Nanna hat geschrieben:Es ist schwierig, hier nicht in dualistische Fahrwasser zu geraten, aber es scheint gewisse Metaebenen zu geben, sobald wir Sprache verwenden, in denen nicht-essentielle Begriffe existieren - was für den Anhänger eines strikten Physikalismus schwierig ist.
So weit musst Du glaube ich gar nicht gehen.
Was ist bspw. ein gesprochenes oder ein geschriebenes Wort. Physikalisch nur ein paar Schallwellen, die A produziert und B hört, oder A geformte Farbe auf Papier oder bestimmte Zeichen, die sich von einem Untergrund abheben und ggf. eine Botschaft, eine intentionale Information übermitteln . So weit ist das alles einfach, doch schon die biologische Erklärung warum wir bestimmten Wörtern eine höhere oder niedrigere Priorität einräumen, nicht mehr: Eine Nachricht kann unser ganzes Leben verändern und eine die vielleicht ganz ähnlich klingt, löst gar nichts aus. Ein Satz heute kann mich erschüttern, der gleiche vor einer Woche oder in 10 Jahren lässt mich völlig kalt.
Biologisch hat man eigentlich kaum eine Ahnung, was da passiert. Klar, man kennt verschiedene Zentren im Hirn in denen Sprache verarbeitet wird und vor allem Ausfälle spezifischer Areale und die daraus resultierenden Fehlfunktionen geben uns Aufschluss.
Dieses Wissen erklärt allerdings nicht den emotionalen Gehalt einer Botschaft, es erklärt nicht, warum der eine von Rilke angetan ist, während der andere nur mit den Achseln zuckt.
Schon wenn man diese Ebene im Luhmannschen Sinne reduziert, nämlich indem man sich einfach denkt, dass das wohl sehr komplizierte biologische Prozesse sein müssen und diese ausblendet und einfach versucht herauszufinden was eigentlich an Rilkes Gedichten besonders ist, ist das eine sehr schwierige Geschichte. Biologisch findet man dann schon so gut wie gar nichts dazu und wir sind längst noch nicht auf der biochemischen oder gar physikalischen, geschweige quantenphysikalischen Ebene angekommen.
Das sieht wohl auch Dennett so und wenn Du fragst –
Nanna hat geschrieben:Wie passt diese antireduktionistische Rede zum eliminativen Programm Dennetts, kann mir das jemand erklären?
– dann ist meine Antwort darauf, dass Dennett kein Antireduktionist ist, aber sich gegen einen Reduktionismus wendet, der viele Stufen unter der Ebene ist, die wir näher untersuchen wollen. Verhalten, so ist Dennett überzeugt, ist biologisch zu erklären, aber ein quantenphysikalischer Rohrkrepierer.
Konsequenterweise müsste man ganimed zustimmen. Wenn der Reduktionismus funktioniert und die besten, wahrsten, exaktesten Ergebnisse bringt, wenn uns bspw. die Kombination aus Wahrnehmungspsychologie und Evolutionsbiologie weiter bringt um Verhalten zu erklären, dann sollte man, mindestens perspektivisch bis zur Ebene der Quanten durchmarschieren, wenn nicht jetzt, dann ins 20 oder 2000 Jahren.
Meistens wird das als technisches Problem gesehen, man ist noch nicht so weit, von der Auslösung der Teilchenbeschleuniger und der Leistungsstärke der Computer her betrachtet.
Doch hier liegt auch ein prinzipielles Problem, vielleicht sind es auch zwei.
Auch diese kleinsten Teilchen müssen ja nicht nur abgebildet, sondern verstanden werden.
Um ein Wort zu verstehen, muss ich einen Satz verstehen, um den Satz zu verstehen, eine Sprache (mindestens Cluster, die mir erlauben den Sinn eines Absatzes zu verstehen).
Quanten sind ja für den, der sie verstehen will – und auch da ist es egal, ob ich denjenigen, der das will als Ich ansehe oder selbst als Quantenballung, die sich als ich ansieht – auch eine Sprache.
Das Subjekt/der Beobachter ist für den Erkenntnisakt immer die primäre Voraussetzung.
Um einen Begriff auf Quantenebene zu verstehen, muss ich also auch hier den Satz und den Absatz verstehen, plus die Tatsache, warum A den Absatz so versteht, wie er es tut und B ihn ganz anders deutet. Diesen biopsychologischen Hintergrund über den man schon nichts weiß, muss man nun noch in Quantensprache übersetzen, d.h. man müsste verstehen, welche spezifische zeitlich-räumliche Anordnung von Quanten (stehen die überhaupt still, so dass man Momentaufnahmen auswerten könnte? Gibt es überhaupt die
eine Konstellation um die Konjunktion „und“ in deutscher Sprache zu verstehen, oder könnten da bottom up auch 20 verschiedene Wege möglich sein?) und zugleich noch in den Quantenstrom einbetten, der bspw. die sozial- oder gesellschaftspsychologische und biogenetische Herkunft erklärt, weshalb nun A ein Wort so versteht, während es für B eine andere Bedeutung hat.
Denn wer definiert genau wieviel von der Quantenwelt-Gesamtheit man verstehen muss, um den Satz „Diesen Satz verstehe ich nicht“ oder einen Elefanten oder die Demokratie, oder eine Gottes-Hypothese zu erklären?
Wäre das nicht schon kompliziert genug gibt es da ein großes Problem. Quantenphysikalische Momentaufnahmen erlauben keinen Blick in die Geschichte. (Ausnahme: Man kennt alle Quantenorte und alle Regeln ihrer Interaktion und Anfangsbedingungen. Dann allerdings gibt es schlicht keinen Zufall.)
Aber, selbst wenn man alle Anfangsbedingungen genau kennen würde, käme man in das Paradoxon des Laplaceschen Dämons. Beobachtungen auf der Quantenebene sind eben keine reinen Beobachtungen, sondern Eingriffe in die Welt (eigentlich ist das jede Beobachtung, aber dort hat man es festzurren können). Man beobachtet also nicht mehr einfach „die Welt“, „die objektive Realität“, „die (quanten)physikalische Ebene der Wahrheit“ sondern man verändert sie aktiv.
Könnte man das allwissend mit hineinrechnen, würde man damit dennoch nichts gewinnen, weil das logisch in einen Regress führt und empirisch gibt es keinen Referenzwert wie die Welt wirklich abgelaufen wäre. Der Regress ist ein prinzipieller Einwand, gegen die Möglichkeit der Erkenntnis eines quantenphysikalischen Ganzen.
Dennett argumentiert zwar etwas anders (er macht es sich leichter und sagt Hefe und Hirn sind von den kleinsten Bausteinen her gesehen identisch), in der Konsequenz müsste er aber hier landen.
Dennoch gibt Dennett dem Reduktionismus das Vorrecht, aber eben dem, der eine Ebene tiefer liegt. Vom Gedanken, aufs Gehirn, gegen den Einwand des kategorialen Irrtums sichert er sich ab, dadurch dass er allem was nichtreduzierbar erscheint einfach die Berechtigung entziehen möchte.
Kann ja keiner sagen, was Qualia sein soll, also gibt es Qualia auch nicht.
Dennett ist also im Grunde für eine pragmatische Reduktion, die immer bottom up verläuft und behauptet, dass wir durch sie und allein durch sie mehr erfahren. Dem widersprechen heute viele.
Thomas Fuchs spricht davon, dass es längst nachgewiesen sei, dass die Psychotherapie top down auf die Biochemie des Gehirns und seine Mikrostruktur einwirkt und auf Prozessen des Verstehens beruht, Psychopharmaka hingegen Veränderungen auf dem bottom up Weg über die Biochemie vollbringen:
Thomas Fuchs hat geschrieben: „Von einer Verursachung können wir streng genommen nur innerhalb eines Aspektes sprechen: von einer psychologischen Verursachung bezogen auf die Verknüpfung von Erlebnissen, Motiven und Handlungen, und von einer biologischen Verursachung bezogen auf die beteiligten neurologischen Mechanismen. Auch wenn wir die Einheit beider Aspekte im Lebewesen, in der lebendigen Person annehmen müssen, bleiben sie doch voneinander geschieden wie die zwei Münzen einer Medaille, von denen keine auf die andere wirkt.
Bei all seinen faszinierenden Leistungen ist das Gehirn doch kein Weltschöpfer, sondern in erster Linie ein Organ der Vermittlung der Transformation und der Modulation. […]
Wenn Subjektivität nicht ein abstrakter Innenraum ist, sondern nur verkörpert, lebendig und in die Welt eingebunden existiert, so kann ich sie nicht erfassen, indem ich bestimmte physiologische Trägerprozesse im Gehirn beschreibe. Ein bestimmter Hirnzustand ist die notwendige Bedingung dafür, in einem bewussten Zustand zu sein, aber welchem Zustand dieser Hirnzustand entspricht, ist nicht hinreichend durch seine Mikrostruktur bestimmt, sondern darüber hinaus durch seine konkreten Beziehungen zur Umwelt.“
Das Gehirn – ein Beziehungsorgan
Information Philosophie, Heft 5/2010, S.24