ujmp hat geschrieben:Das Problem an deiner Denkweise ist, dass du den Begriff Wahrheit gebrauchst, ohne selbst eine klare Definition davon zu haben.
Das ist eine Kritik, mit der ich etwas anfangen kann, aber ich kann es schwer ändern.
Im Grunde bin ich ein Anhänger der Mischung aus Korrespondenztheorie und Konsenstheorie, mit einem Spritzer Kohärenz, denn man sollte sich nicht selbst widersprechen.
Ich glaube schon, dass die Übereinstimmung eine, eben für den Alltag, sinnvolle Definition ist, doch an den Kanten unseres Wissens erweist sie sich als zunehmend unbrauchbar. Zwar mag man die Definition beibehalten, nur ist sie kaum mehr zu überprüfen, m.M.n. fehlt und da eben der Kompass, der uns sagt, in welche Richtung zur Wahrheit wir unterwegs sind. Aber das wäre eine Frage des Kriteriums.
ujmp hat geschrieben:Eine klare Definition ist zwar keine Voraussetzung um über Wahrheit nachzudenken, sie soll sich ja aus dem Nachdenken ergeben.
Das ist sicher wünschenswert, aber wohl nicht immer möglich, da der Gebrauch von Begriffen (im Alltag) notwendig unscharf ist. Jeder assoziiert mit einem Begriff etwas andere weitere Begriffe.
Die Lösung könnte in dem Versuch der Vereinheitlichung und Normierung der Begriffe liegen (Fachterminologien sind ja so ein Versuch), aber auch das klappt aus zwei Gründen nicht, wenn man es auf die Spitze treibt:
Erstens, würden präzise Zuschreibungen zu einer Verarmung der Sprache führen (die gerade von der Mehrdeutigkeit lebt, man denke an Metaphern), zudem ist auch Fachsprache wieder in den Kontext einer Alltagssprache eingebunden
Zweitens, lauert bei einer harten Reglementierung immernoch die Unschärfe der Interpretation und jede weitere Regel der Regel würde für ihre Anwendung eine Regel der Regel der Regel erfordern und in einem Regress enden.
ujmp hat geschrieben:Man darf aber dann den zu definierenden Begriff in der Definition nicht verwenden - was du leider unentwegt tust. Du sagst selbst, dass du mit dem Begriff Wahrheit nichts anfangen kannst, betrachtest ihn aber als Metaphysik - und was das ist, vermagst du vermutlich erst recht nicht zu sagen.
Was Metaphysik ist, kann man sagen, der wiki-Artikel darüber ist sehr gut:
http://de.wikipedia.org/wiki/MetaphysikDass die Korrespondenztheorie als metaphysisch angesehen wird, findest Du ebenfalls bei wiki, unter Wahrheit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wahrheit#S ... 9CberblickMein Anlass den Wahrheitsbegriff dem man sich annähert als metaphysisch darzustellen, war einfach die Überlegung, dass diese Wahrheit, der man sich da annähert, auf die man sich zubewegt, immer im Verborgenen liegt. Wir rennen ihr stets hinterher, aber die Fakten, so meinen wir, bestehen immer schon ohne uns. Wenn Fakten oder Tatsachen nur Gegenstände sind – das was man empirisch vorfindet –, ist es schwer mit der Aussage: „ujmp hat Vollbreit einen Beitrag geschrieben, indem er ihm unterstellt, die Wahrheit nicht angemessen zu definieren“, die ja sicher eine Tatsache ist, umzugehen.
Vielleicht kommst Du irgendwann zu der Auffassung, dass es sich nicht mehr lohnt, mit mir über Wahrheit zu reden und antwortest nicht mehr. Dann wäre der Satz: „ujmp denkt sich, dass es sich nicht mehr lohnt mit Vollbreit über Wahrheit zu diskutieren“ ein wahrer Satz, da den Tatsachen entsprechend, aber was für eine Wahrheit wäre das dann? Sicher keine der Gegenstände, es sei denn, man ist der Auffassung, Gedanken seien ja auch nur elektrochemische Zustandsformen und dementsprechend physikalisch darstellbar, in einer antizipierten Einheitssprache/-wissenschaft, zu der man durch Reduktionen irgendwann gelangen müsste.
Scheint also, dass der Weg beim Gehen entsteht, zumindest ein Stück weit und dass das was gerade Tatsache ist, z.B. davon abhängt, was Du tust, sagst, denkst. Da sehe ich dann keine Wahrheit mehr, die starr und monolithisch als Gesamtheit aller was auch immer, auf uns wartet.
Wahrheit als austauschbare Segmente, über die man sich einigen kann, druchaus auch im Sinne der Korrespondenz, kein Problem, aber was darüber hinaus geht bedarf m.E. einer weiteren Klärung. Die meisten hier sehen das anders und haben keinen weiteren Gesprächsbedarf.
ujmp hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Es ergeben sich bestimmte Wahrheiten aus unseren Konventionen, bspw. über logische Systeme,
Ein verbreitete Ungenauigkeit im Denken entsteht dadurch, das der Begriff Wahrheiten unbemerkt synonym für unterschiedliche Dinge gebraucht wird.
Ich würde eher sagen, dass Problem sind die Tatsachen, die schwer mehrdeutig sind.
ujmp hat geschrieben:Wir reden einerseits von Wahrheit als einer Eigenschaft von Sätzen, die zwei Werte annhemen kann, "wahr" oder "falsch".
Eigentlich nur davon.
ujmp hat geschrieben:Und andererseits meinen wir mit Wahrheiten Sätze, die den Wahrheitswert "wahr" haben.
Gib mir mal ein Beispiel dafür, was Du damit meinst, mit einem solchen Satz.
ujmp hat geschrieben:Es gibt aber nur eine einzige Eigenschaft "Wahrheit" und theoretisch unzählige Sätze, die diese Eigenschaft haben.
Dass es nur eine einzige Wahrheit gibt ist eine metaphysische Behauptung.
Wenn Hans und Franz ins Kino gehen und Hans den Film platt und öde, franz aber spannend und tiefgründig fand, wo liegt dann die einzige Wahrheit? Darin, dass ein Film gelaufen ist und der Rest ist nur „Meinung über“? Kann man so sehen, ist aber die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Simpler Sensualismus, der dann als übergeordnete Wahrheit herhalten muss, das ist schon ein Spagat der weh tut.
ujmp hat geschrieben:"Wahrheiten, die sich aus Konventionen ergeben" ist ganz übler Nebel.
Du benutzt sie öfter, als Dir bewusst sein dürfte.
ujmp hat geschrieben:Etwas kann einer Konvention entsprechen oder auch nicht. Die Behauptung, dass etwas einer Konvention entspreche, kann dagegen wahr oder falsch sein.
Du kannst die Behauptung, dass etwas eine Konvention entspricht oder nicht, nur aufstellen, wenn Du bereits sehr viele Konventionen über Sprache anerkannt hast. Die Rede über Wahrheit setzt die Beherrschung von Konventionen voraus, ansonsten verliert Sprache ihre Anschlussfähigkeit – also nicht prinuzipiell, wenn sich genügend andere darauf einlassen, aber sehr wahrscheinlich.
ujmp hat geschrieben:Aus der Konvention selbst kann sich aber keine Wahrheit ergeben. Wenn eine Konvention Wahrheit sein soll, nennt man das Ideologie - und da wir im 21. Jhd. zurückschauend auf sehr viele Ideologien unsere Unschuld diesbezüglich längst verloren haben, würde ich es sogar als Betrug bezeichnen.
Dass man Schnee weiß nennt, ist eine Konvention, dass man hier rechts fährt ebenfalls, dass man sich in der Schlange am Supermarkt hinten anstellt ebenfalls… alles Ideologie?