provinzler hat geschrieben:Weißt du, in letzter Konsequenz handeln die schon egoistisch. Aber sie sind halt finanziell abhängig von ihren Posten und deshalb entscheiden sie immer wieder auf Augen zu und hoffen auf ein Wunder. AUch bei denen bleibt in den allermeisten Fällen am Ende vom Geld noch Monat übrig.
Es ist weder etwas falsch daran, dass jemand als Staatsbeamter entlohnt werden will, noch, dass jemand für die Leitung eines Unternehmens, das Reden mit einem Patienten, das Herstellen von Beerdigungskränzen oder das Waschen eines alten Menschen bezahlt werden will, was aber nicht bedeuten muss, dass derjenige seine Tätigkeit nicht mit Hingabe und Verantwortungsbewusstsein verrichtet.
Dazu kommt noch etwas anderes: Pi-mal-Daumen-Entscheidungen sind in großen Apparaten, wo der Einzelne seinen Einfluss auf das Ganze nichtmal annähernd abschätzen kann, der Standardoperationsmodus. Egal ob in Behörden, Universitäten, Konzernen, überall sind Entscheider mit wesentlich mehr Faktoren, Implikationen und potentiellen, im Ausmaß nicht absehbaren Feedbackschleifen konfrontiert, als sie auf exakt kalkulierender Ebene verarbeiten können. Gleichzeitig muss diese Entscheidungen irgendjemand treffen. Wenn ich irgendwo in der Regierung sitzen würde, würde ich es auch mit einer Mischung als Planung und Durchwursteln versuchen. Es ist ja nicht so, dass die Regierung einen Masterplan vorlegen und diesen eisern durchziehen könnte, wo keiner weiß, wie Europa in einem halben Jahr aussehen wird.
Generell sehe ich gar keine Verbindung zwischen der Tatsache, dass Menschen auf Staatsposten finanziell vom Staat abhängig sind und der Art, wie sie entscheiden. Im Gegenteil, es wäre ja eigentlich erwartbar, dass die Leute aus Angst um ihre Posten gerade besonders viel Mühe darauf verwenden, die richtigen Entscheidungen zu treffen, denn solides Krisenmanagement kommt beim Wähler extrem gut an. Die Posten der Betroffenen stehen ja auch gar nicht zur Disposition. Wir stehen schließlich nicht vor der Alternative uns entweder für die Wirtschaft oder den Staat zu entscheiden, auch wenn das vielleicht eine Perspektive ist, die sich einem Libertären schon aus seiner Weltsicht heraus laufend aufdrängt.
provinzler hat geschrieben:Hinzu kommt, dass die sogenannten Berater teilweise selbst inkompetent sind, weil sie ihre Professuren durchs richtige Parteibuch erhielten.
Hast du schonmal an einem universitären Berufungsverfahren teilgenommen? Parteizugehörigkeit spielt da keine Rolle.
provinzler hat geschrieben:Unlängst durfte ich in einer Radiosendung einen Volkswirtschaftsprofessor als Experten bewundern, der den Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn nicht kannte (kein SCherz). Das ist vom Grad der Inkompetenz so, als würde ein Medizinprofessor bei einer Knöchel-OP mit ner Hilti die Schädeldecke anbohren. Soweit ich weiß berät der auch die Bundesregierung. Wenn so ein Experte dann den Regierenden dann noch das sagt, was sie hören woll, bekommt er schnell Gehör. Und die wenigen, die begreifen, was abläuft (Köhler, Weber) haben schleunigst das Weite gesucht.
SIcher, dass der Professor das nicht wusste?
Was Köhler, Weber und Co. angeht, so sehe ich es nicht unbedingt als Zeichen von Verantwortung, das sinkende Schiff zu verlassen. Gerade wenn jemand Fehlentscheidungen solchen Ausmaßes zu erkennen glaubt, sollte er mit aller Macht versuchen, so viel wie möglich zu retten. Auf jeden Fall lässt sich schwerlich denen Egoismus vorwerfen, die die Krise zu bewältigen versuchen (der Wähler ist nicht immer klug, aber wer an der Regierung war, als Europa zusammenbrach, würde keiner vergessen), schon gar nicht im Vergleich zu denen, die ihre eigene Haut gerettet haben. Ich könnte ja jetzt auch behaupten, dass diejenigen, die sich vom Acker gemacht haben, darauf spekulieren, im Nachkriseneuropa it einer Ich-habs-euch-ja-gleich-gesagt-Haltung als Propheten verehrt und dann an entsprechende Posten zu kommen. Nicht, dass ich das wirklich glaube, aber auf dem Niveau der Spekulation bewegen wir uns hier gerade.