Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Fr 29. Jun 2012, 22:49

ujmp hat geschrieben:Wir können gerne auch über die 10 Gebote diskutieren, aber hier ist das Thema der Gottesbegriff und dass es keinen vernünftigen Anlass gibt an Gott zu glauben.


Wir waren ja dabei, dann kam das mit der Wissenschaft dazwischen.
Für Dich ist der Gottesglaube ein Kurzschluss, eine Hypothese, die vordergründig eine Anfangsberechtigung gehabt haben mag, aber sich dann schließlich nicht mehr halten ließ.

Ich glaube allerdings, dass das Gottesbild – also die verschiedenen Arten der Weltbilder und der Betrachtungen über Natur – sich im Laufe der Zeit gewandelt haben.
Sicher wirst Du heute noch Leute finden, die im buchstäblichen Sinne glauben, was in der Bibel steht, aber die wirst Du in der Anfangsphase überhaupt nicht erreichen, die sind nämlich in der Tat immun gegen Argumente.

Einen Fuß in die Tür bekommt man dann und bei denen, die wirklich im Gottesglauben ein Geschäft auf Gegenseitigkeit im gewöhnlichsten Sinne sehen. Ich bete, dafür erwarte ich Geld, Glück und Gesundheit, gibt es das nicht, kündige ich.

Bzw., hier gibt es zwei oder drei Richtungen. Die einen glaube umso stärker, „Gott prüft mich, er hat etwas besonderes mit mir vor und will schauen, ob ich standhaft bin“. Andere beginnen in Deinem Sinne zu zweifeln: „Eigentlich habe ich doch alles richtig gemacht, warum sieht Gott das nicht? Warum erhört er nicht meine Gebete?“ Da springen einige ab. Und wieder andere kommen vielleicht zu einer anderen Form des Glaubens, der immer individueller und immer weniger vorgestanzt ist.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Fr 29. Jun 2012, 23:00

Mal zu Duhem/Quine: Man kann zwei Punkte mit unendlich vielen Funktionen verbinden, aber nicht mit x-beliebigen Funktionen - und eine Funktion lässt sich darauf hin testen. Ein Test ist aber nichts anderes, als dass das Ergebnis meinen Erwartungen entspricht oder nicht. Insofern ist die Newtonsche Mechanik wahr. Die Idee, wissenschaftliche Aussagen absolut zu verstehen und sie dann gleich darauf für ihre offensichtliche Relativität zu kritisieren, scheint mir nicht sehr intelligent. Es ist vorallem praxisfern.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Fr 29. Jun 2012, 23:13

Vollbreit hat geschrieben:
Einen Fuß in die Tür bekommt man dann und bei denen, die wirklich im Gottesglauben ein Geschäft auf Gegenseitigkeit im gewöhnlichsten Sinne sehen. Ich bete, dafür erwarte ich Geld, Glück und Gesundheit, gibt es das nicht, kündige ich.


Ich bin sicher, dass du dir nicht darüber im Klaren bist, was du hier redest. Du verhöhnst damit nämlich Menschen, die in ihrer Verzweiflung zu Gott beten. Was glaubst du, was Jesus gemeint hat, als er gesagt hat "Bittet, so wird euch gegeben"? Was meinst du hätte Jesus zu einem Schwerbehinderten gesagt, der ihn um Heillung bittet -hinweg mit dir, du siehst nur das Geschäft?

Es ist vielmehr so: Der Gottesbegriff steht und fällt mit der Nichtakzeptanz der Realität. In dem Augenblick, wo ich einen realen Anlass für den Glauben an Gott suche, bricht der Gottesbegriff zusammen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Sa 30. Jun 2012, 08:53

@ujmp

Du hast ja echt wenig zu erwidern. Ist das alles?

ujmp hat geschrieben:Es gibt keine vernünftige Forschung, wenn man nicht wenigstens methodisch eine "Wahrheit" voraussetzt, und seine Theorie testet, ob sie nicht evtl falsch ist - und dies tut Religion nicht!


Ja, wissen wir doch längst. Darüber sind wir uns doch alle hier einig. Und trotzdem sagen Thomas v. Aquin und auch moderne Theologen deutlich: Wer die Glaubensinhalte nicht versteht, darf nicht glauben! Denn was man nicht versteht, kann man nicht glauben.

ujmp hat geschrieben:Der Gottesbegriff steht und fällt mit der Nichtakzeptanz der Realität. In dem Augenblick, wo ich einen realen Anlass für den Glauben an Gott suche, bricht der Gottesbegriff zusammen.


Verstanden. Je mehr ich "die Realität" akzeptiere, desto weniger brauche ich einen Gottesbegriff. Die "Realität" lehrt uns hier das genaue Gegenteil. Die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Transzendenten hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Darüberhinaus besagt dieses Verhältnis ja auch: je weniger ich die Realität akzeptiere, desto mehr brauche ich einen Gottesbegriff. Bitte um Belehrung: warum soll denn der Gläubige die innerweltliche Kausalität dieser Welt nicht akzeptieren können?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 30. Jun 2012, 09:17

ujmp hat geschrieben:Mal zu Duhem/Quine: … Die Idee, wissenschaftliche Aussagen absolut zu verstehen und sie dann gleich darauf für ihre offensichtliche Relativität zu kritisieren, scheint mir nicht sehr intelligent. Es ist vorallem praxisfern.


Die Idee wissenschaftliche Aussagen absolut zu verstehen, ein Punkt, auf dem Du jetzt zum wiederholten Mal herumreitest, obwohl er nie Teil meiner Kritik war, hat nicht einmal am Rande etwas mit dem Zu tun, was Duhem oder Quine kritisierten.

ujmp hat geschrieben:Es ist vielmehr so: Der Gottesbegriff steht und fällt mit der Nichtakzeptanz der Realität. In dem Augenblick, wo ich einen realen Anlass für den Glauben an Gott suche, bricht der Gottesbegriff zusammen.


Gott hilft ja manchmal. Der Gottesbegriff ist ja gerade bis heute nicht in sich zusammen gefallen und die Realität ist, dass es so ist. Und das deshalb, weil Menschen überzeugt sind, dass Gott ihnen hilft.
Nicht jeder ist davon überzeugt und so werden manche Atheisten, manche Agnostiker und manche suchen einen anderen Gottesbegriff.

Deine Kritik war aber nun, dass Menschen, die an Gott glauben, nicht in der Lage sind wissenschaftlich zu denken. Denn die Wissenschaft, so Deine Idee, denkt und handelt so, dass sie eine Hypothese aufstellt, gemäß dieser ergeben sich Prognosen (außer bei der Evolutionstheorie und anderen Existenzaussagen ;-) – geschenkt) und stimmen die Ergebnisse nicht mit den Prognosen überein, wird die Hypothese sofort kassiert. Kuhn schreibt, dass abweichende Ergebnisse keinesfalls zum Anlass genommen werden die Hypothese zu kippen und hierauf bezieht sich meine Kritik: Die Wissenschaft arbeitet überhaupt nicht so, wie Du denkst. Poppers Einfluss ist in der Theorie und Praxis der Wissenschaft marginal.

Oder um es mit wiki zu sagen:
Wikipedia hat geschrieben:Obwohl Poppers kritischer Rationalismus schon früh viele Anhänger und Sympathisanten unter hochrangigen Wissenschaftlern fand (vor allem Physiker, darunter Albert Einstein, aber auch Nobelpreisträger anderer Fachrichtungen, nämlich Peter Medawar, John Carew Eccles und Jacques Monod), konnte er sich weder in der Wissenschaftstheorie noch in der naturwissenschaftlichen Praxis entscheidend durchsetzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Poppe ... und_Kritik


Nun ist es aber eine andere Frage, ob gläubige Menschen deren Idealisierung gar nicht die der Wissenschaften ist und auch nicht sein muss, wirklich nicht wissenschaftlich denken können.
Sprich: Wenn Gott sich nie „melden“ würde, was meinst Du, wie lange seine Überlebenszeit wäre?

Selbst einen Rauhaardackel könnte man ohne Belohnung nicht konditionieren. Gott muss immer mal wieder auf der Bildfläche erscheinen, damit er in der Psyche der gläubigen Menschen überleben kann und dafür gibt es nun jede Menge „Beweise“. Menschen, die eben doch genesen sind, Menschen die in lebensgefährlichen Situationen unverschämtes Glück hatten, Menschen, bei denen es das Schicksal gut meint.
http://www.flickr.com/photos/infactoweb/2948107789/
Dazu kommen die Offenbarungen Gottes in Form diverser Eingriffe, Donnergrollen, Fußballresultate oder sonst etwas.

Beachte bitte, dass ich nicht behaupte, Gott hätte hier eingegriffen, meine Behauptung ist, dass gläubige Menschen es so interpretieren können und das tun sie auch. Das geht bis zu bestimmten Immunisierungsstrategien (die es in der Wissenschaft auch gibt, aber bleiben wir bei den Religionen), bei denen gerade dann, wenn Gott nicht in gewünschter Weise eingreift, man immer noch denken kann, dass Gott sich schon etwas dabei denken wird, es wird seinen Sinn haben. „Er wird es wissen. Er testet mich. Er prüft nur die Besten so hart.“

Nur, warum sollte ein gläubiger Mensch dazu verdonnert sein, auf dieser Stufe zu glauben?
Es gibt hochintelligente, philosophisch, psychologisch und wissenschaftlich gebildete Gläubige. Es ist einfach, allen gläubigen Menschen zu unterstellen, sie wüssten nicht, dass die Erde sich um die Sonne dreht und von Logik hätten sie gleich gar nichts gehört, aber wenn jemand nicht ins eigene Vorurteil passt, müsste man doch eigentlich die Hypothese überdenken, oder?

Dennoch, hat all das schon mit einer weiteren Ausdifferenzierung des Gottesbegriffs zu tun und nicht wie man in den Gottesbegriff hineinkommt. Meinetwegen können wir aber auch über die Ausdifferenzierung reden. Dass man um sich Gott gefällig zu machen Unterwürfigkeit und Preußischen Gehorsam braucht, ist auch eine Frage der Interpretatiton des jeweiligen Individuums.
Hast Du mal Meister Eckhart dazu gelesen? Eine radikalere Abwehr des Frömmlerischen kann man kaum lesen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Sa 30. Jun 2012, 10:47

@Vollbreit: Meister Eckhart ist zu schwere Kost. Wer sich schon damit schwer tut, Religion und Glauben einen anderen Bereich zuzuerkennen, der mit Wissenschaft nichts zu tun, gleichwohl aber ebenso seine Bedeutung für den Menschen hat, der braucht mit Eckhart gar nicht erst anfangen. Er wird schlicht und ergreifend nicht einen einzigen Satz verstehen. Das gilt zuvorderst von den Predigten, dann von den lateinischen Werken (seinen Vorlesungen, den quaestiones). Vielleicht am ehesten geeignet sind noch die "Reden der Unterweisung".
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 30. Jun 2012, 11:03

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Mal zu Duhem/Quine: … Die Idee, wissenschaftliche Aussagen absolut zu verstehen und sie dann gleich darauf für ihre offensichtliche Relativität zu kritisieren, scheint mir nicht sehr intelligent. Es ist vorallem praxisfern.


Die Idee wissenschaftliche Aussagen absolut zu verstehen, ein Punkt, auf dem Du jetzt zum wiederholten Mal herumreitest, obwohl er nie Teil meiner Kritik war, hat nicht einmal am Rande etwas mit dem Zu tun, was Duhem oder Quine kritisierten.

Was Duhem/Quine denken und was du denkst sind ja auch verschiedene Dinge. Du rechtfertigst die ganze Zeit deinen Glauben mit dem argumentum ad ignorantiam: "Wir können nicht wissen, ob es wirklich falsch ist, deshalb glauben wir daran". Als Rechtfertigung führst du an, dass die Wissenschaft sich nicht sicher sein kann - oder wie soll ich deinen Verweis auf Duhem/Quine sonst verstehen? Und ich verweise auf den fundamentalen Unterschied zwischen einer Theorie, die auf Beobachtungen - insbesondere ihrer Tests - beruht, z.B. Newtonsche Mechanik und einer Theorie, die ein Mensch geträumt hat, weil er 40 Tage Hunger und einen Sonnenstich hatte und an der, so sehr sie auch den Beobachtungen widerspricht, trotzdem festgehalten wird.
Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Es ist vielmehr so: Der Gottesbegriff steht und fällt mit der Nichtakzeptanz der Realität. In dem Augenblick, wo ich einen realen Anlass für den Glauben an Gott suche, bricht der Gottesbegriff zusammen.


Gott hilft ja manchmal. Der Gottesbegriff ist ja gerade bis heute nicht in sich zusammen gefallen und die Realität ist, dass es so ist. Und das deshalb, weil Menschen überzeugt sind, dass Gott ihnen hilft.
Nicht jeder ist davon überzeugt und so werden manche Atheisten, manche Agnostiker und manche suchen einen anderen Gottesbegriff.

Das ist ein agrumentum ad populum und damit irrelevant.
Vollbreit hat geschrieben:Deine Kritik war aber nun, dass Menschen, die an Gott glauben, nicht in der Lage sind wissenschaftlich zu denken. Denn die Wissenschaft, so Deine Idee, denkt und handelt so, dass sie eine Hypothese aufstellt, gemäß dieser ergeben sich Prognosen (außer bei der Evolutionstheorie und anderen Existenzaussagen ;-) – geschenkt) und stimmen die Ergebnisse nicht mit den Prognosen überein, wird die Hypothese sofort kassiert. Kuhn schreibt, dass abweichende Ergebnisse keinesfalls zum Anlass genommen werden die Hypothese zu kippen und hierauf bezieht sich meine Kritik: Die Wissenschaft arbeitet überhaupt nicht so, wie Du denkst. Poppers Einfluss ist in der Theorie und Praxis der Wissenschaft marginal.

Kuhn ist unter Theisten als Argument so beliebt wie Dunkle Materie und alles was sonst noch mysteriös ist. Du rekonstruierst das was ich über Wissenschaft gesagt hab falsch, denn ich habe nie behauptet, das eine Hypothese "sofort kassiert" wird, dies war auch Kuhns Strohmann-Argument.

Nehmen wir zu unseren zwei Punkten einen Dritten dazu: Wenn die erste Funktion auch durch diesen Punkt geht, dann prima. Wenn nicht, suchen wir eine neue Funktion, die durch alle drei Punkte geht. Oder, solange wir uns nur für zwei Punkte interessieren (z.b. Newtonsche M.) benutzen wir die alte Funktion weiter, behalten aber ihre begrenzte Gültigkeit im Auge. Diese Funktion ist aber als Lösung für alle drei Punkte (z.B. Relativitätstheorie) falsch . Und wenn wir die Erwartung hatten, dass diese Funktion durch alle drei Punkte gehen würde, ist diese Erwartung falsifiziert. Wer nun behauptet, das sei naiv, der behauptet damit gleichzeitig, es sei naiv, eine Mondlandung mit den Gesetzen der Newtonschen Mechanik auszurechnen und die Geschichte von Jesus der übers Wasser geht als Märchen anzusehen.

Die Evolutionstheorie ist sehr wohl falsifizierbar. Finde eine Art, deren Erbinformation nicht durch die Aminosäuren A-C-G-T weitergegeben werden und deren Nachkommens-Genome identisch mit den Genomen ihrer Elterngeneration ist.

Vollbreit hat geschrieben:Oder um es mit wiki zu sagen:
Wikipedia hat geschrieben:Obwohl Poppers kritischer Rationalismus schon früh viele Anhänger und Sympathisanten unter hochrangigen Wissenschaftlern fand (vor allem Physiker, darunter Albert Einstein, aber auch Nobelpreisträger anderer Fachrichtungen, nämlich Peter Medawar, John Carew Eccles und Jacques Monod), konnte er sich weder in der Wissenschaftstheorie noch in der naturwissenschaftlichen Praxis entscheidend durchsetzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Poppe ... und_Kritik


Ich bin kein Fachmann, aber in allen meinen Büchern über Wissenschaft spielt Popper eine Rolle. Die logische Falsifizierbarkeit einer Theorie ist jedenfalls als Wissenschaftlichkeitskriterium etabliert.

Vollbreit hat geschrieben:Nun ist es aber eine andere Frage, ob gläubige Menschen deren Idealisierung gar nicht die der Wissenschaften ist und auch nicht sein muss, wirklich nicht wissenschaftlich denken können.
Sprich: Wenn Gott sich nie „melden“ würde, was meinst Du, wie lange seine Überlebenszeit wäre?


Ich sage ja die ganze Zeit, dass "Gott" keine aus Beobachtung abgeleitete Theorie ist. Sie ist offensichtlich nicht durch Schlussfolgerung entstanden.

Vollbreit hat geschrieben:Es gibt hochintelligente, philosophisch, psychologisch und wissenschaftlich gebildete Gläubige.

Leider wenden sie ihre Intelligenz nicht auf ihren Glauben an. Es gibt jedenfalls keine intelligente Rechtferigung für den Glauben an Gott.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 30. Jun 2012, 11:07

@ laie:

Worüber viele bei Eckhart rätseln, ist, dass er seine Predigten ja vor einfachen Menschen in der damals unüblichen deutschen Sprache vorgetragen hat.
Er wollte wohl verstanden werden, gleichzeitig ist das was er sagt, aber auch in deutscher Sprache mitunter so unfassbar, dass man sich wundert, was seine Intention gewesen ist.
Vielleicht können wir ja mal einen Thread zu Eckhart aufmachen, wenn es sich ergibt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 30. Jun 2012, 11:32

ujmp hat geschrieben:Was Duhem/Quine denken und was du denkst sind ja auch verschiedene Dinge. Du rechtfertigst die ganze Zeit deinen Glauben mit dem argumentum ad ignorantiam: "Wir können nicht wissen, ob es wirklich falsch ist, deshalb glauben wir daran".


Man lernt doch nie aus, über sich.

ujmp hat geschrieben:Wer nun behauptet, das sei naiv, der behauptet damit gleichzeitig, es sei naiv, eine Mondlandung mit den Gesetzen der Newtonschen Mechanik auszurechnen und die Geschichte von Jesus der übers Wasser geht als Märchen anzusehen.


Wer hat es denn behauptet?

ujmp hat geschrieben:Die Evolutionstheorie ist sehr wohl falsifizierbar. Finde eine Art, deren Erbinformation nicht durch die Aminosäuren A-C-G-T weitergegeben werden und deren Nachkommens-Genome identisch mit den Genomen ihrer Elterngeneration ist.


Du scheinst das Grundproblem offensichtlich wirklich nicht zu verstehen.

ujmp hat geschrieben:Ich bin kein Fachmann, aber in allen meinen Büchern über Wissenschaft spielt Popper eine Rolle.


Mal ernsthaft: Was soll ich zu dieser Aussage nun schreiben?

ujmp hat geschrieben:Ich sage ja die ganze Zeit, dass "Gott" keine aus Beobachtung abgeleitete Theorie ist. Sie ist offensichtlich nicht durch Schlussfolgerung entstanden.


Daraus meine ich zu hören, dass es aus Beobachtungen abgeleitete Theorien gibt.
Die Idee, dass am Anfang die Beobachtung stand, der man dann einen theoretischen Überbau verpasst, ist ein Irrtum, den der Empirismus nie überwinden konnte. Sellars (Der Mythos des Gegebenen), Quine und auch Wittgenstein, sowie Brandom können Dir hier weiter helfen.
Der zitierte Text von Brandom ist zugegeben schwer, aber gehaltvoll:
viewtopic.php?f=49&t=3956&p=86922&hilit=brandom#p86922

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt hochintelligente, philosophisch, psychologisch und wissenschaftlich gebildete Gläubige.

Leider wenden sie ihre Intelligenz nicht auf ihren Glauben an. Es gibt jedenfalls keine intelligente Rechtferigung für den Glauben an Gott.


Wenn man einen derart eindimensionalen Gottesbegriff wie Du, als den Gottesbegriff schlechthin unterstellt und auch nach mehreren Versuchen nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter von diesem Begriff abzuweichen, dann drängt sich bei mir allmählich der Verdacht auf, dass man nicht an einer Diskussion interessiert ist, das ist dann der Moment, wo ich gewöhnlich aus einer Diskussion aussteige. Ganz formal hängst Du da in einer petitio principii fest und beharrst darauf Deinen Fehlschluss zu verteidigen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 30. Jun 2012, 11:57

laie hat geschrieben:Verstanden. Je mehr ich "die Realität" akzeptiere, desto weniger brauche ich einen Gottesbegriff. Die "Realität" lehrt uns hier das genaue Gegenteil. Die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Transzendenten hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Darüberhinaus besagt dieses Verhältnis ja auch: je weniger ich die Realität akzeptiere, desto mehr brauche ich einen Gottesbegriff. Bitte um Belehrung: warum soll denn der Gläubige die innerweltliche Kausalität dieser Welt nicht akzeptieren können?

Deine Sprache ist etwas nebulös. Lege mir doch mal bitte an einem Beispiel "die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Transzendenten" dar!

Wenn du die Realität nicht akzeptieren kannst - was ja evtl. verständlich und löblich ist - solltest du versuchen, sie zu verändern. Wenn du nicht akzeptieren willst, dass dein Kind verhungert, kannst du versuchen das Rad zu finden, an dem du drehen musst, damit es überlebt. Als erster Versuch und in Ermangelung anderer Ideen ist ein Gebet ja durchaus eine legitime Idee. Es sieht aber, auch nach millionenfachen Versuchen nicht so aus, als ob das das richtige Rad wäre.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 30. Jun 2012, 12:14

@Vollbreit: nimm dir ruhig Zeit, wenn dir die Puste ausgeht, ein gutes Argument kann warten ;-)

Vollbreit hat geschrieben:
Daraus meine ich zu hören, dass es aus Beobachtungen abgeleitete Theorien gibt.
Die Idee, dass am Anfang die Beobachtung stand, der man dann einen theoretischen Überbau verpasst, ist ein Irrtum, den der Empirismus nie überwinden konnte. Sellars (Der Mythos des Gegebenen), Quine und auch Wittgenstein, sowie Brandom können Dir hier weiter helfen.
Der zitierte Text von Brandom ist zugegeben schwer, aber gehaltvoll:
http://www.forum.brights-deutschland.de ... dom#p86922.

Ich intersessiere mich für deine Meinung, vielleicht kannst du sie mal darstellen.

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt hochintelligente, philosophisch, psychologisch und wissenschaftlich gebildete Gläubige.

Leider wenden sie ihre Intelligenz nicht auf ihren Glauben an. Es gibt jedenfalls keine intelligente Rechtferigung für den Glauben an Gott.


Wenn man einen derart eindimensionalen Gottesbegriff wie Du, als den Gottesbegriff schlechthin unterstellt und auch nach mehreren Versuchen nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter von diesem Begriff abzuweichen, dann drängt sich bei mir allmählich der Verdacht auf, dass man nicht an einer Diskussion interessiert ist, das ist dann der Moment, wo ich gewöhnlich aus einer Diskussion aussteige. Ganz formal hängst Du da in einer petitio principii fest und beharrst darauf Deinen Fehlschluss zu verteidigen.

Du redest immer nur von Gottesbegriffen, von denen du dich distanzierst oder die Klügere als du evtl. haben. Erklär mir doch mal deinen Gottesbegriff!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 30. Jun 2012, 21:51

@ujmp:

Ich bin auch der Meinung, dass es keine rein aus Beobachtungen abgeleiteten Theorien gibt.
Das ist ein relativ einfaches Spiel. Schon so etwas wie das Vergleichen, meinetwegen der Länge zweier Stöcke, ist ein Akt, der nicht empirisch ist, denn wenn auch die Stöcke „vorgefunden“ werden, eine Relation ist nichts Empirisches, im Sinne eines da draußen Vorgefundenen. Kausalität ist nichts Empirisches und so geht es fröhlich weiter.

Beim Gottesbegriff verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum ausgerechnet mein Gottesbegriff von hervorragendem Interesse sein soll, da ich zu der Zeit, über die wir reden, nicht gelebt habe.
Ich kann Deine Neugierde aber auch schlecht befriedigen, da ich nie den Drang verspürt habe, intensiv darüber nachzudenken, was mein Gottesbegriff ist.

Alles in allem glaube ich nicht an Gott. An einen Schöpfergott glaube ich in keiner Weise, evtl. kann ich mir ein insgesamt intelligentes Universum vorstellen, wie das genau funktionieren soll, keine Ahnung, die Frage war für mich nie sonderlich relevant. Hilft das jetzt weiter?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » So 1. Jul 2012, 08:59

Vollbreit hat geschrieben:evtl. kann ich mir ein insgesamt intelligentes Universum vorstellen,
Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich stelle mir das Universum als einen auseinandertrifftenden Steinhaufen vor, von Intelligenz keine Spur.
Meine Vorstellung ist die Vorstellung einer intelligenten Biomasse, die den Planeten Erde besiedelt hat. Die Biomasse kann ganz unterschiedliche Arten von Leben hervorbringen; auf die Spitze getrieben das Leben von sich selbst bewussten Tieren, die selbstgestalterisch mitwirken.
Alles Leben ist eins - das in Kurzfassung.

:lens: stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 1. Jul 2012, 09:33

@vollbreit

Ich dachte, du verteidigst deinen Glauben, bzw. seine Rationalität - das war dann eine Fehleinschätzung. Aber vielleicht möchtest du mal den Gottesbegriff darstellen, den du verteidigst.

Theorie und Beobachtung: die bekannte Terminologie ist: Beobachtungen sind theoriegeladen. Wenn aber aus einer solchen Beobachtung eine neue Theorie entsteht, darf man m.E. ruhig sagen, dass diese Theorie aus Beobachtungen abgeleitet wurde. Die Feststellung ob ein Gegenstand rot oder grün ist darf man doch als empirisch ansehen. Obwohl wir wissen, dass Farben nur indirekt eine Eigenschaft des Gegenstandes widerspiegeln (er emittiert keine Farben, sondern elektromagnetische Wellen) gehen wir doch davon aus, dass die Farben - wie die Mathematiker sagen würden - eine Funktion seiner realen Eigenschaften sind. Ich behaupte mal, dass ein wahrgenommner Längenunterschied ebenfalls eine reale Ursache hat. Und ich meine, man muss an der Stelle, wo man aufhört, eine Wahrnehmung als Funktion der Außenwelt zu betrachten, einen triftigen Grund dafür angeben. Und ich behaupte, dass die Gottesvorstellung keine Funktion von irgendwelchen äußeren Eigenschaften ist -welche denn? Sie kommt nicht in den Menschen hinein, sondern aus ihm heraus.

Duhem/Quine vs Popper:

Ich denke, man darf anerkennen, dass Popper das Induktionsproblem "gelöst" hat, indem er deutlich gemacht hat, dass eine Theorie zwar logisch nicht durch eine Beobachtungsaussage bestätigt werden kann aber dafür logisch widerlegt werden kann. Man kann aus der Beobachtung, dass ein Ei nach fünf Minuten weich gekocht ist, nicht schließen, dass dies immer so ist. Man kann aber aus der Bebachtung, dass ein Ei einmal nach fünf Minuten nicht weich gekocht ist, logisch zwingend schließen, dass ein Ei nicht immer nach fünf Minuten weich gekocht ist. Aus dieser Logik heraus besteht daher nach Popper der Test einer Hypothese in dem Versuch, sie zu widerlegen. In der Forschungspraxis bedeutet das dann, dass man nicht nur die Variable, die man testen will kontrolliert variiert, sondern auch die Randbedingungen des Tests. Ich könnte z.B. testen, ob sich die Kochzeit verändert, wenn ich das Ei in einer anderen Flüsssigkeit koche - oder in einem Topf mit einer anderen Farbe. Welchen Test ich mache, hängt dabei von meiner Intuition und meinen Interessen - sprich: welches Problem ich lösen möchte - ab. Auf die Aussage, dass ein Ei immer nach fünf Minuten weichgekocht ist, lege ich überhaupt keinen Wert, denn ich will ja bloß, dass mein Frühstücksei schmeckt - und Krankheiten heilen, Energieprobleme lösen, zum Mond fliegen. (Im Grunde genommen ist außerdem ein Verifikationstest zugleich eine Falsifikationstest, denn bei beiden Tests geht es um die Frage, ob die Theorie stimmt)

Die Duhem/Quine-Hypothese verschiebt dieses Problem nur auf eine andere Ebene, in dem sie schlicht feststellt, dass manche Probleme zu komplex für uns sind. Die Logik der Forschung bleibt offensichtlich dieselbe.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jul 2012, 13:45

ujmp hat geschrieben:Ich dachte, du verteidigst deinen Glauben, bzw. seine Rationalität - das war dann eine Fehleinschätzung. Aber vielleicht möchtest du mal den Gottesbegriff darstellen, den du verteidigst.


Es geht ja hier noch gar nicht darum einen Gottesbegriff zu verteidigen, sondern wir waren ja eigentlich dabei zu untersuchen (dachte ich jedenfalls) wie man in den Gottesbegriff hineinkommt.
Was bringt Menschen auf einmal dazu einen Gott anzunehmen, ihn zu verehren, Religion zu betreiben, etwas, was Tiere nicht tun.

M.E. ist der Gottesbegriff ohne Rationalität nicht denkbar, da Gott zu formulieren, ja bedeutet, eben weil man ihn nicht sieht, auf ein Dahinter (wie auch immer das aussieht) zu verweisen.
Der Gottesbegriff ist dabei nicht monolithisch, d.h. er hat sich im Laufe der Zeit verändert und das finde ich auch eine interessante Beobachtung.

ujmp hat geschrieben:Theorie und Beobachtung: die bekannte Terminologie ist: Beobachtungen sind theoriegeladen. Wenn aber aus einer solchen Beobachtung eine neue Theorie entsteht, darf man m.E. ruhig sagen, dass diese Theorie aus Beobachtungen abgeleitet wurde. Die Feststellung ob ein Gegenstand rot oder grün ist darf man doch als empirisch ansehen.


Du übergehst hier zu viel für eine ernsthafte Diskussion.
Klar, man kann Fünfe gerade sein lassen und es ist auch kein Problem zu verstehen, was Du meinst.
Man kann aufgrund empirischer Daten Theorien falsifizieren und dann die Theorien ändern, kein Problem. Aber Du bist weiter gegangen, hast das zum naiven Realismus ausgedehnt und das passt einfach nicht. Anschauungen sind bereits mit Begriffen verschränkt, untrennbar. Für manches haben wir keine Begriffe, das nehmen wir buchstäblich nicht wahr. Und weder die Wissenschaft, noch der einzelne Mensch ändert seine Überzeugungen (Theorien) in der Weise, wie Du es darstellst.
Idealerweise könnte das so sein (ich weiß noch nicht mal, ob es ideal ist, also, so sein sollte), praktisch passiert es einfach nicht. Irgendwann einmal, nach Widerständen, einem sich drehen und wenden, meistens nicht, bei einigen dann später schon.

ujmp hat geschrieben:Obwohl wir wissen, dass Farben nur indirekt eine Eigenschaft des Gegenstandes widerspiegeln (er emittiert keine Farben, sondern elektromagnetische Wellen) gehen wir doch davon aus, dass die Farben - wie die Mathematiker sagen würden - eine Funktion seiner realen Eigenschaften sind.


Was die realen Eigenschaften eines Gegenstandes sind, weiß ich nicht.
Ich weiß, wie ich etwas wahrnehme, wie man es nennt, ob die meisten anderen es auch so wahrnehmen, aber ob das reale Eigenschaften sind… keine Ahnung.

ujmp hat geschrieben:Ich behaupte mal, dass ein wahrgenommner Längenunterschied ebenfalls eine reale Ursache hat.


Es gibt erstaunliche sozialpsychologische Experimente zur Längenwahrnehmung. Kurz gesagt: Man setzt eine Versuchsperson (Vp) in einen Raum mit anderen Leuten. Die Vp weiß nicht, dass es um ihr Verhalten geht, sondern denkt, sie sei zu einem einfache Test anwesend. Der Test ist dann wirklich einfach, scheinbar. Auf eine Leinwand werden zwei Linien projiziert, von je unterschiedlicher Länge. So deutlich unterschiedlich, dass eigentlich kein Zweifel besteht, welche Linie länger ist, aber auch nicht 1 Meter zu 1 Zentimeter. Ich glaube man musste laut sagen, oder einige sagten laut, welche Linien kürzer und welche länger waren. Die anderen waren eingeweiht. Zunächst sagten sie, die längeren seien länger, alles erwartungsgemäß. Irgendwann behaupteten alle dass die etwas kürzeren Linien länger seien. Was geschah? Die Wahrnehmung der Vp, die sich erst wunderte stellte sich allmählich um, sie hatte tatsächlich am Ende das Gefühl die kürzeren Linien seien länger, nicht nur, dass sie sich den anderen angepasst hätte oder eine Diskussion mit einem Haufen Irrer nicht lohnt, oder so.
Was wir bereit sind aus dem Bewusstsein auszublenden, zeigt ja auch dieses Experiment wo Studenten die Aufgabe gegeben wird, bei einem Team von 6 oder 8 Leuten die Ballkontakt einer Videoaufzeichnung zu zählen.
Mitten durchs Bild geht ein Mensch mit einer Gorillamaske, stellt sich noch kurz frontal hin und verschwindet dann an der anderen Seite, nur die Hälfte der Teilnehmer hat ihn überhaupt wahrgenommen.

ujmp hat geschrieben:Und ich meine, man muss an der Stelle, wo man aufhört, eine Wahrnehmung als Funktion der Außenwelt zu betrachten, einen triftigen Grund dafür angeben.


Das waren ein paar Gründe, es gibt mehr.

ujmp hat geschrieben:Und ich behaupte, dass die Gottesvorstellung keine Funktion von irgendwelchen äußeren Eigenschaften ist -welche denn? Sie kommt nicht in den Menschen hinein, sondern aus ihm heraus.


Gibt es jemanden, der das bezweifelt?


ujmp hat geschrieben:Duhem/Quine vs Popper:



Den Ausfürhunegn kann ich im Wesentlichen zustimmen.

ujmp hat geschrieben:Die Duhem/Quine-Hypothese verschiebt dieses Problem nur auf eine andere Ebene, in dem sie schlicht feststellt, dass manche Probleme zu komplex für uns sind. Die Logik der Forschung bleibt offensichtlich dieselbe.


Nein, das sagt die Duhem-Quine-These eigentlich nicht.
In ihr geht es darum, dass eine Theorie eben nicht erledigt ist, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt, d.h. wenn ein einzelner Satz der Theorie widerlegt ist, sondern in ihr wird gesagt, dass es auch dann noch richtig sein kann, dass einige Schwäne weiß sind, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt.

Eine Theorie besteht in aller Regel nicht aus einem Satz, sondern aus einem Geflecht von Sätzen, Umständen, Bedingungen, die man allesamt betrachten muss. Die Theorie kann auch stimmen, wenn einzelne Sätze falsch sind. Aspirin kann den meisten gegen Kopfschmerzen helfen, auch wenn es nicht immer gegen Kopfschmerzen hilft.

Im Grunde brauchen wir uns hierum aber nicht zu streiten, denn die Wissenschaft prüft schon – wenn auch nicht auf geradem Weg – ihre Hypothesen. Bei all den Abstrichen die ich machen würde, würde ich das durchaus anerkennen. Man darf zumindest hoffen, dass der Selbstreinigungseffekt der Wissenschaften halbwegs funktioniert.

Und Deine Kritik war, dass es diesen Selbstreinigungseffekt bei den Religionen gar nicht gibt, hier wird geglaubt und eben gerade nicht geprüft. Ich glaube, dass ist nicht der wesentliche Unterschied.

M.M.n. liegt der in zwei Punkten.
Erstens hat die Wissenschaft eine gut etablierte Methodik, die weltweiten Standards unterworfen ist. Was auch immer daraus gemacht wird, das muss man glaube ich anerkennen und das hat die Religion nicht. Du wirst nicht selbst auf dem Mond gewesen sein, Du hast vermutlich nie Experimente mitverfolgt, bei denen ein Quark erzeugt wurde, dennoch glaubst Du, dass jemand den Mond betreten hat und dass es Quarks gibt. Und darum ist ein radikaler Skeptizismus auch was fürn Arsch, der sagt: „Soll mir doch mal jemand beweisen, dass die Mondlandung keine Hollywoodshow war.“
Ein religiöser Mensch kann auch sagen, dass sein Nachbar, der gebetet hat vom Krebs geheilt wurde.
Wenn das jedesmal oder auch nur überwiegend helfen muss, ist die ganze medizinische Krebstherapie für die Katz, die hilft, bis auch Ausnahmen eher selten. Und es hat eben Mystiker gegeben und dies und das und jenes und vermutlich hat man nach einem Gebet auch seine Prüfung bestanden, also der Glaube dürfte im Leben von Gläubigen schon oft ausreichend verifiziert sein.
Nur fehlen eben – erster Punkt – die Standards.

Dass sie, zweitens, nicht mit aller Macht versuchen ihren Glauben zu falsifizieren, macht das Vorgehen unwissenschaftlich, aber warum sollten gläubige Menschen das tun? Weil es ein paar Brights ärgert? Macht es schlechtes Wetter, Mundgeruch, verstimmt es die Wirtschaft? Religion ist ein Weltbild, das gibt man nicht so ohne weiteres auf. Analog kannst Du erkennen, dass einige Brights nicht einmal verstehen, warum man nicht alles über den Leisten der Naturwissenschaften ziehen kann. Nicht, dass sie es nicht tun wollen, sie verstehen gar nicht, warum man es nicht tun kann. Wenn es um Erkenntnis geht, dann ist das erste und einzige Mittel die Naturwissenschaft, der Rest ist vielleicht irgendwas Nettes zur Erbauung, aber bitte nichts was man ernst nehmen kann.
Die glauben das, wirklich. So tief können sich Weltbilder einnisten, dass man noch nicht einmal versteht, was daran falsch oder unzureichend sein könnte. Und das wissenschaftliche Weltbild ist ebenfalls ein Weltbild. Vielleicht mehr eine Methode oder irgendwas dazwischen, aber dass Wissenschaft tatsächlich ideologiefrei wäre, ist zumindest eine eigene Diskussion wert.
Und Religion ist deutlich mehr, als die Methode zu optimieren, Eier auf den Punkt zu kochen oder Kopfschmerzen weg zu bekommen. Das mag man bewerten, wie man will, aber ich denke, auch der Religionskritiker wird das anerkennen.

Nun würdest Du sagen, es spricht nichts, aber auch gar nicht für Religion.
Alle Tatsachenbehauptungen der Bibel: Schöpfung, Auferstehung, Himmelfahrt, Jungfrauengeburt, alles Kappes, soweit wir das heute realistisch einschätzen können.
Nun würde ich Dir in diesem Punkt zustimmen, aber dennoch behaupten, dass damit nicht der Rest entwertet wird. Die Frage bei einer Religion ist doch nicht nur, ob die Tatsachen stimmen, sondern, was Religion nebenher noch für Funktionen hat. Gesellschaftlich, psychisch und so weiter.
Ich würde auch behaupten, dass man die Tatsachenbehauptungen gar nicht als Tatsachenbehauptungen verstehen muss. Buddha wurde auch von einer Jungfrau geboren, das ist ein bestimmtes Motiv, wie das, dass viele Gottesmütter sehr ähnliche Namen haben und so weiter.
Es gibt ganz gute Argumente dafür, dass zu einer Zeit in der der Mythos das beherrschende Weltbild war, es gar kaum anders möglich war, als in mythischen Bildern zu schreiben.

Aber das Hauptmotiv scheint mir ein psychologisches zu sein. Nicht psychopathologisch, im Sinne von naiv, feige, zweistelliger IQ, neurotisch oder sonst etwas, sondern man wird sich schon was dabei denken und etwas dabei empfinden, wenn man glaubt. Du könntest gläubige Menschen einfach mal taktvoll fragen, ich vermute sie würden Dir antworten.
Ich habe mich letztens mit dieser koreanischen Frau unterhalten, ich fand das sehr beeindruckend.
Dass zu glauben immer sofort psychopathologisch ist, ist schlicht falsch. Der Glaube ist ein lebensbereicherndes Element, mit nachgewiesen positiven sozialen Funktionen. Gewiss nicht ohne Probleme, aber die sind hier ohnehin überbekannt.
Aber prüfen die Brights eigentlich kritisch alle ihre Theorien? Setzen sie alles daran, um sie zu widerlegen? Inverstieren sie all ihre Mühen in Falsifikation? Da gäbe es doch genug vor der eigenen Tür zu kehren, wenn man schon das hohe Lied einer idealen Wissenschaft anstimmt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 1. Jul 2012, 14:58

Vollbreit hat geschrieben:Die Wahrnehmung der Vp, die sich erst wunderte stellte sich allmählich um, sie hatte tatsächlich am Ende das Gefühl die kürzeren Linien seien länger, nicht nur, dass sie sich den anderen angepasst hätte oder eine Diskussion mit einem Haufen Irrer nicht lohnt, oder so.

Das ist ein Beispiel dafür, dass unsrere Wahrnehmung irritierbar ist, hier durch soziale Instinkte - ein prima Beispiel, um Religion zu charakterisieren! ;-) Das Beispiel ist der Art "Fatamorgana" und stellt unsere Wahrnehmung m.E. nicht grundsätzlich in Frage. Es agt nur, dass wir uns irren können. Unter nicht manipulativen Umständen schätzen Menschen Längenverhältnisse ziemlich korrekt ein, das ist auch bekannt.

Es ist auch bekannt, dass menschliche Kinder sehr viel später eigenständige Urteilskraft entwickeln als gleichaltrige Schimpansen. Der Mensch ist halt ein Nachahm-Tier (und ein Herdentier vermutlich auch) (Das ist als Beispiel für die Macht sozialer Instinkte gedacht):

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jul 2012, 15:09

ujmp hat geschrieben:Das ist ein Beispiel dafür, dass unsrere Wahrnehmung Unter nicht manipulativen Umständen schätzen Menschen Längenverhältnisse ziemlich korrekt ein, das ist auch bekannt.


Es gibt keine nicht manipulativen Umstände. Es gibt keine Welt an sich, wie sie wirklich ist, die wir wahrnehmen könnten.
Weltwahrnehmung ist immer schon Interpretation. Vermutlich gehört, weil das ein unkomfortables Gefühl ist, es immer auch dazu zu meinen, man selbst - oder die eigene Gruppe - sei die einzige Ausnahme. Aber Du kannst nicht nicht geprägt sein, ich würde das gar nicht manipuliert nennen.

Was gelingen kann, ist die eigenen Konditionierungen nach und nach ein Stück weit zu durchschauen, ein Projekt mit stets überschaubarem Erfolg.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 1. Jul 2012, 15:41

Nicht so schnell! Es ist m.E. unangemessen in dieser Weise an den Sinnen zu zweifeln. Die Striche wurden ja auch von allen Teilnehmern richtig eingeschätzt - ein paar von ihnen haben aber gelogen! Den selben Effekt bekommst du, wenn du dich besäufst. Unsere Sinnesorgane sind hauptsächlich durch eine Realität geprägt in einem sehr langen Prozess seit unsere Vorfahren noch Fische waren. Unser Organismus ist schon eine Funktion der Außenwelt, wenn auch keine "eineindeutige".
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 1. Jul 2012, 18:32

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Duhem/Quine-Hypothese verschiebt dieses Problem nur auf eine andere Ebene, in dem sie schlicht feststellt, dass manche Probleme zu komplex für uns sind. Die Logik der Forschung bleibt offensichtlich dieselbe.


Nein, das sagt die Duhem-Quine-These eigentlich nicht.
In ihr geht es darum, dass eine Theorie eben nicht erledigt ist, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt, d.h. wenn ein einzelner Satz der Theorie widerlegt ist, sondern in ihr wird gesagt, dass es auch dann noch richtig sein kann, dass einige Schwäne weiß sind, wenn der erste schwarze Schwan vorbeikommt.

Eine Theorie besteht in aller Regel nicht aus einem Satz, sondern aus einem Geflecht von Sätzen, Umständen, Bedingungen, die man allesamt betrachten muss. Die Theorie kann auch stimmen, wenn einzelne Sätze falsch sind.

Ich glaube dass du das missverstehst. Wenn die Theorie lautet, dass alle Schwäne weiß seien ist diese Theorie in ihrem unmittelbarem Verständnis widerlegt, sobald ein Schwarzer Schwan beobachtet wird. Man kann die Falsifikation leugnen, indem man a) bestreitet, dass die Beobachtung richtig ist oder b) dass ein Schwan per Definition weiß ist und ein schwarzer Vogel kein Schwan sein könne. Dies sind aber Probleme, die die Logik der Erkenntnis nicht betreffen.

Es macht auch logisch keinen Unterschied, ob eine Theorie aus einem oder vielen Sätzen besteht. Wenn sie zu falschen Vorhersagen führt, ist sie falsch und wird verworfen oder modifiziert. Dann heißt es eben "90% aller Schwäne sind weiß".

Und es geht letztlich nicht um "Aussagen", sondern um gelöste Probleme. Ein Krebskranker kann dir genau sagen, was sein Problem ist und was er als Lösung akzeptieren würde. Wenn er durch Handauflegen geheilt werden kann, so wie man überzeugt werden kann dass gleichlange Striche ungleich sind, dann prima. Das klappt aber nicht und die Hanfaufleger müssen vermutlich nicht nur einen Satz ihrer Theorie überdenken.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 1. Jul 2012, 18:54

Vollbreit hat geschrieben: Du könntest gläubige Menschen einfach mal taktvoll fragen, ich vermute sie würden Dir antworten.
Ich habe mich letztens mit dieser koreanischen Frau unterhalten, ich fand das sehr beeindruckend.
Dass zu glauben immer sofort psychopathologisch ist, ist schlicht falsch. Der Glaube ist ein lebensbereicherndes Element, mit nachgewiesen positiven sozialen Funktionen. Gewiss nicht ohne Probleme, aber die sind hier ohnehin überbekannt.
Aber prüfen die Brights eigentlich kritisch alle ihre Theorien? Setzen sie alles daran, um sie zu widerlegen? Inverstieren sie all ihre Mühen in Falsifikation? Da gäbe es doch genug vor der eigenen Tür zu kehren, wenn man schon das hohe Lied einer idealen Wissenschaft anstimmt.

Du wirst lachen, ich bin selbst 10 Jahre meines Lebens tief religiös gewesen und kenne ganz viele Menschen wie diese koreanische Frau aus nächster Nähe und weiß, was sie erzählen würde. Deshalb bin ich der Letzte, der Christen als Idioten hinstellen wird. Ich prüfe meine Meinungen z.B. indem ich mit dir diskutiere! Bis jetzt hast du mich aber noch nicht ins Schwitzen gebracht! ;-)
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