ujmp hat geschrieben:Ich dachte, du verteidigst deinen Glauben, bzw. seine Rationalität - das war dann eine Fehleinschätzung. Aber vielleicht möchtest du mal den Gottesbegriff darstellen, den du verteidigst.
Es geht ja hier noch gar nicht darum einen Gottesbegriff zu verteidigen, sondern wir waren ja eigentlich dabei zu untersuchen (dachte ich jedenfalls) wie man in den Gottesbegriff hineinkommt.
Was bringt Menschen auf einmal dazu einen Gott anzunehmen, ihn zu verehren, Religion zu betreiben, etwas, was Tiere nicht tun.
M.E. ist der Gottesbegriff ohne Rationalität nicht denkbar, da Gott zu formulieren, ja bedeutet, eben weil man ihn nicht sieht, auf ein Dahinter (wie auch immer das aussieht) zu verweisen.
Der Gottesbegriff ist dabei nicht monolithisch, d.h. er hat sich im Laufe der Zeit verändert und das finde ich auch eine interessante Beobachtung.
ujmp hat geschrieben:Theorie und Beobachtung: die bekannte Terminologie ist: Beobachtungen sind theoriegeladen. Wenn aber aus einer solchen Beobachtung eine neue Theorie entsteht, darf man m.E. ruhig sagen, dass diese Theorie aus Beobachtungen abgeleitet wurde. Die Feststellung ob ein Gegenstand rot oder grün ist darf man doch als empirisch ansehen.
Du übergehst hier zu viel für eine ernsthafte Diskussion.
Klar, man kann Fünfe gerade sein lassen und es ist auch kein Problem zu verstehen, was Du meinst.
Man kann aufgrund empirischer Daten Theorien falsifizieren und dann die Theorien ändern, kein Problem. Aber Du bist weiter gegangen, hast das zum naiven Realismus ausgedehnt und das passt einfach nicht. Anschauungen sind bereits mit Begriffen verschränkt, untrennbar. Für manches haben wir keine Begriffe, das nehmen wir buchstäblich nicht wahr. Und weder die Wissenschaft, noch der einzelne Mensch ändert seine Überzeugungen (Theorien) in der Weise, wie Du es darstellst.
Idealerweise könnte das so sein (ich weiß noch nicht mal, ob es ideal ist, also, so sein sollte), praktisch passiert es einfach nicht. Irgendwann einmal, nach Widerständen, einem sich drehen und wenden, meistens nicht, bei einigen dann später schon.
ujmp hat geschrieben:Obwohl wir wissen, dass Farben nur indirekt eine Eigenschaft des Gegenstandes widerspiegeln (er emittiert keine Farben, sondern elektromagnetische Wellen) gehen wir doch davon aus, dass die Farben - wie die Mathematiker sagen würden - eine Funktion seiner realen Eigenschaften sind.
Was die realen Eigenschaften eines Gegenstandes sind, weiß ich nicht.
Ich weiß, wie ich etwas wahrnehme, wie man es nennt, ob die meisten anderen es auch so wahrnehmen, aber ob das reale Eigenschaften sind… keine Ahnung.
ujmp hat geschrieben:Ich behaupte mal, dass ein wahrgenommner Längenunterschied ebenfalls eine reale Ursache hat.
Es gibt erstaunliche sozialpsychologische Experimente zur Längenwahrnehmung. Kurz gesagt: Man setzt eine Versuchsperson (Vp) in einen Raum mit anderen Leuten. Die Vp weiß nicht, dass es um ihr Verhalten geht, sondern denkt, sie sei zu einem einfache Test anwesend. Der Test ist dann wirklich einfach, scheinbar. Auf eine Leinwand werden zwei Linien projiziert, von je unterschiedlicher Länge. So deutlich unterschiedlich, dass eigentlich kein Zweifel besteht, welche Linie länger ist, aber auch nicht 1 Meter zu 1 Zentimeter. Ich glaube man musste laut sagen, oder einige sagten laut, welche Linien kürzer und welche länger waren. Die anderen waren eingeweiht. Zunächst sagten sie, die längeren seien länger, alles erwartungsgemäß. Irgendwann behaupteten alle dass die etwas kürzeren Linien länger seien. Was geschah? Die Wahrnehmung der Vp, die sich erst wunderte stellte sich allmählich um, sie hatte tatsächlich am Ende das Gefühl die kürzeren Linien seien länger, nicht nur, dass sie sich den anderen angepasst hätte oder eine Diskussion mit einem Haufen Irrer nicht lohnt, oder so.
Was wir bereit sind aus dem Bewusstsein auszublenden, zeigt ja auch dieses Experiment wo Studenten die Aufgabe gegeben wird, bei einem Team von 6 oder 8 Leuten die Ballkontakt einer Videoaufzeichnung zu zählen.
Mitten durchs Bild geht ein Mensch mit einer Gorillamaske, stellt sich noch kurz frontal hin und verschwindet dann an der anderen Seite, nur die Hälfte der Teilnehmer hat ihn überhaupt wahrgenommen.
ujmp hat geschrieben:Und ich meine, man muss an der Stelle, wo man aufhört, eine Wahrnehmung als Funktion der Außenwelt zu betrachten, einen triftigen Grund dafür angeben.
Das waren ein paar Gründe, es gibt mehr.
ujmp hat geschrieben:Und ich behaupte, dass die Gottesvorstellung keine Funktion von irgendwelchen äußeren Eigenschaften ist -welche denn? Sie kommt nicht in den Menschen hinein, sondern aus ihm heraus.
Gibt es jemanden, der das bezweifelt?
ujmp hat geschrieben:Duhem/Quine vs Popper:
…
Den Ausfürhunegn kann ich im Wesentlichen zustimmen.
ujmp hat geschrieben:Die Duhem/Quine-Hypothese verschiebt dieses Problem nur auf eine andere Ebene, in dem sie schlicht feststellt, dass manche Probleme zu komplex für uns sind. Die Logik der Forschung bleibt offensichtlich dieselbe.
Nein, das sagt die Duhem-Quine-These eigentlich nicht.
In ihr geht es darum, dass eine Theorie eben nicht erledigt ist, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt, d.h. wenn ein einzelner Satz der Theorie widerlegt ist, sondern in ihr wird gesagt, dass es auch dann noch richtig sein kann, dass einige Schwäne weiß sind, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt.
Eine Theorie besteht in aller Regel nicht aus einem Satz, sondern aus einem Geflecht von Sätzen, Umständen, Bedingungen, die man allesamt betrachten muss. Die Theorie kann auch stimmen, wenn einzelne Sätze falsch sind. Aspirin kann den meisten gegen Kopfschmerzen helfen, auch wenn es nicht immer gegen Kopfschmerzen hilft.
Im Grunde brauchen wir uns hierum aber nicht zu streiten, denn die Wissenschaft prüft schon – wenn auch nicht auf geradem Weg – ihre Hypothesen. Bei all den Abstrichen die ich machen würde, würde ich das durchaus anerkennen. Man darf zumindest hoffen, dass der Selbstreinigungseffekt der Wissenschaften halbwegs funktioniert.
Und Deine Kritik war, dass es diesen Selbstreinigungseffekt bei den Religionen gar nicht gibt, hier wird geglaubt und eben gerade nicht geprüft. Ich glaube, dass ist nicht der wesentliche Unterschied.
M.M.n. liegt der in zwei Punkten.
Erstens hat die Wissenschaft eine gut etablierte Methodik, die weltweiten Standards unterworfen ist. Was auch immer daraus gemacht wird, das muss man glaube ich anerkennen und das hat die Religion nicht. Du wirst nicht selbst auf dem Mond gewesen sein, Du hast vermutlich nie Experimente mitverfolgt, bei denen ein Quark erzeugt wurde, dennoch glaubst Du, dass jemand den Mond betreten hat und dass es Quarks gibt. Und darum ist ein radikaler Skeptizismus auch was fürn Arsch, der sagt: „Soll mir doch mal jemand beweisen, dass die Mondlandung keine Hollywoodshow war.“
Ein religiöser Mensch kann auch sagen, dass sein Nachbar, der gebetet hat vom Krebs geheilt wurde.
Wenn das jedesmal oder auch nur überwiegend helfen muss, ist die ganze medizinische Krebstherapie für die Katz, die hilft, bis auch Ausnahmen eher selten. Und es hat eben Mystiker gegeben und dies und das und jenes und vermutlich hat man nach einem Gebet auch seine Prüfung bestanden, also der Glaube dürfte im Leben von Gläubigen schon oft ausreichend verifiziert sein.
Nur fehlen eben – erster Punkt – die Standards.
Dass sie, zweitens, nicht mit aller Macht versuchen ihren Glauben zu falsifizieren, macht das Vorgehen unwissenschaftlich, aber warum
sollten gläubige Menschen das tun? Weil es ein paar Brights ärgert? Macht es schlechtes Wetter, Mundgeruch, verstimmt es die Wirtschaft? Religion ist ein Weltbild, das gibt man nicht so ohne weiteres auf. Analog kannst Du erkennen, dass einige Brights nicht einmal verstehen, warum man nicht alles über den Leisten der Naturwissenschaften ziehen kann. Nicht, dass sie es nicht tun wollen, sie verstehen gar nicht, warum man es nicht tun kann. Wenn es um Erkenntnis geht, dann ist das erste und einzige Mittel die Naturwissenschaft, der Rest ist vielleicht irgendwas Nettes zur Erbauung, aber bitte nichts was man ernst nehmen kann.
Die glauben das, wirklich. So tief können sich Weltbilder einnisten, dass man noch nicht einmal versteht, was daran falsch oder unzureichend sein könnte. Und das wissenschaftliche Weltbild ist ebenfalls ein Weltbild. Vielleicht mehr eine Methode oder irgendwas dazwischen, aber dass Wissenschaft tatsächlich ideologiefrei wäre, ist zumindest eine eigene Diskussion wert.
Und Religion ist deutlich mehr, als die Methode zu optimieren, Eier auf den Punkt zu kochen oder Kopfschmerzen weg zu bekommen. Das mag man bewerten, wie man will, aber ich denke, auch der Religionskritiker wird das anerkennen.
Nun würdest Du sagen, es spricht nichts, aber auch gar nicht für Religion.
Alle Tatsachenbehauptungen der Bibel: Schöpfung, Auferstehung, Himmelfahrt, Jungfrauengeburt, alles Kappes, soweit wir das heute realistisch einschätzen können.
Nun würde ich Dir in diesem Punkt zustimmen, aber dennoch behaupten, dass damit nicht der Rest entwertet wird. Die Frage bei einer Religion ist doch nicht nur, ob die Tatsachen stimmen, sondern, was Religion nebenher noch für Funktionen hat. Gesellschaftlich, psychisch und so weiter.
Ich würde auch behaupten, dass man die Tatsachenbehauptungen gar nicht als Tatsachenbehauptungen verstehen muss. Buddha wurde auch von einer Jungfrau geboren, das ist ein bestimmtes Motiv, wie das, dass viele Gottesmütter sehr ähnliche Namen haben und so weiter.
Es gibt ganz gute Argumente dafür, dass zu einer Zeit in der der Mythos das beherrschende Weltbild war, es gar kaum anders möglich war, als in mythischen Bildern zu schreiben.
Aber das Hauptmotiv scheint mir ein psychologisches zu sein. Nicht psychopathologisch, im Sinne von naiv, feige, zweistelliger IQ, neurotisch oder sonst etwas, sondern man wird sich schon was dabei denken und etwas dabei empfinden, wenn man glaubt. Du könntest gläubige Menschen einfach mal taktvoll fragen, ich vermute sie würden Dir antworten.
Ich habe mich letztens mit dieser koreanischen Frau unterhalten, ich fand das sehr beeindruckend.
Dass zu glauben immer sofort psychopathologisch ist, ist schlicht falsch. Der Glaube ist ein lebensbereicherndes Element, mit nachgewiesen positiven sozialen Funktionen. Gewiss nicht ohne Probleme, aber die sind hier ohnehin überbekannt.
Aber prüfen die Brights eigentlich kritisch alle ihre Theorien? Setzen sie alles daran, um sie zu widerlegen? Inverstieren sie all ihre Mühen in Falsifikation? Da gäbe es doch genug vor der eigenen Tür zu kehren, wenn man schon das hohe Lied einer idealen Wissenschaft anstimmt.