Ja, da ist was dran.
Mein favorisierter Ansatz ist der integrale Ansatz, der sich bei richtigem Verständnis aber nicht in ein Weltbild gießen lässt.
Ich will versuchen ihn zu erklären, so gut es mir in der notwendigen Kürze möglich ist.
Er gleicht an einigen markanten Schnittstellen dem Ansatz der Brights, aber es gibt auch gewichtige Unterschiede.
Der integrale Ansatz geht von einem hierarchischen Weltbild aus, hierin gleicht er den Brights, nur formulieren die Integralen (wissend, dass es ein Reizthema ist), das offensiver und sind sich des Schattens und der Gefahr bewusst. Die meisten Anhänger der Brights werden denken, dass Wissenschaft besser sei als Religion und diese Einstellung hat der integrale Ansatz auch.
Wobei „besser“ hier zum einen heißt, besser angepasst an die aktuell herrschenden Bedingungen, aber auch, so zumindest empfinde ich das, besser im Sinne von mehr Komplexität und Bedeutung.
Wilber hat eine recht griffige Formel gefunden, für das Verhältnis von Spanne (Ausdehnung, Menge) und Bedeutung (Tiefe, Komplexität), nämlich die dynamische Relation von weniger Spanne hin zu mehr Tiefe:
Je größer die Tiefe/Bedeutung, desto geringer die Spanne/Ausdehnung und umgekehrt.
Man kann das auch als bessere Anpassung lesen, nach dem Motto, dass mehr individuellere Komplexität die Antwort auf eine immer komplexere Umwelt ist, ich verstehe darunter aber auch mehr Qualität. Für mich sind Militärdrohnen nicht im Prinzip nichts anderes als eine Keule und Philosophie ist für mich nicht nichts anderes als sich effektiv sein Mittagessen zu besorgen.
Also, der integrale Ansatz ist ein hierarchischer Ansatz und in gewisser Weise auch ein elitärer Ansatz. Das mit der Elite muss aber dringend erklärt werden, speziell in Deutschland.
Elitär bedeutet hier nicht, ein naserümpfendes Herabblicken auf „die Masse“, die doofe, verführbare Herde, sondern immer auch mehr Teamfähigkeit, da man sich auf immer mehr Situationen einstellen kann.
Der integrale Ansatz geht davon aus, dass Menschen schwerpunktmäßig aktuell auf einer bestimmten (individuell sehr unterschiedlichen) Entwicklungsstufe leben. Hier muss man vereinfachend davon ausgehen, dass es sich sozusagen um einen statistischen Mittelwert verschiedener Bereiche handelt, wie kognitive Intelligenz, Körperintelligenz, emotionale Intelligenz, ästhetisches Bewusstseins, Stufen der Moralentwicklung, Empathiefähigkeit und noch etwa 20 weitere sogenannte Entwicklungslinien.
Erster Rang und zweiter RangEin wesentlicher Punkt ist nun die Schnittstelle, die alle Entwicklungsebenen des ersten Ranges (first tier memes – bis inklusive grün) von jenen des zweiten Ranges (second tier memes – ab gelb) trennt.
http://integralesleben.org/il-home/il-i ... -dynamics/Warum soll diese Unterscheidung bedeutsam sein?
Alle Memes/Ebenen des ersten Ranges, können einander auf die eine oder andere Art nicht leiden.
Typisch hier z.B. der Kampf von orange (Wissenschaft und Wirtschaft – die Welt als gut geölte Maschine, deren Rädchen selbstorganiserend ineinandergreifen) gegen blau (Mythen und Religion – die Welt als Ort von Sinn, Wert und Orientierung, mit einer autoritären Struktur).
Das heißt, die Mitglieder die sich mit den Werten und Einstellungen einer bestimmten Bewusstseinsstufe am besten identifizieren können, finden die Mitglieder der anderen Stufen, ziemlich unmöglich.
Ziel all der unterschiedlichen Denkweisen des ersten Ranges ist immer die Überzeugung, die Welt sei dann ein besserer Ort, wenn nur alle die Werte und Ideen der jeweiligen Gruppe, mit der man identifiziert ist, übernehmen würden. Wenn also alle religiös würden oder man die Religion kollektiv abschaffen würde und nur noch der Wissenschaft nachleben würde, also das „brighte“ Dauerthema.
Und auch das relativistische Grün, was uns jede Menge Ökobewusstsein, Systemdenken und Gleichberechtigungsideen gebracht hat, hat diese imperialistischen Tendenzen und verachtet im Grunde seines Herzens die anderen Meme.
Integral soll nun fundamental anders sein, aber gar nicht unbedingt in dem Sinne, dass etwas großartig Neues ins Spiel kommt, sondern die Einstellung gegenüber den Vorläuferebenen ist eine andere. Integral (oder gelb) ist nicht mehr imperialistisch. D.h. Integral kann die Berechtigung aller Ebenen anerkennen und verzichtet auf die Idee, alle Welt möge nun integral werden sollen, zugunsten des Wohls der ganzen Spirale (der Entwicklung).
Alle haben ihre Berechtigung zu ihrer Zeit, an ihrem Ort.
Dennoch verfolgt Integral die Idee der evolutionären Prinzipien und auch die Idee, dass Evolution weitgehend eine Evolution zum Besseren meint. Ziel ist es deshalb Entwicklung und das meint in erster Linie Bewusstseinsentwicklung zu pushen, zu forcieren, zu ermöglichen, zu schützen, zu stabilisieren. Dynamisch, an jedem Ort, bei jedem Menschen etwas anders.
Das bedeutet, dass man versuchen würde, einen religiösen Menschen zu ermuntern, sich mal mit den Prinzipien der Aufklärung und der Wissenschaft auseinanderzusetzen.
Einem naturwissenschaftlich orientierten Menschen könnte man zeigen, wo die Schwachstellen dieser Einstellung liegen, z.B. im fehlenden Wertegerüst.
Einem grünen Relativisten könnte man zeigen, dass die streng antihierarchische Einstellung die hier meist herrscht, auf einem Selbstwiderspruch beruht und natürlich hat auch integral/gelb selbst einen Schatten und eine Limitierung.
Bleibt nicht ewig stehen, es geht weiter, ist so eine Grundbotschaft. (Durchaus konträr zur kollektiven Einstellung die meint, Entwicklung sei so ein Kindheits- und Jugendthema, spätestens nach der Uni sei dann damit Schluss.)
Man muss nur aufpassen, dass es nicht in hektischen Aktionismus ausartet, eine Gefahr in meinen Augen.
Integral vs. integral informiertWer ist denn nun eigentlich integral? Integral im engen Sinne ist man dann, wenn die Mehrzahl der Entwicklungslinien im Bereich des Integralen liegen und um das zu prüfen, braucht man gute Tests, die für die höheren Stufen noch Mangelware sind.
Integral informiert sind aber sehr viele und auf die integrale Stufe selbst ist nicht sonderlich abgehoben. Wenn man sich die Ideen durchliest und versteht, ist das im Grunde ein gutes Zeichen, dass man mindestens kognitiv auf der integralen Stufe ist. Ob man sie verstanden hat, kann man im Diskurs überprüfen.
Das IndividuumKern der integralen Idee ist aus meiner Sicht (aber meine Kollegen setzen da mitunter vollkommen andere Akzente, das ist also eher meine Interpretation von Integral) die Bedeutung des Individuums.
Jeder ist an seinem Ort wichtig. (Meine Kollegen leiten daraus eher die Bedeutung des Wir-Komponente ab und betonen das soziale Zusammenspiel, was ich unmittelbar einsehe, ich stehe nur gefühlsmäßig eher auf der Seite des Individuums und kann kompetenter darüber schreiben.)
Der entscheidende Ort ist aber so oder so das Bewusstsein des Menschen. Meiner Meinung nach bedeutet das aus der notwendigen starren Fixierung des Anfangs hin zu einer immer offeneren (aber nicht wertfreien) und individuelleren (aber nicht egozentrischen) und reflexivenren Einstellung.
Ich denke, da das Individuum und die Möglichkeit seiner freien Entfaltung auch ein primäres Ziel des Humanismus ist, gibt es auch hier Überschneidungen mit den Grundideen der Brights.
Gefahren oder der Schatten des IntegralenHier sehe ich im Wesentlichen zwei Gefahren:
Erstens die Verwechslung von gelb und blau, auch wenn das eher für Insider ist.
Übersetzt bedeutet es ungefähr: Da Integral eine explizit hierarchische Ausrichtung hat, ist es auch für solche Menschen attraktiv, die darauf gewartet haben, dass endlich mal wieder jemand sagt, wo es lang geht. Das ist zwar eine Missinterpretation, aber eine die nicht zu vermeiden ist, da jemand mit einem blauen/mythischen/konventionellen Bewusstsein Texte so liest, wie er sie eben versteht.
Zweitens und vielleicht wichtiger ist Integral auch ein Magnet für Narzissmus.
Diese Idee, immer besser und toller zu werden ist extrem attraktiv für ein narzisstisches Bewusstsein und diese Menschen überschlagen sich geradezu in ihrem Eifer, noch mehr zu üben und noch „toller“ und erleuchteter zu werden, das muss man versuchen einzugrenzen, es liegt aber auch in der Natur der Sache.
Die Strategie der MultiplikatorenAus der Idee das jeder wichtig ist, folgt die Strategie der Multiplikatoren, eine dynamische und in meine Augen überaus intelligente Strategie. Kurz und gut geht es eben nicht darum, Massen in Richtung integral zu bewegen sondern das Individuum möglichst zur nächsten Stufe zu bringen.
Der integrale Imperativ geht so in die Richtung Bewusstseinsentwicklung (zum Höheren) zu ermöglichen, zu begleiten, zu stabilisieren und zu schützen. Dafür ist es u.a. nötig die Ideen klug zu verbreiten. Man muss die Sprache der anderen sprechen und wissen, wo man sie abholen muss und das macht jeder auf seine Art.
Auch an den gesellschaftlich wichtigen Positionen kann man versuchen Akzente zu setzen und in den Dialog zu kommen. Deshalb finde ich das Modell des Brückenbauens sympathisch, das muss nicht in windelweicher Anpassung geschehen, aber es darf die Türe nicht zuschlagen.
In meinen Augen der kardinale Fehler der Brightsbewegung, dass sie – ausgehend von einer im Kern sehr fundamentalistischen Spitze – zum Diskurs oft nicht mehr in der Lage ist. Hier stinkt der Fisch wirklich vom Kopf her und es ist sehr schwer – aber möglich – diese Frontstellung aufzugeben.
Etliche hier scheinen dazu geradezu vorbildlich gewillt und in der Lage zu sein.
Unterschiede: Spiritualität und MystikÜberhaupt nicht zu den Brights passt die klare Ausrichtung hin zu Spiritualität und Mystik. Das Ziel für das Individuum bedeutet hier recht klar Erleuchtung. Dabei geht es nicht um eine Kollektivbewegung, es ist klar, dass ein mystisches Bewusstsein immer sehr vereinzelt auftreten wird. Ich habe die Idee dahinter hier ein wenig auszubuchstabieren versucht, wer Bedarf hat, kann sich da informieren:
viewtopic.php?f=13&t=3653&p=93877#p93877Was für Integrale Ziel ist, ist für Brights schon in den Statuten nicht im Programm und gilt als komplette Verirrung.
Für die Masse der Rezipienten die nur „Fans“ des einen oder anderen (gesellschaftlich völlig unbedeutenden) Lagers sind, sind der integrale Ansatz und die Brightsideen weitgehend inkompatibel. Für diejenigen für die Bright sein mehr ist als nur gegen Religion zu sein (also vermutlich die Minderheit der Brights) wird der Ansatz der Integralen und der Brights sicherlich Möglichkeiten aufzeigen.
Das war meine Interpretation von Integral, wer das noch mal in allgemeinerer Weise nachlesen will, kann das hier tun:
http://integralesleben.org/home/il-inte ... -integral/Mit der Idee, hin zu mehr Bewusstseinsentwicklung zum Höheren kann ich mich identifizieren und das würde ich als mein Wunschbild bezeichnen. Dass das für den Einzelnen keine Festlegungen im Konkreten bedeutet, sollte sich aus der Idee selbst ergeben, den je weiter die Entwicklung fortschreitet um so kreativer, spontaner und individueller werden Menschen, meiner Meinung nach.