Kinderarmut in Deutschland

Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon ganimed » Mi 1. Aug 2012, 15:11

stine hat geschrieben:Dass sich sozialschwache Familien über Generationen hinweg schon nicht ausreichend um ihren Nachwuchs kümmern, und das jetzt auch noch trotz staatlicher, finanzieller Unterstützung, ist doch immer noch die Ursache, dass es dort den Kindern schlechter geht. ... Was sollen die Politiker deiner Meinung nach tun? Ist das wirklich wieder einmal ein Problem, das Politik lösen kann? Oder braucht es etwas anderes? Was immer das ist?

Genau das meine ich ja. Was soll sich deiner Meinung nach ändern? Sollen die sozialschwachen Familien plötzlich sozial stark werden? Sollen aus Ungebildeten plötzlich gebildete Leute werden? Du siehst das Problem bei diesen Leuten, woraus ich schließe, dass du auch die Lösung dort siehst. Aber das wäre doch Unsinn. Nicht die gesellschaftlich Unterbemittelsten, die Machtlosesten, die Ahnungslosesten werden etwas an dem Problem ändern. Natürlich kann man eine Lösung und eine Änderung nur bei den Machern, bei den Mächtigen, bei den Gestaltern suchen. Die Politiker reden doch immer davon, gestalten zu wollen. Ich finde es daher naiven Quatsch, den Ärmsten der Armen (in Deutschland, relativ gesehen) den schwarzen Peter, irgendeine Verantwortung und vielleicht sogar einen Lösungsauftrag zuzuschieben.

stine hat geschrieben:Nicht wer abrutscht hat ein Problem, sondern wer sich aufgibt.

Dieses Gerede erscheint mir relativ unlogisch. Du meinst wirklich, ein ungebildete, überforderte, alleinerziehende Mutter hätte deswegen ein Problem, weil sie sich aufgegeben hätte? Und wieso hat sie sich angeblich aufgegeben? Es klingt bei dir, als hätten Menschen eine Wahl gehabt, als wären sie gefragt worden: willst du ein vernünftiges Leben führen und deine Kinder vernünftig erziehen, oder willst du sozial schwach, ungebildet und verarmt leben und mit den Kindern überfordert sein? Und du wirfst jetzt den entsprechenden Leuten vor, dass sie sich für das falsche entschieden hätten? Selbst schuld? Diese Logik kann ich nicht ganz nachvollziehen. Mir scheint stattdessen völlig offensichtlich, dass natürlich jemand nur unverschuldet in diese Lage kommt, weil die Lage nämlich so übel ist, dass sie sich freiwillig niemand aufhalsen wird. Natürlich wäre es wunderbar befreiend, wenn wir diesen Leuten eine Eigenverantwortung anhängen könnten, dann wären wir (bzw. die Politiker) die Verantwortung nämlich los. Sollen die Leute sich doch erstmal selber anstrengen, was immer das genau bedeuten soll, und wir haben ein ruhiges Gewissen. Sehr verlockend, aber wie gesagt, so völlig unlogisch, dass ich es schon wieder moralisch unanständig finde, sich so billig aus der Verantwortung zu ziehen.

stine hat geschrieben:Es gab aber sehr wohl eine Zeit, sagen wir mal so 30 Jahre zurück, wo es in die richtige Richtung ging.

Ich glaube, seit einigen Jahren, vielleicht seit 20 bis 30 Jahren, haben wir Reallohnverluste. Könnte der finanzielle Aspekt, die Zunahme von (relativer) Armut nicht doch auch Teil des Problems sein?
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Mi 1. Aug 2012, 18:45

Deine letzte Frage ist eindeutig mit Nein zu beantworten, weil die stagnierenden, bzw. rückläufigen Nettoeimkommen zwar die Menschen wieder etwas mehr fordern, aber letztlich, ich schrieb das schon, spielt sich der "Mittelstand" im Kopf ab. Ich kann sehr wohl entscheiden, wozu ich gehören möchte. Das hat mit Geld, dank der vielen Finanzhilfen (auch in der Schule)) erstmal gar nichts zu tun. Wenigstens in D nicht.

Die Lösung der beschriebenen Probleme sehe ich in der Ausbildung und hier schreibe ich tatsächlich nicht von Bildung, sondern von Ausbildung. Meine Anmerkungen von vorhin, die Schule betreffend, hast du geflissentlich überlesen oder bist du hier mit mir einer Meinung?

Schule hat den Auftrag, Menschen lebenstüchtig zu machen. Sie hat nicht den Auftrag, Menschen in eine Einbahnstraße zu schicken. Wenn dieses Dilemma geklärt ist, dann wird es allen besser gehen, weil sie sich wieder mehr zu helfen wissen.
Nimm doch mal unsere Eltern, sie haben auf alles ein Patentrezept und immer eine Lösung parat. Das haben viele jüngere heute noch nicht und lernen es auch nicht mehr, statt von den Alten Alltägliches zu lernen, monieren sie, dass die Alten ihre Kommunikationszentren nicht mehr bedienen können und mit den Features ihrer Handys überfordert sind. Die "Wichtigkeiten" haben sich verlagert.

Auf was will ich hinaus?
Armen Kindern in Deutschland ist nicht geholfen, wenn sie materiell ausgesorgt haben, sondern nur dann, wenn sie gelernt haben ihr Leben selbst zu gestalten, wenn man ihnen hilft, sich im täglichen Leben zu behaupten und ihnen zeigt, wie man das am Besten anpackt.
Es fehlt mE die Lebenshilfe, nicht die Sozialhilfe.

LG stine
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon ganimed » Mi 1. Aug 2012, 19:44

stine hat geschrieben:spielt sich der "Mittelstand" im Kopf ab. Ich kann sehr wohl entscheiden, wozu ich gehören möchte. Das hat mit Geld, dank der vielen Finanzhilfen (auch in der Schule)) erstmal gar nichts zu tun. Wenigstens in D nicht.

Da würden Wissenschaftler aber entschieden widersprechen. Studien zeigen doch immer wieder, dass ein Kind eben nicht entscheiden kann, was es werden will. Die finanzielle Ausstattung und der Bildungsgrad der Eltern bestimmen statistisch ziemlich eindeutig die Chancen des Kindes. Die Schule ändert da erschreckend wenig dran. Vermutlich auch weil sie zu spät kommt, da wären eher Kita und frühkindliche Förderung gefragt.

stine hat geschrieben:Die Lösung der beschriebenen Probleme sehe ich in der Ausbildung und hier schreibe ich tatsächlich nicht von Bildung, sondern von Ausbildung. Meine Anmerkungen von vorhin, die Schule betreffend, hast du geflissentlich überlesen oder bist du hier mit mir einer Meinung?

Ich habe es geflissentlich gelesen und widerspreche den meisten Punkten. Wie gesagt, der Wissensstand heute ist eher, dass die Schule nicht mehr viel hilft bei sozial benachteiligten Kindern. Jedenfalls ist das absolut keine Frage, ob Handarbeiten und Werken oder eher Naturwissenschaften gelehrt wird. Lächerlich. Ist doch völlig egal, was du dem Kind genau beibringst, hauptsache du förderst seine Neugierde, sein Selbstwertgefühl, vermittelst Freude am Lernen und soziale Kompetenz. Und das macht man idealerweise eben bereits im Kindergarten.

Auch dass du einen Zusammenhang zwischen unserem schnelleren Leben, mehr Handys, mehr Stress, mehr Anforderungen siehst, kann ich nicht nachvollziehen. Die sozialen Probleme von Kindern haben eindeutig mit Vernachlässigung, fehlerhafter Erziehung und mangelnder Bildung zu tun. Allerweltsgerede von hektischen Zeiten und größeren Anforderungen schweifen ab.

stine hat geschrieben:Armen Kindern in Deutschland ist nicht geholfen, wenn sie materiell ausgesorgt haben, sondern nur dann, wenn sie gelernt haben ihr Leben selbst zu gestalten

Wir hatten ja in zwei Aspekte getrennt. Bezüglich der Kinderarmut ist den Kindern natürlich sehr wohl geholfen, wenn sie materiell ausgesorgt hätten. Alle Lebensprobleme dieser Welt, da gebe ich dir recht, sind damit aber noch nicht gelöst.

stine hat geschrieben:Es fehlt mE die Lebenshilfe, nicht die Sozialhilfe.

Wenn du die Armut als Problem anerkennen würdest statt es zu ignorieren, dann würdest du vermutlich auch die Sozialhilfe als Lösung dieses einen Problems anerkennen können. Das andere Problem der sozialen Verkümmerung von Kindern, ist in der Tat durch Sozialhilfe allein vermutlich nicht zu lösen. Bildung ist da ebenso wichtig. Aber eben eher KITA als Berufsschule.

Und da bringe ich ja doch gerne wieder die Politiker ins Spiel. Skandalös, wie wenig Geld in Bildung allgemein und Kindertagesstätten und Kindergärten fließt. Lehermangel, Unterrichtsausfall, zu wenig KITA-Plätze und diese völlig anachronistische, destruktive Herdprämie, alles in allem eine Bankrotterklärung auf ganzer Linie. Wie schlecht es Kindern und sozial schwachen in Deutschland geht ist meiner Meinung nach auf eine verheerende Politik der letzten 30 Jahre (Kohl machte den Anfang) zurückzuführen. Verglichen damit ist das Gesundheitssystem ein richtiges Erfolgsmodell mit unglaublichen Verbesserungen in den letzten 3 Jahrzehnten.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Do 2. Aug 2012, 12:34

Ja, ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. Ganimed, der Sozialist auf ganzer Ebene :mg: . Deine Wortmeldung entspricht genau dem oppositionellem Gegacker SPD-getriebener Genossen und Genossinnen.
Darf ich daran erinnern, dass zwischen Kohl und Merkel noch ein anderer gewesen ist, und zwar ziemlich lange?
Aber egal. Dass jemand eine monetäre Anerkennung bekommen soll, weil er seinen Gelderwerb an den Nagel gehängt hat und es von nun an als Berufung sieht, sich um die Familie zu kümmern, das kann in den Augen der Genossen nicht angehen. Frauen gehören in den wirtschaftsfördernden Arbeitsablauf. Jawohl, Frauen haben die Pflicht, äh, das Recht auf eine Arbeit im Kollektiv.
Kinder in staatliche Obhut, Frauen an die Maschinen und dann sind alle gleich und allen geht es gleich bescheiden.
Der sozialistische Traum schlechthin.

ganimed hat geschrieben:Studien zeigen doch immer wieder, dass ein Kind eben nicht entscheiden kann, was es werden will. Die finanzielle Ausstattung und der Bildungsgrad der Eltern bestimmen statistisch ziemlich eindeutig die Chancen des Kindes. Die Schule ändert da erschreckend wenig dran. Vermutlich auch weil sie zu spät kommt, da wären eher Kita und frühkindliche Förderung gefragt.
Die Kinder können das freilich nicht entscheiden. Die Eltern tun das für sie. Sie entscheiden, wohin sie gehören möchten und wohin die Reise geht. Ein zu sicheres Polster in der sozialen Hängematte aber, gefährdet die Selbstbestimmung. Und das Schema wird von Generation zu Generation weitergegeben.
Die Eltern müssen geschult, sozialisiert und auf die Beine gestellt werden, dann können sie das ihren Kindern auch weitergeben. Die Kinder aus dem Elternhaus trennen und fremderziehen bringt für sich alleine nichts, solange der Tenor zu Hause der selbe bleibt.

Und nicht jeder ist bildungsfähig im Sinne einer akademischen Laufbahn und nicht jede akademische Laufbahn bringt auch den Erfolg, den man dafür erwarten könnte. Ausbildung muss breitgefächertes Allgemeinwissen, lebensnotwendiges Grundwissen und praktische Fertigkeiten beinhalten. Aber weder die Kinderkrippe noch der Kindergarten können das schon fürs Leben vermitteln. Grundschulen und weiterbildende Schulen müssen das leisten.
Abstraktes Lernen ist nur für die, die damit umgehen können und genau dafür ist das dreigliedrige Schulsystem gedacht. Vernünftig angewandt, kann es ein Segen sein. Wer allerdings erwartet, dass EIN Schultyp für alle gleichermaßen gelten muss, der kann nur irren. Wer die einen ausbremst, hat den anderen damit nicht geholfen.

Den Menschen vorzuschreiben wie sie ihr Leben gestalten müssen, heißt ihnen die Freiheit zu nehmen und sie totalitär zu bevormunden. Das darf niemals Grundlage für einen freien Staat sein.

Deshalb ist Krippenpflicht und KiTa-Pflicht für mich keine Alternative. Auch wenn es darum geht, sozialschwache Familien zu ihrem Glück zwingen zu wollen. Familienbetreuung und Hilfe zur Selbsthilfe sind für mich der richtige Weg.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon ganimed » Do 2. Aug 2012, 18:28

stine hat geschrieben:Ja, ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. Ganimed, der Sozialist auf ganzer Ebene :mg: . Deine Wortmeldung entspricht genau dem oppositionellem Gegacker SPD-getriebener Genossen und Genossinnen.

Das ist ein ganz einfaches Gegacker. Wenn man nach 30 Jahren feststellt, dass es insgesamt mehr Geld in Deutschland gibt, viel mehr Millionäre, Wirtschaftswachstum nonstop und auf der anderen Seite hat die Armut zugenommen, die weniger gut verdienenden haben Reallohnverluste, Unicef beklagt Kinderarmut und Pisa-Studien beklagen das schlechte Bildungssystem, kann man da noch irgendeinen anderen Schluss ziehen als den, dass die Regierungen seit 30 Jahren versagen? Auch Schröder. Auf ganzer Linie. Nö, kann man nicht. Ist also kein Gegacker sondern fast schon selbstredend.

stine hat geschrieben:Die Kinder können das freilich nicht entscheiden. Die Eltern tun das für sie. Sie entscheiden, wohin sie gehören möchten und wohin die Reise geht.

So ein Unsinn. Arme, ungebildete Eltern ziehen arme, ungebildete Kinder groß (wie Studien zeigen). Und wenn diese Kinder dann groß sind, ziehen die wiederum arme, ungebildete Kinder groß (wie Studien ja bereits gezeigt haben). Dein Mantra, dass faule Eltern eben endlich mal fleißig werden sollen, dass sozialschwache Menschen sich endlich mal zusammenreißen sollen, dass Verlieren endlich mal zu Gewinnern mutieren sollen, ist einfach nur ignorant in meinen Augen, übersieht geflissentlich die Realität, in der ein Verlierer genau deshalb ein Verlierer ist, weil er es eben nicht schafft, eben mal so ein Gewinner zu werden.
stine hat geschrieben:Die Kinder aus dem Elternhaus trennen und fremderziehen bringt für sich alleine nichts, solange der Tenor zu Hause der selbe bleibt.

Wieder so eine realitätsleugnende Behauptung von dir, die unbegründet daher kommt und unlogisch erscheint angesichts der Studien, die dem genau widersprechen. Wenn ungebildete, uninteressierte, unsoziale Eltern mit Kindern völlig überfordert sind, dann ist das Fremderziehen die wirklich einzige kleine Chance, die die Kinder hätten. Müsste doch sogar für dich logisch sein.

Deine restliche Argumentation über Schultypen, Lehrpläne und Akademikerschwemme halte ich für irrelevant. Verwahrloste Kinder landen in Hauptschulen, da brauchen wir uns über Feinheiten der Lehrpläne und Abiturzahlen nicht unterhalten. Es geht darum, die Kinder im Vorschulalter zu fördern, weil sie zu Hause nicht gefördert werden.

stine hat geschrieben:Den Menschen vorzuschreiben wie sie ihr Leben gestalten müssen, heißt ihnen die Freiheit zu nehmen

Das ist dann aber endgültig ein ideologisches Gegacker, diesmal aus der rechten Unions-Ecke. Was ist denn mit Schulpflicht? Da ist es für dich plötzlich in Ordnung, jedem Menschen zwischen 6 und 15 Jahren vorzuschreiben, wie sie ihr Leben gestalten müssen? Und wenn jemand das für das Vorschulalter vorschriebe (was ich übrigens gar nicht will, nur anbieten und Anreize schaffen), dann haust du willkürlich mit diesem völlig überzogenen Freiheits-Quatsch zu?

stine hat geschrieben:Familienbetreuung und Hilfe zur Selbsthilfe sind für mich der richtige Weg.

Das ist die Schlußfolgerung aus deinen Behauptungen vorher, die mir aber wie gesagt unlogisch und falsch oder irrelevant erscheinen. Die soziale Wirklichkeit, die Forschungsergebnisse dazu und die letzten 30 Jahre unbeirrter, konservativer Familienpolitik zeigen ganz klar, dass dein richtiger Weg ziemlich falsch ist. Aber das hat einen Konservativen (wenn ich jetzt mal wieder oppositionell gackern darf) ja noch nie vom sturen Festhalten an alten Wegen abgehalten.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Do 2. Aug 2012, 20:32

Nun ja, Millionäre hin oder her, der Durchschnittsbevölkerung ging es noch nie so gut wie heute. Das dürfte selbst dir aufgefallen sein. Bestes Beispiel dafür sind die Staus auf der Autobahn an jedem Wochenende. Da stehen nicht nur Kleinwagen an Kleinwagen und der Spritverbrauch spielt offensichtlich auch bei 1,70 € pro Liter keine Rolle.

Aber wie es der Mehrheit geht interessiert Herrn Ganimed ja nicht, weil Unicef mit Schreckensbildern Geld spendiert haben möchte. Das kann man jetzt auch widerrum sehen wie man will. Statistiken sind zwar immer selbsterklärend, aber jede für sich sehr unvollständig und dienen immer einer ganz bestimmten Sache.

Ansonsten argumentierst du genau wie die mittelmäßig informierten Presseblätter, die sich verkaufen wollen. Ich glaub dir nur, wenn du mir aus dem Stegreif 10 arme Familien in deinem Umfeld nennen kannst, deren Kinder auf Essen und Spielzeug verzichten müssen.

Natürlich gibt es immer Familien in D, die weniger haben, als der Durchschnitt, aber selbst denen geht es heute besser, als dem Durchschnitt von vorgestern.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon photona » Fr 3. Aug 2012, 02:22

stine hat geschrieben: Letztlich ist es eine ganz persönliche Sache, wozu man sich zählt und wie man sich fühlen möchte.
LG stine


In diesen Worten spiegelt sich ein Gutteil jenes zusammenhangslosen und entmenschlichten Denkens wieder, das den jeweils Denkenden auf die Rolle des Protagonisten in einer Mär "vom Schmiede seines eigenen Glückes" herunterbricht. Insgesamt wenig brillant und in globaler Perspektive ziemlich hirnrissig.

Zwar schwimmst Du damit auf der Welle der mittlerweile nahezu planetar existierenden realkapitalistischen Esoterik, nach der des Menschen sei, wie er sich mit seiner "ganz persönlichen Sache fühlen möchte" - aber aus dem Gefühl für die bloße ganz persönliche Sache erwächst mitnichten eine gesellschaftliche Perspektive. Auch wenn uns die Herrschaft seit Menschengedenken Gegenteiliges suggeriert.

Wenn jeder an sich denkt ist an alle gedacht? Der homo oeconomicus benötigt keine Kinder.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Fr 3. Aug 2012, 14:42

photona hat geschrieben:...nach der des Menschen sei, wie er sich mit seiner "ganz persönlichen Sache fühlen möchte" - aber aus dem Gefühl für die bloße ganz persönliche Sache erwächst mitnichten eine gesellschaftliche Perspektive.
Doch, genau das tut es. Aus dem Gefühl, wie ich sein möchte und wo ich dazu gehören möchte, ganz genau daraus erwächst zuerst die persönliche Perspektive, aus der schließlich eine ganze Gesellschaft werden kann.

Dass es Menschen gibt, die für sich und die ihren gar nichts wollen ist ein Lebensmodell genauso, wie das, dass Menschen für sich und die Ihren alles haben wollen. Es kostet Energie, irgendwie sein zu wollen. Arm sein ist einfacher und verpflichtet zu nichts. Auch das muss einmal gesagt werden.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon Nanna » Fr 3. Aug 2012, 17:07

stine hat geschrieben:Es kostet Energie, irgendwie sein zu wollen. Arm sein ist einfacher und verpflichtet zu nichts.

Reiche sind selten als Tellerwäscher geboren worden. Natürlich gibt es gerade in der Mittelschicht einen enormen Leistungsdruck, aber als Millionär lebt es sich definitiv nicht schwieriger als als Sozialhilfeempfänger. Zudem ist Arm sein nicht "einfach", höchstens von deinem spezifischen Standpunkt mit deinen spezifischen Maßstäben, die du nur deshalb hast, weil du eben nicht zu dieser Gruppe gehörst. Du arbeitest für dein Geld und empfindest das sicherlich häufig auch als fordernd und anstrengend, subtrahierst du die Arbeit von deinem Leben, scheint auch die Anstrengung zu verschwinden. Es ändert sich dann aber von vorne bis hinten alles, wenn man das zu Ende denkt, man wird eben nicht arm und behält alle seine sonstigen Privilegien, die mit einem Mittelschichtsleben verbunden sind.

stine hat geschrieben:Auch das muss einmal gesagt werden.

Komm ey, mit dem Satz kann man sich nur ins Knie schießen.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon photona » Sa 4. Aug 2012, 02:41

stine hat geschrieben:
photona hat geschrieben:...nach der des Menschen sei, wie er sich mit seiner "ganz persönlichen Sache fühlen möchte" - aber aus dem Gefühl für die bloße ganz persönliche Sache erwächst mitnichten eine gesellschaftliche Perspektive.
Doch, genau das tut es. Aus dem Gefühl, wie ich sein möchte und wo ich dazu gehören möchte, ganz genau daraus erwächst zuerst die persönliche Perspektive, aus der schließlich eine ganze Gesellschaft werden kann.


Zäumst Du da das Pferd nicht von hinten auf?

Die "ganz persönliche Sache" bedarf, um eine solche zu sein, einer Referenz, weil das Menschsein ausmacht, ein soziales Wesen zu sein, welches sich orientiert an den sozialen Wesen, die es umgibt. Die "ganz persönliche Sache" kann darum niemals ein menschlicher Wert an sich sein. Insofern kann ein einzig auf sich bezogenes Wesen dem Grunde nach kein Mensch sein.

Das "Gefühl", wie ein Menschenkind "sein möchte" und wo es "dazu gehören möchte", erwächst erst aus der es umgebenden Gesellschaft. Das aus dieser und in diese geborene Menschenkind kann seine Gesellschaft also nicht "werden" lassen. Denn diese Gesellschaft, bestünde sie auch einzig aus der eigenen Mutter, ist das Elixier der eigenen Existenz und damit die einzige Referenz einer "persönlichen Perspektive" als soziales Wesen, als Mensch. Und nicht umgekehrt.

stine hat geschrieben: Es kostet Energie, irgendwie sein zu wollen. Arm sein ist einfacher und verpflichtet zu nichts. Auch das muss einmal gesagt werden.


Dann ist "arm sein wollen" also vom "irgendwie sein wollen" ausgenommen? Oder ist es nicht vielleicht doch besser, nach einem aus der "persönlichen Perspektive" erwachsenen "Gefühl, wie ich sein möchte" zu leben? Denn das ist einfacher und verpflichtet zu nichts (außer mich mir selbst). Warum allerdings das, was täglich und tausendfach in den meinungsmachenden Drecksblättern dieser Welt herniedergeschmiert wird, nun auch noch von Dir noch "einmal gesagt werden muss", ist mir ein Rätsel.

p.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon miranda » Sa 4. Aug 2012, 08:56

ganimed hat geschrieben:Pisa-Studien beklagen das schlechte Bildungssystem,

Hallo,
ich möchte nur mal darauf hinweisen, dass in anderen Ländern bei den Pisa - Tests durchgängig die Praxis herrschte, den Schülern zu den Tests gleich die Antwortbögen mitzuliefern.Das weiß ich von Lehrern, die in diesen Ländern damals als Auslandslehrer/innen tätig waren. Ansonsten finde ich, dass hier viel wiederholt wird, was so in den Medien geschwätzt und vorgebetet wird. In anderen Ländern sind die Schüler länger zusammen und auch nicht dümmer. Man kann Begabte trotzdem gut fördern, ohne die Klassengemeinschaften gleich nach der 4. Klasse auseinanderzureißen. Der ganze ideologische Mist und das ewige Geschimpfe wer Schuld hat an der Misere, hängt mir zum Hals raus, weil es aber schon gar nichts ändert!!!
Miranda
Zuletzt geändert von Nanna am Sa 4. Aug 2012, 09:57, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitat repariert
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Sa 4. Aug 2012, 18:20

miranda hat geschrieben:Der ganze ideologische Mist und das ewige Geschimpfe wer Schuld hat an der Misere, hängt mir zum Hals raus, weil es aber schon gar nichts ändert!!!
Hier sind wir absolut einer Meinung.

photona hat geschrieben:Warum allerdings das, was täglich und tausendfach in den meinungsmachenden Drecksblättern dieser Welt herniedergeschmiert wird, nun auch noch von Dir noch "einmal gesagt werden muss", ist mir ein Rätsel.
Wo und welchem Zusammenhang hast das Wort "Kinderarmut" zuletzt gelesen? Das würde mich interessieren.
ME wird mit dem Hinweis auf Kinderarmut in D immer dann gerne argumentiert, wenn die Sozialtöpfe wieder einmal leer sind und Einnahmen generiert werden müssen, die dann allerdings selten dorthin fließen, womit man vorher für sie geworben hat.

Ich sehe das Wort nach wie vor nicht als Hinweis auf finanzielle Schlechtergestelltheit. Die Kinder sind mE arm dran, weil sie früh funktionieren müssen und weil sie eigentlich keinen Platz mehr haben, in einer Gesellschaft von lauter Menschen in ihrer ichbezogenen Lebensphase. Und das betrifft die Kinder querbeet.
Im übrigen weiß @ganimed wohl am besten, was er sich ganz genau mit dem Fingerzeig auf die Kinderarmut in D gedacht hat.

Nanna hat geschrieben:Komm ey, mit dem Satz kann man sich nur ins Knie schießen.
:desperate: Ja, ich merk schon, wie ich jetzt hinke. Einmal ne andere Meinung vertreten und schon hacken alle auf einem rum. Ist für viele schwer, mal den professionell eingestellten Blickwinkel zu verändern.
Anscheinend sind hier alle von der Kinderarmut betroffen und nur ich weiß wieder mal nicht, wie sich das anfühlt.

Kinder brauchen Sicherheit und liebevolle Eltern oder Großeltern. Ob 's Nudeln oder Kaviar gibt, dürfte ihnen in der frühen Phase noch ziemlich egal sein.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon Nanna » So 5. Aug 2012, 06:54

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Komm ey, mit dem Satz kann man sich nur ins Knie schießen.
:desperate: Ja, ich merk schon, wie ich jetzt hinke.

Es ist nur nicht so, dass du damit ein Tabu brechen würdest, das den berühmten Das-wird-man-wohl-noch-sagen-dürfen-Gestus rechtfertigen würde (man kommt im Leben meiner Meinung nach eh höhstens zwei- bis dreimal in Situationen, wo der Satz angebracht ist).

stine hat geschrieben:Einmal ne andere Meinung vertreten und schon hacken alle auf einem rum. Ist für viele schwer, mal den professionell eingestellten Blickwinkel zu verändern.

Das ist gar nicht so schwierig, nur tut man es nicht zugunsten eines Blickwinkels, der einen nicht weiter bringt.

stine hat geschrieben:Anscheinend sind hier alle von der Kinderarmut betroffen und nur ich weiß wieder mal nicht, wie sich das anfühlt.

Es geht darum, was Kinderarmut auslöst und was sie bewirkt, um das festzustellen muss man nicht unter der Brücke aufgewachsen sein (ist wahrscheinlich sogar eher kontraproduktiv, weil man dann gar nicht erst den Bildungsgrad erreicht, der einen eine Statistik korrekt interpretieren lässt).

stine hat geschrieben:Kinder brauchen Sicherheit und liebevolle Eltern oder Großeltern. Ob 's Nudeln oder Kaviar gibt, dürfte ihnen in der frühen Phase noch ziemlich egal sein.

Du tust ein bisschen so, als würde das eine das andere ausschließen. Liebevolle Bezugspersonen machen dich leider nicht unbedingt fit für den Arbeitsmarkt, auch wenn, statistisch gesehen, Stabilität und liebevolle Anleitung in der Kindheit eine notwendige Voraussetzung für spätere Lebenserfolge sind - aber eben keine hinreichende! Wenn in der Klasse des Kindes alle ins Kino oder auf den Schulausflug gehen können oder über das neueste Computerspiel reden oder sich über ihre Smartphones vernetzen, dann stirbt das (finanziell) arme Kind nicht daran nicht, ja schon klar. Aber es wird, hat es nicht außergewöhnliche soziale Fähigkeiten (die statistisch tendentiell eher negativ mit einem sozial schwachen Umfeld korrelieren!), von den Anderen ausgegrenzt werden, sei es bewusst, aus einem sich ankündigenden Standesdünkel heraus, oder, was meiner Meinung nach viel öfter der Fall ist, aus eher strukturellen Gründen: Wer keine ähnliche Lebenswelt teilt, hat weniger, worüber er sprechen (der neueste Kinofilm), weniger, womit (der Filmheld) oder wogegen (der neueste Bug im iPhone) er sich solidarisieren und weniger, worin er zum gegenseitigen Vorteil kooperieren kann (gemeinsam für den teuren Sportverein trainieren).
Mag sein, dass das für die frühkindliche Prägung alles noch keine Rolle spielt, aber da kommen eben zahlreiche Drittfaktoren ins Spiel, die mit Armut korrelieren, z.B. schon allein das statistisch wahrscheinlichere Nichtwissen der Eltern um die Bedeutung der frühkindlichen Phase. Die bildungsnahen Eltern nutzen diese Phase gezielt und schicken das Kind damit schon besser gerüstet in die Grundschule, oder pflegen allgemein einen Umgang miteinander und dem Kind gegenüber, das auf die soziale Wirklichkeit in bestimmten Schichten und Milieus vorbereitet ("Stallgeruch" entwickeln und Verhaltensregeln "mit der Muttermilch aufsaugen" sind nicht umsonst geflügelte Worte). Das heißt nicht, dass Unterschichtenkinder chancenlos sind, aber es für deren Eltern aufgrund karger Ressourcen (auch wenn alle sonstigen Faktoren konstant wären, was sie erschwerenderweise nicht sind!) schwieriger und es ist weniger wahrscheinlich, dass sie die Kenntnisse und eingeübten Fähigkeiten besitzen, ihre geringeren (!) Ressourcen mit derselbem Grad an Effizienz zu nutzen, den reichere Eltern haben.
Anders gesagt, Reichere haben mehr UND nutzen dieses Mehr auch noch effizienter, und Ärmere haben nicht nur weniger, sondern können dieses Weniger auch noch im Vergleich schlechter nutzen (auch weil z.B. der Anteil am Einkommen, der für Grundbedarf wie Lebensmittel aufgewendet werden muss, bei Armen den größten Teil auffrisst, wohingegen die Wohlhabenden einen größeren Prozentsatz ihres Einkommens für Bildungs- oder sozialfördernde Konsum- und Gemeinschaftsaktivitäten (Sport, Musikschule, Kino, Freizeitpark, Urlaubsreisen, etc.) oder Bildungsausgaben aufwenden können, was bedeutet, dass, wenn eine reiche Familie prozentual (also relativ) gesehen dreimal so viel Geld für diese Dinge ausgeben kann wie eine arme Familie, die reiche Familie in absoluten Zahlen vielleicht in Wirklichkeit zehn- oder zwanzigmal so viel Geld dafür hat, wie die arme).
Und je mehr in absoluten Zahlen für die Kinder der reicheren Eltern ausgegeben wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Lebenswelten reicher und armer Kinder immer weniger Schnittpunkte aufweisen, was auf Kosten der sozialen Entwicklung der ärmeren Kinder geht, die mit den gut gebildeten reicheren Kindern nicht mehr zusammenkommen, was von unmittelbaren Kompetenzen wie Sprachkompetenz bis hin zu Freundschaften, die später der Kern beruflichen networkings sein können, alles mögliche beinhaltet. Natürlich könnten die Kinder alle zusammen im Wald spielen und das würde keinen was kosten, aber übertragen auf die soziale Realität des durchschnittlichen Stadtkindes ist das etwa so, als dürfte das arme Kind in den Wald oder große Teile davon einfach gar nicht rein - und die reichen Kinder bleiben nicht immer auf der kleinen Lichtung, wo die Armen sein können, sondern sehen sich die spannenden Teile des Waldes an und sprechen dann darüber, was die anderen einfach ausschließt.
Arm sein bedeutet einfach übel dran sein und es reicht eben nicht, dass die Eltern sich ein bisschen anstrengen und ihr Kinder besonders doll lieb haben. Liebe ist ein Kernbestandteil einer guten Erziehung, aber die Kinokarte oder die Musikschulausbildung und damit den Eintritt in bestimmte Freundeskreise kann die Liebe armer Menschen einfach nicht bezahlen.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » So 5. Aug 2012, 11:20

Du hast das wieder einmal auf den Punkt gebracht, @Nanna. Ich teile deine Ansicht und kann deine Ausführungen gut nachvollziehen. Am besten nachvollziehen kann ich deine Ausführungen mit den effizienteren Investitionen reicherer Eltern in die frühkindlichen Fördermaßnahmen, wie Musikschule, Sportverein und vernetzende Türöffner.
Allerdings sehe ich bei diesen, deinen Aufzählungen auch, dass Kinderarmut so gesehen selbst mich und die meinen betrifft.
Was du beschreibst ist die Lebensweise der zweiten und dritten Generation jener, die es schon kurz nach dem Krieg zu etwas gebracht haben. Ich nehme an, dass die meisten, die hier schreiben, auch dazugehören, weil bright sein auch etwas von akademisch gebildeten, kirchenfernen Eltern hat.
Erst im Wirtschaftsboom der 70er Jahre haben auch Arbeiterfamilien sich eine Eigentumswohnung oder ein Häuschen erwirtschaften können und haben damit mitnichten das Gefühl "arm" zu sein. Da aber die Messlatte, wie man sein muss und was man haben muss und wo die Kinder überall mitmachen müssen, inzwischen wieder um ein Vielfaches höher gehängt wurde, gebe ich dir und allen anderen, die hier die Kinderarmut in Deutschland beklagen, recht darin: Viele Kinder sind in Deutschland arm, sie können da nicht mehr mithalten!

Zum Glück ist es vielen noch gar nicht bewusst, dass sie dazu gehören.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Mo 6. Aug 2012, 16:38

stine hat geschrieben:Zum Glück ist es vielen noch gar nicht bewusst, dass sie dazu gehören.
Ich meinte natürlich: Zum Glück ist es vielen noch gar nicht bewusst, dass sie eigentlich schon wieder zu denen gehören, die von der Kinderarmut betroffen sind.

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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon ganimed » Mo 6. Aug 2012, 21:36

miranda hat geschrieben:ich möchte nur mal darauf hinweisen, dass in anderen Ländern bei den Pisa - Tests durchgängig die Praxis herrschte, den Schülern zu den Tests gleich die Antwortbögen mitzuliefern.Das weiß ich von Lehrern, die in diesen Ländern damals als Auslandslehrer/innen tätig waren.

Mein Logikmodul meldet Error. Wenn das wirklich wahr wäre, zumindest in einem signifikanten Ausmaß, dann wären ja große Teile der Pisastudie und ihre Empfehlungen und Aussagen der Lächerlichkeit preisgegeben. Und das hat bisher kein Journalist herausgefunden? Und deshalb habe ich davon noch nie gelesen? Und das soll ich glauben? Würde ich ja gerne, aber mein Logikmodul, das mit dem Modell von dieser Welt, sagt: nö, dann irren sich schon eher hunderte von Auslandslehrern in einer gemeinsamen Massenhalluzination.

stine hat geschrieben:Nun ja, Millionäre hin oder her, der Durchschnittsbevölkerung ging es noch nie so gut wie heute. Das dürfte selbst dir aufgefallen sein.

Woran soll mir das bitteschön aufgefallen sein? Ich versuche zumindest, im Radio zuzuhören, wenn Studien zitiert werden. Was sind deine Quellen?

stine hat geschrieben:Bestes Beispiel dafür sind die Staus auf der Autobahn an jedem Wochenende. Da stehen nicht nur Kleinwagen an Kleinwagen und der Spritverbrauch spielt offensichtlich auch bei 1,70 € pro Liter keine Rolle.

Nimm es mir nicht übel, aber ich glaube, dass ist nicht bestes Beispiel sondern ein eher schlechtes. Kann ja sein, dass die Anzahl der Autos absolut zugenommen hat. Aber bevor du das als Indiz für Wohlstand nimmst, müsstest du erstmal genau wissen, wie sich die Zahl der Nichtautobesitzer entwickelt hat in einem definierten Zeitraum. Und du müsstest wissen, was die Leute, die sich den Sprit leisten, sonst eventuell weniger leisten können. Dein Beispiel ist eher ein Beispiel für eine dümmliche, unwissenschaftliche und völlig aussagenlose Privatstatistik nach dem Motto: ich sehe doch, was in diesem Land los ist, weil ich gestern im Stau stand. Das ist schon reichlich naiv.

stine hat geschrieben:Aber wie es der Mehrheit geht interessiert Herrn Ganimed ja nicht, weil Unicef mit Schreckensbildern Geld spendiert haben möchte. Das kann man jetzt auch widerrum sehen wie man will. Statistiken sind zwar immer selbsterklärend, aber jede für sich sehr unvollständig und dienen immer einer ganz bestimmten Sache.

Und damit setzt du deiner Haltung aus meiner Sicht die Krone auf. Nicht nur, dass du völlig falsche Hinweise (Autobahnstaus) völlig unzuverlässig deutest, jetzt erklärst du einfach mal eine offizielle Statistik (in die naturgemäß Größenordnungen mehr an Sachverstand, Zeit, Geld usw. geflossen sind als bei deiner Beobachtung) als "unvollständig" und von dunklen Interessen verzerrt. Deine Privatstatistik (solange es Staus gibt, kann es ja niemandem schlecht gehen) ziehst du dem vor? Ja dann gute Nacht, stine. Da verabschiedest du dich aber deutlich vom ernsthaften Diskurs. Statistiken leugnen, Fakten relativieren und anzweifeln und lieber unbeirrt mit eigenen "Beobachtungen" die liebgewonnenen eigenen Ansichten zementieren. Wer außer dir selbst könnte dich von etwas anderem überzeugen?
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon photona » Mo 6. Aug 2012, 23:28

Hallo stine, nimm es mir bitte nicht übel, daß ich hier gleich 3 Auszüge aus Deinen Äußerungen zitiere, aber ich komme nicht so richtig klar damit, was Du eigentlich willst. Einerseits bist Du der Meinung, der Schlüssel zur Fähigkeit, aus dem falschen Leben ein richtiges zu machen, sei:
1.
stine hat geschrieben:Letztlich [...] eine ganz persönliche Sache, wozu man sich zählt und wie man sich fühlen möchte.

um dann Dinge wie
2.
stine hat geschrieben:Die Kinder sind mE arm dran, weil sie [...] eigentlich keinen Platz mehr haben, in einer Gesellschaft von lauter Menschen in ihrer ichbezogenen Lebensphase.

oder
3.
stine hat geschrieben:Kinder brauchen Sicherheit und liebevolle Eltern oder Großeltern.

festzustellen.

Die kritisierte Gesellschaft mit Menschen, die Du unter 2. charakterisiert, besteht am Ende aus Charakteren, die es genauso halten, wie man es, laut 1., Deiner Ansicht nach halten sollte. Doch so dürfte es schwerlich gelingen, die heheren Kriterien von 3. zu erfüllen.

Wo ist die Pointe?
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Di 7. Aug 2012, 08:52

Welche Pointe?
Die gibt es nicht. Die Scheidungsrate und die Rate alleinerziehender Elternteile ist signifikant gestiegen. Das ist das Ergebnis dessen, dass man sich heute einen falschen Partner nicht mehr antun muss. Das ist gut und das ist schlecht gleichermaßen. Die Ansprüche sind auf allen Gebieten enorm gestiegen.
Mit der Meinung, dass jeder selbst entscheiden kann, wo er sich zugehörig fühlen will, bedeutet nicht zeitgleich, dass er sich um nichts mehr kümmern muss. Meiner Meinung nach erleben wir gerade eine Elterngeneration, die als Kinder selbst auf nichts verzichten musste und die es gar nicht nett findet, jetzt Abstriche in ihrer Freiheit machen zu müssen.
Kinder sind arm dran, weil sie entweder verhätschelt werden oder verwahrlosen. Die goldene Mitte ist ausgedünnt.

ganimed hat geschrieben:Dein Beispiel ist eher ein Beispiel für eine dümmliche, unwissenschaftliche und völlig aussagenlose Privatstatistik nach dem Motto: ich sehe doch, was in diesem Land los ist, weil ich gestern im Stau stand. Das ist schon reichlich naiv.
Ja, ich kann auch die Augen zu machen, wenn ich nach draußen gehe und mich ausschließlich von Funk und Fernsehen und den Printmedien aufklären lassen. Was hier naiver ist, weiß ich nicht.

LG stine
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon ganimed » Di 7. Aug 2012, 23:10

stine hat geschrieben:Ja, ich kann auch die Augen zu machen, wenn ich nach draußen gehe und mich ausschließlich von Funk und Fernsehen und den Printmedien aufklären lassen. Was hier naiver ist, weiß ich nicht.

Ich weiß es. Naiver ist es zu glauben, dass du es mit deinen wenigen Augen (vermutlich nur zwei) besser wüsstest, als Heerscharen von Wissenschaftlern. Natürlich sollte man einer einzigen Studie, einem einzigen Institut oder einzelnen Wissenschaftlern längst nicht trauen. Aber sich selbst noch viel weniger (denn man ist ja auch einzeln, aber dazu noch völlig inkompetent). Zumindest wenn es auch nur einen Hauch von Widerspruch zwischen deinen Beobachtungen und der wissenschaftlichen Meinung gibt, dann immer den Wissenschaften glauben. Nicht Studien ignorieren sondern deine Beobachtungen, das wäre ein vernünftiger Weg zu besseren Welteinschätzungen.

Ich bin davon deshalb so überzeugt, weil ich (wie schon öfter mal hier und dort erwähnt) diesen Hirnforschungspodcast höre, der versucht, auch immer einen Überblick über die aktuelle Forschung zu geben. Und es mag selektive Wahrnehmung sein, dass man so oft über Fehlleistungen menschlicher Wahrnehmung hört. Man erinnert sich womöglich gut an diese Rosinen, weil es immer wieder so verblüffend und unterhaltsam ist. Aber ich denke schon, dass man mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dass die Wahrnehmung sehr unzuverlässig ist. Sie hängt bei weitem nicht nur von dem Wahrgenommenen ab (was sie neutralerweise eigentlich sollte) sondern von Erwartungen, Vorurteilen, anderen Erfahrungen, der eigenen Vormeinung, der aktuellen Stimmung, eigenen Emotionen, eingeprägte oder eingeübte Denkschemata, was auch immer.

Die Augen zu machen und nur noch seriösen Radiosendern mit breit gestreutem Überblick über etablierte Forschungsergebnisse zu lauschen wäre das logisch beste was du tun könntest. Die Augen auf machen und selber schauen heißt einfach nur, mehr auf die zufälligen Dinge zu hören, die dich als Kind geprägt haben und die du selber erlebt hast (was naturgemäß das Gegenteil von repräsentativ ist). Ein zufälliges Puzzle aus meist alten, irrelevanten, emotional verfälschten Bildern. Das hat null Chance gegen aktuelle, neutrale, emotionsfreiere und kompetente Bilder aus zweiter Hand.
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Re: Kinderarmut in Deutschland

Beitragvon stine » Mi 8. Aug 2012, 12:52

ganimed hat geschrieben:Die Augen zu machen und nur noch seriösen Radiosendern mit breit gestreutem Überblick über etablierte Forschungsergebnisse zu lauschen wäre das logisch beste was du tun könntest.
Nein, das sehe ich ganz anders.
Die Augen auf machen UND diverse Forschungsergebnisse miteinander vergleichen, das ist das Beste was man tun kann.
Was die Verfälschung der Wahrnehmung betrifft, so trifft dieses auch auf das zu, was ich höre oder lese.
Das beste Beispiel ist doch so ein Forum, wie dieses hier. Es gibt Teilnehmer, die interpretieren jede Wortmeldung anderer Teilnehmer stets nach dem Bild, das sie sich irgendwann mal von dem anderen gemacht haben, obwohl es sich bei dem gemachten Bild oft nur um eine Momentaufnahme aus einem ganzen Reigen von gemeldeten Textbeiträgen handelt. Sie lesen praktisch immer das gleiche aus unterschiedlichen Textbeiträgen heraus.
Und genauso verhält sich das mit der Aufnahme von Informationen aus der Presse. Welche Presse und welche Mitteilung vorbehaltlos objektiv ist oder was mit einer Meldung beabsichtigt wird, das wird jeder subjektiv für sich beantworten, je nach dem, mit welcher Intuition er die Meldung aufnimmt und welche Quelle er vor sich hat.

Um bei dem Beispiel der schleichenden Armut in Deutschland zu bleiben: Das Eintauchen in verschiedene Gemeinden sagen aus, dass die Möbelhäuser, die Supermärkte, die Elektronikläden bumsvoll sind und gekauft wird, was gut und teuer ist. Die Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen, dass mindestens jeder Einskommafünfte unter 40 ein Kommunikationsteil befummelt oder Musikstöpsel im Ohr hat. Die besagten Urlaubs- und Wochenendreisen, im Flugzeug, in der Bahn und im Auto dazugenommen. Ganz Deutschland ist immer irgendwie und irgendwo auf Achse. Dass nun noch eine noch größere Anzahl an Bürgern zu Hause sitzen soll und daran nicht teilnehmen kann, kann ich mir nicht vorstellen.
So bin ich eben zu der Überzeugung gelangt, dass Armutsdebatten in Deutschland einen bestimmten Zweck erfüllen. Entweder ist es Stimmenfang politischer Parteien, die davon profitieren, wenn sie noch mehr, für weniger Leistung versprechen oder es ist der Aufruf zu Mitleid, um Steuern und Spenden einzutreiben.

Ich schließe nicht aus, dass es keine armen Menschen gibt, aber ich glaube nicht, dass Kinder in Deutschland finanzielle Sorgen haben müssen. Vielmehr sind sie Opfer einer immer schnelleren und optimierteren Umwelt. Es ist kein Raum mehr für Träumereien oder Spiel.

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