provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Was für Kriterien würdest du denn aufstellen, die eine funktionierende Wirtschaft mindestens erfüllen muss?
Stimmt die meisten Staaten heute sind zwar nicht sozialistisch, dafür aber stark korporatistisch organisiert, also der Allianz von big business und big government. Grob gesagt schaffen dabei die Politiker den genehmen Großgesellschaften durch Überregulierung lästige Konkurrenz vom Hals (aktuelles Beispiel: Finanzsektor) und bekommen dafür Bestechungsgelder in Form von Aufsichtsratspöstchen, Beraterverträgen oder hochbezahlten Sinnlosvorträgen. Dass auch in korporatistischen Gesellschaften extreme Fehlallokationen stattfinden, ist einleuchtend.
Ja, aber du hast meine Frage nicht beantwortet.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Mal davon abgesehen, dass wir eine ausreichend beängstigende Vorstellung davon haben, was das ganze Methan aus Rindermägen mit der Atmosphäre macht, finde ich "Wir können nicht auf den Cent genau ausrechnen, ob es nur schlimm oder katastrophal wird" ein bisschen arg am Thema vorbei und als Gegenargument eher... dürftig, wenn ich's vorsichtig sagen soll.
Nein, wir haben keine rechte Vorstellung. Im Grunde wird eigentlich nur rumgerätselt. Vor nicht allzu langer Zeit (grad mal 30 Jahren) sprach man noch von neuer Eiszeit, heute faselt von Erwärmung, in 10 Jahren wohl wieder von Eiszeit. In einem Rechtsstaat musst du einen Schaden beziffern können, wenn du ihn vergütet haben willst. Die Nachweispflicht über die Höhe liegt bei dir, nicht bei mir.
Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass du kein Klimawandelleugner bist, auch wenn's traurigerweise stark danach klingt. Ich kann dir keine genauen Zahlen geben, niemand kann das. Ich kann dir allerdings sagen, dass wir derzeit allen wissenschaftlichen (!) Daten nach viel zu viel klimaverändernde Gase in die Atmosphäre entlassen und dass die Fleischerzeugung davon einen ansehnlichen Anteil hat. Von den 15-20% ernährungsbedingter Emissionen macht der Fleischkonsum eines Durchschnittsdeutschen etwa 40% aus, wogegen pflanzliche Nahrungsmittel nur 8% verursachen (Quelle:
WWF: Fleisch und Klima). Wir können nicht genau sagen, auf welchen Wert wir die Emissionen senken müssten, damit wir einigermaßen ungeschoren davon kommen, aber wir wissen, dass es deutlich weniger werden muss. Und da Geld leider besser zieht als Moral, auch wenn es andersherum sein sollte, sind Fleischsteuern eigentlich eine sehr gute Idee. Und sorry, wenn's um die Zukunft der gesamten Lebensbedingungen geht, sind Klagen, dass einen das in der persönlichen Freiheit einschränken würde (es ist ja noch nichtmal verboten), ziemlich fehl am Platze und in der Größenordnung der Güter, die hier kollidieren, auch ziemlich verschoben.
provinzler hat geschrieben:Das Niveau der Staatsschulen ist im Keller. Vielfach wird das von den Elternhäusern noch aufgefangen, aber wenn das nicht mehr passiert?
Das Niveau der Staatsschulen wird für dich wahrscheinlich immer im Keller sein und das hat mit Fakten nicht viel zu tun. Was du beispielsweise vollkommen übersiehst, ist, dass die Schulen klagen, dass sie immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen müssen, d.h. es ist häufig umgekehrt und die Schulen fangen ab, was die Eltern nicht mehr schaffen, nicht umgekehrt. Klar, bei den Besserverdienenden mit genug Ressourcen für anspruchsvolle Nachhilfe sieht es wieder andersherum aus. Übrigens schneidet Deutschland im internationalen Vergleich nicht so ab, dass man von "im Keller" sprechen könnte.
Was die psychische Konstitution von Kitakindern angeht, kann ich nur meine wenig bedeutenden persönlichen Erfahrungen zu Rate ziehen, und da kommen alle meine ostdeutschen Freunde und Bekannten in Fragen von psychischer Gesundheit, intellektueller Leistungsfähigkeit und sozialen Umgangsformen ziemlich gut weg.
provinzler hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Ich sehe da keine Gleichstellung. Warum sollte der Staat einem verheirateten Paar einem relativen Vorteil gegenüber einem unverheirateten Paar gewähren?
Weil ein verheiratetes Paar auch gewisse Verpflichtungen füreinander eingeht, beispielsweise eine Unterhaltspflicht, falls einer von beiden seinen Job verliert, oder gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist zu arbeiten (soll ja auch bei jüngeren Menschen bisweilen zu Pflegebedürftigkeit kommen). Dann zahlt erstmal der Partner und dann erst der Staat.
Das mit der Unterhaltspflicht finde ich jetzt relativ an den Haaren herbeigezogen, da wir ja über einen (de facto) Alleinverdienerhaushalt sprechen. In dem Fall hat dieses Modell sogar den eklatanten Nachteil, dass die dann für das Einkommen verantwortliche Person am Arbeitsmarkt dank langjähriger Teilzeit- oder gar keiner Beschäftigung miese Chancen auf ein nur annähernd vergleichbares Gehalt hat. Davon abgesehen ist eine Ehe schnell geschieden und unverheiratete Paare sind einander auch häufig sehr loyal. Die Ehe ist eben, ganz im Gegensatz zu einer staatlichen Sozialleistung, keine verlässlich einklagbare Versorung im Notfall.
Wenn es aber wirklich um den Versorgungsaspekt ginge (und nicht um eine versteckte wertkonservative Agenda mit dem Ziel, die traditionelle Familie zu schützen, was ein Verdacht ist, gegen den ich mich hier schwer erwehren kann), dann fragt sich, warum nicht alle Formen quasifamiliärer Verantwortung steuerliche Begünstigung erfahren. Es müssten dann auch homosexuelle Paare, langjährige Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenhaushalte bis hin zu Kommunen steuerlich entlastet werden, wenn sie dafür bereit wären, in der Gruppe gegenseitige Unterhaltspflichten zu akzeptieren. So wie es jetzt gestaltet ist, ist das Ehegattensplitting eindeutig eine relative Bevorteilung der traditionellen Ehe - und damit eines bestimmten Lebensstils! - gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens, die in relativer Weise benachteiligt werden.