Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » Sa 2. Feb 2013, 17:39

Nanna hat geschrieben:Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass du kein Klimawandelleugner bist, auch wenn's traurigerweise stark danach klingt. Ich kann dir keine genauen Zahlen geben, niemand kann das. Ich kann dir allerdings sagen, dass wir derzeit allen wissenschaftlichen (!) Daten nach viel zu viel klimaverändernde Gase in die Atmosphäre entlassen und dass die Fleischerzeugung davon einen ansehnlichen Anteil hat.

Ich bin kein Klimawandelleugner. Klimawandel gabs im Laufe der Erdgeschichte immer, mal in die eine mal in die andre Richtung. So ändert sich das Klima auch aktuelll dauernd. Wir können aber weder mit sinnvoller Präzision voraussagen in welche Richtung sich das bewegt, noch welchen genauen Einfluss welche Parameter haben. Die Ergebnisse der Berechnungen können logischerweise nur so genau sein, wie die Computermodelle mit denen sie angestellt werden. Und unsere Modellbildung ist in dem Bereich im Moment noch auf einem ziemlich armseligen Niveau. Und wenn du einen Schaden vergütet haben willst, dann musst du Art und Höhe des Schadens nachweisen. Sonst landen wir völlig im Bereich des Willkürlichen. Wenn du das kannst, dann bin ich bereit einer entsprechenden Entschädigung zuzustimmen. Ich sehe aber nicht, dass das in absehbarer Zeit der Fall sein wird.

Nanna hat geschrieben:Das Niveau der Staatsschulen wird für dich wahrscheinlich immer im Keller sein und das hat mit Fakten nicht viel zu tun.


Das war zunächst mal schlicht und ergreifend eine sachliche Feststellung. Über die Gründe hatte ich mich gar nicht ausgelassen, denn das ist ein Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren. Wenn ich die Rechenfähigkeiten meiner Oma, deren Hauptschulabschluss fast 70 Jahre her ist, mit denen heutiger Schüler vergleiche, dann steckt meine Oma mindestens die Hälfte aller Abiturienten von heute in die Tasche.
Ich darf als Nachhilfelehrern Zwölftklässlern erklären, dass Differenzen und Summen in Brüchen nicht gekürzt werden. Wenn ich Zyniker wäre würde ich das begrüßen, denn ich verdiene gutes Geld damit, die Versäumnisse auszubügeln.
Wir sind international noch nicht "im Keller", wir sind nur auf einem sich permanent beschleunigenden Abstieg. Wir zehren wie an andren Stellen auch noch der Substanz der Vergangenheit. Aber die erodiert Jahr um Jahr.


Wenn du staatliche Ehe (damit meine ich den Verwaltungsakt am Standesamt im Unterschied zu einer religiös veranstalteten Trauung, die davon ja unberührt bliebe) zu einer Art "zivilen Partnerschaft" umbauen willst, die auch gleichgeschlechtlich sein kann, und nicht zwingend sexueller Natur sein muss, also etwa auch unter Verwandten geschlossen werden kann, um sich gegenseitig abzusichern, und die als Merkmale genau die speziellen Konstellationen in Punkto Unterhaltsverpflichtung, Steuern und Erbrecht beinhaltet, bin ich damit völlig einverstanden.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Myron » Sa 2. Feb 2013, 20:09

"'Sie können ein Dirndl auch ausfüllen', soll Brüderle zu der Reporterin gesagt haben. Jetzt kommt heraus: Letztes Jahr, im 'Stern' Nr. 39/2012, hat Laura Himmelreich selbst über Dirndltauglichkeit geschrieben! In einem Artikel über CSU-Ministerin Ilse Aigner heißt es: 'Bodenständig ist sie geblieben, und dirndltauglich ist sie eh.'"

http://www.bild.de/politik/inland/sexis ... .bild.html

:tomate:
Benutzeravatar
Myron
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 4808
Registriert: So 1. Jul 2007, 17:04

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » Sa 2. Feb 2013, 20:25

Aua...
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Vollbreit » Sa 2. Feb 2013, 22:18

provinzler hat geschrieben:Wenn man so will war das dritte Reich der totale Sozialstaat. Man hat die "jüdischen Spekulanten" entreichert und damit das "schaffende Volk" und sich selbst "sozial gerecht" bereichert. Genauso wie es kein Zufall ist, dass die größten aggressiven Ausgriffe immer genau dann erfolgten, wenn die Kassen mal wieder leer waren.


Ganz falsch ist das nicht. Der GröFaZ war immer linkisch im Umgang mit dem Großbürgertum und fühlte ein Affinität zu den Kleinbürgern. Er rief auch mal auf die (jüdischen, wie man meinte) Großbanken zu plündern, aber die Sparkassen zu verschonen. Um solide Gegenfinanzierung hat er sich nie gekümmert, davor sollten die Feldzüge gut sein. Goebbels war zwischenzeitlich auch mal Herausgeber einer eher linken Zeitung und liebäugelte mit linken Ideen, auch Hitler selbst schaute sich einiges vom Kommunismus ab.

provinzler hat geschrieben:Wir sagen doch im Endeffekt das Gleiche. Wenn ich von Korporatismus spreche meine ich ja damit gerade solcherart gestaltete Regulierung die darauf abzielt, großen Konzernen Wege freizuräumen und gleichzeitig kleine Betriebe in Auflagen und Bürokratie zu ersticken. Und genau das meinst du wahrscheinlich mit "durchwinken".


Ja.
Ich glaube es ist nicht einfach nur so dahergesagt, dass der Mittelstand das wirtschaftliche Rückgrat darstellt. Warum man dem Mittelstand dann das Leben schwer macht, kann ich nicht so ganz verstehen, Merkel knickt ja vor den Großen ein, Schröder hat sich wenigstens noch gefreut mit ihnen gemeinsame Sache machen zu können.

provinzler hat geschrieben:Finanzbereich ist ein gutes Beispiel. Allgemeine Vorschriften zu Eigenkapital ö.ä. hält man bewusst gering, Produkte sind fast alle erlaubt, aber die Dokumentions und Bürokratievorschriften sind so gigantisch, dass sie nur von großen Konzernen erfüllt werden können.


Ich kenne mich da zu wenig aus, aber ich kenne genügend Einzelbeispiele von Leuten die durch eine Überbürokratisierung frustriert wurden, insofern glaube ich Dir das. Auch im Bezug auf Ideenfinanzierung finde ich Deutschland nicht so toll. Setzt man hier einmal was in den Sand, war's das, finanziell. In den Angloländern präsentiert man seine Idee und bekommt, je nach dem auch 10 Kredite.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Julia » So 3. Feb 2013, 01:05

fopa hat geschrieben:Ich sagte es schon: Linksextreme greifen zu Mitteln der Gewalt: Sachbeschädigungen an Redaktionsgebäuden und Eigentum (Autos) der Redaktionsmitglieder, Drohungen, Hetzaufrufe mit Klarnamen etc.

Nur komisch, dass sie dabei so viel erfolgreicher sein sollen als die Neo-Nazis, die ja durchaus für ihre Gewalt nicht nur gegenüber der "Feindpresse" bekannt sind.

fopa hat geschrieben:Gute Lösungsansätze aus dem linken Lager können vom rechten bzw. konservativen Lager nicht übernommen werden, weil es ja "linke Positionen" sind - und umgekehrt.

Gerade die ganz extreme Rechte hat kein Problem damit sich linke Themen anzueignen, wenn auch in einer pervertierten Form. Ich erinnere mich an eine Nazi-Demo "gegen Polizeigewalt" bei der die Gegendemonstrant_innen aufgefordert wurden sich doch anzuschließen, da sie ja sicher auch gegen Polizeigewalt wären.
http://de.wikipedia.org/wiki/Autonome_Nationalisten

fopa hat geschrieben:Als Beispiel sei die rechts-konservative Zeitung "Junge Freiheit" genannt

Als Beispiel für was? Als Beispiel für ein geschichtsrevisionistisches, nationalistisches, fremdenfeindliches, kulturrassistisches und anti-pluralistisches Drecksblatt?

Sowohl Linke als auch Rechte sehen die Mainstreampresse vermutlich als jeweils zu weit im anderen Lager verortet, aber die ständige Stilisierung zum Opfer finsterer Mächte scheint mir ein eher rechtes Phänomen zu sein:
Die pösen Linken schreiben in der Zeitung etwas über den Politiker, den ich wählen wollte! Die pösen Linken geben meinem Jungen eine Puppe zum spielen und machen ihn schwul! Die pösen Linken machen meine Sprache unlesbar und schauen mich schief an! Diktatur, Extremismus, Terrorismus, Weltuntergang! Die pösen Linken lassen die Sonne nicht mehr aufgehen!
:lachtot:
Vor einigen Jahren gab es in diesem Forum noch andere Themen, aber eventuell ist das nur meine linke Wahrnehmung.
Benutzeravatar
Julia
 
Beiträge: 860
Registriert: Di 24. Feb 2009, 10:57

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon stine » So 3. Feb 2013, 12:01

Myron hat geschrieben:"'Sie können ein Dirndl auch ausfüllen', soll Brüderle zu der Reporterin gesagt haben. Jetzt kommt heraus: Letztes Jahr, im 'Stern' Nr. 39/2012, hat Laura Himmelreich selbst über Dirndltauglichkeit geschrieben! In einem Artikel über CSU-Ministerin Ilse Aigner heißt es: 'Bodenständig ist sie geblieben, und dirndltauglich ist sie eh.'"

http://www.bild.de/politik/inland/sexis ... .bild.html

Es war ja auch von Beginn der Debatte an sowas von klar, dass die Veröffentlichung der Anmache nicht die Ursache, sondern nur ein Anlaß war, mal wieder ein wenig politischen Tumult zu fabrizieren. Und was eignet sich dazu besser, als das ewige Gleichstellungsgewerk Mann/Frau.
Der Lösung des Problems der sexuellen Anmache ist man mit dieser lächerlichen Geschichte nicht entgegen gekommen. Im Gegenteil, künftig kann man(n) zu seinem weiblichen Gegenüber bequem sagen: Hab dich doch nicht so!

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Vollbreit » So 3. Feb 2013, 12:25

Ob es wohl nun einen Sturm der Entrüsteten geben wird, die fordern, man möge sich öffentlich bei Herrn Brüderle entschuldigen, weil er das Opfer einer Pressekampgane ist, der man vorschnell geglaubt hat?

Dass man diese Doppelmoral "Gutmenschentum" nennt und in dieser populistischen Art ein Stück weit verachtet, kann ich nachvollziehen.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » So 3. Feb 2013, 13:10

Im Übrigen kann man auch die verschiedenen Eskalationsstufen gegen die jüdische Bevölkerung in Europa ganz gut nachzeichnen, in dem man mal nachguckt, wann die finanziellen Ressourcen des Reiches so an ihre Grenzen stießen. Was den nationalistischen Sozialismus vom übrigen Sozialismus unterscheidet, ist die Betrachtungsweise ausländischer Ressourcen als Umverteilungsmasse zugunsten der inländischen Bevölkerung. Beim übrigen Sozialismus richtet sich die Aggression ausschließlich nach innen, respektive gegen die Bevölkerungsteile, bei denen "was zu holen ist".

Julia hat geschrieben:Nur komisch, dass sie dabei so viel erfolgreicher sein sollen als die Neo-Nazis, die ja durchaus für ihre Gewalt nicht nur gegenüber der "Feindpresse" bekannt sind.

Sozialismus ist egal in welcher Färbung nunmal gewalttätig, das ist quasi ideologieinhärent, beruht er doch auf gewaltsamer Aneignung fremden Eigentums zugunsten von Gesinnungsgenossen. Da in unserer demografischen Situation expansive Aggression nicht möglich ist, erfreut sich die Aggression nach innen größerer Beliebtheit. Dass diese Veränderung in manche Köpfe noch nicht eingesickert ist, steht dazu ja in keinem Widerspruch.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon xander1 » So 3. Feb 2013, 18:09

@provinzler:

Nach dieser Einschätzung wäre fast jede Umverteilung in der sozialen Marktwirtschaft auch böse Gewalt nach innen und der Schere zwischen Arm und Reich wäre so optimal, wenn es keine Umverteilung gibt.
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » So 3. Feb 2013, 18:44

provinzler hat geschrieben:Sozialismus ist egal in welcher Färbung nunmal gewalttätig, das ist quasi ideologieinhärent, beruht er doch auf gewaltsamer Aneignung fremden Eigentums zugunsten von Gesinnungsgenossen.

Ironisch, dass der Sozialismus dasselbe über den Kapitalismus sagen würde. ;-)
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » So 3. Feb 2013, 20:02

xander1 hat geschrieben:@provinzler:

Nach dieser Einschätzung wäre fast jede Umverteilung in der sozialen Marktwirtschaft auch böse Gewalt nach innen und der Schere zwischen Arm und Reich wäre so optimal, wenn es keine Umverteilung gibt.


Ich schlage vor den Begriff soziale Marktwirtschaft bei seinem Erfinder Ludwig Erhard nachzuschlagen, bevor wir über den Begriff diskutieren. Der Begriff wurde seither ziemlich pervertiert. Ludwig Erhard hat explizit vor einer Gesellschaft gewarnt, in der jeder die Hand in der Tasche des Nachbarn hat. Damals zahlte man mit dem 30-fachen eines Durchschnittseinkommens Spitzensteuersatz, heute ja schon wenn bei weniger als dem Doppelten. Wenn wir uns einigen können einen Staat in Erhards Sinne also eine echte soziale Marktwirtschaft im Sinne des Erfinders aufzubauen, der durchaus soziale Absicherung beinhaltet, dann reichen uns 25% Staatsquote und ich unterschreibe das sofort.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » So 3. Feb 2013, 20:07

Nanna hat geschrieben:
provinzler hat geschrieben:Sozialismus ist egal in welcher Färbung nunmal gewalttätig, das ist quasi ideologieinhärent, beruht er doch auf gewaltsamer Aneignung fremden Eigentums zugunsten von Gesinnungsgenossen.

Ironisch, dass der Sozialismus dasselbe über den Kapitalismus sagen würde. ;-)


Mir wäre nicht bekannt, dass im Namen des Kapitalismus Millionen im letzten Jahrhundert Menschen von einer Regierung ermordet wordet wären, um an deren Vermögen zu kommen.
Aber selbst die Indianergebiete in den USA wurden größtenteils als "soziale Maßnahmen" seitens der Regierung zugeteilt, wenn man bestimmte Kriterien erfüllte...
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon xander1 » So 3. Feb 2013, 20:17

Der Kapitalismus beruht auch auf der Gewaltsamen Aneignung und zwar durch Steuern. Ich verstehe diese ganze Diskussion nicht provinzler. Das geht doch nur darum, wer mehr oder weniger Geld bekommen soll und dafür der ganze Aufriss, den du verzapfst. Ich mag solche eindimensionalen Gespräche nicht.

Und dass ich den Begriff soziale Marktwirtschaft für diese Diskussion nachschlagen soll ist auch Unsinn, wenn man mal meine Argumentation beachtet.

Nach deiner Argumentation ist jede Umverteilung gewaltsame Angeignung. Du ziehst nirgendwo die Grenze. Deshalb erscheint mir die Argumenation eher irrational gelenkt.
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » So 3. Feb 2013, 20:46

provinzler hat geschrieben:Mir wäre nicht bekannt, dass im Namen des Kapitalismus Millionen im letzten Jahrhundert Menschen von einer Regierung ermordet wordet wären, um an deren Vermögen zu kommen.

Nein, die Leute werden nur unter brutalen Arbeitsbedingungen in Fabriken verheizt. Das ist ein bisschen subtiler, aber auch wirklich nur ein bisschen.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » So 3. Feb 2013, 21:06

Nanna hat geschrieben:
provinzler hat geschrieben:Mir wäre nicht bekannt, dass im Namen des Kapitalismus Millionen im letzten Jahrhundert Menschen von einer Regierung ermordet wordet wären, um an deren Vermögen zu kommen.

Nein, die Leute werden nur unter brutalen Arbeitsbedingungen in Fabriken verheizt. Das ist ein bisschen subtiler, aber auch wirklich nur ein bisschen.

Der Unterschied, ob sich einzelne Verantwortliche falsch verhalten, oder ob ein ganzer Behördenapparat auf Regierungsgeheiß Leute abmurkst, ist dir aber schon klar, oder?
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » So 3. Feb 2013, 22:03

Wenn die Erzeugung des Leids systemimmanent ist, ist das vollkommen irrelevant, weil es dann keine Verantwortlichkeit gibt.
Wenn das Leid hingegen Folge des Fehlverhaltens Einzelner ist, macht es keinen Sinn, die zugrundeliegende Wirtschaftsideologie verantwortlich zu machen, zumindest insofern sie nicht das "Abmurksen" propagiert, was von der theoretischen Seite her weder Kapitalismus noch Sozialismus tun.
Du kannst also, zumindest sofern du Wert auf eine konsistente Argumentation legst, nicht behaupten, dass Leid im Sozialismus systemimmanent ist, aber im Kapitalismus auf der Verantwortung Einzelner beruht, weil du damit willkürlich zwei unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe anlegst.

Ich persönlich tendiere (mit Hannah Arendt, die sich stark dagegen gewandt hat, Verantwortung von Individuen auf Systeme zu übertragen, auch wenn ich der Meinung bin, dass sich in zunehmender Komplexität vieles versendet) zu letzterem, also die Einzelpersonen verantwortlich zu machen - d.h. im Sozialismus diejenigen innerhalb der Behörden, die das Morden veranlasst und organisiert haben und im Kapitalismus diejenigen, die es sich in ihren Industriellenvillen gut gehen lassen, während die Arbeiter Körper und Geist für die Produktion ruinieren. Das hat ja im Kapitalismus über weite historische Strecken hinweg durchaus epidemischen Charakter angenommen und tut es auch heute noch, wenn man in bestimmte Weltregionen blickt.

Ich verteidige hier gar nicht den Sozialismus als Wirtschaftsform, ich finde nur dein Bemühen, dem Sozialismus als Ideensystem eine immanente Gewalttendenz zu unterstellen, wenig hilfreich. Das macht nicht den Eindruck, als wolltest du den Sozialismus als Konzept verstehen, sondern mehr den, ihn diskreditieren zu wollen, zur Not auch mit verzerrenden Vergleichen. Dabei haben sowohl Sozialismus als auch Kapitalismus eine weite Bandbreite von Unterformen hervorgebracht, worunter in beiden Fällen auch gewalttätige und unmenschliche Erscheinungen fallen, wie beispielsweise Leninismus/Stalinismus und Manchesterkapitalismus oder auch die moderne Sklaverei. Im Leninismus und noch mehr im Stalinismus sind Gewalt gegen Abweichler tatsächlich Bestandteil der Ideologie in einer imperativen Form, im klassischen Marxismus ist Gewalt im Rahmen der (zeitlich begrenzten) Weltrevolution dagegen eine historische Notwendigkeit, die man nicht wünscht, aber mit quasideterministischer Sicherheit erwartet und gegen die man, da der Lauf der Geschichte teleologisch interpretiert wird, auch gar nichts machen kann. Sowohl Sozialismus als auch Kommunismus werden, sobald umgesetzt, als komplett gewaltfrei vorgestellt.
Umgekehrt propagieren kapitalistische Theorien auch nicht Gewalt und Unterdrückung, sondern freien Austausch von Waren und Dienstleistungen, was aber in der Realität häufig ganz anders aussieht und bis hin zu sklavenähnlichen Verhältnissen führen kann. Und natürlich bringen auch Kapitalisten schon mal Leute um, wenn sie etwas haben wollen, was denen gehört. Erzähl mir bloß nicht, dass das ja kein "richtiger" Kapitalismus sei, denn das ist genau das Argument, das du den Sozialisten ja selber nicht durchgehen lassen willst. Auf die reine Lehre kann sich nur berufen, wer das auch allen Kontrahenten erlaubt.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » Mo 4. Feb 2013, 00:31

Den nationalen wie den internationalen Sozialismus braucht eigentlich keiner mehr zu diskreditieren. Die Fakten, die von den zwei Schnurrbartträgern aus Braunau und Gori geschaffen worden sind, sprechen eine deutliche Sprache.
Ich hatte auch nicht bestritten, dass es Kapitalisten gibt, die unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Töten bereit sind. Mir sind allerdings keine bekannt die organisierte, systematische Massentötungen von mehreren Millionen Menschen veranlasst haben, wie das alleine die beiden genannten Schauzbartträger, die hier als die bekanntesten Vertreter nur stellvertretend genannt werden sollen, in die Wege geleitet haben.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » Mo 4. Feb 2013, 01:25

Mir auch nicht und ich nehme keinen der beiden in Schutz. Ich sage nur, dass uns diese assoziativen Verbindungen von Sozialismus und Massenmord nicht weiter bringen, schon gar nicht in Verbindung mit Linksradikalismus in Deutschland. Es sind genauso wenig alle Menschen mit linker Einstellung im Herzen geheime Massenmörder wie alle Menschen mit rechter Einstellung im Herzen geheime Rassisten und Sozialdarwinisten sind. Auf so was brauchen wir uns nicht einzulassen, das ist eine Ebene der Betrachtung, die mit oberflächlich noch wohlwollend umschrieben wäre.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon provinzler » Mo 4. Feb 2013, 01:55

Nein, der gemeinsame Nenner der Linken ist der tiefsitzende Neid. Und wie weit die einzelnen dabei bereit sind Übergriffe mitzutragen (im Sinne von aktivem Mitwirken und/oder aktivem Gutheißen) hängt nicht zuletzt vom darüber hinaus vorhandenen eigenen Wertesystem, dem Umfeld und der sich bietenden Gelegenheit ab. Und diesen Neid sehe ich übrigens auch bei vielen Menschen, die ich ansonsten sehr schätze und mag und das stimmt mich oft nachdenklich oder auch traurig. Neid bringt nicht nur niemanden vorwärts, sondern ist darüber hinaus stark destruktiv (bis hin zum Massenmord). Und das bereitet mir nicht geringe Sorgen, wenn ich immer wieder sehe, wie stark dieses destruktive Sentiment unser politisches Geschehen bestimmt. Mehr oder weniger unser komplettes Sozial- und Steuersystem wurden im Dritten Reich, ganz wesentlich auf Basis dieses Neides geschaffen* und nie in Frage gestellt, weil der Neid als Triebfeder an sich nie wirklich auf den Diskussionstisch kam.
Wenn ich dann lesen muss, dass im Bundestag allen Ernstes über eine Wiederbelebung des KdF-Programms diskutiert wird, kommt mir die letzte Mahlzeit hoch.

*Bevor der Einwand kommt. Auch das Ehegattensplitting wurde damals letztlich deswegen eingeführt, und sollte damals das Hausfrauendasein, das bis dato ein Privileg der Mittelschicht war, auch der Unterschicht ermöglichen. Auch wenns heute vielleicht kaum nachvollziehbar scheint. Aber Hausfrauendasein, war bis in die 50er Jahre hinein ein Statussymbol, das man sich "leisten können musste", ein Symbol der gehobenen Mittelschicht. In der Unterschicht waren die Frauen hingegen fast immer auf die ein oder andre Weise berufstätig, aus schlichter ökonomischer Notwendigkeit.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Günther Jauch: Sexismus-Debatte

Beitragvon Nanna » Mo 4. Feb 2013, 03:23

provinzler hat geschrieben:Nein, der gemeinsame Nenner der Linken ist der tiefsitzende Neid.

Woher weißt du das denn? Du bist doch kein Linker.

Für mich klingt das nach einer sehr subjektiven Interpretation, die vor allem deshalb problematisch ist, weil sie unhinterfragt subjektiv zu sein scheint. Kernideen des als links bezeichneten politischen Spektrums sind sehr komplex und elaboriert, wie die des wirtschaftsliberalen übrigens auch. Es ist nicht so, dass sich da ein paar Neidhammel hingesetzt haben und wütend gefordert haben, dass alle gleichgeschoren zu sein haben. Es gibt natürlich eine bei den Linken geteilte Abneigung gegenüber hoher sozialer Ungleichheit, aber doch nicht primär und schon gar nicht allein aus Habgier und Missgunst heraus. Der gemeinsame Nenner der Linken ist vielmehr eine Besorgnis gegenüber allzu starker Ungleichverteilung von Macht und der daraus resultierenden Bedrohung des Einzelnen, aber auch der Gesamtgesellschaft. Daher kommt die Vorliebe der Linken für Umverteilung und für die Bürokratie (und zwar im Weber'schen Sinne einer neutralen, gleichbehandelnden Instanz, die nach vorab festgesetzten Regeln gleiche Fälle gleich entscheidet) und die Abneigung gegen die Konzentration von Machtmitteln in den Händen Einzelner, wozu auch Produktionsmittel gezählt werden (und Produktionsmittel sind üblicherweise nicht ein paar Handwerkerwerkzeuge, sondern großindustrielle Fertigungsanlagen).

Keine Ahnung, ob du das gerne hörst, weil es dein hohes moralisches Ross attackiert, aber die Grundsorge der Linken ist mit der Grundsorge der Libertären in vielerlei Hinsicht vergleichbar (genau wie übrigens die unbeschreibliche Blindheit gegenüber der utopischen und idealisierten Natur der jeweils favorsierten Lösung). Linke und Libertäre wollen beide nicht, dass Oligarchien den Ton angeben (der real existierende Sozialismus hat in der Hinsicht mit der Sehnsucht der Linken nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft auch Null zu tun), die unterschiedlichen Anschauungen, wie das wirtschaftspolitisch zu realisieren ist, resultieren einfach aus der unterschiedlichen Genese der Ideologien her. Der Kommunismus entstammt als Idee dem Arbeitermilieu, dessen Lebenswirklichkeit von großindustrieller Fertigung geprägt war, der Libertarismus hat sich als Extremform des Liberalismus im (klein)unternehmerischen Umfeld herausgebildet, wo vor allem unternehmerische Autonomie im Fokus steht. In beiden Fällen suchen die Betroffenen nach Möglichkeiten, Autonomie zu realisieren. Die Arbeiter, die nur die kollektive Arbeit kannten, waren der Ansicht, dass Besitz und Aufsicht folgerichtig kollektiv organisiert werden müssten, klar, schließlich kann nicht jeder eine eigene Fabrik haben, Teilen ist in deren Lebenswelt die einzige Option. Die Unternehmer, Handwerker und Mittelständler sind dagegen einer Deregulierung (weniger Vorschriften, mehr unternehmerische Handlungsfreiheit) zugeneigt, weil das in deren Lebenswelt wiederum die naheliegendste Option für mehr Autonomie ist.
Problematisch daran ist, dass a) die beiden Milieus Schwierigkeiten haben, die Intentionen und Perspektiven der anderen Seite zu verstehen, mehr noch, da die Ideologien heute noch bestehen, obwohl die Ursprungsmilieus verschwunden sind, und b) dass keines der beiden Konzepte sich ohne weiteres aus den jeweiligen Mikrokosmen, in denen sie entstanden sind, und in deren Kontext sie sinnvoll erschienen, auf die höhere Ebene der Gesamtgesellschaft übertragen lassen. So kommt es dann, dass auf der linken Seite nicht verstanden wird, dass Deregulierung ein sehr wichtiger Baustein der Wirtschaftsförderung sein kann und dass auf der libertären Seite nicht kapiert wird, dass das freie Kräftespiel nicht in jedem gesellschaftlichen Kontext funktioniert. Beide Seiten extrapolieren ihre eigene Lebenswelt da unreflektiert auf andere Teile, mit denen sie wenig Erfahrung besitzen.

Und klar: Wenn ich nicht aus meiner libertären Perspektive heraus kann, in der es nichts gibt an Motiven außer Eigeninteresse, dann muss ich die Organisationsformen, die die Linke anstrebt, als neidbasiert ansehen, weil ich mir in meinem eigenen diskursiven Deutungsrahmen (der nie objektiv, sondern immer sozial konstruiert ist) anders keinen Reim darauf machen kann. Und weil die Gegenseite oft genug dasselbe tut, nehmen beide Seiten es viel zu oft so wahr, dass die Anderen ihnen etwas wegnehmen bzw. aufdrücken wollen und dann wird oft nur heiser hin und zurück geschrieen ("Ihr Ausbeuter", "Ihr Neidhammel"...).

Wenn man so verbissen immer nur sein eigenes kleines Perspektivchen auf die Welt reproduziert, kommt als Gesellschaft schlecht voran. Dabei könnten beide Seiten meines Erachtens verdammt viel voneinander lernen, weil beide in Teilaspekten Recht haben und auf bestimmten Gebieten mehr von etwas verstehen als die Anderen.

provinzler hat geschrieben:*Bevor der Einwand kommt. Auch das Ehegattensplitting wurde damals letztlich deswegen eingeführt, und sollte damals das Hausfrauendasein, das bis dato ein Privileg der Mittelschicht war, auch der Unterschicht ermöglichen. Auch wenns heute vielleicht kaum nachvollziehbar scheint. Aber Hausfrauendasein, war bis in die 50er Jahre hinein ein Statussymbol, das man sich "leisten können musste", ein Symbol der gehobenen Mittelschicht. In der Unterschicht waren die Frauen hingegen fast immer auf die ein oder andre Weise berufstätig, aus schlichter ökonomischer Notwendigkeit.

Das war im damaligen Kontext dann ja auch ok. Aber die Zeiten der traditionellen Kernfamilie sind vorbei und kommen aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht wieder. Das Ehegattensplitting wurde damals aus bestimmten gesellschaftlichen Gründen eingeführt, und es wird demnächst aus bestimmten gesellschaftlichen Gründen wieder abgeschafft werden, je nachdem wer die nächste Wahl gewinnt halt ein paar Jahre früher oder später. Und das ist ok so.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

VorherigeNächste

Zurück zu Gesellschaft & Politik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste

cron