vergangenheit. Jedoch wäre durch die logische Möglichkeit eines solchen Wesens schon ein freier Wille in Deinem Sinne - falls Deine obige Argumentation stimmte - unmöglich, und zwar in jeder möglichen Welt.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon ujmp » So 20. Mai 2012, 16:58

AgentProvocateur hat geschrieben:@Dr Fraggles

Deine Argumentation ist also:

Def. "Freier Wille" = in einer gegebenen Situation so oder so handeln können (z.B. A oder B tun können)
P. Nun nehmen wir ein allwissendes Wesen an, das heute weiß, dass ich morgen A (und nicht B) tun werde
----
K1. Also werde ich morgen A tun und kann folglich nicht B tun
K2. Also habe ich keinen freien Willen gemäß Def.

Man kann es auch so ausdrückem:
1) Allmacht = der Handelnde hat alle Optionen
2) Allwissenheit = der Wissenende weiß welche Optionen gewählt werden
Um die logische Widersprüchlichkeit dieser Definitionen zu zeigen, müsste man eine Aussage formulieren in der der Handelnde eine ihm unbekannte Option wählt oder in der eine ihm bekannte Option nicht in seiner Macht steht. Der "Freie Wille" ist hier ein Roter Hering.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Nanna » So 20. Mai 2012, 17:26

[ADMIN] Lieber Dr Fraggles, bitte sieh von Vollzitaten ab. Zitate sind zur kleinteiligen Wiedergabe von Fragmenten gedacht, auf die man explizit Bezug nimmt. Für allgemeine Antworten reicht eine kurze Adressierung des Angesprochenen ("@XYZ") aus. [/ADMIN]

Ansonsten herzlich willkommen im Forum! :brights: Schön, eine weitere Person mit Interesse an und Kompetenz philosophischen Fragen hier zu haben!
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » So 20. Mai 2012, 17:35

Dr Fraggles hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist ja nicht so, dass die Kritiker Deiner Position hier nicht argumentieren würden.
Es gibt auch genügend Philosophen von Rang, die sich für den Kompatibilismus stark machen.


Aber ich habe von Anfang an meine Prämissen klargestellt: Willensfreiheit (in einer gegebenen Situation so oder auch anders handeln können) und nicht eine kompatibilistische Freiheitsdefinition.


Habe ich auch mal vertreten, tue ich heute nicht mehr, weil ich diese Position nicht von reiner Willkür unterscheiden konnte.
Wenn Du meinst es zu können, lass mich Deine Argumente hören.

Dr Fraggles hat geschrieben:Gemäss Geert Keil gibt es in der Gegenwartsphilosophie nur zwei prominente Philosophen die eine Willensfreiheit vertreten, alle anderen sind Kompatibilisten!


Ich habe das (Reclam) Buch von Geert Keil mit Interesse gelesen, zu einer Zeit, als ich noch Inkompatibilist war, er konnte mir aus meiner Not (Inkompatibilist bleiben zu wollen, aber keine Argumnte für diese Position mehr zu haben) auch nicht helfen.
Die Knackpunkte sind die Fragen warum Willkür und/oder Zufall die Freiheit vergößern.
Ich habe weder Beispiele noch Antworten (die diese Position stützen).

Dr Fraggles hat geschrieben:Das ist aber nicht der Punkt! Dass der Kompatibilismus mit der Allwissenheit (welche einen Determinismus impliziert/voraussetzt) vereinbar ist, gebe ich ja zu.
Dass meine "Gegner" grundsätzlich kompatibilistisch argumentierten (zumindest explizit), sehe ich so nicht.


Ich weiß auch nicht, ob ich das behauptet habe.
Meine Position ist gegenwärtig kompatibilistisch.

Dr Fraggles hat geschrieben:Meist wurde durchaus auch eine Willensfreiheit intendiert, dann aber der Allwissenheitsbegriff nicht so akzeptiert wie ich ihn definiere.
Die Moral der Geschichte: sich zuerst über die Begriffsexplikationen einigen bevor man anfängt zu argumentieren.


Für die Willensfrieheitsdiskussion ist der Allwissenheitsbegriff auch eher hinderlich, weil diejenigen Wesen, deren Freiheit ergründet werden soll (Menschen) ja nicht allwissend sind.
Ansonsten schließt sich für mich weiterhin nicht aus, warum ich das was ich weiß (sollte ich allwissend sein) nicht auch wollen kann.
Es schließt sich auch nicht aus, allwissend zu sein und nicht zu wollen was kommt. Ich könnte wissen, dass morgen die Welt untergeht, daas nicht wollen, aber dennoch geht sie unter.
Das geht.

Wenn wir aber von Gott reden, unterstellen wir ihm ja auch Allmacht und diese in Kombination mit Allwissen sollte hinreichen, dass das passiert, was Gott will.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 7. Jun 2012, 18:30

Ich habe mir diese Diskussion angeschaut und wundere mich, wie lange man über solchen Unsinn diskutieren kann. Das erinnert mich an Homer Simpsons Frage "Kann Jesus eine Pizza so heiß machen, dass er sich daran verbrennt?" Ich verstehe die Intention dieser Diskussion nicht.
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