Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 5. Jul 2012, 15:04

laie hat geschrieben:"Sind wir uns denn einig darüber, dass dieses "größer" etwas Diesseitiges sein kann?" Nein, es ist nichts diesseitiges, ich glaube nicht. Eher wie ein Bild, welches zwar aus diesseitigen Materialien besteht wie Holz und Leinwand und Farbe und Pinselstruktur, gleichzeitig aber als Bild von etwas Abgebildetem nicht diesseitig oder besser materiell ist.

Auch wenn du dich bemühst, meinen Kommentar zu ignorieren, werde ich mal mitmischen. Ich habe schon verstanden, dass du nicht ohne dieses Konstrukt denken kannst, trotzdem versuche ich dir mal die Nutzlosigkeit dieser "Jenseits"-Vorstellungen aufzuzeigen. Erstens dein Beispiel: Ein Bild ist oft ein Abbild von etwas durchaus Reellem, ein Foto ist nicht das Abbild irgendeiner metaphysischen Welt, sondern das Ergebnis von Photonen und lichtempfindlichen Materialien. Ein Ölgemälde kann genauso eine Auftragung des Gedächtnisses des Malers sein, seiner Vorstellung, die auch nicht aus einer blauen Wolke rauskommt, sondern aus seinem Gehirn, das über Hormone und elektrische Signale funktioniert. Auch bei einem USB-Stick hast du eine Information abstrahiert, sei es ein Text oder ein Bild, die Abstraktion ist gewiss keine metaphysische.
laie hat geschrieben:"Können diese Fragen von einer naturalistischen Philosophie beantwortet werden?" Hmm. Ich meine, daß der Seinsbegriff umfassender ist als physische Realität ...

Empfundene eigene Existenz, fertig.
Nichts Metaphysisches.
laie hat geschrieben:persönliche Beziehung zu Gott. Ja. Gott fällt mit dem Seinsbegriff zusammen. Das Sein als umfassende metaphysische Kategorie schließt das Nichtsein aus.

Nö, die persönliche Beziehung will ich sehen. Ist das eine WG? Das Sein ist keine metaphyische Kategorie, die Begründung für deine Kategorisierung bist du noch schuldig.
laie hat geschrieben:Deshalb ist es ungeteilt. Geteilt und viele sind die einzelnen Seienden und Existenzen. Jedes Seiende, so sagt die Scholastik, hat das Sein nicht, das jedes andere Seiende hat.

Welche "Seiende" meinst du da überhaupt? Was sagst du und nicht die Scholastik dazu? Autoritätsargumente (mögen sie sich auch auf eine abstrakte Methodik beziehen) sind nicht überzeugend. Wenn du diese Position nicht überzeugend wirdegeben kannst, hast du sie entweder nicht verstanden, oder die Scholastik hat einen Fehler.
laie hat geschrieben:Hier kommt die Vorstellung vom Menschen als "freiem" ins Spiel: Weil jedes Seiende einzigartig ist, kann es vom Menschen nur unter bestimmten einschränkenden Rücksichten (technische Verwertbarkeit, Nutzen für die Gesundheit, gut für mich) angestrebt werden.

Aha, hier wird Hokus Pokus mit Fidibus gemischt. Erstmal musst du auf das Seiende eingehen, dann kannst du mir erklären, warum zur Hölle der Mensch das zum einen anstrebt und dann auch doch unter "Rücksichten" kann.
laie hat geschrieben:Diese Rücksicht aber stellt die Seienden in eine feste Wertordnung. Wertordnungen verhindern aber Freiheit: denn entweder wählt man, dann muss man sich aus Vernunftsgründen für das "bessere" oder "höhere" entscheiden, ist also nicht frei.

Definiere "das Bessere/Höhere". Was zur Hölle hast du in deinem Kopf?
laie hat geschrieben: Oder man wählt unvernünftig, also blind, dann wählt man auch nicht frei, denn blindes Herausgreifen ist kein Wählen.

Doch natürlich, wenn die entsprechenden Bewegungen ausgeführt wurden, kann das nur über das zentrale Nervensystem geschehen, dass alle Macht hat, die Impulse der einzelnen Hirnteile zu übertrumpfen (also anders: Der Neokortex ist gegenüber fast allem Trupf, das bedeutet, jede Entscheidung ist bewusst genug, weil sie den Neokortex passieren muss und hier noch am ehesten ein "Bewusstsein" gesucht werden darf). Das ist dieses ziemlich deutsche Argument der Unzurechnungsfähigkeit, sei es beim Alkohol am Steuer, sei es bei der Verfolgung verschiedener ethnischer Gruppen verwendet.
laie hat geschrieben:Nur, wenn das Sein ("Gott") selbst angezielt wird, können wir echte Freiheit realisieren. Denn das Sein hat keine Teile, die wir uns erst in eine Wertordnung bringen müssten.

"Atomos", du suchst das Unteilbare, existiert nicht. Man kann jeden Metazoa zerlegen, sein "Sein" zerlegen: Zum einen die einzelnen Organe, dann die einzelnen Zellen (die auch in sich "sind", leben) und schließlich die Molekule, dann die ehemals "Unteilbaren", die Atome usw.. Klar, irgendwann ist da nichts mehr lebendig, aber das Atom existiert zumindest genauso wie du, eine Wahrnehmung ist nach unserem Verständnis wohl nicht mehr vorhanden. Aber was ist denn Wahrnehmung? Sie zeigt sich doch am ehesten durch eine Interaktion mit der Umgebung, die als "intelligent" bezeichnet werden kann. Diese "Intelligenz" lässt sich aber weit fassen, ein Atom könnte ich auch als "intelligent" bezeichnen, weil es "weiss", wieviele Elektronen es braucht. Das kann auf höhere Gebilde beliebig extrapoliert werden, ein Einzeller weist auch eine gewisse Intelligenz auf, ein Mensch auch (durch seine Interaktion mit der Umgebung) und schließlich auch ein Staat.
laie hat geschrieben:In der islamischen Mystik heisst ein ähnlicher Gedanke: freedom is the absence of choice. Das Englische gefällt mir hier besser, weil griffiger.

Das ist ein Freiheitsbegriff, der dem entgegensteht, was ich an anderer Stelle zum Freiheitsbegriff schrieb, nämlich daß Freiheit ganz wesentlich daran gebunden ist, daß man überlegt und abwägt

Was denn nun, hälst du an deinem Gedanken oder diesen von dir Zittierten fest? Gewiss kann man sagen, man ist frei von Wahl, aber ich könnte auch sagen, man ist unfrei, weil man nicht wählen kann, und umgekehrt. Alles ignoriert den Determinismus, die Kausalität.
Nanna hat geschrieben:Ja natürlich. Wie ich schonmal gesagt habe ist auch dieses Forum hier voll von Metaphysik.
Schockierend, dieses Geständnis von dir zu hören, dem Administrator.
Nanna hat geschrieben:Wo ist denn der Beitrag, den du da geschrieben hast? In der Datenbank etwa? Ja, die kann dir auch nicht erklären, was ein "Gottesbegriff" ist, obwohl das (oder zumindest Meinungen darüber) in den Beiträgen durchaus enthalten ist. Natürlich geht es nicht ohne die empirisch nachweisbare Datenbank, das ist doch trivial, aber der Beitrag kommt als solcher erst zu Sinn und Geltung, indem er in einem quantitativ nicht mehr vollständig beschreibbaren Prozess interpretiert wird.

Nein, Interpretationen von diesen Informationen, die in irgendeiner Datenbank sind, lassen sich nachvollziehen, verstehen. Der Mechanismus des Denkens fällt in viele wissenschaftliche Gebiete, sie sind den Meinungen in metaphysischen Positionen weit voraus, weil die Interpretationen ihre Gültigkeit schon oft durch Manipulationen zeigen. Wenn ich die Funktion eines Gens beweisen will, kann ich es ausschalten und den Phänotyp betrachten (weswegen viele Gene den Namen der Mutante, in dem sie fehlen, besitzen; z.Bsp.: "Dickkopf", "Yoda", "Cerberus", stell dir vor, was für Monster das sind! Aber trotzdem ist das Usus.) so kann man auch mit beliebigen Experimenten gewiss das Bewusstsein und das Denken manipulieren. Alles ist zerlegbar.
Nanna hat geschrieben:Im Prinzip ist auch das Fließenmuster in der Küche schon Metaphysik, insofern, als dass Muster nichts Materielles sind. Das heißt noch lange nicht, dass da irgendetwas spukhaftes, übernatürliches im Spiel wäre.

Nein, es ist eine Information, diese sind abstrahierte Ursachen für unsere Handlungen, Signale, Reize, die in uns die Reaktion "Muster" als Interpretation hervorrufen. Informationen sind in beliebigen Signalen gespeichert, alles Mögliche kann ein Signal sein. Aber immer wird das Signal eine Handlung hervorrufen, die determiniert ist. Auch in dem Gehirn gilt das "Schlüssel-Schloss"-Prinzip.
Nanna hat geschrieben:Ich könnte mir in meinem beklagenswerten Laienwissen über Physik vorstellen, dass solche Interpretationen oder metaphysischen Merkmale Eigenschaften einer vierdimensionalen Welt sind, da Interpretation immer im zeitlichen Ablauf stattfindet und empirisch festgestellte Fakten, sofern sie sich auf materielle Gegenstände beziehen, immer nur maximal dreidimensionale Objekte erfassen können.

Eine Maschine, die nunmal jedes Lebewesen ist, braucht zur Interaktion mit der Umwelt die Fähigkeit zu interpretieren. Das bedeutet, ein Signal wird eine beschränkte Bandbreite an Reaktionen auslösen. Betrachte die primitven Staubsaugerroboter: Wenn der gegen die Wand fährt, wird er nicht weiter gegen sie fahren, sondern die Wand umfahren. Durch eine Reaktion auf ein Signal ist eine Interpretation abgelaufen, der Roboter hat interpretiert. Das hat nicht vordergründig etwas mit Physik zu tun. Und die Interpretationen von Gegenständen lässt sich keineswegs auf "maximal dreidimensionale Gegenstände" beziehen, eine Interpretation kann auch einen Menschen, eine Simulation oder sonstwas ebenso 4-dimensionales betreffen, Signale können unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, sie müssen nur eine Reaktion festlegen.
Nanna hat geschrieben:Es geht nicht um ein unbestimmtes "mehr da draußen", sondern darum, dass letztlich alle Denkprozesse metaphysisch sind (mit "metaphysisch" meine ich ausdrücklich nicht "aphysisch" oder "übernatürlich"). Sie brauchen natürlich die materiellen Träger und können auch nur im Rahmen dessen Agieren, was physisch möglich ist, aber sie sind nicht im engen Sinne physisch.

Gewiss sind sie physisch, du verstrickst dich immer wieder in deine eigenen Entkörperungen des Denkens. Das sind alles materielle Mechanismen, die Information ist nur die Bezeichnung für den Mechanismus, den es betrifft und die Reaktion, die ein bestimmtes Signal hervorruft. Alles lässt sich auf körperliche Signale, körperliche Rezeptoren und körperliche Reaktionen zurückbrechen. Was wir als Interpretation bezeichnen, ist nur der durch das Signal determinierte Weg von diesem bis zu unserer Reaktion.
Nanna hat geschrieben:Ich meine damit aber keinen Dualismus, das ganze bildet schon eine systemische Einheit, aber die Konstruktion von Gedankenwelten ist tatsächlich "mehr" bzw. "anders" (und zwar qualitativ, nicht quantitativ) als das uninterpretierte Aufeinanderstoßen zweiter Objekte.

Nein, es ist nichts anderes als das Aufeinanderstoßen zweier Objekte, wenn man es runterbricht. Meist sind es natürlich mehrere Objekte und dann sind diese Signalkaskaden, sowie der Effekt, die Reaktion, spezifisch, aber nicht mehr. Es ist keine übernatürliche, körperlose Interpretation, wenn ein abstraktes Signal auf einen abstrakten Rezeptor stößt und eine abstrakte Reaktion verursacht (sie mögen alle abstrakt sein, sind aber immer an einen Körper gebunden, der Körper kann verschieden gestaltet sein, insofern "abstrakt"). Dieses "mehr"/"anders" drückt nur Unkenntnis aus.
Nanna hat geschrieben:Mit Wunschdenken hat das nichts zu tun, im Gegenteil, ein übertriebener Reduktionismus ist das, was Gefahr läuft, sich die Welt einfacher zu machen, als sie ist.

Ja und wieder kommen wir an den Punkt, in dem zu fragen ist:"Wer ist der größere Ignorant? Der, der nichts erklären kann, oder der nicht sagt, dass das "mehr" ist?" Etwas reduktionistisch aufzudröseln bedeutet nicht, dass man die Welt einfacher macht, sondern dass man seine Wahrnehmung einschränkt, aber gleichzeitig präzisiert (wie eine Lupe).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 5. Jul 2012, 15:55

Hallo Darth Nefarius,

ich habe deinen Beitrag schon gelesen, und nicht ignoriert, auch wenn ich bisher nichts geschrieben habe.

Ja, es ist nicht einfach. Meine Antwort wird vieles schuldig bleiben

Darth Nefarius hat geschrieben:Das Sein ist keine metaphyische Kategorie, die Begründung für deine Kategorisierung bist du noch schuldig.


dazu siehe:

Sein

Interessant finde ich nun den Gedanken, dass wir erst dann etwas negieren können, wenn wir Teile (Seiende) annehmen, die untereinander nicht identisch ist (wo also das eine nicht das andere ist).

zum Thema Freiheit und Wahl

Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, hier wird Hokus Pokus mit Fidibus gemischt. Erstmal musst du auf das Seiende eingehen, dann kannst du mir erklären, warum zur Hölle der Mensch das zum einen anstrebt und dann auch doch unter "Rücksichten" kann.


Ganz einfach ausgedrückt: das Sein als umfassende metaphysische Kategorie zerfällt in verschiedene "Dinge", von denen man einige hier auf der Erde im Leben anstreben kann. Da aber diese "Dinge" alle gleichwertig sind, muss der Mensch sie in eine Wertordnung bringen. Diese Wertordnung, ob nun an subjektiven Maßstäben gemessen oder nicht, bedeutet, daß man nicht frei wählen kann. Warum nicht? Wählt man vernünftig aus, dann muss man dasjenige wählen, welches in der Wertordnung einen höheren Stellenwert genießt als ein anderes. Tut man dies nicht, dann wählt man offenbar nicht vernünftig. Wählt man dagegen unvernünftig, hört zum Beispiel auf ein Zufallsmechanismus, dann wählt man auch nicht frei, denn blindes Herausgreifen ist kein Wählen.

Die Dinge auf der Erde können wir nicht restlos frei anzielen und als Ziele wählen. Das ist denke ich der Grundgedanke. Nur in der Hinwendung auf das Sein (glaub mir, ich kämpfe jeden Tag mit dieser Vorstellung) sind wir frei, wir können uns frei nur dem Sein zuwenden, denn dieses zerfällt nicht in Teile, die wir erst ordnen müssen.

Das habe ich nach-gedacht. Ich bin bestimmten Denktraditionen nachgegangen und habe versucht, nach-zudenken. Deshalb hat Freiheit auch etwas mit Nachdenken zu tun.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 5. Jul 2012, 19:04

laie hat geschrieben:
Sein

Hab ich überflogen, am ehesten halte ich es mit Hume, ansonsten ist der Bezug zur Metaphysik nunmal nicht zwingend.
laie hat geschrieben:Interessant finde ich nun den Gedanken, dass wir erst dann etwas negieren können, wenn wir Teile (Seiende) annehmen, die untereinander nicht identisch ist (wo also das eine nicht das andere ist).

Mag interessant sein, aber inwiefern ist er begründbar? Ich denke, hier will sich jemand folgendermaßen ausdrücken: "Ich kann entscheiden, wenn ich die Wahl habe zwischen mindestens 2 Dingen. Die Entscheidung kann auch eine Negation sein." Richtig? Das ist aber ziemlich zirkelschlüssig gedacht, vergleichbar mit: Ich gehe, wenn ich gehen kann.
laie hat geschrieben:Ganz einfach ausgedrückt: das Sein als umfassende metaphysische Kategorie zerfällt in verschiedene "Dinge", von denen man einige hier auf der Erde im Leben anstreben kann.

Wieso soll das "Sein" bitte zerfallen? Es ist ein beobachteter Zustand der Existenz speztifischer Art und Weise, ja und? Meinst du damit, das "Fußballspieler-sein" ist etwas anderes als das "Türsteher-sein"? Warum so kompliziert?
laie hat geschrieben:Da aber diese "Dinge" alle gleichwertig sind, muss der Mensch sie in eine Wertordnung bringen.

Wer sagt, dass sie gleichwertig sind? Dieses objektive Urteil ist nicht möglich, es gibt von jedem Subjekt eine Präferenz, mit Werten muss das nichts zu tun haben, sondern einfach nur mit Affinitäten.
laie hat geschrieben: Diese Wertordnung, ob nun an subjektiven Maßstäben gemessen oder nicht, bedeutet, daß man nicht frei wählen kann. Warum nicht? Wählt man vernünftig aus, dann muss man dasjenige wählen, welches in der Wertordnung einen höheren Stellenwert genießt als ein anderes.

Nein, diese Ordnung bedeutet dies nicht, sondern der Determinismus bedeutet, dass man unfrei ist. Es ist auch völlig unsinnig zu sagen, man müsse dies und jenes aufstellen, wenn man doch eigentlich nicht frei ist, um zu entscheiden, dies und jenes aufzustellen. Oder meinst du, dass man sich durch diesen willkürlichen Maßstab unfrei macht? Wieso sollte das so sein? Determiniert in deiner Logik nicht schon die angebliche Gleichwertigkeit dieser "Seinszustände", dass man sich entscheidet? Bedeutet das nicht, dass man schon vorher unfrei war? Und was soll "vernünftig wählen" bedeuten, wenn alles gleichwertig ist? Ist Vernunft dann nicht Willkür? Sind Werte dann nicht auch Willkür? Und warum sollte ich eine Werteordung aufastellen, nur um einen Seienszustand als erstrebenswert zu betrachten? Reicht es da nicht einfach aus, einen beliebigen zu wählen?
laie hat geschrieben:Tut man dies nicht, dann wählt man offenbar nicht vernünftig.

Wieder ein Zirkelschluss: Ich stelle also mit Vernunft eine Werteordnung auf und muss dann mit Vernunft den besten Zustand wählen. Hä? Inwiefern sollte "die Vernunft" nur nach dem undefinierten "Stellenwert" gehen? Wodurch soll der sich auszeichnen?
laie hat geschrieben:Wählt man dagegen unvernünftig, hört zum Beispiel auf ein Zufallsmechanismus, dann wählt man auch nicht frei, denn blindes Herausgreifen ist kein Wählen.

Ist diese Werteordnung nicht auch ein Zufallsmechanismus? Er basiert doch auf der Zuteilung von Stellenwerten von wie du schon sagtest "gleichen" Seienszuständen. Ich halte es für hochgradig zirkelschlüssig und unvernünftig, solche Sysiphosarbeiten zu betreiben, die nur beschäftigen, aber keine Logik aufweisen.
laie hat geschrieben:Die Dinge auf der Erde können wir nicht restlos frei anzielen und als Ziele wählen.

Gewiss nicht, weil wir ohnehin nie wählen konnten, auch nicht willkürlich irgendwelche Maßstäbe einzuführen.
laie hat geschrieben:Nur in der Hinwendung auf das Sein (glaub mir, ich kämpfe jeden Tag mit dieser Vorstellung) sind wir frei, wir können uns frei nur dem Sein zuwenden, denn dieses zerfällt nicht in Teile, die wir erst ordnen müssen.

Ich denke, dass du glaubst, du kämpftest mit dieser Vorstellung. Ich glaube nichts. Und inwiefern sind wir dann frei? Determiniert unser Zustand nach deiner Logik uns nicht zu dieser Hinwendung? Wo ist da die Freiheit? Und was ist das Sein denn nun für dich? "Polizist-Sein"/"Bäcker-Sein"? Einfach dahinvegitieren und atmen?
laie hat geschrieben:Das habe ich nach-gedacht. Ich bin bestimmten Denktraditionen nachgegangen und habe versucht, nach-zudenken. Deshalb hat Freiheit auch etwas mit Nachdenken zu tun.

Schön, was du alles verzapfst, aber das Denken ist auch determiniert. Deine Beobachtungen haben dich zu diesen Religionen getrieben, du warst niemals frei, auch nicht unfrei zu werden.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 5. Jul 2012, 19:23

laie hat geschrieben:
Ich stehe auch am Anfang. Was ist, wenn das, was der Maler abbildet (das "Abgebildete") abstrakt ist? Was zeigt dann das Abbildende (das "Bild")? Was ist das Bild dann? Existiert es "irgendwie irgendwo in den zeitlichen Beziehungen zwischen materiellen Objekten"? Die Leinwand, ja die schon. Die verwendeten Materialien, ja. Aber das Bild?

Ein Bild ist als materielles Objekt ein Code, es bedeutet überhaupt nichts, solange er nicht entschlüsselt wird. Das Entschlüsseln ist das Verstehen und es kann auch anders verstanden werden, als es der Urheber verstand - das ist sogar fast garantiert so. Es gibt keinen abstrakten Inhalt, außer den den sich ein Mensch denkt. Das ist nicht unbedingt beliebig, es ist dann eben Kunst, wenn ein Betrachter das denkt, was der Maler will. Ein Code kann dich zwingen, etwas bestimmtes zu denken.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 5. Jul 2012, 20:51

laie hat geschrieben:
lumen hat geschrieben: Der Trick besteht darin, dass die natürliche Kategorie einfach einen übernatürlichen Überbau erhält.


Was ist eine natürliche Kategorie? Sind Einheit, Vielheit, Relation usw. natürliche Kategorien?


Die "Natur" ist hier das, worin du jeden Tag rumläufst. Es ist nicht dasselbe wie Wirklichkeit oder Realität, da diese Begriffe oft das Gegenstück zum Wahrgenommenen anzeigen. Einheiten, Relationen usw. befinden sich hingegen auf der Wahrnehmungsseite. Das übernatürliche ist in religiös-magischen Vorstellungen der Raum hinter der Bühne, wo ein Puppenspieler in die geordnete Handlung auf die Bühne (hier "Natur") eingreifen kann.

Der interessante Teil ist der, der mir darstellen soll, warum sich das Übernatürliche sich genau da versteckt, wo es sich eben immer verbirgt. Früher war es über den Wolken, auf dem höchsten Gipfel und so weiter. Heute ist es, je nachdem wen man fragt, am Ende des Universums, an dessen Anfang oder versteckt sich hinter, vor, unter, über unserer Wahrnehmung, oder in Begriffen und so weiter. Es sei für einen Moment gleichgültig, wo es sich versteckt, sondern warum es sich da befindet. Auch hier hat Dennett eine Beobachtung parat. Er unterscheidet zwischen zwei Arten von Warum-Fragen.

  1. Warum schwimmt Eis auf dem Wasser?
    Warum meint hier: wie kommt es, dass...
  2. Warum hast du den Nagel in die Wand geschlagen?
    Warum meint hier: was ist die Motivation hinter der Handlung...

Nun kann man damit mogeln, indem man die Warum-Frage einfach anders auffasst und somit belädt. Mich interessiert die erste Warum-Sorte. Wie kommt es dass es das Übernatürlich gibt? Wie sehen die Belege konkret aus?

Fast Forward käme man dann zum Kalam Kosmos Argument und anderen Dingen, wie sie von William Lane Craig und anderen vorgebracht werden. Auf den Punkt gebracht und in aller Knappheit: "Wir nehmen bestimmte Gesetze der Natur an, und sehen noch verschiedene Erklärungslücken und logische Probleme. Wahrnehmung und Philosophie, alles kompliziert und wirft Probleme auf. Gleichzeitig haben Seelen, Geister und Götter in der derzeit beschriebenen Natur keinen Platz. Um beides zu lösen schlagen wir die Sphäre des Übernatürlichen* vor. Wir gehen davon aus, wenn wir Löcher in wissenschaftliche Erklärungen hineinschlagen wird es die Leute schon irgendwie dazu bewegen, wieder an Religion zu glauben"

*das Übernatürliche ist eine Verallgemeinerung meinerseits. Ein Christ schlägt Gott vor, ein Muslim schlägt Allah vor, ein Anhänger einer anderen Anschauung evtl. Ahnengeister. Scientologen sehen da Außerirdische, Thetans und so weiter.

Aber wie gesagt: warum?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Fr 6. Jul 2012, 06:05

Danke für den Link zum Video, sehr interessant fand ich auch: Use-mention error


Lumen hat geschrieben:. Auch hier hat Dennett eine Beobachtung parat. Er unterscheidet zwischen zwei Arten von Warum-Fragen.

  1. Warum schwimmt Eis auf dem Wasser?
    Warum meint hier: wie kommt es, dass...
  2. Warum hast du den Nagel in die Wand geschlagen?
    Warum meint hier: was ist die Motivation hinter der Handlung...

Das ist eine sehr alte Beobachtung, die schon Aristoteles beschrieben hat. Schopenhauer behandelt das Thema ausführlich in Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Fr 6. Jul 2012, 10:08

ujmp hat geschrieben:Das ist eine sehr alte Beobachtung, die schon Aristoteles beschrieben hat. Schopenhauer behandelt das Thema ausführlich in Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde.


Danke für den Hinweis. Meinst du damit die Gestalt der Warum Frage selbst oder das Mogeln damit? Ich kann mir schon vorstellen, dass Schopenhauer schonmal die gelbe Karte bei Theologen gezogen hat. Das ist leider so, dass die meisten Debatten, die wir heute noch führen mehr oder weniger Wiederholungen aus der Zeit der Aufklärung sind, was mA daran liegt, dass Theologen und Gläubige sich im Prinzip kaum bewegt haben. Die weitesten von ihnen ziehen sich auf den Glaubensbegriff zurück. Das ist in der Regel auch die letzte uneinnehmbare Festung, die dem Gläubigen immer genug Sicherheit gibt, seine Feldzüge zu starten, auch wenn der letzte (und vorletzte, und vorvorletzte...) gnadenlos in die Hose ging. Auf der Trutzburg des Glaubens ist er ja sicher und kann sich ausruhen und eine neue Strategie aushecken. Das Kalam Argument mit dem William Lane Craig noch immer auftritt geht auch auf Aristoteles zurück. Derweil wird das Higgs-Boson (mutmaßlich) entdeckt und es kommt auch Craig nicht in den Sinn, wo das Problem liegt, dem Übernatürlichen einfach zu unterstellen es sei "personal, uncaused, beginningless, changeless, immaterial, timeless, spaceless, enormously powerful, and enormously intelligent being". Woher sie das wissen wollen, wird neuerdings gerne verdeckt gehalten, weil ein Text wie die Bibel zum Beispiel viel zu angreifbar macht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jul 2012, 12:46

ujmp hat geschrieben:Ein Bild ist als materielles Objekt ein Code, es bedeutet überhaupt nichts, solange er nicht entschlüsselt wird. Das Entschlüsseln ist das Verstehen und es kann auch anders verstanden werden, als es der Urheber verstand - das ist sogar fast garantiert so.

Genau, Signale können unterschiedliche Aktionen auslösen (und damit auch unterschiedliche Interpretationen).
ujmp hat geschrieben:Es gibt keinen abstrakten Inhalt, außer den den sich ein Mensch denkt. Das ist nicht unbedingt beliebig, es ist dann eben Kunst, wenn ein Betrachter das denkt, was der Maler will. Ein Code kann dich zwingen, etwas bestimmtes zu denken.

Ja, mit anderen Worten (wie ich es schon gesagt habe): Ein spezifisches Signal kann an einen spezifischen Rezeptor "andocken" und einen spezifischen Effekt auslösen. Der Mechanismus zwischen Effekt und Signalaufnahme wird von uns auch mal als Interpretation verstanden, obwohl das auch ein Einzeller kann, nur mit weniger abstrakten Signalen.
Lumen hat geschrieben:Mich interessiert die erste Warum-Sorte. Wie kommt es dass es das Übernatürlich gibt? Wie sehen die Belege konkret aus?

Es gibt keine Belege, sondern nur Bedürfnisse, Lücken zu sehen, wo es keine gibt (also permanente Lücken oder Widersprüche). Vielen erscheint eine Welt ohne Metaphysik zu banal, sie suchen dieses "mehr", wie ich auch hier feststellen musste, oder wollen die zynisch wirkende Realität nicht wahrhaben.
Um also auf das "warum" zu antworten: Weil es manche brauchen, um nicht zu verzweifeln. Das Stichwort ist Trost. Letztlich ist es eine Bewertungssache, ob man auf ein allmächtiges, perverses, sadistisches Ungeheuer steht, oder die ungeschminkte, zynische Realtität. Manche kommen ohne gewisse Konstrukte nicht klar, andere erschrecken diese Konstrukte und entscheiden sich für das kleinere Übel als Weltbild.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Fr 6. Jul 2012, 14:07

Lumen hat geschrieben:Die "Natur" ist hier das, worin du jeden Tag rumläufst. Es ist nicht dasselbe wie Wirklichkeit oder Realität, da diese Begriffe oft das Gegenstück zum Wahrgenommenen anzeigen. Einheiten, Relationen usw. befinden sich hingegen auf der Wahrnehmungsseite. Das übernatürliche ist in religiös-magischen Vorstellungen der Raum hinter der Bühne, wo ein Puppenspieler in die geordnete Handlung auf die Bühne (hier "Natur") eingreifen kann.


Verstanden. So halb wenigstens. Ich versuchs mal: Natur ist weder Wirklichkeit noch Realität. Die Begriffe "Wirklichkeit" bzw. "Realität" zeigen oft das Gegenstück zum Wahrgenommen an (zu dem was ich wahrnehme.) Also gibt es jetzt:

- Wahrnehmung
- Wirklichkeit (oder eben Realität) als Gegenstück der Wahrnehmung
- Natur als Nicht-Gegenstück der Wahrnehmung (Natur als Nicht-Wirklichkeit)

Aber ich dachte ich laufe jeden Tag in der Natur herum.

Nochmal: es gibt die Wahrnehmung. Das Gegenstück der Wahrnehmung heisst Wirklichkeit. Die Natur ist nicht die Wirklichkeit. Also ist die Natur nicht das Gegenstück der Wahrnehmung.

Natürliche Kategorien müssten demnach so etwas sein wie: Sie sind irgendetwas in der Natur, als solche aber nicht wirklich (weil die Natur selbst ja nicht wirklich ist) und daher auch nicht das Gegenstück unserer Wahrnehmung. Wir nehmen also natürliche Kategorien nicht wahr, operieren aber damit.

Auch falsch:

Kategorien wie "Einheiten, Relationen usw. befinden sich hingegen auf der Wahrnehmungsseite". Als Wahrgenommenes haben sie wohl ein Gegenstück, welches wir "wirklich" nennen können. Es gibt also so etwas wie "wirkliche Kategorien", aber keine "natürlichen Kategorien"

Wie kommt jetzt die wirkliche Kategorie auf die Wahrnehmungsseite? In der Natur gibt es ja keine Kategorien, nur in der Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit ist ja das Gegenstück zu unserer Wahrnehmung und du forderst ja zu allem, was wir wahrnehmen, ein Gegenstück.

lumen hat geschrieben:Das übernatürliche ist in religiös-magischen Vorstellungen der Raum hinter der Bühne, wo ein Puppenspieler in die geordnete Handlung auf die Bühne (hier "Natur") eingreifen kann.


Verstehe. Glaube ich. Gott (das Übernatürliche) ist der Raum hinter der Bühne (gott ist ein Raum, nicht schlecht). Die Bühne selbst ist die Natur. Auf der Bühne findet eine geordnete Handlung statt. In diese greift dann der Puppenspieler (wieder Gott) ein. Warum kommst du darauf, daß die Handlung in der Natur geordnet sei? Wo wir doch noch nicht einmal natürliche Kategorien haben?

Lumen hat geschrieben:Derweil wird das Higgs-Boson (mutmaßlich) entdeckt


Und dann kann man das CERN dicht machen oder?
Zuletzt geändert von laie am Fr 6. Jul 2012, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Fr 6. Jul 2012, 14:27

Darth Nefarius hat geschrieben:[...] Es gibt keine Belege, sondern nur Bedürfnisse, Lücken zu sehen, [...] Manche kommen ohne gewisse Konstrukte nicht klar, andere erschrecken diese Konstrukte und entscheiden sich für das kleinere Übel als Weltbild.


Das ist eine Demonstration wie dem Sachverhalt ausgewichen wird. Das ist die zweite Warum-Sorte, aber dieses Mal mit deinem atheistischen Spin. Gefragt ist aber die erste Warum-Sorte und dann mit der religiösen Antwort dazu. Das sind nur Vorschläge wie die Frage aussehen könnte: Warum gibt es den Gottesbegriff, im Sinne von: Wie kommt es dass Menschen einen Gott im Sinne haben? Also, was veranlasst den moderen Gläubigen dazu, einen Gott anzunehmen? Wie kommt es, dass Gott sich in der historischen Rückschau immer genau dorthin zu flüchten scheint, wo es Kommunikations-, Erkenntnisschwierigkeiten usw. gibt? Auch hier wäre eine Antwort der Religion interessant. Und auch die anschließende Warum frage: Warum gerade dort und nicht anders? Also, worin liegt die Stringenz des Gottesbegriff oder zur Beschaffenheit des Übernatürlichen? Diese Dinge lassen sich mittlerweile überzeugend mittels Psychologie, Biologie, Evolutuon, Kognitionswissenschaft usw. erklären, aber diese all diese Erklärungen deklarieren das Übernatürliche als reine Einbildung und genau das kann ja nicht die Sichtweise eines Gläubigen sein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jul 2012, 17:02

laie hat geschrieben:Nochmal: es gibt die Wahrnehmung. Das Gegenstück der Wahrnehmung heisst Wirklichkeit. Die Natur ist nicht die Wirklichkeit. Also ist die Natur nicht das Gegenstück der Wahrnehmung.

Nein, die Wahrnehmung ist ein Teil der Wirklichkeit (sofern es eine absolute gibt), denn die Wahrnehmung ist an materielle Objekte, physikalische, chemische, biologische Mechanismen gebunden, auch die Interpretation der Wahrnehumung (wie schon ausgeführt) ist an Materie gebunden, die "Wirklichkeit". Damit sind alle deine folgenden Kategorisierungen hinfällig.
laie hat geschrieben:Und dann kann man das CERN dicht machen oder?

Nein, Teilchenbeschleuniger sind gute Röntgenquellen, Molekularbiologen würden sich um das Ding prügeln, um eine Röntgenstrukturanalyse durchführen zu können. Durch diese hochfrequente Strahlung kann eine bisher nie dagewesene Auflösung erzielt werden.
Lumen hat geschrieben: Auch hier wäre eine Antwort der Religion interessant. Und auch die anschließende Warum frage: Warum gerade dort und nicht anders? Also, worin liegt die Stringenz des Gottesbegriff oder zur Beschaffenheit des Übernatürlichen? Diese Dinge lassen sich mittlerweile überzeugend mittels Psychologie, Biologie, Evolutuon, Kognitionswissenschaft usw. erklären, aber diese all diese Erklärungen deklarieren das Übernatürliche als reine Einbildung und genau das kann ja nicht die Sichtweise eines Gläubigen sein.

Es war nicht die Absicht, der Fragestellung auszuweichen, du hast nunmal nicht deutlich gemacht, welche Perspektive du hören willst. Der Gläubige wird einfach alles Wissenschaftliche bestreiten, negieren. Leute können sich ziemlich einfach bestimmten Fakten entziehen, sie nicht glauben wollen. Die Aussage: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Sein "Argument" wäre (und ist, wie ich schon von vielen Gläubigen gehört habe): Man muss auch mal glauben, nicht denken (Original eines Pfarrers bei meinem Konfirmandenunterricht, den ich besucht habe, weil ich bestechlich war und diesen Pfarrer ärgern wollte). Sie haben einfach das Bedürfnis, es ist ihre Wahrheit, ihr Trost (auch wenn ich es schon genannt habe, spielt das Motiv "Trost" eine große Rolle und ist kein offenes Geheimnis. Bei den Christen geht es in jedem zweiten Lied entweder um Leid oder um Trost). Sie nennen es nicht Bedürfnis, sondern "Gefühl".
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Fr 6. Jul 2012, 17:14

laie hat geschrieben:[...] Verstanden. So halb wenigstens. Ich versuchs mal: [...] Auch falsch:[...]


Vielleicht reden wir auch einander vorbei.

Gehen wir zunächst davon aus, dass wenn wir keine Gehirne hätten, wir dennoch an einem Ort sein würden. Wir nennen das so. Müssen wir auch, denn wir könnten ohne eine Bezeichnung nicht kommunizieren. Es ist grundsätzlich für uns nicht möglich, zu Wissen, wie dieser Ort an sich ist, da wir von diesem Ort nur mittels unseres Gehirns erfahren. Alles, was du jemals von einem Menschen mittels Kommunikation hören wirst, muss zwangsweise durch mindestens zwei Gehirne durch, wird somit auf eine wie auch immer geartete Weise verarbeitet, damit verfälscht. Es spielt keine Rolle. Bleib gelassen. Nun wollen wir erstmal gleich noch ein paar Hintertüren zuschließen: es spielt keine Rolle, wie es verfälscht ist. Es spielt keine Rolle, wo es verfälscht wird. Ob unsere Sinne nur einen Ausschnitt wahrnehmen, oder ob die Beschaffenheit von Nervenzellen bereits eine Verfälschung bedeuten.

Nun bringen wir die Wahrnehmungs doch ins Spiel. Offenbar gibt es an diesem Ort, nennen wir ihn nun Wirklichkeit, gewisse Muster. Unsere einstmals gehirnlosen Körper entwickelten ein Gehirn, dass sehr gut darin ist, die Muster zu erkennen. Das was wir mitbekommen, das Wahrgenommene, nennen wir dieses mal unsere Realität. Nun ist mir durchaus bewusst, dass es schon bis hierhin umstrittene Ansichten gibt. Zum Beispiel der Solipsismus. Wenn wir weiter gehen, wird es auch schummrig, da gibt es alle möglichen Standpunkte, wo sich für Nicht-Experten manchmal kaum erschließt, wo denn der genaue Streitpunkt ist. Aus praktisch Erwägungen kann man diese Meinungen in den Wind schießen, insbesondere wenn sie sich komplett in Wortspielen verheddern.

Es bringt mir ja nichts, alles vom Sandkorn bis Farbe des Himmels einzeln herzuleiten, zu flehen, die Kritiker mögen einsehen, dass die Technik doch funktioniert und unmöglich alles Zufälligkeiten sein können, dass Vorberechnungen stimmten (sich später praktisch erwiesen), dass Wissenschaftler bestimmte Details eines Teilchens berechnet haben und durch Messungen, fast 50 Jahre später, bestätigen können. Das Baktieren anscheinend wirklich in unserem Körper leben und wirklich bestimmte Effekte haben, unabhängig davon wie sich das, was da passiert in Wirklichkeit darstellen mag. Wir wissen nicht, ob die Baktierien in Wirklichkeit Härchen eines fünf-dimensionalen Monster sind und die seltsamen Flecken, die wir unter dem Mikroskop sehen, in Wirklichkeit nur die Haarspitzen von fünf Dimensionalen Haaren sind.

Ich hoffe meine Verzweiflung wird deutlich. Ich glaube nicht daran, dass insbesonders religiöse Menschen wirklich und aufrichtig Kritik an dieser Sichtweise haben (dass wir in einer Wirklichkeit leben und diese durch unsere Wahrnehmung verarbeiten). Es bringt nichts, alles aufzubieten, was die Semiotik und Neurologie darüber wissen, wenn am Ende sich doch ganz stark der Eindruck aufdrängt, dass die Kritiker ihrerseits doch nur ihren Gott einschmuggeln wollen. Insbesondere wenn sie ihrerseits nichts (also nichts wie Nix, Nada) anzubieten haben. Meine Ansicht dazu kann ich noch weiter verdichten: es gibt religiöse Menschen, die die Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Transparenz in unserer Gesellschaft dazu nutzen, um sie dagegen zu richten. Jeder noch so hahnebüchener Zweifel, der irgendwo gesäht werden kann, wird aufgegriffen und verstärkt. Ist es für einen Gottesbegriff wirklich wichtig, ob unsere Wahrnehmung die Wirklichkeit in Teile zerstückelt und diese mit Etiketten beklebt? Wir wissen, dass es so (ungefähr) ist. Gut, nächster Stohhalm: das Wort. Wie wahr ist ein Wort. Immer tiefer ins in Dunkel rein. Sie nutzen beliebige Begriffe um dann aber in sprachliche Konstrukte hineinzubohren, die selber geschaffen haben. Kritisieren Wissenschaften als Ersatzreligion, kritteln dann aber im nächsten Satz den Mangel an normativen Aussagen an. Sie sind partout nicht in der Lage, auch nicht mit konkreten Belegen, zu akzeptieren, dass das ganze Konstrukt wissenschaftlicher Arbeit provisorischer Natur ist, was aber nicht heißt, dass es vollkommen beliebig ist. Es sind, kurzum Leute, die Toleranz für ihre Intoleranz einfordern und auch, das sagt die geschichtliche Erfahrung (auch Illusion?), die ersten sind, die das alles abschaffen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet.

Es kommt dann natürlich vor, dass sich solche Leute in Toleranz und Offenheit kleiden (bzw. andere der Engstirnigkeit oder des Fundamentalismus bezichtigen). Also ist meine Anschlussfrage zum Gottesbegriff nun diese: Soll man wahnsinnige Ideen von Diktatorengottheiten ernst nehmen und gar philosophische Debatten führen, die eindeutig den Horizont von Märchengeschichten überschreiten? Müsste nicht erstmal eine Notwendigkeit erzeugt werden, sich überhaupt auf einer komplexen Stufe damit zu befassen? (dies schließt dann an die Warum Frage oben drüber an).
Zuletzt geändert von Lumen am Fr 6. Jul 2012, 17:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Fr 6. Jul 2012, 17:21

darf nefarius hat geschrieben:Nein, die Wahrnehmung ist ein Teil der Wirklichkeit (sofern es eine absolute gibt), denn die Wahrnehmung ist an materielle Objekte, physikalische, chemische, biologische Mechanismen gebunden, auch die Interpretation der Wahrnehumung (wie schon ausgeführt) ist an Materie gebunden, die "Wirklichkeit". Damit sind alle deine folgenden Kategorisierungen hinfällig


Was heisst hier "nein" auf meine Wiedergabe von Lumens Diktum, daß die Natur nicht die Wirklichkeit ist? Und ferner: da du schon Nein sagst, was bietest du denn an: "Wahrnehmung ist an materielle Objekte gebunden." Genau das sagt doch auch Lumen (und ich, der ich ihn zitiere). Wirklichkeit ist das Gegenstück von Wahrnehmung.

Und schließlich: es sind nicht meine Kategorisierungen, sondern die von Lumen. Ich habe sie nur versucht zu verstehen.

mann, mann, mann

CERN dichtmachen:

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, Teilchenbeschleuniger sind gute Röntgenquellen, Molekularbiologen würden sich um das Ding prügeln, um eine Röntgenstrukturanalyse durchführen zu können. Durch diese hochfrequente Strahlung kann eine bisher nie dagewesene Auflösung erzielt werden.


du hast mal wieder den alles entscheidenden Punkt nicht verstanden. Mir war schon klar, daß das CERN niemals zugemacht wird, denn das HIGGS eröffnet natürlich wieder die nächsten Fragen usw usw. Jetzt sind wir da, wo Thomas von Aquin feststellte: das Sein muss als Anfangsgrund gesetzt sein, weil man sonst in einen regress ad infinitum gelangt.

@lumen: muss erst lesen...dauert bisschen. Vielleicht am Montag.
doch noch kurz zu der Stimmung aus deinem Beitrag: warum meinst du denn immer, daß es der Christ als seine Hauptaufgabe betrachte, die Physik, Chemie, Biologie um einen alternativen Schöpfungsmythos zu erweitern? Ich weiss nicht, wie oft ich es noch sagen muss: Schöpfung spielt für den Christen (anders vielleicht für die Leute am CERN) überhaupt nicht die entscheidende Rolle. Schöpfung wird ja auch meist in dem metaphysischen Sinn verstanden, daß die Welt "auf Gott bezogen sei". Da Gott mit dem Sein zusammenfällt heisst es dann: die Welt ist auf das Sein bezogen. Ja und? Muss man davor Angst haben?

Ich meine, die vor denen man Angst haben muss, die sind doch eh eine Splittergruppe. Evangikale, Pfingstler, Zungenredner, alle, die glauben, daß Jesus persönlich um die Ecke biegen könnte. Dieser kindliche Glaube, den du übrigens irrtümlich als den eigentlichen Glauben darstellst, ist eine Randerscheinung.

@an alle: Schönes Wochende
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jul 2012, 18:58

Lumen hat geschrieben:[...] Also ist meine Anschlussfrage zum Gottesbegriff nun diese: Soll man wahnsinnige Ideen von Diktatorengottheiten ernst nehmen und gar philosophische Debatten führen, die eindeutig den Horizont von Märchengeschichten überschreiten? Müsste nicht erstmal eine Notwendigkeit erzeugt werden, sich überhaupt auf einer komplexen Stufe damit zu befassen? (dies schließt dann an die Warum Frage oben drüber an).

Du stellst im Prinzip also die Frage, ob wir mit wissenschaftlicher, philosophisch-rationaler Methodik über Unsinn reden sollten? Ob die Notwendigkeit besteht? Ich denke, dass dies leider der Fall ist. Natürlich denke ich auch, dass soetwas seine Grenzen hat (wie z.Bsp. die Diskussion hier, ob Allwissenheit möglich ist), aber viele der Standpunkte religiöser Menschen, die sich im Prinzip leicht widerlegen lassen, müssen doch diskutiert werden, weil sie für unser Miteinander entscheiden können. Grundsätzlich suchst du eine Methode, um dieses Denken loszuwerden: Die Damnatio memoriae. Schlag nach, was das ist, aber das trifft es schon und damit näherst du dich genau der Methodik an, die du hier nennst und zurecht verachtest.
laie hat geschrieben:Was heisst hier "nein" auf meine Wiedergabe von Lumens Diktum, daß die Natur nicht die Wirklichkeit ist? Und ferner: da du schon Nein sagst, was bietest du denn an: "Wahrnehmung ist an materielle Objekte gebunden." Genau das sagt doch auch Lumen (und ich, der ich ihn zitiere). Wirklichkeit ist das Gegenstück von Wahrnehmung.

Gut, dann widerspreche ich Lumens Diktum, jedenfalls hatte ich nicht den Eindruck, dies seien seine Standpunkte, da er nach meinem Verständnis die Position eines Gläubigen karrikiert hat (mit der Bühne und dem Zeug). Aber ich kann mich auch irren, das gebe ich zu. Du hättest mein Zitat auch einfach als Unterstützung deinerseits verstehen können, wenn es nicht dein Standpunkt ist. Die Wiedergabe ist nicht notwendig, um diese Punkte zu widerlegen.
Allerdings scheint mein Einwand doch notwendig gewesen zu sein, da deine Widergabe (unabhängig, ob die Position selbst von dir oder Lumen stammt) nicht mit meiner Aussage übereinstimmt. Du hast schon richtig festgestellt, dass ich sage:"Wahrnehmung ist an Materie gebunden.", das ist aber nicht das gleiche wie zu sagen "Wahrnehmung ist das Gegenstück zur Wirklichkeit". Aber vielleicht weicht unser Verständnis von "Gegenstück" voneinander ab. Meinst du damit ein Äquivalent in einer abstrahierten Beziehung? Oder meinst du ein Gegenteil? Etwas Unvereinbares? Selbst wenn du Gegenteil geschrieben hättest, wäre es noch missverständlich. Man denke doch an diese Kinderspiele:"Das Gegenteil von Sonne ist Mond." Ach ja? Ich könnte je nach betrachteter Eigenschaft auch etwas anderes sagen: "Das Gegenteil ist Schatten/ein weißer Zwerg, ein Planet, eine Murmel, ein schwarzes Loch." Sowas hätte man auch mit dem Begriff "Gegenstück" treiben können. klar, gegenstücke ähneln sich genaugenommen in einer betrachteten Eigenschaft, aber gleichzeitig sind sie doch verschieden:
http://de.wiktionary.org/wiki/Pendant
In dem dortigen Beispiel ist der Unterschied z.Bsp. die Sprache, die gemeinsamkeit der Inhalt (mehr oder weniger). Aber wenn du dir den Wikipediaartikel zu "Pendant" anschaust, siehst du gleich ein Gemälde, das einerseits etwas Gleiches und doch grundlegend Verschiedenes zeigt.
Zusammengefasst: Was meinst du mit "Gegenstück"?
laie hat geschrieben:du hast mal wieder den alles entscheidenden Punkt nicht verstanden. Mir war schon klar, daß das CERN niemals zugemacht wird, denn das HIGGS eröffnet natürlich wieder die nächsten Fragen usw usw. Jetzt sind wir da, wo Thomas von Aquin feststellte: das Sein muss als Anfangsgrund gesetzt sein, weil man sonst in einen regress ad infinitum gelangt.

Mir ist auch klar, dass dir klar ist, der CERN wird nicht dichgemacht. Ich werde mich bemühen, nach humoristisch gemeinten Kommentaren (die doch eindeutig am Thema vorbeigehen und deswegen auch nicht ernst diskutiert werden müssen) einen Smilie setzen, damit du das nicht so ernst nimmst. :mg:
@lumen: [...] warum meinst du denn immer, daß es der Christ als seine Hauptaufgabe betrachte, die Physik, Chemie, Biologie um einen alternativen Schöpfungsmythos zu erweitern?

Ich glaube, er meinte, sie wollten nichts erweitern, sondern ersetzten. Ich sehe das auch so. "Alternativ" ist hier wirklich nicht so friedfertig zu verstehen, in den USA hat man doch die Auswüchse dieser "Alternative" gesehen: Absoluter Wahrheitsanspruch.
laie hat geschrieben:Ich weiss nicht, wie oft ich es noch sagen muss: Schöpfung spielt für den Christen (anders vielleicht für die Leute am CERN) überhaupt nicht die entscheidende Rolle.

Du kannst es sooft sagen wie du willst, dadurch wird es nicht wahr. Jede religiösen Menschen ist die Schöpfung wichtig. Letztlich ist es die letzte Bastion, die die Religion meint noch gegen die Wissenschaft verteidigen zu können. Deswegen wird auch zwischen Deisten und Theisten unterschieden, allein diese Frage kann das Bindeglied zwischen dem Fanatiker und dem Durchschnittsgläubigen ausmachen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ganimed » Fr 6. Jul 2012, 20:09

laie hat geschrieben:Du hast anschaulich eine Laube beschrieben. Ist die Laube nun eine "Laube" oder sind das nur irgendwelche Quanten?

Beides. Die Laube ist eine Laube und die Laube sind nicht irgendwelche Quanten, sondern ganz bestimmte Quanten in einer ganz bestimmten Anordnung. Reduktionismus bedeutet nicht, dass man Information weg werfen darf und einfach ein leichtsinniges "irgendwelche" einbaut. Aufpassen muss man da schon.

laie hat geschrieben:Ich meine, Reduktionismus ist ja ganz gut und schön

Na dann sind wir uns ja einig :)

laie hat geschrieben:aber was haben wir davon, wenn wir in der Biologie nicht mehr von Elefanten reden, sondern von Energie?

Lass mich raten: irgendwelche Quanten wandeln sich bei dir auch ganz schnell mal in irgendwelche Energie? Nur weil Materie in Energie umwandelbar ist, ist sie es noch nicht. Ein Elefant ist aber, wenn man so will, potentielle Energie. Biologen könnten so erklären, wieso man mehr Energie verspürt nachdem man Elefantenfleisch gegessen hat. Was die davon aber haben, weiß ich jetzt auch nicht.

laie hat geschrieben:Was soll jetzt einfacher sein?

Man kann mit dem Reduktionismus der Frage näher kommen, woraus Dinge bestehen und wie diese konstituierenden Elemente das machen, diese emergente Ding entstehen zu lassen. Man lernt auf diese Weise sicher sehr viel über Elefanten, Quanten und die Welt. Und erst wenn man das konsequent macht, gelingt es, mit intuitiven Mystiken aufzuräumen, nach denen zu bestimmten Dingen angeblich mystische oder übernatürliche oder metaphysische Dinge gehören. Wer immer annimmt, der Elefant enthielte ein unzerstörbare, übernatürliche Essenz names Seele, muss sich von Reduktionisten die Frage gefallen lassen, ob er was getrunken habe.

laie hat geschrieben:Und jetzt kommen wir zu den Problemfeldern: Was ist der Gehalt eines Textes? Das, was wir im Kopf haben? Neuronale Feuerwerke? Was sagen diese Feuerwerke letzten Endes?

Sicher sehr schwierige Fragen. Die man mit geduldiger Wissenschaft und viel Reduktionismus wohl auch beantworten kann. Nur nicht die Nerven verlieren und noch ehe man ein oder zwei Bücher über Logik, Information, Hirnforschung oder was auch immer gelesen hat, einfach die Abkürzung nehmen und so ein Geschwurbel schreiben wie beispielweise: "diese Fragen wird man nie ganz klären können. Im alten Indien galten Texte als heilig. Gottes Wahrheit ist da sicher auch irgendwie enthalten. Jeder Text folgt der Harmonie des Kosmos." Oder was auch immer für ein Unsinn dabei heraus kommt, wenn man glaubt, es mal eben so ganz intuitiv besser wissen zu können als beispielsweise Wissenschaftler.

laie hat geschrieben:Was ist, wenn das, was der Maler abbildet (das "Abgebildete") abstrakt ist? Was zeigt dann das Abbildende (das "Bild")? Was ist das Bild dann? Existiert es "irgendwie irgendwo in den zeitlichen Beziehungen zwischen materiellen Objekten"? Die Leinwand, ja die schon. Die verwendeten Materialien, ja. Aber das Bild?

Das Bild, oder besser die Information darauf in Form von Licht erreicht das menschliche Gehirn und wird dort in einem komplexen Verarbeitungsprozess interpretiert, mit anderen Dingen verknüpft und löst auf diese Weise vielfältige Reaktionen aus. Insofern ist, ganz physikalisch-biologisch, das Bild für jeden Menschen etwas anderes, je nachdem mit was im Gehirn die aufgenommene Bildinformation auf welche Weise reagiert. Änderungen im Gehirn des Betrachters sind aber real, nicht abstrakt und nicht metaphysisch.

Ich würde das fast als Faustregel aufstellen wollen: immer wenn du durch einen gedanklichen Prozess zu der Annahme gelangst, dass etwas metaphysisch ist, dann liegst du falsch. Aber das ist natürlich nur meine Meinung.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 6. Jul 2012, 20:32

ganimed hat geschrieben:Wer immer annimmt, der Elefant enthielte ein unzerstörbare, übernatürliche Essenz names Seele, muss sich von Reduktionisten die Frage gefallen lassen, ob er was getrunken habe.

Hab ich auch schon gesagt, bis auf die Frage. Nein, in unserer Welt muss sich der Wissenschaftler gefallen lassen, "gottlos" als Beschimpfung betrachten zu müssen und dieser Firlefanz darf nicht als Hirngespinst bezeichnet werden, der dem Hirngespinst eines Betrunkenen gleichkommt.
ganimed hat geschrieben:Das Bild, oder besser die Information darauf in Form von Licht erreicht das menschliche Gehirn und wird dort in einem komplexen Verarbeitungsprozess interpretiert, mit anderen Dingen verknüpft und löst auf diese Weise vielfältige Reaktionen aus. Insofern ist, ganz physikalisch-biologisch, das Bild für jeden Menschen etwas anderes, je nachdem mit was im Gehirn die aufgenommene Bildinformation auf welche Weise reagiert. Änderungen im Gehirn des Betrachters sind aber real, nicht abstrakt und nicht metaphysisch.

Habe ich im Prinzip auch schon geschrieben, zum selben Satz von laie. Stehst du drauf, andere zu wiederholen?
ganimed hat geschrieben:Ich würde das fast als Faustregel aufstellen wollen: immer wenn du durch einen gedanklichen Prozess zu der Annahme gelangst, dass etwas metaphysisch ist, dann liegst du falsch. Aber das ist natürlich nur meine Meinung.

Es ist eben nicht nur deine Meinung. Es wäre hilfreich, wenn du nur neue Argumente gegen diesen Unsinn lieferst, und mich nichtn auch noch wiederholst. Sowohl mich als auch laie nervt es gewiss, wenn da 2 mal das gleiche steht. Ich wollte das einmal gesagt haben, das war alles. Du kannst nicht an einer beliebigen Stelle der Diskussion einsteigen, wenn du nicht die ganze kennst.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Fr 6. Jul 2012, 21:23

Es wird immer obskurer hier und gleichzeitig werden relativ unumstrittene Sachen empört zurückgewiesen. Meiner Ansicht nach werden Gläubige eigentlich immer durch Geschichten an den Glauben herangeführt. Das sind Geschichten wie die von Jesus Christus. Diese Geschichten sind es, die am Sonntag in der Kirche eine Rolle spielen, es sei denn es hat sich mittlerweile wirklich was getan und da wird neuerdings Metaphysik verhandelt. Diese Geschichten spielen auch bei den Festen, mindestens Ostern und Weihnachten, eine zentrale Rolle und Theologen und Kirchenvertreter werden nie müde, die religiöse Seite dieser Feste zu betonen. Vorstellungen von Diesseits und Jenseits, nicht nur als Abgrenzung zwischen Leben und Nach-dem-Tod spielen in vielen religiösen Vorstellungen eine Rolle. Das ist die Dichotomie aus dem natürlichen und dem übernatürlichen, von "Bühne" und "hinter der Bühne". Diese beiden Kategorien spielen auch in praktisch allen Religionen eine wichtige Rolle, die mir bekannt sind. Ob nun Theosophie oder Gnosis oder Islam. Gott wohnt jedenfalls selten hinter dem Andromedanebel oder an einem konkreten Ort in diesem natürlichen Universum. Daher ist es doch witzlos, dass zu bestreiten, nur um von den konkreten Fragestellungen abzulenken (oder so zu tun, als seien das miese Unterstellungen von Atheisten).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 7. Jul 2012, 09:15

Lumen hat geschrieben:Meiner Ansicht nach werden Gläubige eigentlich immer durch Geschichten an den Glauben herangeführt. Das sind Geschichten wie die von Jesus Christus.

Nee, solche Märchen überzeugen ja niemanden, außer sie vermitteln die Botschaft, dass bla oder bla, habe ich schon gesagt.
Lumen hat geschrieben:Diese Geschichten sind es, die am Sonntag in der Kirche eine Rolle spielen, es sei denn es hat sich mittlerweile wirklich was getan und da wird neuerdings Metaphysik verhandelt. Diese Geschichten spielen auch bei den Festen, mindestens Ostern und Weihnachten, eine zentrale Rolle und Theologen und Kirchenvertreter werden nie müde, die religiöse Seite dieser Feste zu betonen.

Ich denke, dass ist die gleiche Masche wie bei den Politikern: Diese gehen im Bierzelt trinken und Fußballgucken, um Wähler zu bekommen und Jesus geht fischen und Wein produzieren. Beide sollen Volksnähe vermitteln, damit die Leute sich besser mit den Storys identifizieren können.
Lumen hat geschrieben: Gott wohnt jedenfalls selten hinter dem Andromedanebel oder an einem konkreten Ort in diesem natürlichen Universum.

Höchstens bei Trekkies. :winkgrin2:
Lumen hat geschrieben:Daher ist es doch witzlos, dass zu bestreiten, nur um von den konkreten Fragestellungen abzulenken (oder so zu tun, als seien das miese Unterstellungen von Atheisten).

Beziehst du dich auf mich? Deine Fragestellungen sind ja nicht konkret, Atheisten als Beleidigung zu benutzen würde mir nie einfallen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 7. Jul 2012, 09:55

Lumen hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das ist eine sehr alte Beobachtung, die schon Aristoteles beschrieben hat. Schopenhauer behandelt das Thema ausführlich in Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde.


Danke für den Hinweis. Meinst du damit die Gestalt der Warum Frage selbst oder das Mogeln damit? Ich kann mir schon vorstellen, dass Schopenhauer schonmal die gelbe Karte bei Theologen gezogen hat.


Schopenhauer hat sich des öfteren über Hegel oder Fichte aufgeregt, die er gleich mal "Unsinnschmierer" oder "Windbeutel" nannte. Er unterstellte speziell Hegel Unredlichkeit. Möglicherweise hätten seine Kritiken mehr Wirkung gehabt, wenn er sie nicht so schrullig vorgetragen hätte. Die Linie führt dann von Hegel über Marx zu Habermas, der sich -wen wunderts - prima mit dem Papst versteht. Der Witz ist, dass sich Religiöse immer auf solche Leute berufen, die den Nebel lieben. Und der Witz ist außerdem, dass sie stets Leute kritisieren, die für Klarheit eintreten. Und der Witz ist weiterhin, dass Leute, die für Klahrheit eintreten i.d.R. auch bescheidenere Aussagen machen. Die reden nicht von dem "Ganzen" oder dem "Sein" und lauter solchen anmaßenden Begriffen. Sehr lesenswert dazu ist auch Poppers "Wider die großen Worte" (hier gibt es einen miesen Scan davon)

On dem Vortrag von Dennet find ich die Passage über die "deepity" so richtig klasse! Auf deutsch würden wir wohl "Tiefnis" sagen. Das schlimme ist leider, dass dieser Beschiss jeden Tag aufs Neue funktioniert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 7. Jul 2012, 10:34

Hallo ujmp.

Puh, da ist ja viel geschrieben worden, das muss ich erst mal in aller Ruhe nachlesen.
Meine Antwort auf Dein letzten Beitrag an mich, habe ich noch vor der Lektüre geschrieben, sollte sich einiges davon in der Diskussion schon erledigt haben, dann bitte einfach ignorieren:

ujmp hat geschrieben:Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein". Ich versichere dir: Es gibt "falsch", "dumm" und "gelogen"! Buchtipp: "Becoming a Critical Thinker" R.T. Carroll


Natürlich gibt es Lügen und Falsches, aber das bezieht sich auf soziale Kontexte.
Der Mond ist nicht wahr, eine Aussage über ihn kann es sein.

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, so ist die naturalistische Interpretation der Geschichte. Der Realitätsbegriff ist so schwer festzumachen, wie der Gottesbegriff. Oft wird getrennt in Realität, als etwas uns prinzipiell unzugängliches und Wirklichkeit als unser Welterleben, auf das wir uns sozial einigen können.

Das ist eine zweckmäßige Interpretation der Realität, und nach meinem Geschmack - als Problemlösungsstrategie - die intelligenteste.


Prima, da können wir gerne bei bleiben, mir behagt diese Terminologie auch.

ujmp hat geschrieben:Dabei spielt es keine Rolle, wie der Autor des Satzes den Satz gemeint hat. Es kommt lediglich drauf an, wie du ihn verstehst - und mit "Verstehen" meine ich "Erwartung hervorrufen".


Man muss die Satz schon verstehen, sonst bleibt man nur bei sich.
Zwar kannst Du Dir sicher irgendwas vorstellen, wenn ich „öpflebrix“ schreibe, aber wenn es für die Sprachgemeinschaft einen Referenten gibt, ist das schon ein Vorteil.

Und es sind ja längst nicht alle Aussagen welche über die empirische Welt, im Sinne von: „Da liegt ein Schatz“. Das verwirrt uns auch nicht, wir bezweifeln eigentlich nie unsere gemeinsame Basis sinnlicher Wahrnehmung, wir setzen sie als (im naiv realistischen Sinne) gegeben voraus. Da sind die Referenten noch klar, „Baum“, „Auto“, „Hund“, „Mann mit Hut“.
Geht es dann in den Bereich des Erlebens und der Interpretation im landläufigen Sinne, wird es interessant. „Das soll Kunst sein?“ „Politiker machen doch sowieso, was sie wollen“ „Wenn wir mal ehrlich sind dreht sich doch in der Welt alles nur um Macht/Geld/Einfluss/Sex/Verbindungen.“ Und dann gibt es noch die inneren Empfindungen, die erst mal sind, wie sie sind. Um zum Kern der Sache zu kommen: Jemand könnte behaupten, er habe eine innere Stimme gehört, die zu ihm sprach. Jemand könnte die Jungfrau Maria in der Ecke sitzend gesehen haben.

Und natürlich ist unser erster Gedanke: Upps, ein psychotischer Schub.
Nur erstens sind nicht alle religiösen oder spirituellen Empfindungen von dieser Art und zweitens kann man heute testen, ob jemand psychotisch ist oder eine schwere Persönlichkeitsstörung hat.

Es gibt rein hypothetische Ableitungen des Gottesbegriffs, es gibt Offenbarungen.
M.E. ist das etwas, was man halbwegs nüchtern prüfen kann, nur bedeutet nüchtern für mich eben nicht, dass die Naturwissenschaften und ihre Grundlagen in allen Punkten der Diskussion das erste und letzte Wort haben, denn dafür gibt es keinen Grund, es wäre schlicht eine ideologische Deformierung der Diskussion.

Eine gute Prüfung ist immer der intersubjektive Diskurs. Wenn man es bspw. mit Aussagen über direkte spirituelle Erfahrungen zu tun hat, muss man den zeitlichen und kulturellen Kontext mitberücksichtigen, aber man bekommt doch oft auch schöne Formulierungen des Inhalts.
Und es wurde viel experimentiert, durch die Jahrhunderte und manches ist überliefert, vor allem hören die Erlebnisse heute nicht auf, so dass man einen schönen Datenpool hat.

ujmp hat geschrieben:Es stimmt aber nicht, dass Außerwissenschaftliches nur verspottet wird. Ich kenne sogar von Popper Aussagen die ziemlich offen gegenüber Parapsychologie sind. Der Weg, diese Dinge zu verstehen ist eben, sie zu testen. In der Buchempfehlung oben sind einige Beispiele von Experimenten, die wissenschaftlichen Maßstäben genügen - durchweg mit dem Ergebnis, dass es nicht stimmt. Wenn es klappt, dann prima (das ist nicht nur Rhetorik von meiner Seite!). Es ist aber das Phänomen, dass die meisten Vetreter solcher alternativen Methoden sich durch keinen Fehlschlag von ihrer Überzeugung abbringen lassen, es interessiert sie einfach nicht, ob es stimmt oder nicht.


Das liegt mitunter an der Frontstellung, die aufgebaut wurde.
Wenn James Randi irgendetwas testet, dann weiß ich vorher, wie das Ergebnis sein wird (und Du weißt es auch) deshalb ist es auch so uninteressant, was er von sich gibt.

Die Vertreter sog. alternativer Methoden werden rein diskurstechnisch schon mal im ersten Schritt zu Vertretern „alternativer“ Methoden gemacht. Das sind Endlosdiskussionen, bei denen wir aufpassen müssen, dass wir nicht vom Thema abkommen.

Da ich diese Diskussionen halbwegs kenne können wir gleich zum Punkt kommen: Placeboeffekt.
Dazu ließe sich viel sagen, ich kneif’s mir mal. Bezogen auf den Gottesbegriff könnte man formulieren, dass der Glaube an Gott und der Verkehr in einer religiösen Gemeinschaft, wenn man selbst keine mystische Erfahrung gemacht hat, auch eine unausgesetzte wechselseitige Bestätigung ist. Im Kreise von Leuten die so denken, wie man selbst, singt man zusammen, führt Rituale durch, redet miteinander, vergewissert sich der eigenen Werte. Und? Ist doch wunderbar. Schlecht sind die Repressionen, aber vermutlich „wirkt“ etwas nur, wenn man auch Opfer dafür bringt. Untersuchungen zu „unverdientem“ Glück bestätigen das. Ob man zufällig ein KZ überlebt oder einen hohen Lottogewinn einfährt, das Element des Zufalls, können wir schlecht handhaben. Dass die Beichte auch eine entlastende Wirkung hat, wenn man wirklich trainiert ist, Dinge loszulassen und zu delegieren, mag ich glauben.

Man reflektiert auf Seiten der Kritiker oft nicht, dass man ja selber große Opfer bringt.
Ich habe oft in solchen Diskussionen am Ende die Wendung gehört: „Wenigstens mache ich mir nichts vor.“ Begründet wurde damit der Verzicht auf bestimmte Aspekte des Glücks, der gefühlten Sicherheit und der Zufriedenheit, die sich der Gläubige in den Augen der Kritiker zu billig erkauft, weil er nicht weiterfragt und der mit den spirituellen Erfahrungen, weil er seine subjektiven Überzeugungen nicht immer und immer wieder zerlegt und zerdenkt, bis er konfus und komplett verwirrt ist. Dabei gilt aber gleichermaßen, dass die ewige Zweifelei – philosophisch längst tot, wenn sie um ihrer selbst Willen praktiziert wird – nicht an die eigenen Grundfesten ragt.

Aber warum sollte man denn an allem zweifeln? Ist das nicht vielleicht sogar pathologisch?
Warum ist Erkenntnis mehr wert als Glück? Diese Frage interessiert mich wirklich, ich habe nie ein zufriedenstellende Antwort bekommen, eigentlich selten überhaupt eine. Steht nicht die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis nicht immer auch ein Stück weit im Dienste des Glücks?
Ist es nicht eine eigenartige, ja fast möchte ich sagen Pervertierung, dass man sich irgendwie damit brüstet, „die Wahrheit“ auszuhalten, die ja sonst andere – z.B. religiöse Menschen – kaum ertragen können?
Das müssen ja gravierende Wahrheiten sein, fragt man dann nach, worum es geht, sind das Botschaften wie die, dass es keinen Sinn in der Welt gibt, dass wir sagenhaft bedeutungslos sind, gar nicht im Zentrum des Universums stehen und nicht mal immer einen freien Willen haben. Was Freud noch belegen konnte, ist in der Hirnforschung in einer Orgie von Selbstwidersprüchen aufgebauscht worden und gleichzeitig in der praktischen Bedeutung völlig versandet.
Toll. Nun wissen wir, dass wir kleine Zufallsprodukte irgendwo am Arsch einer Welt sind, die irgendwann den Kältetod stirbt, die sich von Zahnbelag-Bakterien allenfalls quantitativ unterscheiden, das hat Gottfried Benn schon besser auf den Punkt gebracht.
Da liegt es dann nahe, dass man wenigstens versucht das Maximale aus seinem, bedeutungslosen
Aufblitzen – im kosmischen Maßstab – herauszuholen. Diese Verzicht auf Moral Idee, ist vermutlich mit das Blödeste, was die Welt in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

Ich will jetzt nicht zum zigsten Mal drauf rumreiten, aber eine wertfreie Ethik ist irgendwie die Quadratur des Kreises.

ujmp hat geschrieben:Das klingt wieder nach der Aufforderung, jede x-beliebige Meinung gleichwert zu achten, weil ich selbst fehlbar bin. Wenn ein Mensch zu feige oder faul ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, dann tut er mir leid. Wenn ich keine eigene Meinung haben darf, welche Meinung soll ich denn dann haben? Natürlich deine! Die ist mir aber zu fad, sie beruht auf dem Glauben an Autoritäten, die du nur halb verstehst. Und sie lähmt, denn eine Meinung, die nichts ausschließt, beinhaltet auch nichts.


Da sind wieder einige Punkte drin, bei denen ich schlicht nicht weiß, wie Du darauf kommst.
Ich sagte doch schon mal, dass ich nicht meine, dass jede Meinung gleich gut ist, ich stehe ideologisch der Postmoderne eher fern als nah und sehe klare Qualitätsunterschiede.
Ich kann auch nicht erkennen, dass ich Dich dazu aufgerufen hätte, irgendjemandem blind zu folgen, vor allem nicht mir, aber die Kritik an Popper würde ich schon ernst nehmen. Musst Du nicht tun, m.E. ist sie aber gut begründet.

ujmp hat geschrieben:Meine Religiösität war ein Realitätsfluchtversuch. Ich habe sehr viel Anlass, die Realität nicht zu mögen. Ich hab nach einer anderen Realität gesucht. Es gibt aber nur die eine Realität und man kommt, wenn man an ihr teilnehmen möchte, am besten mit ihr klar, wenn man sich ihr anpasst oder sie verändert, aber nicht, indem man vor ihr flieht.


Gut, das ist Deine Quintessenz, die will ich Dir als Dein Ergebnis natürlich lassen, für den Diskurs ist eben das tatsächlich der spannendste Punkt. Denn, über die Realität wissen wir sehr wenig, über das, was wir Wirklichkeit nennen, können wir uns austauschen und da offenbaren sich doch gerade die immensen Unterschiede. Ist denn nicht die Intention der Brights genau die, zu betonen, dass die Interpretation der Religionen völlig falsch sind?

Dieses sich einigen auf Grundlagen, die alle teilen, sind in den allermeisten Fällen lebenspraktische Grundlagen. Wenn das nicht eine ungeheure Banalität werden soll, bei der man sich wechselseitig versichert, dort sei ein Baum, da ein Auto, hier ein Hund, müsste man eigentlich gerade feststellen, dass hier die Unterschiede nun wirklich nicht liegen, sondern in der Interpretation (im landläufigen Wortsinn), da aber knackig.
Da kann man dem Gläubigen dann noch sagen, auch für ihn gälten die Naturgesetze, na klar, gleichzeitig wird dabei aber übersehen, dass es vermutlich kaum zu erklären ist, wie man überhaupt über Naturgesetze verstoßen kann, aber damit mehr oder weniger implizit behauptet wird, dass es Menschen gibt, für die kulturelle Parameter, soziologische und psychologische Regeln nicht gelten, denn Naturwissenschaftsgläubige meinen nicht selten, das seien irgendwie nachgeordnete Regeln, in Wirklichkeit geht der ganze Streit um Religion oder nicht genau um diese Regeln und nicht wirklich über die Schwerkraft.

ujmp hat geschrieben:Religion ist wie Alkohol: Du kannst deine Probleme damit wegsaufen, aber am nächsten Morgen sind sie wieder da - plus dem Alkoholproblem. Die Feststellung, dass es einfach nicht stimmen kann, was die Bibel und meine Freunde und viele sehr liebe Menschen sagen, war ein eher unbehaglicher Prozess.


Klar, verständlich.
Bei mir ist es anders und ähnlich zugleich. Nur mich interessiert viel mehr wie es weitergeht, weil ich die Interpretationen der allermeisten Naturalisten im Kern so plump und unzureichend und vor allem, an so ziemlich allen Fragen, die Menschen tiefer bewegen vorbeigeht, dass mich der Ringkampf von Blind gegen Hilflos nicht sonderlich vom Hocker haut.

ujmp hat geschrieben:Ironischerweise bin ich zur Wissenschaftstheorie gestoßen, weil ich überzeugt war, dass die Bibel mit der Wissenschaft vereinbar wäre und ich wissen wollte, was man unter "Wissenschaft" versteht.


Das war für mich nie ein Thema. Ich bin mit den Naturwissenschaften groß geworden und konnte schon als Kind nicht verstehen, wie erwachsene Menschen die Bibel ernst nehmen können, da sie eben voll von faktischen Fehlern ist. Als Kind sicher ein kluger Gedanke, aber warum erwachsene Menschen, die sich als geistige Elite sehen wollen, das was ein normales Kind kapieren kann, nun als das Höchste verkaufen wollen und in aller Regel in philosophische Diskurse qualitativ noch nicht einmal hineinkommen – geschweige, dass sie irgendwas Bahnbrechendes dazu beitragen würden – das passt für mich nicht zusammen.

ujmp hat geschrieben:Konsequenterweise meine ich nicht zu einer Wahrheit durchgedrungen zu sein, sondern zu einer Falschheit - der meiner einstigen Religion. Ich hab das sozusagen experimentell festgestellt.


Möglicherweise hast Du Deinen Glauben noch gar nicht richtig überwunden und klammerst Dich jetzt an Popper. Ist das eine Möglichkeit oder kannst Du das ausschließen? Die Gefahr sehe ich wirklich bei Dir, weil Du Kritik an Popper (die nun keinesfalls aus der religiösen Ecke kommt) so beharrlich ignorierst. Lass Popper doch sterben, er hat doch gute Impulse beigetragen und hat möglicherweise auf anderen Gebieten sehr viel mehr Stärken gehabt, als ausgerechnet in der Wissenschaftstheorie und vor allem in der Praxis, wo er nun wirklich nicht groß verwendet wird.

Warum sollte es keine anderen Welten geben? Wenn ein Theaterregisseur (Neuenfels) sagt, er werde abtreten, wenn ihm sein Blutdruck wichtiger sei als ein Vers von Kleist, dann ist das eine Welt, in der die meisten nicht zu Hause sind. Die Welt in der ein Kafka sich in schwindelerregende Höhen vorwagte (kongenial eingefangen in den Biographien von Reiner Stach), da leben nicht viele. Herbert von Karajan Herzfrequenz blieb nahezu dieselbe, wenn er zu Mittag aß oder ein Flugzeug steuerte, wenn er aber dirigierte ging mitunter bei ihm die Post ab, nicht wegen der körperlich anstrengenden Passagen, sondern bei den emotional ergreifenden. Wenn der Verhaltensforscher und Lorenz Schüler Trumler seine Beobachtungen durchführte, merkte er mitunter nicht, wie die Heizung im Raum ausging und er über Stunden im kalten Raum regungslos dort saß.

Leben die nun alle in der gleichen Welt, wie Du und ich?
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