von Vollbreit » Di 20. Nov 2012, 09:39
Das Thema Homosexualität hattest Du doch in die Diskussion gebracht, unter den Schlagworten, „genetisch“ oder „verführt“, was sich für mich so anhörte, als sei Homosexualität eben etwas, was doch eigentlich nicht sein muss, zumindest sollte man aufpassen, dass da nicht noch mehr reinrutschen.
Welche Angst hat man da? Wohl vor allem die, dass es mit den „wahren Männern“ bergab geht. Und die wahren Männer, das sind die Helden des Patriarchats. Der Vater der großen Familie, der seine Potenz und Macht durch die große Familie unter Beweis gestellt hat. Der harte, schweigsame Mann, der Taten sprechen lässt. Der muskulöse Kämpfer, der schon per Vererbung attraktiv wirken (der Y-Chromosom-Effekt, breites Kreuz und mächtige Brustmuskulatur). Vielleicht noch der reiche Mann, der wissende Mann. Es gibt ja immer noch die Tendenz, dass Männer ihren Frauen die Welt erklären und Frauen, die sich so ungeschickt und dämlich anstellen, wie sie gar nicht sein können, offensichtlich, damit „der Held“ ihnen zeigen kann, dass das Fernsehgerat eine Ein/Aus-Knopf hat.
Ihr ist dabei wohl wirklich wichtig, dass man(n) sich die Zeit nimmt, etwas für sie zu tun, ihm ist es wichtig, dass er was tun kann.
Aber seine Möglichkeiten schwinden ja zum Teil, was will er, denn einer Frau die selbst ihr Geld verdient, medienkompetent ist - seit dem Boom der sozialen Medien ist Elektronikspielzeug eben nicht mehr nur für ihn vorgesehen, sie kann das u.U. viel schneller und besser und ist auch noch in der Lage den Akku selbst zu wechseln - vormachen?
Und die Konkurrenz ist ja groß, inzwischen digital erweitert. Partnerbörsen werden ja nicht nur von Männern besucht, Entfernungen spielen keine bedeutende Rolle mehr und Pornos, die noch mal ein ganz anderes Idealbild vermitteln, werden eben zunehmend auch von Frauen geschaut.
Da ist es doch schön, ein Refugium zu haben, in dem es noch echte Männer gibt und in dem die Welt noch in Ordnung ist. Fischen und Jagen und dann abends, am Feuer, die Beute grillen und verspeisen. Hart sein, Mann sein, gemeinsam aktiv sein. Fußball geht auch ohne große Worte, Bundeswehr auch. Oder der Heimwerkerkeller. Und es fühlt sich gut an. Das sind die Situationen in denen auch ein Mann mal aus sich raus kommt, regredieren kann. Im Stadion gibt es Emotionen pur, das ist für Männer sonst eher negativ sanktioniert. Da kämpft Mann natürlich, dass es beim Fußball auch ja keine Schwulen gibt. Oder in Kirche, Armee oder sonstigen Herrenclubs. Ist ja’n Witz und jeder weiß, dass die Bundesliga voll von schwulen Spielern ist. Und wer nimmt sich denn die Zeit und modelliert seine Körper und jede Muskelfaser, geht nachher unter die Sonnenbank und cremt sich die Haut ein und prüft im Spiegel immer wieder nach?
Überall dort, in den sozialen Gruppierungen, wo vor allem männliche Homosexualität stark entwertet ist, ist sie vermutlich auch überstark verbreitet. Es besteht ja eigentlich kein Grund auf schwule Männer sauer zu sein. Ein Konkurrent weniger, wenn man es nüchtern betrachtet und Hetero ist.
Aber wer das Bild des wahren Mannes hochhalten will, der ist verärgert. Nach dem entscheidenden Tor, hat Mann zu grölen und anschließend zu saufen, aber nicht Gesichtscreme aufzutragen und „ihm“ ne liebevolle SMS zu schreiben.
Interessant ist ja, wer, warum, welche Geschlechterbilder schützen will.
Sie vermitteln Ordnung. Früher war es leicht, da war die Autoabteilung für ihn, die mit den Handtaschen für sie. Müssen alle erst mal mit klar kommen.
Aber Unterschiede bleiben. Männer werden auf absehbare Zeit keine Kinder bekommen, Testosteron und Oxytocin sind ungleich verteilt und vielleicht gibt es ja in der Psyche archetypische Muster, die nicht der Mode unterliegen.
Das finde ich eine interessante Frage in dem Zusammenhang: Sind Archetypen eigentlich nur soziale Rollenmuster, die nach und nach – weil die Rollen über hunderte Jahren vermutlich recht fest waren – ins kollektive Gedächtnis oder Unbewusste gesickert sind oder ist es gerade andersrum, dass die sozialen Rollen als eine Folge bestimmter Archtetypen entstanden sind.
Diese Muster sind wirklich in unser aller Psyche drin. Watzlawick hat mal ein Experiment mit Studenten gemacht und sie gebeten beliebige Gegensatzpaare mal in der Weise zu ordnen, dass immer die zueinander passen, die irgendeine Verbindung oder Verwandschaft haben. Also
Mann-Frau, dunkel-hell, aktiv-passiv, Säure-Base, Mond-Sonne, unbewusst-bewusst und so weiter.
Fast alle ordneten:
Mann-Frau
hell-dunkel
aktiv-passiv
Säure-Base
Sonne-Mond
bewusst-unbewusst
wobei alle linken und alle rechten Begriffe irgendeine innere Verwandtschaft hätten und machten damit, archetypisch gesehen, alles richtig.
Woran liegt das?