Jährliche 'Edge'-Frage

Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » So 14. Apr 2013, 06:47

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, im Hinterkopf kannst du im Alltag immer davon ausgehen, dass es ein Morgen gibt, was der eigentliche Trost ist und nicht deine angepasste Wahrnehmung.

Testlauf, nicht identisch.
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Doch, ich habe mich schon recht intensiv mit dem Tod in allem Spielarten auseinandergesetzt, auch mit dem Verlust der Liebsten.

Und deine Antort auf den hypothetischen Verlust hat gezeigt, dass dir deine Philosophie nicht helfen würde (soweit ich mich erinnern kann, hast du klar auf meine Frage geantwortet: Du wüsstest nicht, was du tun würdest, vielleicht vor einen Zug werfen oder sowas, war es nicht so? Und wieso hast du dann versucht, dieses Thema im Zusammenhang mit dem Tod, dem Verlust zu betrachten?).

Du fragtest wie ich reagieren würden, beim Verlust von allem. Ich sagte, ich würde überlegen mich vor einen Zug zu schmeißen und leiden wie ein Tier. Ob ich's dann mache würde, weiß ich nicht, leiden würde ich bestimmt. Ich würde auch den Tod nicht begeistert aufnehmen, aber ich sehe, wie ich heute mit dem Thema umgehe und vor 5, 10, 20 Jahren und da hat sich manches gewandelt, hin zu einer viel größeren Gelassenheit. Wenn ich alt werden sollte und der Sensenmann dann mal klopft, kann ich mir vorstellen, dass ich einigermaßen bereitwillig mitgehe. Kann ja auch spannend sein, wer weiß das schon?

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Manipulation bezog ich nicht auf die Partnerin. Wenn sie mich emotional derart überzeugen würde, hätte ich gar nicht den Willen, sie zu manipulieren, im Verhalten zu modifizieren. Aber grundsätzlich ist Manipulation ein Werkzeug wie jedes andere.

Okay. Und, ja, Manipulation gehört auch zum leben.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist auch nicht schlimm sich in Illusionen ein Stück weit zu verlieren, darf halt nicht zu arg werden.

Ich kann Illusionen (so wie der Religion) nichts abgewinnen, solange sie nicht lediglich zur kurzweiligen Unterhaltung dienen und klar als Illusion erkannt werden.

Kann schon sein, schlimm sind sie dennoch nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht meinen wir hier dasselbe. Aus Fehler lernen. Aus der Sicht werden Fehler und Probleme geradezu zum Treibstoff der Evolution.
Naja, wenn du eben nur so deine Fehleinschätzung eingestehen kannst, dann ist das in Ordnung.Jedenfalls würde doch kaum jemand zuerst meinen, Niederlagen nicht zuzulassen, würde bedeuten sie wegzuerklären und sie anschließend als Treibstoff der Evolution zu bezeichnen. Oder meinst du nicht, dass deine Wortwahl diese Einschätzung zulässt?

Ich haben den Satz mehrfach gelesen, aber nicht kapiert. Kannst Du ihn bitte noch mal anders formulieren?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich stelle mich dem Leben, meinen Ansprüchen und schraube sie nicht zurück, nur weil ich Angst habe, sie nicht zu erfüllen. Was hat es für einen Nutzen, einen Erkenntnisgewinn, seine Ziele "realistisch" zu setzen?
Dass man Ziele auch mal erreicht.

Und was sind erreichte Ziele wert, wenn sie gar keine Freude bereiten?

Nichts. Aber, wenn Dich nur oder überwiegend das erreichen von Zielen befriedigt, die gemeinhin als unerreichbar gelten, würde ich fragen, warum das so ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon habe ich meine Ziele im Wesentlichen bis jetzt immer erreicht (sie sind natürlich nicht vergleichbar mit den eigentlichen Zielen, aber die erreichten Etappen sind bereits mehr als viele andere erreichen konnten und auch mehr als mir viele zugetraut haben). Und selbst bei kleineren Rückschlägen gewinne ich mehr als bei mittelmäßigen kleinen Zielen.

In dem Fall und wenn Dich kleine Dinge auch freuen, würde ich die obige Frage nicht stellen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es bringt mir keinen Frieden, ich stelle mich gerade durch mein Handeln dem Leben, nicht durch gesenkte Ansprüche. Ich würde einiges darauf wetten, dass die Größenwahnsinnigen Persönlichkeiten der Geschichte obgleich ihres Scheiterns ihr Leben wesentlich intensiver erlebten als jeder Zeitzeuge, welcher nicht zu ihren Entscheidungen den Mut hatte.

Wenn Intensität das ist was Du anstrebst, vielleicht. M.E. jedoch eher nicht. Die Intensität ist in meinen Augen da oft die Kompensation einer zu geringen Variablität des emotionalen Spektrums. Man erlebt nicht alles (manche spüren das neidvoll) und darum soll das was man erlebt maximal ausgekostet werden. Halte ich als Kompensationsmechanismus für verständlich, letztlich aber für defizitär.

Intensität ist ein Maß für die Stärke des Erlebnisses, kein Teil des emotionalen Spektrums.

Stimmt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Folglich hat das nichts mit Beschränktheit zu tun.

Stimmt auch, meiner Beobachtung nach fällt nur beides häufig zusammen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Vielleicht wusstest du aber auch einfach nicht, was Intensität bedeutet.

Tatsächlich kannte ich das Wort schon vorher.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich finde mich jedenfalls nicht damit ab, nicht alles, was ich auch erleben will, nicht erleben zu können. Das zu nehmen, was man möglichst leicht erreichen kann, ist antriebslos. Das ist defizitär und ist auch noch ein Kompensationsmechanismus. Denn du hast noch nichtmal widersprochen, dass meine Ziele die Emotionen, die ich anstrebe tatsächlich die erstrebenswertesten sind.

Es wird so sein und seinen Grund haben, dass Dir Deine Ziele und Emotionen lohnenswert und richtig erscheinen. Warum sollte ich Dir das absprechen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Du bevorzugst lediglich aufgrund der leichteren Erreichbarkeit zweitklassiges - wenn das nicht Kompensation ist, was dann?

Dem allerdings, hatte ich doch bereits widersprochen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das scheint mir eine verengte Sicht zu sein, die zu wissen behauptet, wie das Leben wirklich ist. Ein Kampf, ein Ort an dem unausgesetzt um Sieg oder Niederlage, Alles oder Nichts, Triumph oder Verlust geht. Reduziert man menschliches Miteinander auf diese Sicht, ist es verständlich lieber Sieger als Verlierer sein zu wollen, allerdings verfehlt diese Sicht m.E. eine breites Spektrum des ganz realistisch Menschenmöglichen, nämlich eine schrittweise Erweiterung eben dieses emotionalen Spektrums.

Kämpfe können wesentlich abstrakter sein als auf sich einzudreschen. Und abgesehen davon war meine Parabel ein Spiel, kein aggressiver Konflikt. Das Leben ist eher ein Spiel, mit hohem Einsatz. Und Spiele können vielfältig gestaltet sein, ihre Regeln variieren, können gebrochen werden. Dann kann man ziemlich alles als Verlust oder Gewinn einstufen. Komplexere Gefühle können durch gewonnene Erfahrungen geweckt werden, Verlust wird gemeinhin als Niederlage gewertet. Das deckt ein ziemlich weites Spektrum ab.

Zumindest ein breiteres als Kampf, kommt halt im Einzelfall auch die Ausbuchstabierung an. Aber lass die mal stecken, ich will da jetzt auch nicht zu tief eintauchen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist der Preis für ebenso intensiviertes Glück. Das Leben ist bittersüß. Ich bevorzuge vielfältigere Empfindungen als eintönige, gedämpfte Empfindungen. Abgesehen davon will ich wissen, wo ich verblendet bin. Ist nicht eher die buddhistische Philosophie nicht bewusste, absichtliche Verblendung gegenüber der Vergänglichkeit?

Der Modus wäre ja eher Gier, die würde ich im Festhalten wollen sehen. Aber wer will das nicht?
Was den Buddhismus angeht, so leugnet oder verdrängt sie die Vergänglichkeit nicht, die Vergänglichkeit von allem ist ja gerade der Ausgangpunkt der buddhistischen Analyse. Entstehen/Vergehen. Und daraus resultiert Leid.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ruhig und ziellos trifft es eigentlich sehr gut. Würde ich mich tatsächlich mit identifizieren können. Ruhe allerdings als Ruhe des Geistes, nicht als Betulichkeit. Und ziellos im Sinne von nichts mehr erreichen wollen oder müssen, kann ich annehmen. Ich würd's halt nicht als Defizit sehen, für Dich scheint das der maximale Alptraum zu sein.
Was hat das Leben noch für einen Antrieb, wenn Ziele nur so weit reichen wie das Bier im Kühlschrank, wenn jede Emotion gedämpft wird, damit das Leid nicht zugelassen wird?

Ich habe doch bereits geschrieben, dass ein spiritueller Weg ein Weg der Intensivierung von Erfahrungen ist. Also genau das Gegenteil von Abstumpfen und nichts mehr fühlen. Leid zu überwinden hat wenig bis nichts damit zu tun, auf gute Laune zu machen und positiv zu denken.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » So 14. Apr 2013, 06:57

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nach Wikipedia ist es eher eine besondere, dauerhafte Einsicht, ein Endergebnis persönlicher Entwicklung. Das schließt die Konfrontation mit Widerständen gewiss nicht aus, wenn man weiß mit ihnen umzugehen.

Das schließt die Konfrontation nicht aus, stimmt. Man setzt den Situationen nur keine Widerstände entgegen, auch Konfrontationen nicht unbedingt.

Nein, das geht aus der Definition nicht hervor. Solange ich zugleich Einsicht behalte, meine Enwticklung abgschlossen ist, kann ich mich jedem Konflikt stellen. Sie spielen keine Rolle, da sie keinen Schrecken darstellen. Konflikte, Widerstände stellen sich einem automatisch, dein Vorgehen besteht vielmehr darin, ihnen auszuweichen, indem du dich den dahinterstehenden Zielen und Erlebnissen verschließt. Aber man bekommt nunmal selten etwas geschenkt, das auch wirklich wertvoll ist.

Welche Ziele sollte man denn haben, wenn man am Ziel ist?

Darth Nefarius hat geschrieben:Tja, was erstrebst du denn an der Hölle? Gerade weil du eingestanden hast, dass deine Methodik die Hölle oder das Leid ebenso zulässt wie das Glück, sehe ich eben keinen Vorteil in ihr.

Das ist der Vorteil, beides zuzulassen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon hast du doch auch zu der Erreichbarkeit von Zielen genug geschrieben. Es kommt dir ja eben nicht auf die Ziele an, sondern auf Erreichbarkeit. Das IST die Vermeidung von schwierigen Situationen.

Jetzt machst Du mehr draus, als ich gesagt habe. Natürlich kann man sich Ziele setzen, meine Aussage war, dass es besser ist, sich realistische zu setzen als (ständig) welche, die man nicht erreicht. Zu leicht dürfen Ziele nicht sein, sonst befriedigt ihr Erreichen nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Gerade weil man ja inzwischen reihenweise Buddhas Mönche in die Röhre geschoben und durchgemessen hat, finde ich die Ergebnisse noch eindrucksvoller. Sie bestehen jeden Praxistest.

Und was sollen sie belegen? Weil sie einen ruhigen Zustand haben, ist eine Analyse nicht das gleiche wie Beobachtung? Oder dass Ruhe gleich Emotionslosigkeit-/Wertungslosigkeit bedeutet? Gib mir einen Link, der genau das bestätigt.

An Wortklauberei habe ich kein Interesse. Studien über den Zusammenhang von Meditation und Hirnaktivität, -veränderung und dem Einfluss auf Stresshormone und dergleichen gibt es viele.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Ablehnung von neuem, von Herausforderung, Konflikten, Widerständen großen Zielen scheint mir eher DEIN Weg zu sein.

Nein, aber Du hast Dich jetzt, trotz mehrfacher gegenteiliger Hinweise auf diese Deutung eingeschossen, so dass ich dafür plädiere die Diskussion, die ja bisher ganz gut geklappt hat langsam runterzudimmen, verbunden mit einem Dank, über ihren bisherigen Verlauf. Was ich meine, habe ich versucht klar darzustellen, was Du daraus machst, liegt bei Dir.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und es geht auch nicht ums rechthaben, du kannst ja glauben, was du willst, wenn es für dich funktioniert. Meine gut begründete Analyse ist jedoch, dass dein Weg nur für den Alltag funktioniert und nur solange du größere Ziele und Emotionen unterdrückst. Das ist für mich nicht erstrebenswert.

Ja, ich sehe das auch durchgehend sportlich: Jeder, wie er will. Solange einem diese Freiheit gewährt wird ist alles in Ordnung.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es gibt Genieleistungen in jungen, mittleren, alten und greisen Jahren, es gibt durch alle Alterklassen Idioten.

Schön, würdest du es dann endlich lassen, immer auf das Alter zu verweisen?

Ich habe gar nicht den Eindruck, dass ich „immer“ auf das Alter verweise. Dass ein 20-Jähriger allerdings selten sieben Kinder und drei Ehen hinter hat, oder auch nur die Höhen und Tiefen, des alltäglichen Miteinanders in Beziehung kennt – die emotionalen Spitzen sehr wohl, vielleicht mehr als zu jeder anderen Lebenszeit – finde ich nicht sonderlich ungewöhnlich und ich würde das auch nicht erwarten. Ein 20-Jähriger kann nun mal auch keine 15-jährige Berufserfahrung vorweisen, das ist ja keine Herabsetzung das festzustellen. Ich würde jemanden, der gerade mit Pubertsätsakne kämpft nicht zu Problemen mit grauen Haaren befragen, genau wie ich jemanden, der sich schämt, dass er einen Rollator braucht, nicht frage, ob er ein neues BMX Rad will.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » So 14. Apr 2013, 16:47

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, im Hinterkopf kannst du im Alltag immer davon ausgehen, dass es ein Morgen gibt, was der eigentliche Trost ist und nicht deine angepasste Wahrnehmung.

Testlauf, nicht identisch.

Eben; dieser "Testlauf" ist aufgrund dieses Punktes nicht mit den Ernstfällen vergleichbar.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Doch, ich habe mich schon recht intensiv mit dem Tod in allem Spielarten auseinandergesetzt, auch mit dem Verlust der Liebsten.

Und deine Antort auf den hypothetischen Verlust hat gezeigt, dass dir deine Philosophie nicht helfen würde (soweit ich mich erinnern kann, hast du klar auf meine Frage geantwortet: Du wüsstest nicht, was du tun würdest, vielleicht vor einen Zug werfen oder sowas, war es nicht so? Und wieso hast du dann versucht, dieses Thema im Zusammenhang mit dem Tod, dem Verlust zu betrachten?).

Du fragtest wie ich reagieren würden, beim Verlust von allem. Ich sagte, ich würde überlegen mich vor einen Zug zu schmeißen und leiden wie ein Tier. Ob ich's dann mache würde, weiß ich nicht, leiden würde ich bestimmt. Ich würde auch den Tod nicht begeistert aufnehmen, aber ich sehe, wie ich heute mit dem Thema umgehe und vor 5, 10, 20 Jahren und da hat sich manches gewandelt, hin zu einer viel größeren Gelassenheit. Wenn ich alt werden sollte und der Sensenmann dann mal klopft, kann ich mir vorstellen, dass ich einigermaßen bereitwillig mitgehe. Kann ja auch spannend sein, wer weiß das schon?

Wenn du mittlerweile tatsächlich nicht davon ausgehst, dass der Tod endgültig ist und damit der Verlust von allem bedeutet, ist das eine Diskussion zwischen Atheismus und Glauben. Spannend ist das Nichts jedenfalls bestimmt nicht, man muss schon irgendwie an ein Weitergehen glauben, so wie du das offensichtlich tust. Und wieder zeigt sich, dass deine Gelassenheit nur möglich ist, wenn du von einem Morgen ausgehst (ob das nun ein echtes, irdisches Morgen ist, oder ein illusorisches Jenseits-morgen).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist auch nicht schlimm sich in Illusionen ein Stück weit zu verlieren, darf halt nicht zu arg werden.

Ich kann Illusionen (so wie der Religion) nichts abgewinnen, solange sie nicht lediglich zur kurzweiligen Unterhaltung dienen und klar als Illusion erkannt werden.

Kann schon sein, schlimm sind sie dennoch nicht.

Sie können es sein. Deswegen ist der Begriff "Wahnsinn" negativ belegt. Ein Wahnsinniger/Irrsinniger hat sich in Illusionen verloren, wären die Resultate harmlos, würde niemand den Begriff negativ belegen. Kinkret zeigt sich das an religiösen Fanatikern.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Naja, wenn du eben nur so deine Fehleinschätzung eingestehen kannst, dann ist das in Ordnung.Jedenfalls würde doch kaum jemand zuerst meinen, Niederlagen nicht zuzulassen, würde bedeuten sie wegzuerklären und sie anschließend als Treibstoff der Evolution zu bezeichnen. Oder meinst du nicht, dass deine Wortwahl diese Einschätzung zulässt?

Ich haben den Satz mehrfach gelesen, aber nicht kapiert. Kannst Du ihn bitte noch mal anders formulieren?
[/quote]
Gut: Das Zitat, auf das ich mich hier bezog, schien mir der Formulierung eines darauf bezogenen, vorangegangenen Zitats zu widersprechen. Warum: Du betrachtest hier das Lernen aus Fehlern als positiv, als Treibstoff der Evolution. Vorher hast du mein Vorgehen, welchem du hier zugestehst, das gleiche zu meinen wie du, als Wegerklären von Niederlagen bezeichnet. Ich sehe in dieser Formulierung kein Beführworten des Vorgehens (wie du es beim "Lernen aus Fehlern" klar gemacht hast).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Und was sind erreichte Ziele wert, wenn sie gar keine Freude bereiten?

Nichts. Aber, wenn Dich nur oder überwiegend das erreichen von Zielen befriedigt, die gemeinhin als unerreichbar gelten, würde ich fragen, warum das so ist.

Das hat ja nichts mit ihrer Unerreichbarkeit zu tun. Wenn etwas mir erstrebenswert erscheint, erstrebe ich es, egal wie die Chancen sind, solange alle Alternativen mich nicht erfreuen. Wenn es zwei gleichermaßen erstrebenswerte Dinge gibt, richte ich mich natürlich nach der Erreichbarkeit.
Vollbreit hat geschrieben:In dem Fall und wenn Dich kleine Dinge auch freuen, würde ich die obige Frage nicht stellen.

Sie erfreuen mich insofern, als dass ich immer noch Chancen habe, meine Ziele zu erreichen und diese Chancen sogar steigen. Das stellt mich zufrieden und lässt meine Kontrolle über die Angst behalten.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Intensität ist ein Maß für die Stärke des Erlebnisses, kein Teil des emotionalen Spektrums.

Stimmt.
Darth Nefarius hat geschrieben:Folglich hat das nichts mit Beschränktheit zu tun.

Stimmt auch, meiner Beobachtung nach fällt nur beides häufig zusammen.

Wie oft bist du denn größenwahnsinnigen, historischen Persönlichkeiten begegnet?
Vollbreit hat geschrieben:
Es wird so sein und seinen Grund haben, dass Dir Deine Ziele und Emotionen lohnenswert und richtig erscheinen. Warum sollte ich Dir das absprechen?

Hast du nicht, im Gegenteil schienst du eigentlich ähnliches zu empfinden, schließlich beruht deine Argumentation darauf, diese Ziele zu vermeiden, oder dich mit halbgaren Kompromissen zufriedenzugeben und nicht durch bessere zu ersetzen. Oder strebst du nicht an grundsätzlich lieber zu leben als tot zu sein? Strebst du nicht auch Liebe an? In diesen Punkten unterscheiden wir uns wohl nicht, allerdings im Umgang mit ihnen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du bevorzugst lediglich aufgrund der leichteren Erreichbarkeit zweitklassiges - wenn das nicht Kompensation ist, was dann?

Dem allerdings, hatte ich doch bereits widersprochen.

Wo denn? Eigentlich hast du mir nur Kompensation vorgeworfen. Und auch ein Widerspruch reicht nicht aus, ohne Begründung, warum dein Vorgehen denn keine Kompensation ist, meine hingegen schon.
Vollbreit hat geschrieben:Der Modus wäre ja eher Gier, die würde ich im Festhalten wollen sehen. Aber wer will das nicht?
Was den Buddhismus angeht, so leugnet oder verdrängt sie die Vergänglichkeit nicht, die Vergänglichkeit von allem ist ja gerade der Ausgangpunkt der buddhistischen Analyse. Entstehen/Vergehen. Und daraus resultiert Leid.

Dass ich gierig bin, habe ich auch nicht geleugnet. Du hast mir eben aber auch Verblendung angedichtet, ich habe deswegen gefragt, warum. Jedenfalls kann man nicht beides im gleichen Atemzug behaupten, weil Gier und Verblendung nicht einander bedingen.
Nach deiner Dartsellung verschileßt sich der Buddhismus dem Leid durch dem Leugnen der Vergänglichkeit (es ist schließlich kein passiver Vorgang bei jedem intelligenteren Menschen, nicht daran zu denken, dass man selbst und geliebte Dinge vergänglich sind. Dazu bedarf es aktiver Denkarbeit und Verdrängung. Der Gedanke jedanfalls führt unweigerlich zu Leid, sofern man nicht tatsächlich an Unsterblichkeit und den ganzen Mist glaubt).
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe doch bereits geschrieben, dass ein spiritueller Weg ein Weg der Intensivierung von Erfahrungen ist. Also genau das Gegenteil von Abstumpfen und nichts mehr fühlen. Leid zu überwinden hat wenig bis nichts damit zu tun, auf gute Laune zu machen und positiv zu denken.

Wie kannst du bitte deine Erfahrungen intensivieren, wenn du dir nicht die vielleicht auch mal vermeindlich unerreichbaren Ziele setzt? Schon klar, das Leben im Moment, die Beobachtung, jedoch nicht die Analyse des Wandels......
Dazu habe ich auch genug geantwortet.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » So 14. Apr 2013, 17:36

Vollbreit hat geschrieben:Welche Ziele sollte man denn haben, wenn man am Ziel ist?

Frag mich das, wenn ich jede mögliche Art zu sterben überwunden habe. Aber wenn du das auf dich beziehst, so glaube ich dir nicht, dass du eigentlich doch nicht sterben willst, dass du nicht doch auch die eine, ewige Liebe anstrebst (egal, ob du noch an sie glaubst oder nicht). Du hast diese Ziele lediglich begraben, wie es scheint.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Tja, was erstrebst du denn an der Hölle? Gerade weil du eingestanden hast, dass deine Methodik die Hölle oder das Leid ebenso zulässt wie das Glück, sehe ich eben keinen Vorteil in ihr.

Das ist der Vorteil, beides zuzulassen.

Verstehe ich nicht. Du hast doch noch oben behauptet, dass der Buddhismus das Leid vermeiden will. Und Hölle ist eine Metapher für Leid, und Hölle zuzulassen, bedeutet auch Leid zuzulassen. Also sehe ich einen weiteren Widerspruch. Ich jedenfalls habe schon klar gemacht, dass ich Leid für unvermeidlich halte, verschließe mich dem also nicht (falls du mir das wiederum vorwerfen wolltest).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon hast du doch auch zu der Erreichbarkeit von Zielen genug geschrieben. Es kommt dir ja eben nicht auf die Ziele an, sondern auf Erreichbarkeit. Das IST die Vermeidung von schwierigen Situationen.

Jetzt machst Du mehr draus, als ich gesagt habe. Natürlich kann man sich Ziele setzen, meine Aussage war, dass es besser ist, sich realistische zu setzen als (ständig) welche, die man nicht erreicht. Zu leicht dürfen Ziele nicht sein, sonst befriedigt ihr Erreichen nicht.

Wie gesagt ist meine Priorität nicht die Unerreichbarkeit, sondern der Wille, sie zu erreichen. Wenn mir nichts anderes so erstrebenswert erscheint, kann ich mich auch nicht für erreichbarere Ziele entscheiden, ohne unglücklich zu werden (sofern ich vorher glücklich bin, oder einfach nur noch nicht völlig verzweifelt). Leicht zu erreichen dürfen Ziele gern sein, wenn sie denn auch die eigentlichen Ziele sind. einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Also wenn tatsächlich jemand (und zwar nicht ich) ein Präparat für 1000 Jahre Leben auf den Markt bringt für 30 €, dann werde ich mich nichtbeschweren.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Und was sollen sie belegen? Weil sie einen ruhigen Zustand haben, ist eine Analyse nicht das gleiche wie Beobachtung? Oder dass Ruhe gleich Emotionslosigkeit-/Wertungslosigkeit bedeutet? Gib mir einen Link, der genau das bestätigt.

An Wortklauberei habe ich kein Interesse. Studien über den Zusammenhang von Meditation und Hirnaktivität, -veränderung und dem Einfluss auf Stresshormone und dergleichen gibt es viele.

Das ist keine Wortklauberei. Ich habe ja nicht widersprochen, dass du oder irgendwelche Buddhisten effektiv Stress im Alltag vermeiden können, jedoch zum einen, dass sie das auch in echten Stresssituationen könnten, zum anderen, wie sie das bewerkstelligen. Ich gehe schlichtweg von Verdrängung aus, wie es die anderen Religionen auch tun.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die Ablehnung von neuem, von Herausforderung, Konflikten, Widerständen großen Zielen scheint mir eher DEIN Weg zu sein.

Nein, aber Du hast Dich jetzt, trotz mehrfacher gegenteiliger Hinweise auf diese Deutung eingeschossen, so dass ich dafür plädiere die Diskussion, die ja bisher ganz gut geklappt hat langsam runterzudimmen, verbunden mit einem Dank, über ihren bisherigen Verlauf. Was ich meine, habe ich versucht klar darzustellen, was Du daraus machst, liegt bei Dir.

Ich habe kein Problem damit, jedoch habe ich meine Deutung begründet, du hast lediglich bestritten. Jedenfalls scheint du mir mehr Antworten schuldig zu sein als ich dir, damit widersprichst du dir und nicht ich mir, damit ist auch wiederholtes Leugnen ohne auf die begründete Fragen einzugehen nicht überzeugend.
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe gar nicht den Eindruck, dass ich „immer“ auf das Alter verweise. Dass ein 20-Jähriger allerdings selten sieben Kinder und drei Ehen hinter hat, oder auch nur die Höhen und Tiefen, des alltäglichen Miteinanders in Beziehung kennt – die emotionalen Spitzen sehr wohl, vielleicht mehr als zu jeder anderen Lebenszeit – finde ich nicht sonderlich ungewöhnlich und ich würde das auch nicht erwarten. Ein 20-Jähriger kann nun mal auch keine 15-jährige Berufserfahrung vorweisen, das ist ja keine Herabsetzung das festzustellen. Ich würde jemanden, der gerade mit Pubertsätsakne kämpft nicht zu Problemen mit grauen Haaren befragen, genau wie ich jemanden, der sich schämt, dass er einen Rollator braucht, nicht frage, ob er ein neues BMX Rad will.

Die Fragen, die wir uns stellen sind Altersunabhängig, ebenso wie die Antworten, die es darauf gibt. Da ich ja Beispiele für so ein (oder ein so ähnliches Verhalten) in der Geschichte kenne (und die gewiss nicht alle mit 20 gestorben sind), kann ich auch meine Haltung als altersunabhängig betrachten. Und ich muss auch nicht geheiratet haben, um unangenehme Beziehungen zu Fauen zu kennen. Jedenfalls habe ich mir schon oft bei einigen gedacht, dass es so sein muss, wenn man eine Ex-Frau hat. 15-jährige Berufserfahrung bedeutet lediglich etwas routiniert machen zu dürfen. Nun, das lässt sich mit Schule, Universität vergleichen (was auch schon mein ganzes Leben läuft, allerdings weniger routiniert ist und damit sogar schwieriger sein kann). Jedenfalls höre ich nicht selten von Professoren, dass sie heute nicht studieren wollen würden, ähnliches habe ich beim Abitur von Lehrern gehört. Also scheint mir Berufsleben eher entspannter zu sein als Lehre. Einige Erfahrungen sind redundant, deswegen ist das Alter kein Argument.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » So 14. Apr 2013, 22:46

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du mittlerweile tatsächlich nicht davon ausgehst, dass der Tod endgültig ist und damit der Verlust von allem bedeutet, ist das eine Diskussion zwischen Atheismus und Glauben. Spannend ist das Nichts jedenfalls bestimmt nicht, man muss schon irgendwie an ein Weitergehen glauben, so wie du das offensichtlich tust. Und wieder zeigt sich, dass deine Gelassenheit nur möglich ist, wenn du von einem Morgen ausgehst (ob das nun ein echtes, irdisches Morgen ist, oder ein illusorisches Jenseits-morgen).

Was den Tod angeht und ob dann alles aus ist, da bin ich agnostisch. Ansonsten sehe ich es so, dass die Gelassenheit eher daher kommt, dass ich mitunter mehr im Jetzt bin.

Darth Nefarius hat geschrieben:Sie können es sein. Deswegen ist der Begriff "Wahnsinn" negativ belegt. Ein Wahnsinniger/Irrsinniger hat sich in Illusionen verloren, wären die Resultate harmlos, würde niemand den Begriff negativ belegen. Kinkret zeigt sich das an religiösen Fanatikern.

Bei denen sind die Illusionen ja auch arg.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich haben den Satz mehrfach gelesen, aber nicht kapiert. Kannst Du ihn bitte noch mal anders formulieren?

Gut: Das Zitat, auf das ich mich hier bezog, schien mir der Formulierung eines darauf bezogenen, vorangegangenen Zitats zu widersprechen. Warum: Du betrachtest hier das Lernen aus Fehlern als positiv, als Treibstoff der Evolution. Vorher hast du mein Vorgehen, welchem du hier zugestehst, das gleiche zu meinen wie du, als Wegerklären von Niederlagen bezeichnet. Ich sehe in dieser Formulierung kein Beführworten des Vorgehens (wie du es beim "Lernen aus Fehlern" klar gemacht hast).

Ja, danke, habe ich jetzt kapiert. Probleme sehe ich schon als Brennstoff, dennoch sehe ich keinen Sinn darin, sich möglichst dicke Probleme zu schaffen. Aber, natürlich ist eine gewisse Lust am Knobeln nicht schlecht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie oft bist du denn größenwahnsinnigen, historischen Persönlichkeiten begegnet?

Kommt natürlich drauf an, wie eng oder weit man die jeweiligen Begriffe definiert. Da ich aber eine Affinitiät zu solchen Leuten habe, schon ein paar mal.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es wird so sein und seinen Grund haben, dass Dir Deine Ziele und Emotionen lohnenswert und richtig erscheinen. Warum sollte ich Dir das absprechen?
Hast du nicht, im Gegenteil schienst du eigentlich ähnliches zu empfinden, schließlich beruht deine Argumentation darauf, diese Ziele zu vermeiden, oder dich mit halbgaren Kompromissen zufriedenzugeben und nicht durch bessere zu ersetzen.

3. (Ich schreib ab jetzt nur noch die fortlaufende Nummer hin, die anzeigt, wie oft ich dem widersprochen habe.)

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du bevorzugst lediglich aufgrund der leichteren Erreichbarkeit zweitklassiges - wenn das nicht Kompensation ist, was dann?
Dem allerdings, hatte ich doch bereits widersprochen.
Wo denn? Eigentlich hast du mir nur Kompensation vorgeworfen. Und auch ein Widerspruch reicht nicht aus, ohne Begründung, warum dein Vorgehen denn keine Kompensation ist, meine hingegen schon.

Was heißt schon vorgeworfen, gedeutet. Einen Vorwurf kann habe ich damit nicht verbunden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der Modus wäre ja eher Gier, die würde ich im Festhalten wollen sehen. Aber wer will das nicht?
Was den Buddhismus angeht, so leugnet oder verdrängt sie die Vergänglichkeit nicht, die Vergänglichkeit von allem ist ja gerade der Ausgangpunkt der buddhistischen Analyse. Entstehen/Vergehen. Und daraus resultiert Leid.
Dass ich gierig bin, habe ich auch nicht geleugnet. Du hast mir eben aber auch Verblendung angedichtet, ich habe deswegen gefragt, warum.

Nein, ich hatte Gier, Hass und Verblendung als die drei Gifte im Buddhismus dargestellt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls kann man nicht beides im gleichen Atemzug behaupten, weil Gier und Verblendung nicht einander bedingen.

Das tun sie m.E. schon, aber bei Dir sehe ich in diesem Fall eher die Gierkomponente, ich bin allerdings nicht wirklich versiert in buddhistischer Deutung.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nach deiner Dartsellung verschileßt sich der Buddhismus dem Leid durch dem Leugnen der Vergänglichkeit (es ist schließlich kein passiver Vorgang bei jedem intelligenteren Menschen, nicht daran zu denken, dass man selbst und geliebte Dinge vergänglich sind. Dazu bedarf es aktiver Denkarbeit und Verdrängung. Der Gedanke jedanfalls führt unweigerlich zu Leid, sofern man nicht tatsächlich an Unsterblichkeit und den ganzen Mist glaubt).

Nein, der Buddhismus leugnet nicht die Vergänglichkeit, sondern geht – wie auch bereits erwähnt – ganz zentral davon aus, das alles vergänglich ist. Entstehen/Vergehen.
Entstheen/Vergehen. Entstehen/Versgehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie kannst du bitte deine Erfahrungen intensivieren, wenn du dir nicht die vielleicht auch mal vermeindlich unerreichbaren Ziele setzt?

In dem Du versuchst, das, was bereits da ist, intensiver wahrzunehmen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Welche Ziele sollte man denn haben, wenn man am Ziel ist?
Frag mich das, wenn ich jede mögliche Art zu sterben überwunden habe. Aber wenn du das auf dich beziehst, so glaube ich dir nicht, dass du eigentlich doch nicht sterben willst, dass du nicht doch auch die eine, ewige Liebe anstrebst (egal, ob du noch an sie glaubst oder nicht). Du hast diese Ziele lediglich begraben, wie es scheint.

Ich sehe gerade nicht, was diese Themen ausschließt. Natürlich will ich nicht sterben, jetzt in diesem Augenblick will ich das nicht. Aber der Gedanke an den Tod versetzt mich nicht mehr in Panik. Vielleicht sagt mein Hausarzt zu mir demnächst ja: „Setzten sie sich erst mal, ...“, und dann werden die Karten vielleicht neu gemischt, aber ich habe etliche Dinge da hinter mir gelassen und wenn das so weitergeht, sage ich mit 80 vielleicht. „War ne gute Zeit, tschüss.“
Was das mit einem Verzicht auf Liebe zu tun haben soll, kann ich nicht sehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Tja, was erstrebst du denn an der Hölle? Gerade weil du eingestanden hast, dass deine Methodik die Hölle oder das Leid ebenso zulässt wie das Glück, sehe ich eben keinen Vorteil in ihr.
Das ist der Vorteil, beides zuzulassen.
Verstehe ich nicht. Du hast doch noch oben behauptet, dass der Buddhismus das Leid vermeiden will.

Nein. Nicht in dem Sinne, in dem man üblicherweise von Vermeiden spricht. Er versucht die Wurzeln des Leids zu erkennen und daran zu arbeiten. Wenn das für Dich vermeinden ist, dann ja. Wenn es weggucken und so tun als ob ist, dann nein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und Hölle ist eine Metapher für Leid, und Hölle zuzulassen, bedeutet auch Leid zuzulassen.

Ja, Leid gehört zum Leben, es scheint nicht immer die Sonne. Alles was Glück erzeugt, hat im Schlepptau Leid, einfach dadurch, dass es irgendwann geht. Entstehen/Vergehen. Entstehen/Vergehen. Also, ist das Leid allgegenwärtig, das ist die erste Edle Wahrheit.

Darth Nefarius hat geschrieben:Also sehe ich einen weiteren Widerspruch. Ich jedenfalls habe schon klar gemacht, dass ich Leid für unvermeidlich halte, verschließe mich dem also nicht (falls du mir das wiederum vorwerfen wolltest).

Das hast Du mit den Buddhisten (und jedem, der sich dem Thema ernsthaft gewidmet hat) gemeinsam. Die Frage ist eben, wie man da raus kommt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Jetzt machst Du mehr draus, als ich gesagt habe. Natürlich kann man sich Ziele setzen, meine Aussage war, dass es besser ist, sich realistische zu setzen als (ständig) welche, die man nicht erreicht. Zu leicht dürfen Ziele nicht sein, sonst befriedigt ihr Erreichen nicht.
Wie gesagt ist meine Priorität nicht die Unerreichbarkeit, sondern der Wille, sie zu erreichen. Wenn mir nichts anderes so erstrebenswert erscheint, kann ich mich auch nicht für erreichbarere Ziele entscheiden, ohne unglücklich zu werden (sofern ich vorher glücklich bin, oder einfach nur noch nicht völlig verzweifelt). Leicht zu erreichen dürfen Ziele gern sein, wenn sie denn auch die eigentlichen Ziele sind. einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Also wenn tatsächlich jemand (und zwar nicht ich) ein Präparat für 1000 Jahre Leben auf den Markt bringt für 30 €, dann werde ich mich nichtbeschweren.

Ist für mich nicht rund. Kurz vor der Verzweiflung und das Elend dann, statt mit 4 gleich mit 50 multiplizieren? Dein Ziel hätte ein anderer erreicht und Du müsstest einfach nur leben. Alle Länder der Erde erwandern, sowas geht dann natürlich.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Fragen, die wir uns stellen sind Altersunabhängig, ebenso wie die Antworten, die es darauf gibt.

Glaube ich nicht. Mit 25 kann man den Tod viel besser verdrängen, als mit 75.[/quote]

Darth Nefarius hat geschrieben:Da ich ja Beispiele für so ein (oder ein so ähnliches Verhalten) in der Geschichte kenne (und die gewiss nicht alle mit 20 gestorben sind), kann ich auch meine Haltung als altersunabhängig betrachten. Und ich muss auch nicht geheiratet haben, um unangenehme Beziehungen zu Fauen zu kennen.

Als Witz ist der letzte Satz, einer der besseren.

Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls habe ich mir schon oft bei einigen gedacht, dass es so sein muss, wenn man eine Ex-Frau hat. 15-jährige Berufserfahrung bedeutet lediglich etwas routiniert machen zu dürfen. Nun, das lässt sich mit Schule, Universität vergleichen (was auch schon mein ganzes Leben läuft, allerdings weniger routiniert ist und damit sogar schwieriger sein kann). Jedenfalls höre ich nicht selten von Professoren, dass sie heute nicht studieren wollen würden, ähnliches habe ich beim Abitur von Lehrern gehört. Also scheint mir Berufsleben eher entspannter zu sein als Lehre. Einige Erfahrungen sind redundant, deswegen ist das Alter kein Argument.

Warum lässt Du den Punkt dann nicht einfach fallen?
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 15. Apr 2013, 22:08

Vollbreit hat geschrieben:Was den Tod angeht und ob dann alles aus ist, da bin ich agnostisch. Ansonsten sehe ich es so, dass die Gelassenheit eher daher kommt, dass ich mitunter mehr im Jetzt bin.

Nichts spricht für ein Weiterleben nach dem Tod, aus rationaler Sicht gibt es also keinen Grund, auch nur die Möglichkeit als gleichberechtigt neben dem absoluten Ende stehen zu lassen. Agnostiker bauen sich eine Gleichwertigkeit auf, um ihre Rationalität halbgar zu besänftigen, sich jedoch ihren sie leicht beschämenden Glauben zu erhalten. Ein Agnostiker ist nichts Halbes und nichts Ganzes. 2 Optionen sind nicht grundsätzlich gleichwertig nur weil es grundsätzlich 2 zu geben scheint. Du könntest ja auch genausogut jedesmal wenn du ein Problem hast, die agnostisch gleichwertige Option eines Flaschengeistes herbeisehnen, zur realen und wahrscheinlicheren Option, dass du es wohl selber lösen musst. Und ich nehme an, dass du eher pragmatisch (zumindest im Alltag) dankst, dass du deine Probleme selbst lösen musst. Allerdings könntest du doch mit gleichem Recht und mit gleicher Begründung wie du die mögliche Unsterblichkeut einer postulierten Seele einräumst, auch an die Möglichkeit glauben, dass dir ein Flaschengeist deine Probleme löst. Tust du das? Wieso nicht?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Sie können es sein. Deswegen ist der Begriff "Wahnsinn" negativ belegt. Ein Wahnsinniger/Irrsinniger hat sich in Illusionen verloren, wären die Resultate harmlos, würde niemand den Begriff negativ belegen. Kinkret zeigt sich das an religiösen Fanatikern.

Bei denen sind die Illusionen ja auch arg.

Wann wird ein Mensch, der sich in einer Illusion verloren hat, denn als gut, nützlich und harmlos bewertet? Naja, ein zynischer aber noch ziemlich wohlwollender Atheist würde "Religiöse, zumindest einige" antworten. :/
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie oft bist du denn größenwahnsinnigen, historischen Persönlichkeiten begegnet?

Kommt natürlich drauf an, wie eng oder weit man die jeweiligen Begriffe definiert. Da ich aber eine Affinitiät zu solchen Leuten habe, schon ein paar mal.

Ach, und die schienen dir alle zwar intensiv zu leben, jedoch einen geringen Horizont aufzuweisen? Ich bin Menschen begegnet, die auch intensiv zu leben schienen, da sie sich über vieles Gedanken gemacht haben, viele Ambitionen und Talente besitzen, ebenso eine höhere Intelligenz als der Durschnitt aufwiesen. Noch sind sie gewiss nicht historisch, aber sie hätten das Zeug dazu (wie ich auch :kg: ). Und ich kann von keinem, der derart gelebt hat behaupten, er hätte ein geringes Spektrum an Emotionen. Ebenso scheint mir der Werdegang bereits historischer Persönlichkeiten ebenso auf ein breites Spektrum von Leidenschaft, Liebe und Hass zu sprechen. Echte Helden gibt es nicht, diejenigen, die etwas erreichten, hatten auch ihre Schattenseiten. Vielleicht denkst du ja an Diktatoren und Alleinherrscher, allerdings werden sie oft nur aus nützlichen Gesichtspunkten eindimensional von ihrer Motivation und ihrem Emotionsspektrum dargestellt, um sich nicht dem Menschen zu stellen, der einem selbst vielleicht gar nicht so unähnlich ist. Das ist eine nützliche Dämonisierung aus Angst (zumindest wenn diese Angst nicht anders kontrolliert werden kann).
Vollbreit hat geschrieben:3. (Ich schreib ab jetzt nur noch die fortlaufende Nummer hin, die anzeigt, wie oft ich dem widersprochen habe.)

Das mit den Nummern ist schön, allerdings fehlt mir da die Begründung um den Widerspruch auch aufzulösen. Ansonsten wirkst du wie ein Angeklagter, das sagt, dass er doch freizusprechen sei, weil er bestritt, schuldig zu sein (meinetwegen 3 mal). Auch bei dir fehlt die Begründung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dem allerdings, hatte ich doch bereits widersprochen.
Wo denn? Eigentlich hast du mir nur Kompensation vorgeworfen. Und auch ein Widerspruch reicht nicht aus, ohne Begründung, warum dein Vorgehen denn keine Kompensation ist, meine hingegen schon.

Was heißt schon vorgeworfen, gedeutet. Einen Vorwurf kann habe ich damit nicht verbunden.

Kompensation ist in vielen Fällen ein negativ besetztes Wort. Kompensation bedeutet, dass man nicht seine Priorität aufgrund eines Defizits erreicht und sich mit dem Zweitbesten abgibt. Das hat keinen positiven Aspekt, also ist es gut als Vorwurf zu verstehen. Und ich hatte auch ausgeführt, wieso das eher auf dich zutrifft als auf mich.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, ich hatte Gier, Hass und Verblendung als die drei Gifte im Buddhismus dargestellt.

Es wäre mühselig und nutzlos, darauf weiter einzugehen. Lasse ich so stehen, zugunsten des Diskussionsklimas.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls kann man nicht beides im gleichen Atemzug behaupten, weil Gier und Verblendung nicht einander bedingen.

Das tun sie m.E. schon, aber bei Dir sehe ich in diesem Fall eher die Gierkomponente, ich bin allerdings nicht wirklich versiert in buddhistischer Deutung.

Inwiefern tun sie das? Gut, deine Meinung ist, dass sie es tun, aber worauf basiert deine Meinung? Wenn sie das tun, und wir uns beide einig sind, dass ich gierig bin, müsste ich doch auch verblendet sein, bedingten sich Gier und Verblendung, oder nicht? Du musst ja kein Experte der buddhistischen Deutung sein, aber wenn du sie hier verteidigst, musst du doch zumindest ausreichend von ihr überzeugt sein. Und abgesehen davon hast do ohnehin gesagt, dass du es auch so siehst, also wirst du einen GRund dafür haben (außer du glaubst nur unreflektiert, was der Buddhismus sagt).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nach deiner Dartsellung verschileßt sich der Buddhismus dem Leid durch dem Leugnen der Vergänglichkeit (es ist schließlich kein passiver Vorgang bei jedem intelligenteren Menschen, nicht daran zu denken, dass man selbst und geliebte Dinge vergänglich sind. Dazu bedarf es aktiver Denkarbeit und Verdrängung. Der Gedanke jedanfalls führt unweigerlich zu Leid, sofern man nicht tatsächlich an Unsterblichkeit und den ganzen Mist glaubt).

Nein, der Buddhismus leugnet nicht die Vergänglichkeit, sondern geht – wie auch bereits erwähnt – ganz zentral davon aus, das alles vergänglich ist. Entstehen/Vergehen.
Entstheen/Vergehen. Entstehen/Versgehen.

Davon auszugehen bedeutet nicht, diesen Gedanken auch zu konfrontieren. Zu wissen, was in einer Notwehrsituation erlaubt/verboten ist, ist nicht das gleiche, wie sich zu fragen, was man denn nun selbst in so einer Situation tun würde. Sich dieser Frage nicht zu stellen, obwohl sie wichtig sein könnte, ist Verdrängung. Das tut der Buddhismus. Es wird (was natürlich schwierig zu vermeiden ist) nur das zugegeben, was auch zugegeben werden muss: Vergänglichkeit existiert. Allerdings wird sich nicht damit auseinandergesetzt. Hey, glaubst du nicht auch, dass (aufgrund dieser Salamitaktik) einige Politiker nicht auch Buddhisten sein könnten? :mg:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie kannst du bitte deine Erfahrungen intensivieren, wenn du dir nicht die vielleicht auch mal vermeindlich unerreichbaren Ziele setzt?

In dem Du versuchst, das, was bereits da ist, intensiver wahrzunehmen.

Das ist eine Manipulation ein meinem Verstand, meinen Emotionen durch mich. Soetwas definiere ich als Selbstbetrug. Wenn ich meine unverfälschte Perspektive erhalte, bin ich unempfindlicher für Lügen, Illusionen. Wenn ich mich freiwillig einer Manipulation unterziehe, kann ich genausogut jede andere zulassen. Wie gesagt, kann ich mit gleicher Begründung alle Arten von Drogen konsumieren. Ist Buddhismus die Legitimierung von Drogenkonsum? Bevorzugst du Drogenkonsum?
Vollbreit hat geschrieben:Natürlich will ich nicht sterben, jetzt in diesem Augenblick will ich das nicht. Aber der Gedanke an den Tod versetzt mich nicht mehr in Panik. Vielleicht sagt mein Hausarzt zu mir demnächst ja: „Setzten sie sich erst mal, ...“, und dann werden die Karten vielleicht neu gemischt, aber ich habe etliche Dinge da hinter mir gelassen und wenn das so weitergeht, sage ich mit 80 vielleicht. „War ne gute Zeit, tschüss.“
Was das mit einem Verzicht auf Liebe zu tun haben soll, kann ich nicht sehen.

Nach meinem Verständnis bedeutet, jemanden zu lieben, diese Person auch nicht verlieren zu wollen. Der Tod bedeutet aber Verlust (der Tod der Person oder der eigene). Damit wird die Angst, Liebe zu verlieren mit der Angst vor dem Tod logisch assoziierbar. Alles zu verlieren bedeutet zu sterben, wenn man leben will, will man natürlich auch diesen Zustand erhalten. Das nennt man Selbsterhaltungstrieb. Also bedeutet leben zu wollen, den Tod zu fürchten. Das ist eine notwendige Assoziation.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du hast doch noch oben behauptet, dass der Buddhismus das Leid vermeiden will.

Nein. Nicht in dem Sinne, in dem man üblicherweise von Vermeiden spricht. Er versucht die Wurzeln des Leids zu erkennen und daran zu arbeiten. Wenn das für Dich vermeinden ist, dann ja. Wenn es weggucken und so tun als ob ist, dann nein.

Dann sehe ich keinen Unterschied oder Vorteil zu meinem Vorgehen. Ich erkenne die Wurzeln meines Leids und versuche daran zu arbeiten. Wenn ich es vermeiden kann, tue ich es. Wo ist der Unterschied? Ich bin letztlich pragmatischer, versuche die Umgebung der Situation anzupassen und nicht meine Wahrnehmung zu verschleiern (auch wenn meinetwegen das Leugnen von Leid und VErgänglichkeit nicht dazu gehören). Vergänglichkeit anzuerkennen bedeutet für mich jedoch nicht, sie akzeptieren zu müssen.
Vollbreit hat geschrieben:Kurz vor der Verzweiflung und das Elend dann, statt mit 4 gleich mit 50 multiplizieren? Dein Ziel hätte ein anderer erreicht und Du müsstest einfach nur leben. Alle Länder der Erde erwandern, sowas geht dann natürlich.

Wieso MUSS ich leben? Ich DARF leben! Mit 1000 Jahren hätte ich zum einen vielleicht genug zeit für 100 Jahre Entspannung und 900 Jahre Zeit für weitergehende Forschung für die nächsten 1000 Jahre. Mit 1000 ist schließlich die Unendlichkeit nicht erreicht. Mein Ziel ist es erstmal nur das Doppelte zu erreichen, dann gestehe ich mir 10 Jahre Entspannung zu (sofern mir nicht schon vorher langweilig werden würde. Abgesehen davon sind 10 Jahre viel in Sachen Forschung aufzuholen, wenn man erstmal raus ist. Vielleicht doch nur 5 Jahre). Jedenfalls wäre es für mich gar kein Problem, wenn es jemand anderes schaffen würde. Ich bin ja nicht dämlich und versuche andere, die dieses Ziel haben, zu sabotieren oder misgünstig zu sein. Es geht mir nur darum, nicht zu sterben. Ob ich das aus meiner Kraft schaffe, oder ein anderer für mich erledigt, ist mir egal. Im Zweifelsfall ist es besser, nicht zu sterben, auch wenn man dann jemandem was schuldig ist (oder ihn dafür bezahlt).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die Fragen, die wir uns stellen sind Altersunabhängig, ebenso wie die Antworten, die es darauf gibt.

Glaube ich nicht. Mit 25 kann man den Tod viel besser verdrängen, als mit 75.

Das wiederum glaube ich nicht. Mit 75 bist du körperlich und damit vielleicht auch schon gestig zu schwach, um dich der harten Wahrheit zu stellen, dass du stirbst, da du dem nicht mehr aktiv entgegenwirken kannst. Resignation fällt dann gewiss leichter, weil es die einzige Möglichkeit ist, damit umzugehen (neben dem Selbstbetrug durch Religiösität und Glaube). Ich habe jedenfalls oft gesagt bekommen, dass ich mit 80 vielleicht kein so radikaler Atheist mehr sein könnte. Glaube ich zwar nicht, die Idee ist jedoch nicht unmöglich, da sie darauf basiert, dass der Tod näher rückt und damit unangenehmer wird und man immer weniger tun kann.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Da ich ja Beispiele für so ein (oder ein so ähnliches Verhalten) in der Geschichte kenne (und die gewiss nicht alle mit 20 gestorben sind), kann ich auch meine Haltung als altersunabhängig betrachten. Und ich muss auch nicht geheiratet haben, um unangenehme Beziehungen zu Fauen zu kennen.

Als Witz ist der letzte Satz, einer der besseren.

Ist nur leider kein Witz, sondern unangenehme Realität. Heirat ist nur ein Ritual. Verschiedene Stadien einer Beziehung sind auch ohne möglich, ebenso im Zeitraffer.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls habe ich mir schon oft bei einigen gedacht, dass es so sein muss, wenn man eine Ex-Frau hat. 15-jährige Berufserfahrung bedeutet lediglich etwas routiniert machen zu dürfen. Nun, das lässt sich mit Schule, Universität vergleichen (was auch schon mein ganzes Leben läuft, allerdings weniger routiniert ist und damit sogar schwieriger sein kann). Jedenfalls höre ich nicht selten von Professoren, dass sie heute nicht studieren wollen würden, ähnliches habe ich beim Abitur von Lehrern gehört. Also scheint mir Berufsleben eher entspannter zu sein als Lehre. Einige Erfahrungen sind redundant, deswegen ist das Alter kein Argument.

Warum lässt Du den Punkt dann nicht einfach fallen?

Wieso soll ich ihn fallen lassen? Du hast mir doch sagen wollen, dass Alter eine Rolle spielt! Ich hingegen sage nein! Zumindest nicht, solange nicht redundante, vergleichbare Erfahrungen schon gemacht worden sind! Du willst mir doch verkaufen, dass ich bei einigem nicht mitzureden hätte, weil ich zu jung sei! Das ist Blödsinn, habe geschrieben wieso, also lass DU den Punkt fallen!
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Apr 2013, 07:56

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was den Tod angeht und ob dann alles aus ist, da bin ich agnostisch. Ansonsten sehe ich es so, dass die Gelassenheit eher daher kommt, dass ich mitunter mehr im Jetzt bin.

Nichts spricht für ein Weiterleben nach dem Tod, aus rationaler Sicht gibt es also keinen Grund, auch nur die Möglichkeit als gleichberechtigt neben dem absoluten Ende stehen zu lassen.

Ein Agnostiker sagt, einfach, dass er es nicht weiß. Wenn Du mehr weißt, freu Dich doch. Warum irritiert es Dich, wenn andere nicht Dein Wissen teilen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Und ich nehme an, dass du eher pragmatisch (zumindest im Alltag) dankst, dass du deine Probleme selbst lösen musst. Allerdings könntest du doch mit gleichem Recht und mit gleicher Begründung wie du die mögliche Unsterblichkeut einer postulierten Seele einräumst, auch an die Möglichkeit glauben, dass dir ein Flaschengeist deine Probleme löst. Tust du das? Wieso nicht?

Ich habe bis jetzt weder einen Flaschengeist gesehen, noch hat mir je einer geholfen, noch habe ich einen Anfangsverdacht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wann wird ein Mensch, der sich in einer Illusion verloren hat, denn als gut, nützlich und harmlos bewertet? Naja, ein zynischer aber noch ziemlich wohlwollender Atheist würde "Religiöse, zumindest einige" antworten. :/

Mir ist bekannt, dass auch Atheisten bisweilen zu merkwürdigen Urteilen kommen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie oft bist du denn größenwahnsinnigen, historischen Persönlichkeiten begegnet?

Kommt natürlich drauf an, wie eng oder weit man die jeweiligen Begriffe definiert. Da ich aber eine Affinitiät zu solchen Leuten habe, schon ein paar mal.
Ach, und die schienen dir alle zwar intensiv zu leben, jedoch einen geringen Horizont aufzuweisen? Ich bin Menschen begegnet, die auch intensiv zu leben schienen, da sie sich über vieles Gedanken gemacht haben, viele Ambitionen und Talente besitzen, ebenso eine höhere Intelligenz als der Durschnitt aufwiesen. Noch sind sie gewiss nicht historisch, aber sie hätten das Zeug dazu (wie ich auch :kg: ). Und ich kann von keinem, der derart gelebt hat behaupten, er hätte ein geringes Spektrum an Emotionen.

Ich habe da gemischte Erfahrungen. Die Mehrzahl hat, soweit ich das beurteilen kann, ihr Leben auf einen bestimmten Teilbereich fokussiert, wo dann oft Erstaunliches geleistet wird, sie sind im zwischenmenschlichen Umgang aber manchmal schwierig. Gibt allerdings auch Ausnahmen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das mit den Nummern ist schön, allerdings fehlt mir da die Begründung um den Widerspruch auch aufzulösen. Ansonsten wirkst du wie ein Angeklagter, das sagt, dass er doch freizusprechen sei, weil er bestritt, schuldig zu sein (meinetwegen 3 mal). Auch bei dir fehlt die Begründung.

Du bist lustig. Du jubelst mir Einstelllungen unter – ich würde mich stets, mit 2.Wahl zufrieden geben – und wenn ich Dir widerspreche, soll ich mich erklären? Das Spiel läuft umgekehrt, es gibt Behauptungen, zu denen man prima facie berechtigt ist und derjenige, der diese Berechtigungen absprechen möchte, muss sie begründen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Kompensation ist in vielen Fällen ein negativ besetztes Wort.

Bei mir nicht. Es bedeutet einfach, dass man – aus welchen Gründen auch immer – ein bestimmtes Ziel nicht erreichen, einen Trieb oder Drang nicht befriedigen kann und sich als Ersatz etwas anderem zuwendet. Glaubt man Freud, ist Kultur eine einzige Kompensation. Dass Kultur aber durch die Bank negativ ist, kann ich nicht teilen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls kann man nicht beides im gleichen Atemzug behaupten, weil Gier und Verblendung nicht einander bedingen.

Das tun sie m.E. schon, aber bei Dir sehe ich in diesem Fall eher die Gierkomponente, ich bin allerdings nicht wirklich versiert in buddhistischer Deutung.

Inwiefern tun sie das? Gut, deine Meinung ist, dass sie es tun, aber worauf basiert deine Meinung? Wenn sie das tun, und wir uns beide einig sind, dass ich gierig bin, müsste ich doch auch verblendet sein, bedingten sich Gier und Verblendung, oder nicht?

Wenn wir jetzt mal ausnahmsweise von Dir absehen, dann, dann ist Gier ja der Wunsch immer mehr haben zu wollen. Damit ist im Buddhismus auch, aber keinesfalls nur (und wohl nicht mal vorwiegend) der materielle Besitz gemeint. Wer gierig ist, ist es in der Regel, weil er meint, es ginge ihm besser wenn er mehr (und mehr als andere) bekommt. Nach allem was der Buddhismus ansonsten dazu rausarbeitet, ist diese Denkweise zwar durchaus verbreitet, aber falsch, sie beruht auf Nichtwissen. Da reichen sich dann Gier und Verblendung die Hände.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, der Buddhismus leugnet nicht die Vergänglichkeit, sondern geht – wie auch bereits erwähnt – ganz zentral davon aus, das alles vergänglich ist.

Davon auszugehen bedeutet nicht, diesen Gedanken auch zu konfrontieren.

Das tut der Buddhismus gewiss: http://de.wikipedia.org/wiki/Dukkha

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie kannst du bitte deine Erfahrungen intensivieren, wenn du dir nicht die vielleicht auch mal vermeindlich unerreichbaren Ziele setzt?
In dem Du versuchst, das, was bereits da ist, intensiver wahrzunehmen.
Das ist eine Manipulation ein meinem Verstand, meinen Emotionen durch mich. Soetwas definiere ich als Selbstbetrug.

Wieso, Du stehst doch ansonsten entspannt auf dem Standpunkt, dass Manipulation zum Leben gehört.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich meine unverfälschte Perspektive erhalte, bin ich unempfindlicher für Lügen, Illusionen.

Diesen Punkt finde ich insofern sehr interessant, weil ich ihn schon öfter als Ergebnis einer Diskussion über (vermeintlichen) Selbstbetrug vorgefunden habe.
Es läuft auf die Einstellung hinaus, Wissen/Erkenntnis sei höherrangig als Glück. Insofern stimmt die Diagnose von Dir durchaus. Du hast auch wortmächtige Weggefährten, wie den Philosophen J.S.Mill der sinngemäß, ich kriegs jetzt wörtlich nicht hin sagt: „Lieber ein unglücklicher Mensch, als eine zufriedenes Schwein.“
Der Buddhismus, andersrum, nutzt zwar den Weg der Erkenntnis, aber sein Ziel ist eindeutig das Glück. So weit, so gut.

Andererseits, wenn man mal hinterfragt, warum denn die Erkenntnis höher zu bewerten sei, kommt m.E. am Ende auch heraus, dass sie das Glück oder Wohlbefinden steigert. Wir forschen um bessere Lebensbedingen zu bekommen, die Menschen gesünder und älter werden zu lassen, manchmal auch aus Selbstzweck, weil einige von uns wissbegierige Menschen sind, aber dann wäre das Motiv persönliches Glück. Wenn wir also über den Umweg Erkenntnis glücklich werden, dann frage ich mich, wieso nicht gleich der direkte Weg. Mir Dir könnte man sagen, wieso sich mit Zweitklassigem oder Umwegen zufrieden geben?
Was meinst Du denn zu diesem Punkt?

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich mich freiwillig einer Manipulation unterziehe, kann ich genausogut jede andere zulassen.

Warum?

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, kann ich mit gleicher Begründung alle Arten von Drogen konsumieren. Ist Buddhismus die Legitimierung von Drogenkonsum? Bevorzugst du Drogenkonsum?

Der Buddhismus ist gegen alles, was den Geist vernebelt, also gegen Drogen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nach meinem Verständnis bedeutet, jemanden zu lieben, diese Person auch nicht verlieren zu wollen.

Nach meinem auch, wobei man natürlich auch jemanden lieben kann ohne ihn zu besitzen oder festhalten zu wollen. Neben dem legitimen Wunsch ebenfalls (von diesem Menschen) geliebt zu werden, spielt der Aspekt der Sorge um den Betreffenden und sein Wohlergehen eine große Rolle bei der Liebe.

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Tod bedeutet aber Verlust (der Tod der Person oder der eigene). Damit wird die Angst, Liebe zu verlieren mit der Angst vor dem Tod logisch assoziierbar.


Ja.

Darth Nefarius hat geschrieben:Alles zu verlieren bedeutet zu sterben, wenn man leben will, will man natürlich auch diesen Zustand erhalten. Das nennt man Selbsterhaltungstrieb. Also bedeutet leben zu wollen, den Tod zu fürchten. Das ist eine notwendige Assoziation.


Natürlich bedeutet leben zu wollen, den Tod zu fürchten und natürlich hört mit dem Tod (nach unserem Mythos) die Liebe auf, wenigsten auf Seiten des Verstorbenen. Natürlich hat man Sorge um den geliebten Menschen.
Aber aus all dem folgt m.E. nicht, dass wer in Frieden stirbt, nicht an die Liebe glaubt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du hast doch noch oben behauptet, dass der Buddhismus das Leid vermeiden will.

Nein. Nicht in dem Sinne, in dem man üblicherweise von Vermeiden spricht. Er versucht die Wurzeln des Leids zu erkennen und daran zu arbeiten. Wenn das für Dich vermeinden ist, dann ja. Wenn es weggucken und so tun als ob ist, dann nein.

Dann sehe ich keinen Unterschied oder Vorteil zu meinem Vorgehen. Ich erkenne die Wurzeln meines Leids und versuche daran zu arbeiten.

Soweit ich das sehe, willst Du Dein Ziel über die Ausdehnung der Lebensdauer erreichen, möglichst unendlich lange.
Buddhisten würden sagen, dass wenn Du Erfolg hast, aber nur das Leben verlängerst, Du damit einfach das Leiden verlängerst. Sie sehen die Wurzel des Leidens nicht im Tod, sondern im Anhaften.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich es vermeiden kann, tue ich es. Wo ist der Unterschied? Ich bin letztlich pragmatischer, versuche die Umgebung der Situation anzupassen und nicht meine Wahrnehmung zu verschleiern (auch wenn meinetwegen das Leugnen von Leid und VErgänglichkeit nicht dazu gehören).

Ja, die Beschreibung scheint mir richtig zu sein, mit der Einschränkung dass der buddhistische Weg nichts verschleiern will.

Darth Nefarius hat geschrieben:Vergänglichkeit anzuerkennen bedeutet für mich jedoch nicht, sie akzeptieren zu müssen.

Für mich bedeuten die Begriffe ungefähr dasselbe.
Aber Du meinst vermutlich, sehen, dass es aktuell so ist und versuchen es zu ändern, oder?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Kurz vor der Verzweiflung und das Elend dann, statt mit 4 gleich mit 50 multiplizieren? Dein Ziel hätte ein anderer erreicht und Du müsstest einfach nur leben. Alle Länder der Erde erwandern, sowas geht dann natürlich.
Wieso MUSS ich leben? Ich DARF leben! ...

Finde ich, alles in allem folgerichtig und nachvollziehbar.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Di 16. Apr 2013, 15:59

Vollbreit hat geschrieben:Ein Agnostiker sagt, einfach, dass er es nicht weiß. Wenn Du mehr weißt, freu Dich doch. Warum irritiert es Dich, wenn andere nicht Dein Wissen teilen?

Der Knackpunkt ist, dass man gar nichts wissen kann. Dennoch positionieren wir Menschen uns permanent zu allem möglichen, da wir denken, vermuten können (mal begründeter, mal weniger). Wir können uns entscheiden, dabei helfen uns Logik, vermutete Wahrscheinlichkeiten, Triebe, Gefühl. Ich denke ja nun nicht, dass jeder Agnostiker es grundsätzlich meidet, Positon zu beziehen, aber warum grundsätzlich in dieser Frage? Mir scheint da nur meine Erklärung wahrscheinlich zu sein, da es ein untypisches Verhalten ist, welches nicht mit einem normalen Verhaltensprofil übereinstimmt. Das bedeutet, dass mehr dahinterstecken muss als dieses vermeindliche Argument, dass man es nicht wissen kann. Wie gesagt, wir können gar nichts wissen, trotzdem entscheiden wir uns permanent. Wenn ein Agnostiker sich ebenso grundätzlich entscheiden kann, wieso dann nicht zu dieser Fragestellung? Weil er es nicht will, weil die Antwort des Verstandes der Antwort des Wunsches widerstrebt.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Und ich nehme an, dass du eher pragmatisch (zumindest im Alltag) dankst, dass du deine Probleme selbst lösen musst. Allerdings könntest du doch mit gleichem Recht und mit gleicher Begründung wie du die mögliche Unsterblichkeut einer postulierten Seele einräumst, auch an die Möglichkeit glauben, dass dir ein Flaschengeist deine Probleme löst. Tust du das? Wieso nicht?

Ich habe bis jetzt weder einen Flaschengeist gesehen, noch hat mir je einer geholfen, noch habe ich einen Anfangsverdacht.

Aha, also hast du einen Anfangsverdacht auf Leben nach dem Tod? Und woher? Hast du jemals einen Untoten gesehen? Den postulierten Himmel? Wenn nein (wovon ich ausgehe), müsstest du mit gleicher Begründung diesen Gedanken auch ablehnen.
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe da gemischte Erfahrungen. Die Mehrzahl hat, soweit ich das beurteilen kann, ihr Leben auf einen bestimmten Teilbereich fokussiert, wo dann oft Erstaunliches geleistet wird, sie sind im zwischenmenschlichen Umgang aber manchmal schwierig. Gibt allerdings auch Ausnahmen.

Und was hat die Spezialisierung und ein Problem mit zwischenmenschlichem Kontakt mit beschränkter Bandbreite an Emotionen zu tun, wie du es postulierst? Sich zu spezialisieren bedeutet, dass man weiß, was man will, dass die Gedanken klar sind. Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, die soetwas nicht verstehen, ist gut möglich. Ein schüchterner Nerd ist gewiss auch zu intensiven Emotionen fähig, zu deuten es wäre nicht so, nur weil er nicht oft feiern geht oder öfter pragmatisch denkt, ist unbegründet. Mit Intensivität meine ich nicht möglichst viele Geschlechtspartner, möglichst viel Alkoholkonsum oder möglichst unkontrolliert mit seinen Gedanken umzugehen. Das hat nichts miteinander zu tun, also verstehe ich nicht, worauf du hinaus willst.
Vollbreit hat geschrieben:Du jubelst mir Einstelllungen unter – ich würde mich stets, mit 2.Wahl zufrieden geben – und wenn ich Dir widerspreche, soll ich mich erklären? Das Spiel läuft umgekehrt, es gibt Behauptungen, zu denen man prima facie berechtigt ist und derjenige, der diese Berechtigungen absprechen möchte, muss sie begründen.

Das ist es ja, ich habe meine Behauptungen begründet: Nachdem du mir soetwas unterstellt hast, habe ich aufgezeigt, wieso es auf dich zutrifft und nicht mich: Du setzt deine Ziele nicht nach Wert für dich, sondern nach Erreichbarkeit. Folglich gibst du dich bestimmt oft mit dem Zweit-(Dritt-/Viert-?) besten zufrieden. Das Defizit an Intensivität, so ein großes Ziel erreicht zu haben, sich aber mit einem leichter erreichbaren abgeben zu müssen, willst du mit Manipulation an deinen Bedürfnissen ausgleichen, was wohl kaum großen Erfolg haben kann. Ich denke, dass ich diese Begründungen schon mehrmals geschrieben habe, aber ich werde nicht mit dem zählen anfangen, da ich schon nicht mehr weiß, wann ich damit angefangen habe. Dein darauffolgender Kommentar ist da schon Beweis genug:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Kompensation ist in vielen Fällen ein negativ besetztes Wort.

Bei mir nicht. Es bedeutet einfach, dass man – aus welchen Gründen auch immer – ein bestimmtes Ziel nicht erreichen, einen Trieb oder Drang nicht befriedigen kann und sich als Ersatz etwas anderem zuwendet. Glaubt man Freud, ist Kultur eine einzige Kompensation. Dass Kultur aber durch die Bank negativ ist, kann ich nicht teilen.

Bedeutet Kompensation (der du dich offensichtlich nicht verschließt, da du sie nicht negativ bewertest) nicht automatisch, dass man sich mit dem Zweitbesten zufrieden gibt?
Vollbreit hat geschrieben:Wenn wir jetzt mal ausnahmsweise von Dir absehen, dann, dann ist Gier ja der Wunsch immer mehr haben zu wollen. Damit ist im Buddhismus auch, aber keinesfalls nur (und wohl nicht mal vorwiegend) der materielle Besitz gemeint. Wer gierig ist, ist es in der Regel, weil er meint, es ginge ihm besser wenn er mehr (und mehr als andere) bekommt. Nach allem was der Buddhismus ansonsten dazu rausarbeitet, ist diese Denkweise zwar durchaus verbreitet, aber falsch, sie beruht auf Nichtwissen. Da reichen sich dann Gier und Verblendung die Hände.

Wie sagte Jack Sparrow schon: Nicht jeder Schatz besteht aus Silber und Gold. Gier ist eine abstrakte Eigenschaft, das Ziel ist wahrscheinlich seltener materieller Natur als ideeler. Es ist wohl ein dummes Vorurteil derjenigen, die Gier ablehnen, sich gleich einen Börsenmanager vorzustellen. Gier kann auch Neugier bedeuten, Gier nach Genuss, nach Liebe. Und warum soll dieses Verhalten (auch wenn es mal materiell ist) auf Nichtwissen beruhen? Bedeutet es nicht vielmehr, dass diesen Menschen 1. klar ist, was sie begehren, 2. dass sie ein Defizit verspühren, 3. dass sie anstreben müssen, was sie begehren, 4. dass wohl nur Materielles auch real ist?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Nein, der Buddhismus leugnet nicht die Vergänglichkeit, sondern geht – wie auch bereits erwähnt – ganz zentral davon aus, das alles vergänglich ist.
Davon auszugehen bedeutet nicht, diesen Gedanken auch zu konfrontieren.

Das tut der Buddhismus gewiss: http://de.wikipedia.org/wiki/Dukkha

Habe ich gelesen und bestätigt mich: Es wird zwar verstanden, was Leid ist, aber Auseinandersetzung bedeutet, sich persönlich mit dem Thema zu beschäftigen. Das bedeutet, dass das jeder einzelne für sich tun muss. Technisch gesehen ist laut Physik Zeitreisen möglich, nur keiner hat Ahnung, wie das praktisch durchgeführt werden soll. Die Buddhisten gehen ähnlich mit Leid um, da die persönliche Frage, das persönliche Leid keine Rolle zu spielen scheint. Es wird erkannt und dann versucht durch schlechte Tricks zu unterdrücken, zu meiden. Aber damit wird auch gemieden, was "Dukkha" auslöst: Freude, Glück. Diese Dinge verursachen Leid, da sie zum einen selbst vergänglich sind, zum anderen durch vergängliche Dinge ausgelöst werden. Leid zu meiden bedeutet nur konsequent Freude zu meiden.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist eine Manipulation ein meinem Verstand, meinen Emotionen durch mich. Soetwas definiere ich als Selbstbetrug.

Wieso, Du stehst doch ansonsten entspannt auf dem Standpunkt, dass Manipulation zum Leben gehört.

Manipulation an meiner Leber, meinem Herzen oder DNA ist keine Manipulation an meinem Verstand, es ist keine Autosuggestion. Mein Körper ist nach meinen Maßstäben schwach, deswegen will ich ihn optimieren. Mein Verstand hat keine nennenswerten Defizite, deswegen will ich ihn nicht manipulieren, um die Defizite nicht mehr als solche zu erkennen (was du mir vorschlägst). Entweder will man das Problem lösen, oder sich vom Problem abwenden, es nicht mehr als solches zu erkennen, indem man es zwar versteht, sich ihm aber nicht mehr persönlich stellt. Aber den Problemen Verlust, Sterblichkeit, Leid und Schmerz kann man sich nicht ewig entziehen, sie kommen von selbst. Deswegen taugt der Buddhismus nichts.
Vollbreit hat geschrieben:Diesen Punkt finde ich insofern sehr interessant, weil ich ihn schon öfter als Ergebnis einer Diskussion über (vermeintlichen) Selbstbetrug vorgefunden habe.
Es läuft auf die Einstellung hinaus, Wissen/Erkenntnis sei höherrangig als Glück. Insofern stimmt die Diagnose von Dir durchaus. Du hast auch wortmächtige Weggefährten, wie den Philosophen J.S.Mill der sinngemäß, ich kriegs jetzt wörtlich nicht hin sagt: „Lieber ein unglücklicher Mensch, als eine zufriedenes Schwein.“
Der Buddhismus, andersrum, nutzt zwar den Weg der Erkenntnis, aber sein Ziel ist eindeutig das Glück. So weit, so gut.

Wie gesagt, ich kann mich dann auch mit Drogen zudröhnen und wie ein Schwein verhalten. Aber das beleidigt meinen Verstand, er hindert mich daran, es würde bei mir nicht zum Glück führen. Wenn so ein Zustand das Ziel des Buddhismus ist, ist der nichts für mich.
Vollbreit hat geschrieben:Andererseits, wenn man mal hinterfragt, warum denn die Erkenntnis höher zu bewerten sei, kommt m.E. am Ende auch heraus, dass sie das Glück oder Wohlbefinden steigert. Wir forschen um bessere Lebensbedingen zu bekommen, die Menschen gesünder und älter werden zu lassen, manchmal auch aus Selbstzweck, weil einige von uns wissbegierige Menschen sind, aber dann wäre das Motiv persönliches Glück. Wenn wir also über den Umweg Erkenntnis glücklich werden, dann frage ich mich, wieso nicht gleich der direkte Weg.

Der direkte Weg ist der zum nächsten Bier. Dieser Weg macht einige einfach nicht glücklich, auch wenn er betäubt. Der Buddhismus kann nicht mehr leisten als Alkohol.
Es ist eine andere Form von Glück, seine Ziele zu erreichen als keine Ziele zu haben. Für einige ist letzteres nichtmal Glück, das hat der Buddhismus nicht erkannt.
Vollbreit hat geschrieben:Mir Dir könnte man sagen, wieso sich mit Zweitklassigem oder Umwegen zufrieden geben?
Was meinst Du denn zu diesem Punkt?

Die "Umwege" sind der direkte Weg zu den eigentlichen, unverfälschten Zielen. Sie sind der Weg zum ursprünglichen Glück, welches angestrebt wird. Dieses Glück ist dann auch konkret: Liebe, Unsterblichkeit, vielleicht auch unbegrenztes Geld, Macht, etc.. Es ist kein direkter Weg, diese Ziele aufzugeben und Ziellosigkeit als Glück zu definieren. Das konkrete Gefühl des spezifischen Defizits würde bleiben. Und wenn nicht, so war es nie da. Jedenfalls kann man dieses Empfinden nicht steuern, wie ich vermute. Ein zielloser Mensch kann bestimmt einen guten Buddhisten abgeben, aber ein zielsterbiger nicht. Für einen zielstrebigen Menschen ist das Glück konkret fassbar (zumindest theoretisch) und kein diffuser Zustand der Willenslosigkeit.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich mich freiwillig einer Manipulation unterziehe, kann ich genausogut jede andere zulassen.

Warum?

Weil es dann keinen Unterschied mehr macht, ob ich mich durch dämliche Geistestricks oder durch Alkohol abschieße. Laut Buddhismus kommt es doch nur auf das diffuse Glück an, habe ich Recht? Der Weg spielt nur insofern eine Rolle, als dass er möglichst einfach sein soll. Kompromisse sind beim Ziel möglich, es scheint dem Buddhisten willkürlich. Unzufriedenheit soll durch Manipulation an den Erwartungen beseitigt werden. Warum dann nicht mit religiösem Fanatismus, Selbstbetrug und Alkohol?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, kann ich mit gleicher Begründung alle Arten von Drogen konsumieren. Ist Buddhismus die Legitimierung von Drogenkonsum? Bevorzugst du Drogenkonsum?

Der Buddhismus ist gegen alles, was den Geist vernebelt, also gegen Drogen.

Und warum ist er das? Ist doch der einfachste Weg! Die Autosuggestion, um geringeres Glück zu intensivieren ist letztlich nichts anderes. Du hast doch gesagt, dass der direkte Weg zum Glück beim Buddhismus Priorität hat. Warum dann nicht durch die Vernebelung des Geistes?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nach meinem Verständnis bedeutet, jemanden zu lieben, diese Person auch nicht verlieren zu wollen.

Nach meinem auch, wobei man natürlich auch jemanden lieben kann ohne ihn zu besitzen oder festhalten zu wollen. Neben dem legitimen Wunsch ebenfalls (von diesem Menschen) geliebt zu werden, spielt der Aspekt der Sorge um den Betreffenden und sein Wohlergehen eine große Rolle bei der Liebe.

Ich hätte kein Problem damit, wenn eine Frau, die ich lieben würde, mir sagte "Du gehörst mir." Fände ich sogar sehr gut. Die Sorge ist auch eine Form des Leids, sie ist die Wirkung der Ursache Liebe. Damit führt Liebe unweigerlich zu Leid. Wenn der Buddhismus versucht, konkretes Glück zu diffusem umzuwandeln, um die Vergänglichkeit zu umgehen, verliert das Gefühl seine Eigenschaft als Glück. Für mich existiert diffuses Glück nicht, es ist eine Illusion.
Vollbreit hat geschrieben:Natürlich bedeutet leben zu wollen, den Tod zu fürchten und natürlich hört mit dem Tod (nach unserem Mythos) die Liebe auf, wenigsten auf Seiten des Verstorbenen. Natürlich hat man Sorge um den geliebten Menschen.
Aber aus all dem folgt m.E. nicht, dass wer in Frieden stirbt, nicht an die Liebe glaubt.

Wie soll man in Frieden sterben, wenn man alles verliert? Die Liebe, die geliebten/den geliebten Menschen? Wenn einem klar ist, welches Leid man vielleicht zurücklässt, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit? Und wenn nicht, hat man vielleicht sein Leben vergeudet! Wo ist da Frieden möglich bei all diesen Fragen und Empfindungen? Es ist nur möglich, wenn man das Gefühl nie kannte, die Fragen sich nicht stellen, das Bedürfnis nach dem Gefühl nie existierte.
Vollbreit hat geschrieben:Soweit ich das sehe, willst Du Dein Ziel über die Ausdehnung der Lebensdauer erreichen, möglichst unendlich lange.
Buddhisten würden sagen, dass wenn Du Erfolg hast, aber nur das Leben verlängerst, Du damit einfach das Leiden verlängerst. Sie sehen die Wurzel des Leidens nicht im Tod, sondern im Anhaften.

Tja, ich sehe die Wurzel des Leids im Tod. Nebenbei würde ich dir da widersprechen, dein Link zu Dukkha verwies eher darauf, dass Vergänglichkeit und Tod als Quelle des Leids gesehen werden, wie bei mir.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius" hat geschrieben:Vergänglichkeit anzuerkennen bedeutet für mich jedoch nicht, sie akzeptieren zu müssen.

Für mich bedeuten die Begriffe ungefähr dasselbe.
Aber Du meinst vermutlich, sehen, dass es aktuell so ist und versuchen es zu ändern, oder?

Ich meine vielmehr, dass es einen Unterschied ausmacht, wenn ein Mediziner weiß, was metastasierter Krebs bedeutet und er ihn selbst hat. Der Mediziner kann einerseits verstehen was ursächlich für Krebs ist, wie er sich zeigt, wie die Lebenserwartung ist und wie die Behandlungsmöglichkeiten sind. Aber diesen Zustand selbst erleiden zu müssen, also zu akzeptieren (obwohl man ihn diffus als Krankheit der Menschen im allgemeinen anerkennt), ist eine andere Dimension. Deswegen ist es ohne Belang, dass die Buddhisten vielleicht erkannt haben, was die Ursachen des Leids sind, wenn sie nicht fähig sind, sich ihm persönlich zu stellen.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Di 16. Apr 2013, 18:26

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Knackpunkt ist, dass man gar nichts wissen kann. Dennoch positionieren wir Menschen uns permanent zu allem möglichen, da wir denken, vermuten können (mal begründeter, mal weniger). Wir können uns entscheiden, dabei helfen uns Logik, vermutete Wahrscheinlichkeiten, Triebe, Gefühl. Ich denke ja nun nicht, dass jeder Agnostiker es grundsätzlich meidet, Positon zu beziehen, aber warum grundsätzlich in dieser Frage? Mir scheint da nur meine Erklärung wahrscheinlich zu sein, da es ein untypisches Verhalten ist, welches nicht mit einem normalen Verhaltensprofil übereinstimmt. Das bedeutet, dass mehr dahinterstecken muss als dieses vermeindliche Argument, dass man es nicht wissen kann. Wie gesagt, wir können gar nichts wissen, trotzdem entscheiden wir uns permanent. Wenn ein Agnostiker sich ebenso grundätzlich entscheiden kann, wieso dann nicht zu dieser Fragestellung? Weil er es nicht will, weil die Antwort des Verstandes der Antwort des Wunsches widerstrebt.

Doch, ich halte es für gesichert, dass wir wissen können, da ein grundsätzlicher Erkenntnispessimismus nicht widerspruchsfrei zu formulieren ist. Dann glaube ich, dass man Wunsch und Sein durchaus trennen kann, warum sollte das nicht gehen? Bezogen auf die Frage, bin ich mir halt unsicher, kenne aber den Mythos, demzufolge man in dieser Frage zu einer Gewissheit gelangt. Hirn macht Bewusstsein, wenn Hirn gammelt, dann kein Bewusstsein mehr möglich.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, also hast du einen Anfangsverdacht auf Leben nach dem Tod? Und woher?

Über die Beschäftigung mit dem Thema. Ist ja nicht so, dass es hier keine Möglichkeiten der Forschung gibt. Das zu vertiefen erscheint mir aber nicht lohnenswert, da ich ja, wie gesagt, in dieser Frage Agnostiker bin.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mit Intensivität meine ich nicht möglichst viele Geschlechtspartner, möglichst viel Alkoholkonsum oder möglichst unkontrolliert mit seinen Gedanken umzugehen. Das hat nichts miteinander zu tun, also verstehe ich nicht, worauf du hinaus willst.

Was ich meinte, war die Vielzahl möglicher Emotionen. Ist die nicht vorhanden, neigt man oft dazu Erfahrungen intensivieren zu wollen, machmal vor dem Hintergrund an bestimmte Gefühle doch noch heranzukommen. Das ist häufig, aber nicht zwingend, kommt, wie so oft, auf den Einzelfall an.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Du jubelst mir Einstelllungen unter – ich würde mich stets, mit 2.Wahl zufrieden geben – und wenn ich Dir widerspreche, soll ich mich erklären? Das Spiel läuft umgekehrt, es gibt Behauptungen, zu denen man prima facie berechtigt ist und derjenige, der diese Berechtigungen absprechen möchte, muss sie begründen.

Das ist es ja, ich habe meine Behauptungen begründet: Nachdem du mir soetwas unterstellt hast, habe ich aufgezeigt, wieso es auf dich zutrifft und nicht mich: Du setzt deine Ziele nicht nach Wert für dich, sondern nach Erreichbarkeit.Folglich gibst du dich bestimmt oft mit dem Zweit-(Dritt-/Viert-?) besten zufrieden.

Eigentlich immer noch nicht. Ich sagte, dass es zuweilen besser ist seine Ziele der Realität anzupassen. Für mich selber versuche ich alles in allem die Gesamtrechnung aufzumachen, d.h. die einzelnen Bereiche zu gewichten. Als Ziel finde ich das erstrebenswert. Das bedeutet für mich, dass ich auf der Basis meiner Prämissen versuche optimale Kompromisse zu erzielen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das Defizit an Intensivität, so ein großes Ziel erreicht zu haben, sich aber mit einem leichter erreichbaren abgeben zu müssen, willst du mit Manipulation an deinen Bedürfnissen ausgleichen, was wohl kaum großen Erfolg haben kann.

Ich habe kein großes Ziel, außer vielleicht Erleuchtung, aber das ist mit hoher Sicherheit kein Brechstangenziel.

Darth Nefarius hat geschrieben:Bedeutet Kompensation (der du dich offensichtlich nicht verschließt, da du sie nicht negativ bewertest) nicht automatisch, dass man sich mit dem Zweitbesten zufrieden gibt?

Nein, wie gesagt, Kultur in Gänze ist ein Akt der Kompensation. Die Befriedigung von primären Trieben als erstes und letztes Ziel finde ich nicht so wahnsinnig erstrebenswert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Gier ist eine abstrakte Eigenschaft, das Ziel ist wahrscheinlich seltener materieller Natur als ideeler.

Dem würde ich absolut zustimmen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist wohl ein dummes Vorurteil derjenigen, die Gier ablehnen, sich gleich einen Börsenmanager vorzustellen. Gier kann auch Neugier bedeuten, Gier nach Genuss, nach Liebe. Und warum soll dieses Verhalten (auch wenn es mal materiell ist) auf Nichtwissen beruhen?

Weil es – laut Buddhismus – das Glück nicht vergrößert, sondern verringert. Ich würde allerdings den Buddhismus hier nicht absolut setzen. Einige Probleme in diesem Bereich scheinen mir aber tatsächlich Übersetzungsprobleme zu sein, soweit ich das erkennen kann sind besonders europäische Buddhisten da puristisch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Bedeutet es nicht vielmehr, dass diesen Menschen 1. klar ist, was sie begehren, 2. dass sie ein Defizit verspühren, 3. dass sie anstreben müssen, was sie begehren, 4. dass wohl nur Materielles auch real ist?

Nach meiner Einschätzung ist der wesentliche Kampfschauplatz der um die Weltbilder. Hier scheint mir das Anhaften maximal zu sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Habe ich gelesen und bestätigt mich: Es wird zwar verstanden, was Leid ist, aber Auseinandersetzung bedeutet, sich persönlich mit dem Thema zu beschäftigen. Das bedeutet, dass das jeder einzelne für sich tun muss.

Klar.

Darth Nefarius hat geschrieben:Technisch gesehen ist laut Physik Zeitreisen möglich, nur keiner hat Ahnung, wie das praktisch durchgeführt werden soll. Die Buddhisten gehen ähnlich mit Leid um, da die persönliche Frage, das persönliche Leid keine Rolle zu spielen scheint. Es wird erkannt und dann versucht durch schlechte Tricks zu unterdrücken, zu meiden.
Nein, wieso? Was wäre denn so ein schlechter Trick in Deinen Augen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber damit wird auch gemieden, was "Dukkha" auslöst: Freude, Glück. Diese Dinge verursachen Leid, da sie zum einen selbst vergänglich sind, zum anderen durch vergängliche Dinge ausgelöst werden. Leid zu meiden bedeutet nur konsequent Freude zu meiden.

Nein, denn das hieße ja das Leben zu meiden. Normalerweise ist es so, dass, wenn man etwas Schönes erlebt, dafür sorgt, dass man es immer wieder erlebt, obwohl mal aus dem eigenen Leben schon weiß, dass das nicht immer der richtige Weg ist.
Manchmal ist es so, dass man meint, das Glück sei mit einem bestimmten Ereignis verbunden, z.B. eigens Haus, bestimmte soziale Position, was auch immer. Wenn man sich zu sehr darauf fixiert und dann 10 oder 30 Jahre braucht, bis man das Ziel endlich erreicht hat, ist es tragisch, wenn man dann (erst) feststellt, dass sich mit dem erreichen des Ziels doch nicht alle Probleme von selbst erledigen. Allerdings bin ich schon ein Anhänger der Idee, dass man bestimmte Träume auch verwirklichen sollte. Nicht alle (was eh nicht geht), aber ein paar.
Erlebt man hingegen etwas Schönes, freut sich daran und nimmt es mit, wie es kommt, ist nichts dagegen einzuwenden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist eine Manipulation ein meinem Verstand, meinen Emotionen durch mich. Soetwas definiere ich als Selbstbetrug.
Wieso, Du stehst doch ansonsten entspannt auf dem Standpunkt, dass Manipulation zum Leben gehört.

Manipulation an meiner Leber, meinem Herzen oder DNA ist keine Manipulation an meinem Verstand, es ist keine Autosuggestion.
Nicht jede Manipulation am Verstand/Gefühl ist Autosuggestion (die ohnehin wenig bis nichts bringt). Jede Therapie ist ja Manipulation und in vielen Fällen durchaus erwünscht und hilfreich.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mein Körper ist nach meinen Maßstäben schwach, deswegen will ich ihn optimieren. Mein Verstand hat keine nennenswerten Defizite, deswegen will ich ihn nicht manipulieren, um die Defizite nicht mehr als solche zu erkennen (was du mir vorschlägst).

Es geht ja im Buddhismus eben nicht um vernebeln, sondern Klarheit. Nicht umsonst heißen einige Meditationsformen Einsichtsmeditationen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Entweder will man das Problem lösen, oder sich vom Problem abwenden, es nicht mehr als solches zu erkennen, indem man es zwar versteht, sich ihm aber nicht mehr persönlich stellt. Aber den Problemen Verlust, Sterblichkeit, Leid und Schmerz kann man sich nicht ewig entziehen, sie kommen von selbst. Deswegen taugt der Buddhismus nichts.

Nur, dass der Buddhismus eben schlicht gar nichts mit dem zu tun hat, was Du schreibst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Diesen Punkt finde ich insofern sehr interessant, weil ich ihn schon öfter als Ergebnis einer Diskussion über (vermeintlichen) Selbstbetrug vorgefunden habe.
Es läuft auf die Einstellung hinaus, Wissen/Erkenntnis sei höherrangig als Glück. Insofern stimmt die Diagnose von Dir durchaus. Du hast auch wortmächtige Weggefährten, wie den Philosophen J.S.Mill der sinngemäß, ich kriegs jetzt wörtlich nicht hin sagt: „Lieber ein unglücklicher Mensch, als eine zufriedenes Schwein.“
Der Buddhismus, andersrum, nutzt zwar den Weg der Erkenntnis, aber sein Ziel ist eindeutig das Glück. So weit, so gut.
Wie gesagt, ich kann mich dann auch mit Drogen zudröhnen und wie ein Schwein verhalten. Aber das beleidigt meinen Verstand, er hindert mich daran, es würde bei mir nicht zum Glück führen. Wenn so ein Zustand das Ziel des Buddhismus ist, ist der nichts für mich.

Was allerdings wieder weder was mit dem Buddhismus, noch mit dem was ich schrieb zu tun hat.
Aber davon mal abgesehen, auch das wäre ein Weg. Freud hat ihn erwähnt und Huxley hat sein „Schöne neue Welt“ u.a. darum herum kreiert.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Andererseits, wenn man mal hinterfragt, warum denn die Erkenntnis höher zu bewerten sei, kommt m.E. am Ende auch heraus, dass sie das Glück oder Wohlbefinden steigert. Wir forschen um bessere Lebensbedingen zu bekommen, die Menschen gesünder und älter werden zu lassen, manchmal auch aus Selbstzweck, weil einige von uns wissbegierige Menschen sind, aber dann wäre das Motiv persönliches Glück. Wenn wir also über den Umweg Erkenntnis glücklich werden, dann frage ich mich, wieso nicht gleich der direkte Weg.

Der direkte Weg ist der zum nächsten Bier. Dieser Weg macht einige einfach nicht glücklich, auch wenn er betäubt. Der Buddhismus kann nicht mehr leisten als Alkohol.
Hm, ist langsam etwas sinnlos, wenn Du nicht bereit bist Deine Unwissenheit abzulegen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist eine andere Form von Glück, seine Ziele zu erreichen als keine Ziele zu haben. Für einige ist letzteres nichtmal Glück, das hat der Buddhismus nicht erkannt.

Okay, das mutiert zum Monolog, vergessen wir diesem Punkt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nach meinem Verständnis bedeutet, jemanden zu lieben, diese Person auch nicht verlieren zu wollen.
Nach meinem auch, wobei man natürlich auch jemanden lieben kann ohne ihn zu besitzen oder festhalten zu wollen. Neben dem legitimen Wunsch ebenfalls (von diesem Menschen) geliebt zu werden, spielt der Aspekt der Sorge um den Betreffenden und sein Wohlergehen eine große Rolle bei der Liebe.

Ich hätte kein Problem damit, wenn eine Frau, die ich lieben würde, mir sagte "Du gehörst mir." Fände ich sogar sehr gut. Die Sorge ist auch eine Form des Leids, sie ist die Wirkung der Ursache Liebe. Damit führt Liebe unweigerlich zu Leid. Wenn der Buddhismus versucht, konkretes Glück zu diffusem umzuwandeln, um die Vergänglichkeit zu umgehen, verliert das Gefühl seine Eigenschaft als Glück. Für mich existiert diffuses Glück nicht, es ist eine Illusion.

Ich glaube auch, dass Buddhismus und romantische Liebe nicht sehr gut zusammenpassen. Sehe ich persönlich (vielleicht nur, weil hier gerprägt) als Minuspunkt des Buddhismus an.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie soll man in Frieden sterben, wenn man alles verliert?

Unterhalten wir uns nicht die ganze Zeit über genau diesen Punkt?

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Liebe, die geliebten/den geliebten Menschen? Wenn einem klar ist, welches Leid man vielleicht zurücklässt, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit? Und wenn nicht, hat man vielleicht sein Leben vergeudet! Wo ist da Frieden möglich bei all diesen Fragen und Empfindungen? Es ist nur möglich, wenn man das Gefühl nie kannte, die Fragen sich nicht stellen, das Bedürfnis nach dem Gefühl nie existierte.

Na, einer stirbt halt meistens zuerst, bitter, aber wahr.

Vollbreit hat geschrieben:Soweit ich das sehe, willst Du Dein Ziel über die Ausdehnung der Lebensdauer erreichen, möglichst unendlich lange.
Buddhisten würden sagen, dass wenn Du Erfolg hast, aber nur das Leben verlängerst, Du damit einfach das Leiden verlängerst. Sie sehen die Wurzel des Leidens nicht im Tod, sondern im Anhaften.
Tja, ich sehe die Wurzel des Leids im Tod. Nebenbei würde ich dir da widersprechen, dein Link zu Dukkha verwies eher darauf, dass Vergänglichkeit und Tod als Quelle des Leids gesehen werden, wie bei mir.

Eigentlich nicht:
Wikipedia hat geschrieben:Das Paliwort dukkha steht im gewöhnlichen Sprachgebrauch für Leiden, Kummer, Elend im Gegensatz zu sukha, das Wohlsein, Behagen, Glück bedeutet. Im übertragenen Sinne bedeutet dukkha Leiden, Leidunterworfensein, Unzulänglichkeit, Elend, Übel, Schmerz, Verletzung, Unbefriedigtheit: also die spannungsreiche Qualität aller Erfahrungen, die von Verlangen, Anhaften und Ego begleitet werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Dukkha


Darth Nefarius hat geschrieben:Ich meine vielmehr, dass es einen Unterschied ausmacht, wenn ein Mediziner weiß, was metastasierter Krebs bedeutet und er ihn selbst hat. Der Mediziner kann einerseits verstehen was ursächlich für Krebs ist, wie er sich zeigt, wie die Lebenserwartung ist und wie die Behandlungsmöglichkeiten sind. Aber diesen Zustand selbst erleiden zu müssen, also zu akzeptieren (obwohl man ihn diffus als Krankheit der Menschen im allgemeinen anerkennt), ist eine andere Dimension.

Ja, keine Frage.

Darth Nefarius hat geschrieben:Deswegen ist es ohne Belang, dass die Buddhisten vielleicht erkannt haben, was die Ursachen des Leids sind, wenn sie nicht fähig sind, sich ihm persönlich zu stellen.

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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 17. Apr 2013, 13:42

Vollbreit hat geschrieben:Doch, ich halte es für gesichert, dass wir wissen können, da ein grundsätzlicher Erkenntnispessimismus nicht widerspruchsfrei zu formulieren ist. Dann glaube ich, dass man Wunsch und Sein durchaus trennen kann, warum sollte das nicht gehen? Bezogen auf die Frage, bin ich mir halt unsicher, kenne aber den Mythos, demzufolge man in dieser Frage zu einer Gewissheit gelangt. Hirn macht Bewusstsein, wenn Hirn gammelt, dann kein Bewusstsein mehr möglich.

Gut, ohne darüber zu diskutieren, bedeutet es lediglich, dass du nur eine Sache wirklich wissen kannst. Damit bleibt das meiste in deinem Leben das Resultat von Vermutungen, die du jedoch nicht so kritisch hinterfragst wie diese eine. Du gehst wahrscheinlich pragmatisch mit diversen Situationen um (durch Intuition). Dir ist klar, dass kein Flaschengeist in Situation xyz auftauchen wird und dein Problem löst (zumindest glaubst du, dass es dir klar ist). Damit bleibt es unlogisch, dass bei dieser einen Fragestellung du eine illusorische Behauptung dem wahrscheinlichsten Szenario gleichberechtigt gegenüberstellst. Es geht auch nicht darum, dass du Sein und Wunsch nicht trennen kannst, du willst es einfach nicht!
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Aha, also hast du einen Anfangsverdacht auf Leben nach dem Tod? Und woher?

Über die Beschäftigung mit dem Thema. Ist ja nicht so, dass es hier keine Möglichkeiten der Forschung gibt. Das zu vertiefen erscheint mir aber nicht lohnenswert, da ich ja, wie gesagt, in dieser Frage Agnostiker bin.

Ein Mythos von Unsterblichkeit reicht mir nicht aus, um daran auch zu glauben oder diese Theorie als gleichberechtigt der gegenüberzustellen, die am logischsten erscheint und zudem keine Widersprüche aufweist. Andernfalls könnte ich dadurch, dass ich mir irgendetwas ausdenke und es ausspreche, dieser Lüge bereits durch ihre Existenz Gewicht verleihen. Wie willst du denn die Unsterblichkeut des Bewusstseins erforschen/beweisen? Durch alberne Gewichtsmessungen von Sterbenden und Verstorbenen und damit ein Gewicht der Seele zu postulieren? Es ist ja nicht so, dass mir diese mystischen Konzepte völlig unbekannt wären, ich habe mich mit ihnen in der Grundschule kurz intensiver beschäftigt und schon damals erkannt, wie albern sie sind. Und Agnostiker zu sein ist kein Arument, um sich nicht entscheiden zu wollen, eher das Gegenteil. Wenn ich noch keine Meinung in einem Punkt habe, will ich solange Argumente für oder gegen beide Seiten suchen, bis ich mich positionieren kann. Du hast dich in Wahrheit aber schon (emotional) positioniert. Dein Verstand sagt dir klar, dass es Unsinn ist, du wünscht dir jedoch, dass es anders wäre. Das Ergebnis ist ein Selbstbetrug, eine Unentschlossenheit.
Vollbreit hat geschrieben:Was ich meinte, war die Vielzahl möglicher Emotionen. Ist die nicht vorhanden, neigt man oft dazu Erfahrungen intensivieren zu wollen, machmal vor dem Hintergrund an bestimmte Gefühle doch noch heranzukommen. Das ist häufig, aber nicht zwingend, kommt, wie so oft, auf den Einzelfall an.

Versuchst nicht gerade du dein geringes Spektrum durch Intensivierung des vorhandenen zu erweitern? Die Menschen von denen ich rede, scheinen keineswegs dies nötig zu haben: weder die historischen Persönlichkeiten (sie intensivierten ja nichts, sie hatten die intensivsten Erlebnisse) noch die Nerds. Und davon abgesehen, erscheint es mir nicht schlüssig, durch Mangel einer Emotion die andere intensivieren zu wollen. Vielmehr ist die Intensivierung einer als unzureichend empfundenen Emotion wahrscheinlicher und logischer, aber das kann mit den Ansprüchen, dem Verlangen zusammenhängen; es gibt kein Indiz dafür, dass das Spektrum der Emotionen deswegen kleiner ist, eine Erfahrung diesbezüglich ist für dich auch nicht möglich, da du nicht in deren Haut steckst. Also kannst du dir keine Aussage über ein solches Verlangen erlauben.
Vollbreit hat geschrieben: Ich sagte, dass es zuweilen besser ist seine Ziele der Realität anzupassen.

Und wo ist der Unterschied dazu:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du setzt deine Ziele nicht nach Wert für dich, sondern nach Erreichbarkeit.

? Deine Priorität ist also die Realisierbarkeit = die Erreichbarkeit. Unrealistische Ziele sind nicht erreichbar, das ist also der Unterschied (nicht das unrealistische Ziele vielleicht nicht weniger erstrebenswert sind) nach meinem Verständnis. Meine Schlussfolgerung ist, dass du (eigene) Ziele kennst, die du als unrealistisch, also unerreichbar einstufst, deswegen bemühst du dich nicht um sie. Das bedeutet, dass du deine Ziele nicht nach Verlangen, sondern nach Erreichbarkeit setzt. Wo ist da der Denkfehler?
Vollbreit hat geschrieben: Für mich selber versuche ich alles in allem die Gesamtrechnung aufzumachen, d.h. die einzelnen Bereiche zu gewichten. Als Ziel finde ich das erstrebenswert. Das bedeutet für mich, dass ich auf der Basis meiner Prämissen versuche optimale Kompromisse zu erzielen.

Einzelne Bereiche zu gewichten bedeutet unweigerlich Kompromisse zwischen Erreichbarkeit und Verlangen zu machen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das Defizit an Intensivität, so ein großes Ziel erreicht zu haben, sich aber mit einem leichter erreichbaren abgeben zu müssen, willst du mit Manipulation an deinen Bedürfnissen ausgleichen, was wohl kaum großen Erfolg haben kann.

Ich habe kein großes Ziel, außer vielleicht Erleuchtung, aber das ist mit hoher Sicherheit kein Brechstangenziel.

"Brechstangenziel"? Die Moral von der Geschichte über den gordischen Knoten ist, dass die Brechstange (oder in dem Fall das Schwert) manchmal zum Ziel führt. Die Brechstange ist für mich eine Metapher für Bemühung, Anstrengung, Versuch.
Deine Erleuchtung (so wie ich es verstehe) ist doch das Finden von Glück ohne Leid. Aber die Buddhisten scheinen einen klaren Denkfehler gemacht zu haben: Sie Haben zwar Leid vielfältig definiert, aber dadurch auch alles, was ebenso gleichzeitig Glück definiert, dem Glück als Inhaltsfüller entzogen. Glück wird somit für Buddhisten nur zu einer leeren Hülle, einem ideellen (und damit nicht erreichbaren) Ziel. Was ist denn Glück? Die intuitive Antwort ist meist mit einem konkreten Erlebnis oder Empginden verbunden: Gesundheit, Geld, Aufgabe, Arbeit, Freude, Liebe..... Diese Empfindungen, Dinge können aber ebensogut Leid verursachen, deswegen haben Die Buddhisten vermieden, diesen Dingen die Möglichkeit zu geben, auch Glück zu ermöglichen (nach ihrer Definition). Der Begriff wird damit geleert und verliert seine Bedeutung.
Vollbreit hat geschrieben:Nein, wie gesagt, Kultur in Gänze ist ein Akt der Kompensation. Die Befriedigung von primären Trieben als erstes und letztes Ziel finde ich nicht so wahnsinnig erstrebenswert.

Bist du sicher? Glaube ich dir nicht. Und Kultur ist für mich nicht unbedingt etwas Essentielles.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist wohl ein dummes Vorurteil derjenigen, die Gier ablehnen, sich gleich einen Börsenmanager vorzustellen. Gier kann auch Neugier bedeuten, Gier nach Genuss, nach Liebe. Und warum soll dieses Verhalten (auch wenn es mal materiell ist) auf Nichtwissen beruhen?

Weil es – laut Buddhismus – das Glück nicht vergrößert, sondern verringert. Ich würde allerdings den Buddhismus hier nicht absolut setzen. Einige Probleme in diesem Bereich scheinen mir aber tatsächlich Übersetzungsprobleme zu sein, soweit ich das erkennen kann sind besonders europäische Buddhisten da puristisch.

Kann es nicht auch sein, dass dieses Verhalten, welches das Leid (aber ebenso das Glück) vergrößert, nicht zur Verblendung führt? Ich sehe jedenfalls keinen zwingenden (oderf sonsteinen) Zusammenhang zwischen Leid und Verblendung. "Wer Erkenntnis mehrt, mehrt das Leid."- darin steckt viel Wahres, wie ich finde. Ich denke nämlich nicht (aus genannten Gründen), dass Glück automatisch Erkenntnis = keine Verblendung bedeutet. Worauf beruht dieses Axiom des Buddhismus? Und selbst wenn da der Buddhismus falsch übersetzt wurde, kannst du ja noch deine Positon diesbezüglich erläutern.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Bedeutet es nicht vielmehr, dass diesen Menschen 1. klar ist, was sie begehren, 2. dass sie ein Defizit verspühren, 3. dass sie anstreben müssen, was sie begehren, 4. dass wohl nur Materielles auch real ist?

Nach meiner Einschätzung ist der wesentliche Kampfschauplatz der um die Weltbilder. Hier scheint mir das Anhaften maximal zu sein.

Wenn ich wieder anfange zum Anhaften was zu erklären, drehen wir uns weiter im Kreis. Ich denke, zum Anhaften habe ich genug geschrieben.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Technisch gesehen ist laut Physik Zeitreisen möglich, nur keiner hat Ahnung, wie das praktisch durchgeführt werden soll. Die Buddhisten gehen ähnlich mit Leid um, da die persönliche Frage, das persönliche Leid keine Rolle zu spielen scheint. Es wird erkannt und dann versucht durch schlechte Tricks zu unterdrücken, zu meiden.
Nein, wieso? Was wäre denn so ein schlechter Trick in Deinen Augen?

Das was der Buddhismus betreibt: alles, was auch Glück verursacht unter Leid zu subsummieren, dann die wenigen positiven Empfindungen, die dann noch möglich sind (die auch noch möglichst erreichbar sein müssen) durch Autosuggestion, dass diese Portionen einem reichen würden, zu "intensivieren".
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Aber damit wird auch gemieden, was "Dukkha" auslöst: Freude, Glück. Diese Dinge verursachen Leid, da sie zum einen selbst vergänglich sind, zum anderen durch vergängliche Dinge ausgelöst werden. Leid zu meiden bedeutet nur konsequent Freude zu meiden.

Nein, denn das hieße ja das Leben zu meiden.

In meinen Augen versucht genau das der Buddhismus. Aber zum Leben gehört auch Leid.
Vollbreit hat geschrieben:Normalerweise ist es so, dass, wenn man etwas Schönes erlebt, dafür sorgt, dass man es immer wieder erlebt, obwohl mal aus dem eigenen Leben schon weiß, dass das nicht immer der richtige Weg ist.

Woher soll ich das wissen? Und warum soll das so sein? Was bedeutet "richtig"?
Vollbreit hat geschrieben:Manchmal ist es so, dass man meint, das Glück sei mit einem bestimmten Ereignis verbunden, z.B. eigens Haus, bestimmte soziale Position, was auch immer. Wenn man sich zu sehr darauf fixiert und dann 10 oder 30 Jahre braucht, bis man das Ziel endlich erreicht hat, ist es tragisch, wenn man dann (erst) feststellt, dass sich mit dem erreichen des Ziels doch nicht alle Probleme von selbst erledigen. Allerdings bin ich schon ein Anhänger der Idee, dass man bestimmte Träume auch verwirklichen sollte. Nicht alle (was eh nicht geht), aber ein paar.

Dann folgst du nicht konsequent dem Buddhismus. Du knüpfst Glück (wie es jeder halbwegs logisch denkende Mensch tut) an bestimmte, definierte Ziele, Dinge, Empfindungen. Die Angst, dass die gesetzten und dann irgendwann erreichten Ziele einem nicht reichen könnten, habe ich zwar persönlich nicht (was aber nicht bedeutet, dass ich nicht mit daraus resultierenden, weiteren Herausforderungen rechne, mit Probleme, mit Leid), aber sie ist logisch, was der Buddhismus nicht erkennt.
Vollbreit hat geschrieben:Erlebt man hingegen etwas Schönes, freut sich daran und nimmt es mit, wie es kommt, ist nichts dagegen einzuwenden.

Wann ist es denn so einfach? Nur wenn man versucht krampfhaft jeden Gedanken zu meiden, sei er noch so leise. Und irgendwann werden diese zufälligen Empfindungen doch auch bedeutungslos, da sie nicht die eigenen Ziele darstellen könnten. Die Freude nimmt dann ab.
Vollbreit hat geschrieben:Nicht jede Manipulation am Verstand/Gefühl ist Autosuggestion (die ohnehin wenig bis nichts bringt). Jede Therapie ist ja Manipulation und in vielen Fällen durchaus erwünscht und hilfreich.

Jede Manipulation ohne Medikation und durch sich selbst ist Autosuggestion. Therapien versuchen lediglich die Ansprüche an das Leben zu senken, damit einzelne Menschen, die vielleicht das Leben richtig erkennen, kein gesellschaftliches Problem für die verblendete Masse darstellen. Psychologen und Therapeuten sind keine Gurus, kein Quell von Erkenntnis, sie sollen dich lediglich wieder dazu bringen, für die Gesellschaft nützlich zu sein (oder nicht schädlich). Normalität ist das Ziel, nicht Erleuchtung und Glück.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Mein Körper ist nach meinen Maßstäben schwach, deswegen will ich ihn optimieren. Mein Verstand hat keine nennenswerten Defizite, deswegen will ich ihn nicht manipulieren, um die Defizite nicht mehr als solche zu erkennen (was du mir vorschlägst).

Es geht ja im Buddhismus eben nicht um vernebeln, sondern Klarheit. Nicht umsonst heißen einige Meditationsformen Einsichtsmeditationen.

Der Name macht es nicht zur Wahrheit. Suggestion/Manipulation am Verstand betrachte ich als Vernebelung. Auch wenn es dem Buddhismus um das eine geht, so scheint mir das Resultat gegenteilig. Nur weil ich beabsichtige unsterblich zu sein, ist nicht jedes Resultat dieser Absicht gleichzeitig auch Unsterblichkeit.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Entweder will man das Problem lösen, oder sich vom Problem abwenden, es nicht mehr als solches zu erkennen, indem man es zwar versteht, sich ihm aber nicht mehr persönlich stellt. Aber den Problemen Verlust, Sterblichkeit, Leid und Schmerz kann man sich nicht ewig entziehen, sie kommen von selbst. Deswegen taugt der Buddhismus nichts.

Nur, dass der Buddhismus eben schlicht gar nichts mit dem zu tun hat, was Du schreibst.

Doch: Denn einerseits wird erkannt, was Leid bedeutet/verursacht, andererseist wird verkannt, dass fast die gleichen Dinge auch Glück bedeuten/verursachen. Leichte Endorphinschübe durch kleine positive Empfindungen, die keine teifgreifenden Gedanken auslösen, sind der einzige Weg, die Quellen des Leids zu meiden. Damit diese leichten Empfindungen einem genügen, muss man sich dann im zweiten Schritt auch noch einreden, dass sie genügen. Das ist für mich unsinnig.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, ich kann mich dann auch mit Drogen zudröhnen und wie ein Schwein verhalten. Aber das beleidigt meinen Verstand, er hindert mich daran, es würde bei mir nicht zum Glück führen. Wenn so ein Zustand das Ziel des Buddhismus ist, ist der nichts für mich.

Was allerdings wieder weder was mit dem Buddhismus, noch mit dem was ich schrieb zu tun hat.
Aber davon mal abgesehen, auch das wäre ein Weg. Freud hat ihn erwähnt und Huxley hat sein „Schöne neue Welt“ u.a. darum herum kreiert.

Schon wieder sagst du nur, was der Buddhismus angeblich nicht ist. Du leugnest, ja, aber ohne Begründung. Alles, was du mir bis jetzt erklärt hast, führt zu diesen logischen Deutungen. Wenn das nicht so ist, kannst du doch einfach erklären wo meine Denkfehler sind, stattdessen bestreitest du lediglich. Meine Behauptungen sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sie gehen direkt auf das ein, was du geschrieben hast, also mach was draus, wenn ich im Unrecht bin.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Der direkte Weg ist der zum nächsten Bier. Dieser Weg macht einige einfach nicht glücklich, auch wenn er betäubt. Der Buddhismus kann nicht mehr leisten als Alkohol.
Hm, ist langsam etwas sinnlos, wenn Du nicht bereit bist Deine Unwissenheit abzulegen.

Welche Unwissenheit? Wenn du mehr Wissen hast als ich, dann teile es mit mir! Wenn ich einen Denkfehler gemacht habe, zeige ihn mir! Du siehst dich doch lediglich mit den aufgezeigten Widersprüchen deiner Philosophie konfrontiert. Das einzige, was du jetzt tun kannst, ist den Fehler zu erkennen oder ihn zu bestreiten (auch wenn dir keine Argumente vorliegen). Aber wir waren in anderen Gesprächen schon an diesem Punkt. Es wird wohl zu keiner Einsicht deinerseits kommen, schade. Aber die Methodik der Diskussionsstile und ihr Verlauf sollten dir doch etwas zu denken geben: Ich gehe klar auf jeden deiner Sätze ein, argumentiere, suche die Stellen, die mich irritieren und erkläre die Irritation, stelle Meine Position dem entgegen. Du bewegst dich innerhalb einer zirkelschlüssigen Philosophie, bestreitest hin und wieder.
Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube auch, dass Buddhismus und romantische Liebe nicht sehr gut zusammenpassen. Sehe ich persönlich (vielleicht nur, weil hier gerprägt) als Minuspunkt des Buddhismus an.

Aha, doch ein Lichtblick. Meinst du aber nicht auch, wenn du weiterdenkst, dass andere Dinge, die Glück verursachen, nicht ebenso Leid verursachen (könnten)? Es ist nicht möglich, grundsätzlich Leid zu meiden, wenn man nicht auch Glück meiden will.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie soll man in Frieden sterben, wenn man alles verliert?

Unterhalten wir uns nicht die ganze Zeit über genau diesen Punkt?

Tun wir, und von dir habe ich bis jetzt keine guten Antworten gehört.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die Liebe, die geliebten/den geliebten Menschen? Wenn einem klar ist, welches Leid man vielleicht zurücklässt, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit? Und wenn nicht, hat man vielleicht sein Leben vergeudet! Wo ist da Frieden möglich bei all diesen Fragen und Empfindungen? Es ist nur möglich, wenn man das Gefühl nie kannte, die Fragen sich nicht stellen, das Bedürfnis nach dem Gefühl nie existierte.

Na, einer stirbt halt meistens zuerst, bitter, aber wahr.

Und beide Fälle bedeuten für beide Leid. Mit Liebe ist diese Erfahrung wohl unvermeidlich, also ist auch Leid unvermeidlich, solange man auch Glück durch Liebe zulässt. Diese Erfahrung ist wohl nur dann zu vermeiden, wenn die Liebe nie existierte, das bedeutet, dass diese Form von Glück zu vermeiden ist. Aber was ist dann der Gewinn des ganzen?
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 17. Apr 2013, 13:47

Vollbreit hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Soweit ich das sehe, willst Du Dein Ziel über die Ausdehnung der Lebensdauer erreichen, möglichst unendlich lange.
Buddhisten würden sagen, dass wenn Du Erfolg hast, aber nur das Leben verlängerst, Du damit einfach das Leiden verlängerst. Sie sehen die Wurzel des Leidens nicht im Tod, sondern im Anhaften.
Tja, ich sehe die Wurzel des Leids im Tod. Nebenbei würde ich dir da widersprechen, dein Link zu Dukkha verwies eher darauf, dass Vergänglichkeit und Tod als Quelle des Leids gesehen werden, wie bei mir.

Eigentlich nicht:
Wikipedia hat geschrieben:Das Paliwort dukkha steht im gewöhnlichen Sprachgebrauch für Leiden, Kummer, Elend im Gegensatz zu sukha, das Wohlsein, Behagen, Glück bedeutet. Im übertragenen Sinne bedeutet dukkha Leiden, Leidunterworfensein, Unzulänglichkeit, Elend, Übel, Schmerz, Verletzung, Unbefriedigtheit: also die spannungsreiche Qualität aller Erfahrungen, die von Verlangen, Anhaften und Ego begleitet werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Dukkha


Gut, aus dem selben Text schien mir das das Wichtigste zu sein:
Wikipedia hat geschrieben:Der naturgegebene Verfall und die Auflösung der Dinge ist dukkha. Im Zusammenhang mit den Vier Edlen Wahrheiten werden drei Aspekte von dukkha betrachtet:

dukkha im gewöhnlichen Sinn als Leiden (dukkha-dukkha)
dukkha verursacht durch Veränderungen (viparinama-dukkha)
dukkha verbunden mit bedingten Daseinsvorgängen (samkhara-dukkha)

Geburt ist dukkha, Altern ist dukkha, Krankheit ist dukkha, Tod ist dukkha;

(Von mir unterstrichen.)
Das bedeutet, dass der Artikel (oder die Philosophie) sich widerspricht.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Apr 2013, 16:28

Darth Nefarius hat geschrieben:Du gehst wahrscheinlich pragmatisch mit diversen Situationen um (durch Intuition).

Ja, nur ist der Alltagspragmatismus die eine Seite und der metaphysische Überbau die andere.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie willst du denn die Unsterblichkeut des Bewusstseins erforschen/beweisen?

Hm, was heißt schon bewesien? Am einfachsten ist es vermutlich eine petitio principii zu nehmen und zu sagen, dass alles Bewusstsein ist.
So machen es einige Biologen ja mit dem Egoismus. Wen das eine überzeugt, muss das andere auch überzeugen, da die logische Struktur identisch ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Durch alberne Gewichtsmessungen von Sterbenden und Verstorbenen und damit ein Gewicht der Seele zu postulieren? Es ist ja nicht so, dass mir diese mystischen Konzepte völlig unbekannt wären, ich habe mich mit ihnen in der Grundschule kurz intensiver beschäftigt und schon damals erkannt, wie albern sie sind.

Ach, nicht im Mutterleib? Da warst Du aber spät dran. Was ist denn an Gewichtvermessungen mystisch? Ich würde das eher als Physik bezeichnen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und Agnostiker zu sein ist kein Arument, um sich nicht entscheiden zu wollen, eher das Gegenteil. Wenn ich noch keine Meinung in einem Punkt habe, will ich solange Argumente für oder gegen beide Seiten suchen, bis ich mich positionieren kann. Du hast dich in Wahrheit aber schon (emotional) positioniert. Dein Verstand sagt dir klar, dass es Unsinn ist, du wünscht dir jedoch, dass es anders wäre. Das Ergebnis ist ein Selbstbetrug, eine Unentschlossenheit.

Aha.

Darth Nefarius hat geschrieben: Und davon abgesehen, erscheint es mir nicht schlüssig, durch Mangel einer Emotion die andere intensivieren zu wollen. Vielmehr ist die Intensivierung einer als unzureichend empfundenen Emotion wahrscheinlicher und logischer, aber das kann mit den Ansprüchen, dem Verlangen zusammenhängen; es gibt kein Indiz dafür, dass das Spektrum der Emotionen deswegen kleiner ist, eine Erfahrung diesbezüglich ist für dich auch nicht möglich, da du nicht in deren Haut steckst. Also kannst du dir keine Aussage über ein solches Verlangen erlauben.

Dafür, dass Du der Auffassung bist, man könne stets nur aus der eigenen Haut urteilen, sind Deine Deutungen über mich aber ganz schön reichlich.
Zum anderen Punkt: Ist halt meine Beobachtung, dass die Menschen, die über ein eher eingegrenztes emotionales Spektrum verfügen, in bestimmte Emotionen sehr tief einntauchen und eine Neigung zum Extrem haben. Vermutlich (bei den Differenzierteren) eine Mischung aus Schmerz und Neid. Man ist von der Welt der „Normalen“ getrennt, auch dann, wenn man sich mitten unter ihnen bewegt. Die Vergnügungen der Vielen befriedigen einen selber nicht, man kann sich nicht fallen lassen in ihre Welt. Als Reaktion erscheint diese Mischung aus Entwertung, aber doch auch manchmal einer schmerzlichen Sehnsucht dort mal eintauchen zu können.

Darth Nefarius hat geschrieben:? Deine Priorität ist also die Realisierbarkeit = die Erreichbarkeit. Unrealistische Ziele sind nicht erreichbar, das ist also der Unterschied (nicht das unrealistische Ziele vielleicht nicht weniger erstrebenswert sind) nach meinem Verständnis. Meine Schlussfolgerung ist, dass du (eigene) Ziele kennst, die du als unrealistisch, also unerreichbar einstufst, deswegen bemühst du dich nicht um sie. Das bedeutet, dass du deine Ziele nicht nach Verlangen, sondern nach Erreichbarkeit setzt. Wo ist da der Denkfehler?

Ein Denkfehler in dem Sinne ist da nicht bei, aber es fehlen einfach noch ein paar Komponenten bei der Rechnung. Das alles ist ja ein dynamisches Geschehen. Bei einem Ziel geht es ja nicht nur um Erreichbarkeit, sondern vor allem, um den emotionalen Gehalt: Will ich es erreichen? Und dann ist es noch eine Frage des Temperaments. Vielleicht will ich es jetzt erreichen, aber Morgen schon nicht mehr, weil ich eher sprunghaft bin. Andere sind beständig und setzen Stein auf Stein. Beides hat Vor- und Nachteile.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Für mich selber versuche ich alles in allem die Gesamtrechnung aufzumachen, d.h. die einzelnen Bereiche zu gewichten. Als Ziel finde ich das erstrebenswert. Das bedeutet für mich, dass ich auf der Basis meiner Prämissen versuche optimale Kompromisse zu erzielen.
Einzelne Bereiche zu gewichten bedeutet unweigerlich Kompromisse zwischen Erreichbarkeit und Verlangen zu machen.

Für mich bedeutet es eher Prioritäten zu setzen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe kein großes Ziel, außer vielleicht Erleuchtung, aber das ist mit hoher Sicherheit kein Brechstangenziel.

"Brechstangenziel"? Die Moral von der Geschichte über den gordischen Knoten ist, dass die Brechstange (oder in dem Fall das Schwert) manchmal zum Ziel führt. Die Brechstange ist für mich eine Metapher für Bemühung, Anstrengung, Versuch.
Deine Erleuchtung (so wie ich es verstehe) ist doch das Finden von Glück ohne Leid.

Ich würde es eher als die Überwindung des Leids ansehen. Leid entsteht durch anhaften, schafft man es besser nicht anzuhaften, ist das Leid geringer. Ziel ist die Abwesenheit von Widerständen (eine Definition, die allerdings auch ihre Tücken hat).

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber die Buddhisten scheinen einen klaren Denkfehler gemacht zu haben: Sie Haben zwar Leid vielfältig definiert, aber dadurch auch alles, was ebenso gleichzeitig Glück definiert, dem Glück als Inhaltsfüller entzogen. Glück wird somit für Buddhisten nur zu einer leeren Hülle, einem ideellen (und damit nicht erreichbaren) Ziel.

Nee, eigentlich ist das Ziel ja ganz konkret.

Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist denn Glück?

Die Abwesenheit von Leid (durch Anhaften).

Darth Nefarius hat geschrieben:Die intuitive Antwort ist meist mit einem konkreten Erlebnis oder Empginden verbunden: Gesundheit, Geld, Aufgabe, Arbeit, Freude, Liebe..... Diese Empfindungen, Dinge können aber ebensogut Leid verursachen, deswegen haben Die Buddhisten vermieden, diesen Dingen die Möglichkeit zu geben, auch Glück zu ermöglichen (nach ihrer Definition). Der Begriff wird damit geleert und verliert seine Bedeutung.

Nein, das haben sie nicht. Die Buddhisten sind nur pragmatisch. Wenn Du jetzt gerade starken Hunger hast, ist das ein leidvoller Zustand. Dieser Zustand ist durch Essen zu korrigieren. Danach geht es einem gut, wenn's richtig lecker war, noch viel besser. Das heißt nun aber nicht, dass man, um so richtig glücklich zu werden, nun dauernd und immer fressen muss, das wäre anhaften. Und so kann eben alles zur Sucht werden. Wenn man einen Orgasmus erlebt, schön. Wenn man sexsüchtig ist, so ist das anhaften. Also versucht man den Weg der Mitte zu gehen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittlerer_Weg

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, wie gesagt, Kultur in Gänze ist ein Akt der Kompensation. Die Befriedigung von primären Trieben als erstes und letztes Ziel finde ich nicht so wahnsinnig erstrebenswert.
Bist du sicher? Glaube ich dir nicht. Und Kultur ist für mich nicht unbedingt etwas Essentielles.

Damit bist Du nicht alleine. Freud ist diese Paradoxie schon aufgefallen und er hat sie von allen vielleicht am prägnantesten formuliert (in „Das Unbehagen in der Kultur“).
Freuds Punkt hier lautet, dass wir der Natur so ungefähr gar nichts verdanken, der Kultur alles und dennoch sind die Menschen verrückt nach der Natur, was in zahlreichen Retrobewegungen immer wieder seinen Ausdruck findet. Grund ist der Triebverzicht, der der Preis der Kultur ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Kann es nicht auch sein, dass dieses Verhalten, welches das Leid (aber ebenso das Glück) vergrößert, nicht zur Verblendung führt?

Ja, das kann sein. Das wäre der Weg des Tantra, Mahamudra oder des Diamantweg-Buddhismus. Ein sehr radikaler Weg, ein ungeheuer schneller Weg und dementsprechend ein Weg, ein Weg bei dem man schnell in die irre gehen kann. Passiert dann auch oft.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe jedenfalls keinen zwingenden (oderf sonsteinen) Zusammenhang zwischen Leid und Verblendung. "Wer Erkenntnis mehrt, mehrt das Leid."- darin steckt viel Wahres, wie ich finde. Ich denke nämlich nicht (aus genannten Gründen), dass Glück automatisch Erkenntnis = keine Verblendung bedeutet.
Worauf beruht dieses Axiom des Buddhismus? Und selbst wenn da der Buddhismus falsch übersetzt wurde, kannst du ja noch deine Positon diesbezüglich erläutern.
Meine Position ist, dass ich keinen rationalen Grund erkennen kann, der Erkenntnis automatisch höher stellt, als Glück. Das ist einfach eine westliche Gewohntheit. Aber, es scheint mir eine Neigungsfrage zu sein. Manche sind von einer Erkenntniswut beseelt und die macht sie glücklich und dafür sind sie auch bereite Opfer zu bringen. Warum aber die, denen es eher um Glück geht, den umständlichen Weg gehen sollen, kann ich nicht nachvollziehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Technisch gesehen ist laut Physik Zeitreisen möglich, nur keiner hat Ahnung, wie das praktisch durchgeführt werden soll. Die Buddhisten gehen ähnlich mit Leid um, da die persönliche Frage, das persönliche Leid keine Rolle zu spielen scheint. Es wird erkannt und dann versucht durch schlechte Tricks zu unterdrücken, zu meiden.
Nein, wieso? Was wäre denn so ein schlechter Trick in Deinen Augen?

Das was der Buddhismus betreibt: alles, was auch Glück verursacht unter Leid zu subsummieren, dann die wenigen positiven Empfindungen, die dann noch möglich sind (die auch noch möglichst erreichbar sein müssen) durch Autosuggestion, dass diese Portionen einem reichen würden, zu "intensivieren".

Das Problem liegt hier einfach darin, dass Du die Position des Buddhismus völlig falsch wieder gibst. Wenn jemand meint, dass Hamster Flügel haben und Eier legen, okay.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dann folgst du nicht konsequent dem Buddhismus.

Das habe ich ja auch nie behauptet, schließlich bin ich kein Buddhist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Du knüpfst Glück (wie es jeder halbwegs logisch denkende Mensch tut) an bestimmte, definierte Ziele, Dinge, Empfindungen.

Ja, durchaus auch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Angst, dass die gesetzten und dann irgendwann erreichten Ziele einem nicht reichen könnten, habe ich zwar persönlich nicht (was aber nicht bedeutet, dass ich nicht mit daraus resultierenden, weiteren Herausforderungen rechne, mit Probleme, mit Leid), aber sie ist logisch, was der Buddhismus nicht erkennt.
Was aber an sich auch nicht schlimm ist. Enttäuschungen oder Probleme werden so zum Motor und man weiß besser, wonach man nicht mehr suchen muss, wenn man glücklich werden will. M.E. ist der im Vorteil, der schnell vom Konkreten zum Prinzipiellen vordringt.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Mi 17. Apr 2013, 16:30

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Erlebt man hingegen etwas Schönes, freut sich daran und nimmt es mit, wie es kommt, ist nichts dagegen einzuwenden.

Wann ist es denn so einfach? Nur wenn man versucht krampfhaft jeden Gedanken zu meiden, sei er noch so leise. Und irgendwann werden diese zufälligen Empfindungen doch auch bedeutungslos, da sie nicht die eigenen Ziele darstellen könnten. Die Freude nimmt dann ab.

Ja, das ist von der Intuition her glaube ich richtig, nur dass Du es – anders als ich – negativ bewertest. In der Tat rennst du immer weniger deinen Zielen nach, sondern lässt dich von Zufall, Schicksal, Karma, Gott durchs Leben führen. Im „Idealfall“ der Erleuchtung ohne Widerstände. Hier reichen sich dann die Buddhisten die weiter vordringen mit den Mystikern anderer Traditionen die Hand. M.E. erzählen die alle dasselbe. Das heißt am Ende folgt man tatsächlich überhaupt nicht mehr seinen Zielen., sondern wird gewissermaßen zum Werkzeug von was auch immer. Was wie ein mittelschwerer Albtraum klingt, ist nach Auskunft der Mystiker, hier können wir auch wieder in unserem Kulturkreis gehen (weil der uns näher ist), der absolute Gipfel der Freiheit.
Dieser Gedanke ist allerdings zugegebenermaßen schwer zu schlucken.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nicht jede Manipulation am Verstand/Gefühl ist Autosuggestion (die ohnehin wenig bis nichts bringt). Jede Therapie ist ja Manipulation und in vielen Fällen durchaus erwünscht und hilfreich.
Jede Manipulation ohne Medikation und durch sich selbst ist Autosuggestion. Therapien versuchen lediglich die Ansprüche an das Leben zu senken, damit einzelne Menschen, die vielleicht das Leben richtig erkennen, kein gesellschaftliches Problem für die verblendete Masse darstellen.
Zum Glück ist nicht jeder Therapeut ein Verhaltenstherapeut und auch die sind längst nicht mehr alle so schlimm.

Darth Nefarius hat geschrieben:Psychologen und Therapeuten sind keine Gurus, kein Quell von Erkenntnis, sie sollen dich lediglich wieder dazu bringen, für die Gesellschaft nützlich zu sein (oder nicht schädlich). Normalität ist das Ziel, nicht Erleuchtung und Glück.

Das ist in einigen Punkten richtig, in anderen nicht. Sicher haben Gurus und Therapeuten ein anderes Ziel. Das Ziel Normalität (für Therapie) hast Du m.E. richtig angegeben. Allerdings gibt es zwei Arten der Normalität: 1) Normalität als gesellschaftlicher Durchschnitt, als das, was alle tun. 2) Normalität als Ideal, als Norm. Was kann man idealerweise erreichen. Bessere Therapien gehen den zweiten Weg (wenn der Patient ihn mitgehen kann).
Nützlichkeit für die Gesellschaft ist demzufolge kein Hauptziel, aber es ergibt sich in aller Regel, dass es für den Patienten besser ist, nicht mit allen quer zu stehen. Ziel einer guten Therapie ist, den Menschen in die Lage zu versetzen freier zu wählen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Denn einerseits wird erkannt, was Leid bedeutet/verursacht, andererseist wird verkannt, dass fast die gleichen Dinge auch Glück bedeuten/verursachen.

Nein, siehe der link „Mittlerer Weg“.

Darth Nefarius hat geschrieben:Leichte Endorphinschübe durch kleine positive Empfindungen, die keine teifgreifenden Gedanken auslösen, sind der einzige Weg, die Quellen des Leids zu meiden. Damit diese leichten Empfindungen einem genügen, muss man sich dann im zweiten Schritt auch noch einreden, dass sie genügen. Das ist für mich unsinnig.
Was ich von biologistischen Einkürzungen halte, weißt Du ja.

Darth Nefarius hat geschrieben:Schon wieder sagst du nur, was der Buddhismus angeblich nicht ist. Du leugnest, ja, aber ohne Begründung. Alles, was du mir bis jetzt erklärt hast, führt zu diesen logischen Deutungen. Wenn das nicht so ist, kannst du doch einfach erklären wo meine Denkfehler sind, stattdessen bestreitest du lediglich. Meine Behauptungen sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sie gehen direkt auf das ein, was du geschrieben hast, also mach was draus, wenn ich im Unrecht bin.

Das ist weniger ein Denkfehler, als ein Prämissenfehler. Vielleicht habe ich den Buddhismus nicht sonderlich gut erklärt, was tatsächlich sein kann, da ich ihn eigentlich nicht sonderlich gut kenne. Aber Dir ein wenig Überblick über die Kernaussagen des Buddhismus zu verschaffen, wäre dann, bei hinreichendem Interesse Dein Part. Wiki ist da nicht die schlechteste Quelle für den Einstieg.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Der direkte Weg ist der zum nächsten Bier. Dieser Weg macht einige einfach nicht glücklich, auch wenn er betäubt. Der Buddhismus kann nicht mehr leisten als Alkohol.
Hm, ist langsam etwas sinnlos, wenn Du nicht bereit bist Deine Unwissenheit abzulegen.
Welche Unwissenheit? Wenn du mehr Wissen hast als ich, dann teile es mit mir!

Wie gesagt, irgendwann ist das Dein Part.

Darth Nefarius hat geschrieben:Du siehst dich doch lediglich mit den aufgezeigten Widersprüchen deiner Philosophie konfrontiert. Das einzige, was du jetzt tun kannst, ist den Fehler zu erkennen oder ihn zu bestreiten (auch wenn dir keine Argumente vorliegen). Aber wir waren in anderen Gesprächen schon an diesem Punkt. Es wird wohl zu keiner Einsicht deinerseits kommen, schade. Aber die Methodik der Diskussionsstile und ihr Verlauf sollten dir doch etwas zu denken geben: Ich gehe klar auf jeden deiner Sätze ein, argumentiere, suche die Stellen, die mich irritieren und erkläre die Irritation, stelle Meine Position dem entgegen. Du bewegst dich innerhalb einer zirkelschlüssigen Philosophie, bestreitest hin und wieder.

Ich sehe eigentlich nicht, dass ich hier überhaupt eine Philosophie ausgebreitet habe. Ich habe versucht an Stellen in denen es um die Überwindung von Leid ging, den Buddhismus darzustellen, weil er mir hier sehr weit vorne vorkommt. In Kurzform: Leid ist ein Resultat des Anhaftens, die Überwindung des Anhaftens führt zur Überwindung des Leids. Was genau Anhaften ist (nämlich nicht, auf Glück zu verzichten oder allgemein zum Asketen zu werden) erläutert der link zum Mittleren Weg.
Der Rest sind Verzerrungen die Du ins Spiel gebracht hast. Schon die Einführung bei wiki könnte Dir da helfen:
Wikipedia hat geschrieben:Die Buddhisten berufen sich auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der in Nordindien lebte, nach den heute in der Forschung vorherrschenden Datierungsansätzen im 5. und möglicherweise noch im frühen 4. Jahrhundert v. Chr. Er wird als „historischer Buddha“ bezeichnet, um ihn von mythischen Buddha-Gestalten zu unterscheiden, die nicht historisch bezeugt sind. „Buddha“ (wörtlich „Erwachter“) ist ein Ehrentitel, der sich auf ein Erlebnis bezieht, das als Bodhi („Erwachen“) bezeichnet wird. Gemeint ist damit nach der buddhistischen Lehre eine fundamentale und befreiende Einsicht in die Grundtatsachen allen Lebens, aus der sich die Überwindung des leidhaften Daseins ergibt. Diese Erkenntnis nach dem Vorbild des historischen Buddha durch Befolgung seiner Lehren zu erlangen, ist das Ziel der buddhistischen Praxis. Dabei wird von den beiden Extremen Askese und Hedonismus, aber auch generell von Radikalismus abgeraten, vielmehr soll ein Mittlerer Weg eingeschlagen werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus


Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube auch, dass Buddhismus und romantische Liebe nicht sehr gut zusammenpassen. Sehe ich persönlich (vielleicht nur, weil hier gerprägt) als Minuspunkt des Buddhismus an.
Aha, doch ein Lichtblick. Meinst du aber nicht auch, wenn du weiterdenkst, dass andere Dinge, die Glück verursachen, nicht ebenso Leid verursachen (könnten)? Es ist nicht möglich, grundsätzlich Leid zu meiden, wenn man nicht auch Glück meiden will.

Die bekannte Grundtatsache des Buddhismus, die erste der Vier Edlen Wahrheiten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vier_Edle_ ... 8dukkha.29

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wie soll man in Frieden sterben, wenn man alles verliert?

Unterhalten wir uns nicht die ganze Zeit über genau diesen Punkt?
Tun wir, und von dir habe ich bis jetzt keine guten Antworten gehört.

Wenn Du nicht anhaftest, was kannst Du verlieren?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die Liebe, die geliebten/den geliebten Menschen? Wenn einem klar ist, welches Leid man vielleicht zurücklässt, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit? Und wenn nicht, hat man vielleicht sein Leben vergeudet! Wo ist da Frieden möglich bei all diesen Fragen und Empfindungen? Es ist nur möglich, wenn man das Gefühl nie kannte, die Fragen sich nicht stellen, das Bedürfnis nach dem Gefühl nie existierte.

Na, einer stirbt halt meistens zuerst, bitter, aber wahr.
Und beide Fälle bedeuten für beide Leid. Mit Liebe ist diese Erfahrung wohl unvermeidlich, also ist auch Leid unvermeidlich, solange man auch Glück durch Liebe zulässt.

Es sein denn, man liebt und haftet nicht an. Aber da wird aus dem Mittleren Pfad/Weg, der richtig gut ist, dann allmählich ein mittlerer Drahtseilakt, der zumindest mich gegenwärtig überfordert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Diese Erfahrung ist wohl nur dann zu vermeiden, wenn die Liebe nie existierte, das bedeutet, dass diese Form von Glück zu vermeiden ist. Aber was ist dann der Gewinn des ganzen?

Das ist eine gute Frage, denn an diesem Punkt kann man ins Grübeln kommen. Erleuchtung und Liebe schließen sich nicht kategorisch aus und auch andere Mystiker kommen zu der Auffassung, dass man zu einer Liebe zu allen fühlenden Wesen durchdringen kann. M.E. sind aber knackige Erleuchtungserfahrungen dazu nötig, soll das nicht nur leeres Gerede sein. Da es diese Erfahrungen gibt, wird die Sache rund aber, nicht eben einfacher.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Soweit ich das sehe, willst Du Dein Ziel über die Ausdehnung der Lebensdauer erreichen, möglichst unendlich lange.
Buddhisten würden sagen, dass wenn Du Erfolg hast, aber nur das Leben verlängerst, Du damit einfach das Leiden verlängerst. Sie sehen die Wurzel des Leidens nicht im Tod, sondern im Anhaften.
Tja, ich sehe die Wurzel des Leids im Tod. Nebenbei würde ich dir da widersprechen, dein Link zu Dukkha verwies eher darauf, dass Vergänglichkeit und Tod als Quelle des Leids gesehen werden, wie bei mir.

Eigentlich nicht:
Wikipedia hat geschrieben:Das Paliwort dukkha steht im gewöhnlichen Sprachgebrauch für Leiden, Kummer, Elend im Gegensatz zu sukha, das Wohlsein, Behagen, Glück bedeutet. Im übertragenen Sinne bedeutet dukkha Leiden, Leidunterworfensein, Unzulänglichkeit, Elend, Übel, Schmerz, Verletzung, Unbefriedigtheit: also die spannungsreiche Qualität aller Erfahrungen, die von Verlangen, Anhaften und Ego begleitet werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Dukkha


Gut, aus dem selben Text schien mir das das Wichtigste zu sein:
Wikipedia hat geschrieben:Der naturgegebene Verfall und die Auflösung der Dinge ist dukkha. Im Zusammenhang mit den Vier Edlen Wahrheiten werden drei Aspekte von dukkha betrachtet:

dukkha im gewöhnlichen Sinn als Leiden (dukkha-dukkha)
dukkha verursacht durch Veränderungen (viparinama-dukkha)
dukkha verbunden mit bedingten Daseinsvorgängen (samkhara-dukkha)

Geburt ist dukkha, Altern ist dukkha, Krankheit ist dukkha, Tod ist dukkha;

(Von mir unterstrichen.)
Das bedeutet, dass der Artikel (oder die Philosophie) sich widerspricht.


Da widerspricht sich eigentlich nichts, Du hast nur sehr selektiv ausgewählt. Mit selektivr Auswahl kannst Du aus der Linkspartei auch eine neokonservaitve Horde machen, aber was wäre mit derart billiger Rechthaberei gewonnen? Ist doch auch nur Anhaften. ;-)
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Do 18. Apr 2013, 12:11

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Du gehst wahrscheinlich pragmatisch mit diversen Situationen um (durch Intuition).

Ja, nur ist der Alltagspragmatismus die eine Seite und der metaphysische Überbau die andere.

Richtig, aber wozu brauchst du denn ausgerechnet in dieser Situation einen metaphysischen Überbau? Der Pragmatismus scheint wesentlich nützlicher im Alltag, wieso dann nicht auch in schwierigeren Situationen? Wozu ein in den meisten Fällen unnützes Verhalten ausgerechnet auf schwierigere Situationen anwenden?
Vollbreit hat geschrieben:Hm, was heißt schon bewesien? Am einfachsten ist es vermutlich eine petitio principii zu nehmen und zu sagen, dass alles Bewusstsein ist.
So machen es einige Biologen ja mit dem Egoismus. Wen das eine überzeugt, muss das andere auch überzeugen, da die logische Struktur identisch ist.

Die Annahme eines Bewusstseins steht in keinem Zusammenhang mit einer Unsterblichkeit des Bewusstseins (das ist nur ein unbewiesenes, indizienloses Märchen). Auf ein Bewusstsein könntest du Indizien haben, vielleicht Beweise. Aber dadurch wird ein Bewusstsein noch lange nicht unsterblich. Für die Unsterblichkeit müsstest du mir schon wenigstens ein Indiz liefern.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Durch alberne Gewichtsmessungen von Sterbenden und Verstorbenen und damit ein Gewicht der Seele zu postulieren? Es ist ja nicht so, dass mir diese mystischen Konzepte völlig unbekannt wären, ich habe mich mit ihnen in der Grundschule kurz intensiver beschäftigt und schon damals erkannt, wie albern sie sind.

Ach, nicht im Mutterleib? Da warst Du aber spät dran. Was ist denn an Gewichtvermessungen mystisch? Ich würde das eher als Physik bezeichnen.

Dieser Versuch wurde wiederholt und widerlegt, soweit wollen sich die meisten dann doch nicht informieren, da der Mythos interessanter ist als die Fakten. Daran ist nichts mystisch, es gab offensichtlich eine schlechte Waage bei den russischen Wissenschaftlern, die das gemessen haben (oder eine Manipulationd der Werte, was überall vorkommen kann). Mystisch und albern sind nicht solche Versuche, sondern die ihnen zugrundeliegenden Annahmen: Existenz einer Seele, die auch noch unsterblich sein soll. Existenz muss beweisbar sein, Indizien haben, um nach ihr zu suchen. Das einzige, was die Menschen dazu verleitet, an soetwas zu glauben ist schlichtweg albernes Wunschdenken. Diese Annahme wiederum ist logisch und basiert auf Indizien (mindestens). Die Redewendung "Es kann nicht sein, was nicht sein darf.", zeigt, dass diese vermutung nicht selten gemacht wird, (Auto-)Suggestion ist sogar von manchen Gruppen (wie Buddhisten) erwünscht.
Übrigens kann es sein, dass ich mir schon im Mutterleib dazu Gedanken gemacht habe, allerdings kann ich mich nicht soweit zurückerinnern. :wink:
Vollbreit hat geschrieben:Dafür, dass Du der Auffassung bist, man könne stets nur aus der eigenen Haut urteilen, sind Deine Deutungen über mich aber ganz schön reichlich.

Nun, meine Vermutungen sind mit Argumenten ausgestattet. Dein letztes Wort zur Deutung von Menschen, die möglichst intensiv leben wollten war, dass du diese Erfahrung gemacht hättest. Wie soll das möglich sein? Letztlich hattest du nur eine Vermutung, die du nicht weiter hinterfragt hast.
Vollbreit hat geschrieben:Zum anderen Punkt: Ist halt meine Beobachtung, dass die Menschen, die über ein eher eingegrenztes emotionales Spektrum verfügen, in bestimmte Emotionen sehr tief einntauchen und eine Neigung zum Extrem haben.

Wie willst du das beobachten? Eine Neigung, eine überwiegende Emotion erlaubt keine Rückschlüsse aus Vielfalt. Wo sit da der logische, zwingende Zusammenhang? Nur weil sich jemand meist besonders aggressiv/besonders fröhlich/besonders traurig fühlt/verhält, kannst du nicht auf den Zustand der anderen Emotionen schließen. Mir kann z.Bsp. kaum einer eine Emotion vom Gesicht ablesen, wenn ich es verheimlichen will, was ich fühle. Das bedeutet nicht, dass ich etwas fühle, was nicht mit dem äußeren Schein zusammenhängt. Zum Rest später noch Kommentare, muss los.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Do 18. Apr 2013, 16:24

Vollbreit hat geschrieben:Vermutlich (bei den Differenzierteren) eine Mischung aus Schmerz und Neid. Man ist von der Welt der „Normalen“ getrennt, auch dann, wenn man sich mitten unter ihnen bewegt. Die Vergnügungen der Vielen befriedigen einen selber nicht, man kann sich nicht fallen lassen in ihre Welt. Als Reaktion erscheint diese Mischung aus Entwertung, aber doch auch manchmal einer schmerzlichen Sehnsucht dort mal eintauchen zu können.

Wenn einem die Vergnügungen der Vielen nicht reichen, kann das auch mit Anspruch zu tun haben. Mir bereitet Alkoholkonsum keine Freude, ebenso das Rauchen oder der Konsum anderer Drogen. Ich sehe nicht, was denn gut daran sein soll, sich "fallen zu lassen" (ich mag diese deutsche Redewendung ehrlich gesagt kein bisschen, sie klingt bereits dämlich. Was soll klug daran sein, auch noch freiwillig zu fallen? Was ist am Fallen gut?). Mit Entwertung hat die Ablehnung jedenfalls nicht unbedingt etwas zu tun, diese Dinge haben aus ebenso legitimer, subjektiver Sicht nunmal keinen Wert. Für einen, der diesen Bedürfnissen unterliegt, mag das aus seiner Perspektive nach Entwertung aussehen, aber dieser Wert bestand für die andere Seite nie, und sie ist auch nie verpflichtet, diese Dinge gleich hoch zu bewerten. Und auch Neid erkennen ich nicht in diesem Verhalten. Und in sowas mal (ausnahmsweise) eintauchen zu wollen, kann auch einfache Neugier bedeuten. Mir ist das, was du beschreibst weder bei anderen noch an mir selbst aufgefallen oder so zu deuten gewesen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:? Deine Priorität ist also die Realisierbarkeit = die Erreichbarkeit. Unrealistische Ziele sind nicht erreichbar, das ist also der Unterschied (nicht das unrealistische Ziele vielleicht nicht weniger erstrebenswert sind) nach meinem Verständnis. Meine Schlussfolgerung ist, dass du (eigene) Ziele kennst, die du als unrealistisch, also unerreichbar einstufst, deswegen bemühst du dich nicht um sie. Das bedeutet, dass du deine Ziele nicht nach Verlangen, sondern nach Erreichbarkeit setzt. Wo ist da der Denkfehler?

Ein Denkfehler in dem Sinne ist da nicht bei, aber es fehlen einfach noch ein paar Komponenten bei der Rechnung. Das alles ist ja ein dynamisches Geschehen. Bei einem Ziel geht es ja nicht nur um Erreichbarkeit, sondern vor allem, um den emotionalen Gehalt: Will ich es erreichen?

Diese Frage habe ich schon berücksichtigt, zwar nicht in diesem Kommentar, aber doch in anderen durch das Erstreben/das Erstrebenswerte/das Verlangte. Diese Worte fassen für mich den Willen zusammen, und ich meine, dass ich permanent von ihnen geschrieben habe.
Vollbreit hat geschrieben:Und dann ist es noch eine Frage des Temperaments. Vielleicht will ich es jetzt erreichen, aber Morgen schon nicht mehr, weil ich eher sprunghaft bin. Andere sind beständig und setzen Stein auf Stein. Beides hat Vor- und Nachteile.

Es hat den definitiven Nachteil, dass du zu keinem (langfristig erstrebten) Ziel kommst. Welchen Vorteil hat es denn? Mir würde jeder Tag eher ziellos vorkommen, wenn meine Prioritäten sich Tag auf Tag ändern würden, Irritationen innerhalb verschiedener Entscheidungsmöglichkeiten des Tages wären unvermeidlich. Und die Stärke der menschlichen Spezies ist die Möglichkeit, langfristige Ziele erreichen zu können (durch den Informationsaustausch, über Sprache, Schrift, und über Generationen und Distanzen hinaus).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Für mich selber versuche ich alles in allem die Gesamtrechnung aufzumachen, d.h. die einzelnen Bereiche zu gewichten. Als Ziel finde ich das erstrebenswert. Das bedeutet für mich, dass ich auf der Basis meiner Prämissen versuche optimale Kompromisse zu erzielen.
Einzelne Bereiche zu gewichten bedeutet unweigerlich Kompromisse zwischen Erreichbarkeit und Verlangen zu machen.

Für mich bedeutet es eher Prioritäten zu setzen.

Das tue ich auch, allerdings ohne dabei Kompromisse zu machen. Priorisierung ist ein anderes Wort für Gewichtung. Und Gewichtung (wie gehabt) findet bei dir zwischen Verlangen und Erreichbarkeit statt (mit Tendenz zur Erreichbarkeit, wie es scheint). Bei mir ist die Tendenz stark auf das Verlangen gerichtet, somit geht mein Verlangen nicht zugunsten einer anderen Priorisierung (einem Kompromiss) in Vergleich zur Erreichbarkeit ein.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe kein großes Ziel, außer vielleicht Erleuchtung, aber das ist mit hoher Sicherheit kein Brechstangenziel.

"Brechstangenziel"? Die Moral von der Geschichte über den gordischen Knoten ist, dass die Brechstange (oder in dem Fall das Schwert) manchmal zum Ziel führt. Die Brechstange ist für mich eine Metapher für Bemühung, Anstrengung, Versuch.
Deine Erleuchtung (so wie ich es verstehe) ist doch das Finden von Glück ohne Leid.

Ich würde es eher als die Überwindung des Leids ansehen. Leid entsteht durch anhaften, schafft man es besser nicht anzuhaften, ist das Leid geringer. Ziel ist die Abwesenheit von Widerständen (eine Definition, die allerdings auch ihre Tücken hat).

Wenn es nicht das Glück ohne Leid ist, so kann es auch gut die Glücklosigkeit sein, die du anstrebst. Ich habe ja desweiteren geschrieben, wieso ich denke, dass Glück und Leid nicht im Erlebnis zu trennen sind. Wenn du tatsächlich nur Leidlosigkeit anstrebst, würdest du dich (wie vermutet) auch mit weniger/gar keinem Glück "zufrieden" geben. Das ist traurig und scheint mir auch sinnlos. Was hat den Leidlosigkeit ohne Glück für eine Bedeutung? Die Abwesenheit von Leid bedeutet nicht Glück (gerade der Zustand des Todes, wie ich ihn annehme, ist Leidlosigkeit aber auch Glücklosigkeit. Was ist an so einem Zustand erstrebenswert?).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Aber die Buddhisten scheinen einen klaren Denkfehler gemacht zu haben: Sie Haben zwar Leid vielfältig definiert, aber dadurch auch alles, was ebenso gleichzeitig Glück definiert, dem Glück als Inhaltsfüller entzogen. Glück wird somit für Buddhisten nur zu einer leeren Hülle, einem ideellen (und damit nicht erreichbaren) Ziel.

Nee, eigentlich ist das Ziel ja ganz konkret.

Gut, dann ist es eben Leidlosigkeit. Dann habe ich zu deinen Gunsten (und zu den Gunsten der Buddhisten) fälschlicherweise angenommen, dass Glück irgendeine Motivation darstellen könnte, wenn nicht gar die Motivation. Stattdessen ist es wohl nur Leidlosigkeit, aber das ist nicht das selbe (und scheint mir nicht erstrebenswert, da der Tod ein solcher Zustand ist).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist denn Glück?

Die Abwesenheit von Leid (durch Anhaften).

Das denke ich nicht. Glück ist ein Empfinden, für Empfindungen braucht ein lebendes Wesen einen Input, einen Auslöser. Das Fehlen von Leid ist technisch gesehen kein Auslöser. Die Auslöser sind Erlebnisse, bestimmte Emotionen, Gegenstände, Personen. Diese Zustände/Erlebnisse aufrechterhalten zu wollen, ist ein natürlicher Impuls, ein logischer Impuls. Wäre deine Annahme richtig, würde das Anhaften keiner Logik folgen (und damit kein natürlicher Impuls sein, was er jedoch ist), da der Verlust von glückbringenden Dingen nicht zwingenderweise Leid verursachen müsste. Das ist aber unmittelbar oft der Fall, aber nicht, weil wir annehmen, dass nach einem Glücksmoment irgendetwas schlimmes passieren muss, sondern weil uns der Input fürs Glück fehlt. Damit verursacht der Verlust von Glück Leid, aber die Abwesenheit von Leid kein Glück.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du jetzt gerade starken Hunger hast, ist das ein leidvoller Zustand. Dieser Zustand ist durch Essen zu korrigieren. Danach geht es einem gut, wenn's richtig lecker war, noch viel besser. Das heißt nun aber nicht, dass man, um so richtig glücklich zu werden, nun dauernd und immer fressen muss, das wäre anhaften.

Diese Handlung folgt aber keiner Logik, wenn das Gefühl eines Defizits nicht vorhanden ist. Man kann nicht jedes Verlangen mit Hunger vergleichen. Bei Hunger kann eine Sättigung erfolgen und du verlierst den Antrieb, bei anderen Dingen ist diese Sättigung vielleicht nie da, oder sehr kurz. Das Glück durch Sättigung nach Hunger erfolgt durch Befriedigung des Verlangens. Also ist das Verlangen zentral. Das bedeutet, solange ich ein Verlangen danach habe, zu essen, ist es kein Anhaften, wenn ich esse, da ich mich hungrig fühle und nicht satt. Ebenso ist es also auch kein Anhaften, wenn ich Liebe oder Leben anstrebe, wenn ich keine Sättigung verspüre, das Verlangen jedoch schon. Nur etwas zu verlangen, was man eigentlich nicht will, nicht anstrebt, wäre demnach echtes Anhaften. Und das trifft auf so ziemlich nichts zu (da der Mensch doch letztlich immer ein Motiv, einen Antrieb hat, das zu tun, was er tut).
Vollbreit hat geschrieben:Und so kann eben alles zur Sucht werden. Wenn man einen Orgasmus erlebt, schön. Wenn man sexsüchtig ist, so ist das anhaften.

Der Sexsüchtige tut ja nichts anderes als der Normale: Er versucht den Trieb zu befriedigen, bei ihm gelingt das nur nicht unbedingt, da das Verlangen größer ist. Dafür kann ersterer nichts. Es obläge also der Norm, festzustellen, was denn "Anhaften" ist und was nicht, wenn es nicht um die Befriedigung eines Verlangens geht (so wie ich es aber eigentlich annehme). Ich halte das für eine individuelle Angelegenheit denn einer, der mit weniger Triebbefriedigung mehr zufrieden ist, weil sein Trieb geringer ist, hat einem mit größerem Trieb nicht zu sagen, was Anhaften ist (also was Maßlos ist. Denn das Maß ist die Triebbefriedigung, dieses Maß ist individuell).
Vollbreit hat geschrieben:Freud ist diese Paradoxie schon aufgefallen und er hat sie von allen vielleicht am prägnantesten formuliert (in „Das Unbehagen in der Kultur“).
Freuds Punkt hier lautet, dass wir der Natur so ungefähr gar nichts verdanken, der Kultur alles und dennoch sind die Menschen verrückt nach der Natur, was in zahlreichen Retrobewegungen immer wieder seinen Ausdruck findet. Grund ist der Triebverzicht, der der Preis der Kultur ist.

Da hat Freud ja ordentlich danebengelangt. Ich halte Kultur nur für Luxus (Das bedeutet, Kultur ist eventuell angenehm, jedoch nicht essentiell). Es macht für mich keinen Unterschied, ob ein Auto aus Deutschland oder Japan kommt, wenn kulturelle Komponenten das Ergebnis beeinflussten. Relevant ist für mich die Nützlichkeit und Funktionalität, eventuell noch das, was mehr Freude bereitet (aber dadurch werden die kulturellen Kategorien überflüssig).
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Kann es nicht auch sein, dass dieses Verhalten, welches das Leid (aber ebenso das Glück) vergrößert, nicht zur Verblendung führt?

Ja, das kann sein. Das wäre der Weg des Tantra, Mahamudra oder des Diamantweg-Buddhismus. Ein sehr radikaler Weg, ein ungeheuer schneller Weg und dementsprechend ein Weg, ein Weg bei dem man schnell in die irre gehen kann. Passiert dann auch oft.

Das ist unvermeidlich, jedoch ist so immerhin Glück möglich. Beim "Leidvermeidungs"-Buddhismus nicht.
Abgesehen davon hast du mich da vielleicht missverstanden: Du hast Philosophien aufgezählt, die es eben so sehen. Ich habe vielmehr grundsätzlich danach gefragt, wieso denn Vergrößerung des Glücks und dadurch das Inkaufnehmen des Leids gleich Verblendung bedeuten soll.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe jedenfalls keinen zwingenden (oderf sonsteinen) Zusammenhang zwischen Leid und Verblendung. "Wer Erkenntnis mehrt, mehrt das Leid."- darin steckt viel Wahres, wie ich finde. Ich denke nämlich nicht (aus genannten Gründen), dass Glück automatisch Erkenntnis = keine Verblendung bedeutet.
Worauf beruht dieses Axiom des Buddhismus? Und selbst wenn da der Buddhismus falsch übersetzt wurde, kannst du ja noch deine Positon diesbezüglich erläutern.
Meine Position ist, dass ich keinen rationalen Grund erkennen kann, der Erkenntnis automatisch höher stellt, als Glück. Das ist einfach eine westliche Gewohntheit. Aber, es scheint mir eine Neigungsfrage zu sein. Manche sind von einer Erkenntniswut beseelt und die macht sie glücklich und dafür sind sie auch bereite Opfer zu bringen. Warum aber die, denen es eher um Glück geht, den umständlichen Weg gehen sollen, kann ich nicht nachvollziehen.
(unterstrichen von mir) Da hast du mich definitiv falsch verstanden. Ich habe nicht nach Priorisierung zwischen Glück und Erkenntnis gefragt, sondern, wieso die Mehrung des Glücks (und damit unweigerlich des Leids) denn Verblendung bedeutet.Nochmal: Ich habe nicht verstanden, wieso die Mehrung des Leids = Verblendung bedeutet und wieso Erkenntnis = Glück bedeutet (also das, was ich zunächst den Annahmen des Buddhismus entnommen habe).
Das, was ich unterstrichen habe, kann ja von dir noch kommentiert werden.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Dann folgst du nicht konsequent dem Buddhismus.

Das habe ich ja auch nie behauptet, schließlich bin ich kein Buddhist.

Nun, ich strebe aber keine Rechtfertigung des Buddhismus an, sondern will wissen, wie deine Position ist. Schließlich hast du versucht, die Angst vor dem Tod (die ich als nützlih und essentiell bezeichnete) als nicht erstrebenswert darzustellen, du hast meine Haltung kritisiert, also will ich in letzter Konsequenz deine Positon hören. Wenn du dabei zumeist den Buddhismus zur Hilfe nimmst, so ist das kein Problem, aber wenn dir dann die Argumente nicht mehr aus dem Buddhismus geliefert werden, so musst du (sofern du deinen Widerspruch beibehälst) eigene finden.
Vollbreit]
[quote="Darth Nefarius hat geschrieben:
Die Angst, dass die gesetzten und dann irgendwann erreichten Ziele einem nicht reichen könnten, habe ich zwar persönlich nicht (was aber nicht bedeutet, dass ich nicht mit daraus resultierenden, weiteren Herausforderungen rechne, mit Probleme, mit Leid), aber sie ist logisch, was der Buddhismus nicht erkennt.
Was aber an sich auch nicht schlimm ist. Enttäuschungen oder Probleme werden so zum Motor und man weiß besser, wonach man nicht mehr suchen muss, wenn man glücklich werden will. M.E. ist der im Vorteil, der schnell vom Konkreten zum Prinzipiellen vordringt.[/quote]
Genau, damit kommen wir zu meiner ersten Aussage in diesem Thema: Die Angst vor dem Tod ist die sinnvollste Motivation. Der Kreis schließt sich, der Buddhismus ist raus.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Do 18. Apr 2013, 16:54

Vollbreit hat geschrieben: In der Tat rennst du immer weniger deinen Zielen nach, sondern lässt dich von Zufall, Schicksal, Karma, Gott durchs Leben führen. Im „Idealfall“ der Erleuchtung ohne Widerstände. Hier reichen sich dann die Buddhisten die weiter vordringen mit den Mystikern anderer Traditionen die Hand. M.E. erzählen die alle dasselbe. Das heißt am Ende folgt man tatsächlich überhaupt nicht mehr seinen Zielen., sondern wird gewissermaßen zum Werkzeug von was auch immer. Was wie ein mittelschwerer Albtraum klingt, ist nach Auskunft der Mystiker, hier können wir auch wieder in unserem Kulturkreis gehen (weil der uns näher ist), der absolute Gipfel der Freiheit.
Dieser Gedanke ist allerdings zugegebenermaßen schwer zu schlucken.

Er ist vor allem unlogisch und nicht nachvollziehbar. Letztlich ist das eine Anleitung zum geistigen Tod.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Jede Manipulation ohne Medikation und durch sich selbst ist Autosuggestion. Therapien versuchen lediglich die Ansprüche an das Leben zu senken, damit einzelne Menschen, die vielleicht das Leben richtig erkennen, kein gesellschaftliches Problem für die verblendete Masse darstellen.
Zum Glück ist nicht jeder Therapeut ein Verhaltenstherapeut und auch die sind längst nicht mehr alle so schlimm.

Wenn du meinst. Soweit ich das sehe, wird jedoch unnormales Verhalten schon als Krankheit definiert und deswegen muss sie beseitigt werden. Ich richte meine Philosophie aber nicht nach der Masse aus. Was macht denn schon ein Therapeut wenn nicht am Verhalten und deren Ursachen herumzupfuschen (über das "pfuschen" brauchen wir nicht zu diskutieren, es ist meine Wortwahl für "manipulieren")?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leichte Endorphinschübe durch kleine positive Empfindungen, die keine teifgreifenden Gedanken auslösen, sind der einzige Weg, die Quellen des Leids zu meiden. Damit diese leichten Empfindungen einem genügen, muss man sich dann im zweiten Schritt auch noch einreden, dass sie genügen. Das ist für mich unsinnig.
Was ich von biologistischen Einkürzungen halte, weißt Du ja.

Ja, und gut begründet hast du deine Ablehnung nie, also kann ich das weiterhin verwenden.
Darth Nefarius hat geschrieben:Schon wieder sagst du nur, was der Buddhismus angeblich nicht ist. Du leugnest, ja, aber ohne Begründung. Alles, was du mir bis jetzt erklärt hast, führt zu diesen logischen Deutungen. Wenn das nicht so ist, kannst du doch einfach erklären wo meine Denkfehler sind, stattdessen bestreitest du lediglich. Meine Behauptungen sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sie gehen direkt auf das ein, was du geschrieben hast, also mach was draus, wenn ich im Unrecht bin.

Das ist weniger ein Denkfehler, als ein Prämissenfehler. Vielleicht habe ich den Buddhismus nicht sonderlich gut erklärt, was tatsächlich sein kann, da ich ihn eigentlich nicht sonderlich gut kenne. Aber Dir ein wenig Überblick über die Kernaussagen des Buddhismus zu verschaffen, wäre dann, bei hinreichendem Interesse Dein Part. Wiki ist da nicht die schlechteste Quelle für den Einstieg.

Darth Nefarius hat geschrieben:Welche Unwissenheit? Wenn du mehr Wissen hast als ich, dann teile es mit mir!

Wie gesagt, irgendwann ist das Dein Part.

Nun, Unwissenheit ist kein Input, sondern das Defizit von Wissen. Ich habe mich an das gehalten, was du mir vom Buddhismus geboten und gezeigt hast. Auf dieser Grundlage diskutiere ich. Wenn du mir Informationen vorenthälst, kann ich sie nicht verwerten. Aber in jeder guten Debatte zählt das, was an Informationen vorliegt und es liegt im Interesse der jeweiligen Kontrahenten möglichst viel von dem zu präsentieren, worauf ihre Positonen breuhen. Wenn du nichst zu präsentieren hast, fehlt dir die Grundlage für deine Position, soweit ich alles, was du mir vorgelegt hast, entkräftete. Oder hast du mal im Bundestag oder sonstwo schon das Argument gehört "Ich weiß, was du nicht weißt, aber sagen werde ich es dir nicht."? Es ist kein Argument, dem anderen Unwissenheit vorzuwerfen.
Vollbreit hat geschrieben:In Kurzform: Leid ist ein Resultat des Anhaftens, die Überwindung des Anhaftens führt zur Überwindung des Leids.

Mhm, kenne ich schon, habe sinngemäß dazu geschrieben: Anhaften ist ein natürliches Verlangen, oder das Fortbestehen des Verlangens, welches du (mit deinem Hunger-Beispiel) erlaubt hast, füllen zu dürfen (laut Buddhismus). Der Buddhismus (so wie du ihn darstellst) verkennt hierbei, dass das Anhaften durch fortbestehendes Verlangen bedingt ist (wenn ich nicht mehr esse, habe ich keinen Hunger mehr, aber solange ich essen will, habe ich auch das Verlangen). Damit müsste für den Buddhismus das Verlangen selbst ein Problem darstellen. Verlangen setzt Ziele voraus, die wiederum sind also das Problem. Das Erreichen der Ziele soll Glück verschaffen, also ist dem Buddhisten der Weg zum Glück versperrt, da er nur darauf ausgerichtet ist, Leid zu meiden.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Unterhalten wir uns nicht die ganze Zeit über genau diesen Punkt?
Tun wir, und von dir habe ich bis jetzt keine guten Antworten gehört.

Wenn Du nicht anhaftest, was kannst Du verlieren?

Ich verliere ja durch das Nicht-Anhaften permanent etwas. Gerade das stört mich!
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Diese Erfahrung ist wohl nur dann zu vermeiden, wenn die Liebe nie existierte, das bedeutet, dass diese Form von Glück zu vermeiden ist. Aber was ist dann der Gewinn des ganzen?

Das ist eine gute Frage, denn an diesem Punkt kann man ins Grübeln kommen. Erleuchtung und Liebe schließen sich nicht kategorisch aus und auch andere Mystiker kommen zu der Auffassung, dass man zu einer Liebe zu allen fühlenden Wesen durchdringen kann. M.E. sind aber knackige Erleuchtungserfahrungen dazu nötig, soll das nicht nur leeres Gerede sein. Da es diese Erfahrungen gibt, wird die Sache rund aber, nicht eben einfacher.

Ich empfinde keine Liebe für alle Wesen. Warum sollte ich? Was ist an ihnen allen liebenswert? Ich kann mich auch nicht zu so einer umfassenden Liebe zwingen, ich kann mich zu gar keiner Liebe zwingen, wenn sie nicht von selbst vorhanden ist. Also scheint mir das keine echte Liebe zu sein, was da angestrebt wird.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Gut, aus dem selben Text schien mir das das Wichtigste zu sein:
[...]
Das bedeutet, dass der Artikel (oder die Philosophie) sich widerspricht.


Da widerspricht sich eigentlich nichts, Du hast nur sehr selektiv ausgewählt. Mit selektivr Auswahl kannst Du aus der Linkspartei auch eine neokonservaitve Horde machen, aber was wäre mit derart billiger Rechthaberei gewonnen? Ist doch auch nur Anhaften.

Mit der Rechthaberei ist gar nichts gewonnen; andererseits ist es ja kein Gegenargument, zu sagen, dass ich selektiv ausgewählt habe (was auch du getan hast). Es ging mir letztlich darum, meine Einstellung zu Angst vor dem Tod zu vertreten. Wenn die dem entgegenstehende Philosophie Widersprüche oder Fehler aufzeigt, meine in Konfrontation hingegen nicht, ist das mein Triumph.
Zum mittleren Weg kann ich nur sagen, dass er Unsinn ist. Letztlich kann man ihn nicht wählen, die Maßlosigkeit ist nur ein Extrem, welches aus einem größeren verlangen resultiert. Es kann nicht gestillt werden, wenn man nach üblichen Maßstäben vorgeht, bei denen es reichen würde. Zentral ist die Befriedigung eines Verlangens, solange es da ist, spielt es keine Rolle, ob viel oder wenig reicht, um dieses Verlangen zu beseitigen. Es ist lediglich schwieriger, ein großes Verlangen zu tilgen, aber dadurch wird Maßlosigkeit nicht zur Absicht, sondern zu einer notwendigen Konsequenz.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 19. Apr 2013, 08:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Richtig, aber wozu brauchst du denn ausgerechnet in dieser Situation einen metaphysischen Überbau?

Ich meinte den Physikalismus.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Annahme eines Bewusstseins steht in keinem Zusammenhang mit einer Unsterblichkeit des Bewusstseins (das ist nur ein unbewiesenes, indizienloses Märchen).

Wenn alles Bewusstsein ist, ist Bewusstsein unsterblich.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Durch alberne Gewichtsmessungen von Sterbenden und Verstorbenen und damit ein Gewicht der Seele zu postulieren?...
… Was ist denn an Gewichtvermessungen mystisch? ...
Daran ist nichts mystisch, ...
Finde ich auch.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Zum anderen Punkt: Ist halt meine Beobachtung, dass die Menschen, die über ein eher eingegrenztes emotionales Spektrum verfügen, in bestimmte Emotionen sehr tief einntauchen und eine Neigung zum Extrem haben.

Wie willst du das beobachten?
Ich frage nach.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn einem die Vergnügungen der Vielen nicht reichen, kann das auch mit Anspruch zu tun haben.
Ja, das stimmt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe nicht, was denn gut daran sein soll, sich "fallen zu lassen" (ich mag diese deutsche Redewendung ehrlich gesagt kein bisschen, sie klingt bereits dämlich. Was soll klug daran sein, auch noch freiwillig zu fallen? Was ist am Fallen gut?).
Es entspannt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und dann ist es noch eine Frage des Temperaments. Vielleicht will ich es jetzt erreichen, aber Morgen schon nicht mehr, weil ich eher sprunghaft bin. Andere sind beständig und setzen Stein auf Stein. Beides hat Vor- und Nachteile.

Es hat den definitiven Nachteil, dass du zu keinem (langfristig erstrebten) Ziel kommst. Welchen Vorteil hat es denn?
Dass man zu kurzfristig erstrebten Zielen kommt. Darüber hinaus, dass man nicht zwingend zum Sklaven (s)eines Fahrplnas wird, was allerdings nicht zwingend ist, man kann planen und flexibel genug sein.

Darth Nefarius hat geschrieben:Bei mir ist die Tendenz stark auf das Verlangen gerichtet, somit geht mein Verlangen nicht zugunsten einer anderen Priorisierung (einem Kompromiss) in Vergleich zur Erreichbarkeit ein.
Ja, würde ich ähnlich sehen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du tatsächlich nur Leidlosigkeit anstrebst, würdest du dich (wie vermutet) auch mit weniger/gar keinem Glück "zufrieden" geben. Das ist traurig und scheint mir auch sinnlos.
Darum tue ich es ja auch nicht und versuche lediglich auf das Anhaften zu verzichten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dann habe ich zu deinen Gunsten (und zu den Gunsten der Buddhisten) fälschlicherweise angenommen, dass Glück irgendeine Motivation darstellen könnte, wenn nicht gar die Motivation. Stattdessen ist es wohl nur Leidlosigkeit, aber das ist nicht das selbe (und scheint mir nicht erstrebenswert, da der Tod ein solcher Zustand ist).
Für Buddhisten ist Glück die Abwesenheit von Leid. Das muss kein High-Gefühl sein und hat eher was von Zufriedenheit.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist denn Glück?
Die Abwesenheit von Leid (durch Anhaften).
Das denke ich nicht. Glück ist ein Empfinden, für Empfindungen braucht ein lebendes Wesen einen Input, einen Auslöser.
Buddhisten sind lebende Wesen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das Fehlen von Leid ist technisch gesehen kein Auslöser. Die Auslöser sind Erlebnisse, bestimmte Emotionen, Gegenstände, Personen.
Damit koppelst Du das Glück mit etwas, was Du dazu benötigst. Etwas muss kommen, eintreten, fehlt Dir zu Deinem Glück. Finde ich prinzipiell okay, Glück (auch) so zu definieren, nur Buddhisten tun das eben nicht. Ihre Idee ist, dass alles was kommt oder entsteht auch wieder (ver)geht und damit letztlich das Leid vergrößert. Genauer, dass Anhaften an das was kommt, was aber im Effekt mit der „das fehlt mir noch zum Glück“-Idee identisch ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Diese Zustände/Erlebnisse aufrechterhalten zu wollen, ist ein natürlicher Impuls, ein logischer Impuls.

„Natürlich“ und „logisch“ sind nichtidentische Begriffe und schließen sich nicht selten sogar aus.

Darth Nefarius hat geschrieben:Damit verursacht a) der Verlust von Glück Leid, aber b) die Abwesenheit von Leid kein Glück.

a) Ja. b) Nein, zumindest für Buddhisten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das bedeutet, solange ich ein Verlangen danach habe, zu essen, ist es kein Anhaften, wenn ich esse, da ich mich hungrig fühle und nicht satt.
Dicke Kinder haben ständig verlangen nach essen, sind aber satt, die meisten von ihnen kennen das Gefühl Hunger zu haben gar nicht. Das wäre also Anhaften.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ebenso ist es also auch kein Anhaften, wenn ich Liebe oder Leben anstrebe, wenn ich keine Sättigung verspüre, das Verlangen jedoch schon.
Liebe ist ja auch ein „natürliches“ Bedürfnis (je nach dem, was man darunter versteht), Leben tust man ja bereits.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nur etwas zu verlangen, was man eigentlich nicht will, nicht anstrebt, wäre demnach echtes Anhaften.
Man will ja, darum ist es ja Anhaften.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und so kann eben alles zur Sucht werden. Wenn man einen Orgasmus erlebt, schön. Wenn man sexsüchtig ist, so ist das anhaften.
Der Sexsüchtige tut ja nichts anderes als der Normale: Er versucht den Trieb zu befriedigen, bei ihm gelingt das nur nicht unbedingt, da das Verlangen größer ist.
Das Verlangen ist nicht unbedingt größer, es kann nur nicht gestillt werden. Der Organsmus entspannt und befriedigt nicht. Ist eben eine Sucht.

Es obläge also der Norm, festzustellen, was denn "Anhaften" ist und was nicht, wenn es nicht um die Befriedigung eines Verlangens geht (so wie ich es aber eigentlich annehme).[/quote]Wenn Leid auftaucht, ist es anhaften. Man isst und isst und wird nicht „satt“. Man hat 10 mal einen Orgasmus und ist nicht entspannt. Man hat Kohle und dennoch Mangelempfinden oder Angst vor Verlust. Und so weiter.

Darth Nefarius hat geschrieben:Da hat Freud ja ordentlich danebengelangt. Ich halte Kultur nur für Luxus (Das bedeutet, Kultur ist eventuell angenehm, jedoch nicht essentiell). Es macht für mich keinen Unterschied, ob ein Auto aus Deutschland oder Japan kommt, wenn kulturelle Komponenten das Ergebnis beeinflussten. Relevant ist für mich die Nützlichkeit und Funktionalität, eventuell noch das, was mehr Freude bereitet (aber dadurch werden die kulturellen Kategorien überflüssig).
Dein Kulturbegriff ist möglicherweise etwas eindimensional. Ich würde ihn zumindest breiter sehen. Ungefähr so, wie hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon hast du mich da vielleicht missverstanden: Du hast Philosophien aufgezählt, die es eben so sehen. Ich habe vielmehr
grundsätzlich danach gefragt, wieso denn Vergrößerung des Glücks und dadurch das Inkaufnehmen des Leids gleich Verblendung bedeuten soll.
Nur aus Sicht des Buddhismus. Erstaunlicherweise kommen aber auch die Ideengeber von Systemen die positiv das Glück suchen zu ähnlichen Ergebnissen. Der Hedonismus eines Epikur wird nicht umsonst auch als Graeco-Buddhismus bezeichnet.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht nach Priorisierung zwischen Glück und Erkenntnis gefragt, sondern, wieso die Mehrung des Glücks (und damit unweigerlich des Leids) denn Verblendung bedeutet.Nochmal: Ich habe nicht verstanden, wieso die Mehrung des Leids = Verblendung bedeutet und wieso Erkenntnis = Glück bedeutet (also das, was ich zunächst den Annahmen des Buddhismus entnommen habe).
Das, was ich unterstrichen habe, kann ja von dir noch kommentiert werden.

Das geht durcheinander. Die Mehrung des Glücks bedeutet im Buddhismus kein Leid, sondern das Gegenteil. Mehr Leid bedeutet mehr Leid und Leid entsteht nach buddhistischer Interpretation durch Anhaften. Was ist daran so schwer zu verstehen? Es geht doch nicht darum dem zustimmen zu müssen, sondern, dass Du erst mal siehst, was Buddhisten (oder sonst wer) als Idee haben. Der Kommunismus ist der Auffassung, dass Eigentum das Leid vergrößert, über die ungerechte Verteilung der Besitzverhältnisse, Biologen würden es vielleicht als die Unfähigkeit sehen, bestimmte Neurotransmitter zu produzieren/verarbeiten, Glücksforscher gehen in der Regel den Weg, dass sie Menschen interviewen und fragen, ob sie (un)glücklich sind und was sie so werden lässt.
Wenn man diese Konzepte versteht und trennen kann, kann man schauen, in welchem Bereich sie zusammenlaufen oder voneinander abweichen. Wo sie, in anderer Sprache, dasselbe meinen und wo sie völlig andere Wege/Konzepte verfolgen.
Sich ohne Kenntnis der Grundlagen gleich in Details zu verheddern bringt doch niemanden weiter oder siehst Du das anders?

Darth Nefarius hat geschrieben:Nun, ich strebe aber keine Rechtfertigung des Buddhismus an, sondern will wissen, wie deine Position ist. Schließlich hast du versucht, die Angst vor dem Tod (die ich als nützlih und essentiell bezeichnete) als nicht erstrebenswert darzustellen, du hast meine Haltung kritisiert, also will ich in letzter Konsequenz deine Positon hören. Wenn du dabei zumeist den Buddhismus zur Hilfe nimmst, so ist das kein Problem, aber wenn dir dann die Argumente nicht mehr aus dem Buddhismus geliefert werden, so musst du (sofern du deinen Widerspruch beibehälst) eigene finden.

Meine Position ist, dass Angst generell kein erstrebenswerter Zustand ist, wenngleich ich die Funktion der Angst als Warnung durchaus als sinnvoll anerkennen kann. Aber Angst als permanenten Hintergrund (und sei es als Motor) finde ich nicht erstrebenswert. Die Analyse des Buddhismus finde ich hier gelungen und ich brachte sie ins Spiel, weil ich den angestrengten Versuch der Verlängerung (bis zur zeitlichen Unendlichkeit) des Lebens, eher als Anhaften im Sinne des Buddhismus verstehe. Aber, Buddhismus hin oder her, auch in eigenen Worten sehe ich die Gefahr darin, dass Du dabei das was heute da ist, das Leben, durch den ständigen Blick auf Morgen, auf Zukünftiges verpasst. Der (durchaus auch buddhistische) Ansatz im Jetzt anzukommen und hier und heute möglichst intensiv zu leben, erscheint mir da sinnvoller. Die Vergrößerung der Intensität wird dabei aber nicht über grellere Reize herbeigeführt, sondern über eine Steigerung der Sensibilität. Auch hier hat der Buddhismus m.E. viel zu bieten, über die Technik aus dem gewohnten Muster der Reizverarbeitung auszubrechen. Üblicherweise neigen wir dazu Spannungen entweder zu agieren, also in Aktion zu verwandeln (Lachen, Weinen, Wüten....) oder die Emotionen abzublocken, zu betäuben, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bestimmte buddhistische Richtungen versuchen die Emotion sehr genau zu spüren und ihre Energie zu nutzen, ohne sie sofort in Aktion zu verbraten. So bekommt, nach ihrer Ansicht, die stinknormale Welt immer mehr Farbe, Strahlkraft, Glanz, zugleich lernt man die Fülle der Emotionen kennen und auszuhalten. Das geht nicht von jetzt auf gleich und es muss auch nicht buddhistisch gehen, aber der Ansatz mehr ins Jetzt zu kommen und das Spektrum der Emotionen zu vergrößern, ist einer, der quer durch die Systeme greift, hier reichen sich Buddha und Freud sozusagen die Hände. So weit ich das bei mir selbst erlebe ist das nicht nur eine nette theoretische Ergänzung, sondern es funktioniert in der Praxis. Der Tod verliert dadurch ein wenig seinen Stachel, seine Bitterkeit, das heißt ja nicht, das man augenblicklich lebensmüde wird oder an sich resignativ abfindet, der Druck geht einfach etwas raus, im vollen Bewusstsein, dass man sterben wird.

Darth Nefarius hat geschrieben:Genau, damit kommen wir zu meiner ersten Aussage in diesem Thema: Die Angst vor dem Tod ist die sinnvollste Motivation. Der Kreis schließt sich, der Buddhismus ist raus.
Vielleicht eine Frage der Intensität der Angst. Wenn es für Dich eher den Geschmack der Motivation hat, okay. Angst bedeutet für mich mehr als Motivation und ist ein Gefühl, was ich nicht unbedingt als Dauerzustand brauche.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Vollbreit » Fr 19. Apr 2013, 08:51

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: In der Tat rennst du immer weniger deinen Zielen nach, sondern lässt dich von Zufall, Schicksal, Karma, Gott durchs Leben führen. Im „Idealfall“ der Erleuchtung ohne Widerstände. Hier reichen sich dann die Buddhisten die weiter vordringen mit den Mystikern anderer Traditionen die Hand. M.E. erzählen die alle dasselbe. Das heißt am Ende folgt man tatsächlich überhaupt nicht mehr seinen Zielen., sondern wird gewissermaßen zum Werkzeug von was auch immer. Was wie ein mittelschwerer Albtraum klingt, ist nach Auskunft der Mystiker, hier können wir auch wieder in unserem Kulturkreis gehen (weil der uns näher ist), der absolute Gipfel der Freiheit.
Dieser Gedanke ist allerdings zugegebenermaßen schwer zu schlucken.
Er ist vor allem unlogisch und nicht nachvollziehbar. Letztlich ist das eine Anleitung zum geistigen Tod.

Ja, völlig richtig. Es wird auch Ichtod oder mystischer Tod genannt. Den Begriff „Ichtod“ halte ich für problemantisch, weil das Ich m.E. nie in Gänze sterben kann. Aber es geht darum jede Form von Egofixierung sterben zu lassen, das entspricht m.E. dem mystischen Tod und viele sagen, es sei das Selbstmordprogramm für das Ego. Da das aber in unserem Kulturkreis ein ungewohnter Gedanke ist, ist er vielfach nicht besonders genial interpretiert worden. Die fähigen Lehrer haben das sofort bemerkt und von Chögyam Trungpa (einem tibetischen Buddhisten) gibt es genau hierzu ein lehrreiches Buch („Spirituellen Materialismus durchschneiden“), das zeigt, wie man sich inmitten spiritueller Übungen und in durchaus bester Absicht nur noch mehr ins egofixierte Anhaftungen verwickeln kann. Die Irrtumsmöglichkeiten sind also reichlich.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du meinst. Soweit ich das sehe, wird jedoch unnormales Verhalten schon als Krankheit definiert und deswegen muss sie beseitigt werden.
Nein, wieso? Das muss schon sehr weit fortgeschritten sein. Warum geht man denn zum Psychotherapeuten? Weil man leidet, weil es einem mies geht und man selbst keinen Ausweg findet. Die emotionale Hürde zum Psychotherapeuten zu gehen ist noch immer hoch, das tut man nicht mal eben so. Das wusste schon Freud: Ist der Leidensdruck nicht da, geht niemand zum Psychotherapeuten, egal wie beknackt dessen Verhalten wirken mag.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich richte meine Philosophie aber nicht nach der Masse aus. Was macht denn schon ein Therapeut wenn nicht am Verhalten und deren Ursachen herumzupfuschen (über das "pfuschen" brauchen wir nicht zu diskutieren, es ist meine Wortwahl für "manipulieren")?

Nur Verhaltenstherapeuten sind der Ansicht, dass man über die Korrektur des Verhaltens, also einen Umerziehungsprozess, auch die inneren Blockaden löst. Bzw. sie sind der Ansicht, wenn man sich richtig und normgerecht verhält, sei bereits alles in Butter, das Innere ist für sie eine black box.
Demgegenüber steht die gesamte Tradition aufdeckender, analytischer Verfahren, deren Weg von der Bewusstmachung verdrängter oder verleugneter Konflikte ausgeht. Man ist dort der Meinung, dass diese Bearbeitung der Konflikte ihre Auswirkung auch auf das Verhalten hat. Zwischen diesen extremen Positionen gibt es inzwischen beliebig viele Graustufen, längst sind Verhaltenstherapeuten viel analytischer geworden und die klassische freudsche Analyse ist ein Verfahren in der Familie der aufdeckenden Therapien, das bei Neurosen (leichten Persönlichkeitsstörungen) angewendet wird und führend ist, während es für die sogenannten schweren Persönlichkeitsstörungen andere und bessere Verfahren gibt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Leichte Endorphinschübe durch kleine positive Empfindungen, die keine teifgreifenden Gedanken auslösen, sind der einzige Weg, die Quellen des Leids zu meiden. Damit diese leichten Empfindungen einem genügen, muss man sich dann im zweiten Schritt auch noch einreden, dass sie genügen. Das ist für mich unsinnig.
Was ich von biologistischen Einkürzungen halte, weißt Du ja.
Ja, und gut begründet hast du deine Ablehnung nie, also kann ich das weiterhin verwenden.

Ich habe doch sogar einen eigenen Thread daraus gemacht. Ich bin da übrigens rein pragmatisch orientiert. Es ist einfach nie gelungen, bei einer biologischen Beschreibung eine hinreichende Trennschärfe zu erreichen. Man stochert vielfach im Nebel. Nicht mal die Serotoninmangel-Hypothese der Depression ist gesichert (sondern eher ein Werbegag amerikanischer Pharmaunternehmen, um SSRI Präparate vermarkten zu können). Die Gleichung Glück = viele Endorphine, Depression = wenig Serotonin und so weiter geht einfach nicht auf. Auch eine hinreichende (praxisrelevante) Kenntnis der Kombination der diversen Neurotransmitter und ihrer psychischen Zuordnung gibt es nicht. Also 30% Serontoninmangel, plus 200% Erhöhung der Opiate ergibt dieses Gefühl, diese Landkarte gibt es nicht. Es gibt aber 15 oder mehr Neurotrnasmitter die eine psychische Wirkung haben, wie sich die Systeme überlagern und verstärken/hemmen ist weitgehend unbekannt und man schießt da mit ungeheuer groben Geschützen. Da wo man im Einzelfall trifft, mit großem Erfolg, aber zur Wahrheit der Praktiker gehört eben auch, dass man oftmals 20 Mittel durchprobiert und am Ende die Symptome nicht mehr von den Nebenwirkungen trennen kann, was alles andere als befriedigend ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Schon wieder sagst du nur, was der Buddhismus angeblich nicht ist. Du leugnest, ja, aber ohne Begründung. Alles, was du mir bis jetzt erklärt hast, führt zu diesen logischen Deutungen. Wenn das nicht so ist, kannst du doch einfach erklären wo meine Denkfehler sind, stattdessen bestreitest du lediglich. Meine Behauptungen sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sie gehen direkt auf das ein, was du geschrieben hast, also mach was draus, wenn ich im Unrecht bin.

Das ist weniger ein Denkfehler, als ein Prämissenfehler. Vielleicht habe ich den Buddhismus nicht sonderlich gut erklärt, was tatsächlich sein kann, da ich ihn eigentlich nicht sonderlich gut kenne. Aber Dir ein wenig Überblick über die Kernaussagen des Buddhismus zu verschaffen, wäre dann, bei hinreichendem Interesse Dein Part. Wiki ist da nicht die schlechteste Quelle für den Einstieg.

Darth Nefarius hat geschrieben:Oder hast du mal im Bundestag oder sonstwo schon das Argument gehört "Ich weiß, was du nicht weißt, aber sagen werde ich es dir nicht."? Es ist kein Argument, dem anderen Unwissenheit vorzuwerfen.
Die Bereitschaft bei hinreichendem Interesse des anderen mich mitzuteilen habe ich durchaus, der Verweis auf diesen oder jenen link oder ein Buch ist dabei ja nicht unüblich, Dein Prof kommt sicher auch nicht zu Dir nach Hause.
Aber das ist ohnehin immer ein Bemühen von beiden Seiten. Was Du m.E. stärker ausbauen könntest, ist die Fähigkeit andere Denksysteme von innen heraus zu verstehen.
Das ist insofern schwer, weil das tatsächlich eine Altersfrage ist, mit irgendeinem Denksystem muss man nun mal beginnen und Du ziehst Deine Kreise eben von der Biologie ausgehend und versuchst demzufolge, dass was Du liest, mit diesen biologischen Kenntnissen, die ja gut und richtig sind, abzugleichen.
Biologie (ich weiß: Molekularbiologie) ist ja nicht falsch oder langweilig, sondern eine spannende und ungeheuer facettenreiche Wissenschaft. Zum Biologismus wird sie in dem Moment, wo behauptet wird, man könne und müsse alles Geschehen vorrangig oder ausschließlich durch die Brille der biologischen Interpretation betrachten.
Psychische Probleme sind dann auf einmal nur noch Neurotransmitterdysregulationen, gesellschaftliche Spannungen treten auf, weil man eben Frauen nicht artgerecht in der Küche festbindet und so weiter. Die Ergebnisse der Biologie, Soziologie, Psychologie, Politologie, der Alltagserfahrungen, der Ethik und so weiter allesamt zu betrachten und gemäß der aktuellen Frage zu gewichten, ist hingegen wünschenswert.
Dein Trend ist, zu sagen, die Biologie sagt das, die Soziologie was anderes, also ist die Soziologie falsch, weil die Biologie ja viel exakter ist und so weiter, anstatt erst mal zu verstehen, was die Soziologie überhaupt macht. Was der Buddhismus oder Marxismus oder wer auch immer eigentlich aussagt. Was wollen die, was sagen sie, was denken die, das ist jene Empathie, von der Du in letzter Zeit so viel schreibst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:In Kurzform: Leid ist ein Resultat des Anhaftens, die Überwindung des Anhaftens führt zur Überwindung des Leids.
Mhm, kenne ich schon, habe sinngemäß dazu geschrieben: Anhaften ist ein natürliches Verlangen, oder das Fortbestehen des Verlangens, welches du (mit deinem Hunger-Beispiel) erlaubt hast, füllen zu dürfen (laut Buddhismus). Der Buddhismus (so wie du ihn darstellst) verkennt hierbei, dass das Anhaften durch fortbestehendes Verlangen bedingt ist (wenn ich nicht mehr esse, habe ich keinen Hunger mehr, aber solange ich essen will, habe ich auch das Verlangen).

Genau diese Stelle ist sehr schön, weil exemplarisch für das oben Gesagte. Du versuchst nicht die Denkweise des Buddhismus zu verstehen, sondern nimmst das, was Du verstanden hast und beginnst, statt wirklich mal empathisch verstehen zu wollen, was so ein Buddhist will und denkt, auf halber Strecke mit einer Fehleranalyse, die immer schief sein muss, weil Du in die Kritik gehst bevor Du auch nur einen groben Überblick gewonnen hast. Dein gutes Recht ist zu sagen: Was juckt mich der Buddhismus?, aber mein gutes Recht ist keine Einführungsvorlesung über den Buddhismus runterleiern zu müssen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Damit müsste für den Buddhismus das Verlangen selbst ein Problem darstellen. Verlangen setzt Ziele voraus, die wiederum sind also das Problem. Das Erreichen der Ziele soll Glück verschaffen, also ist dem Buddhisten der Weg zum Glück versperrt, da er nur darauf ausgerichtet ist, Leid zu meiden.

Und das ist dann irgendein Gemurkse aus Halbverstandenem und der dann vorschnellen Kritik dieses Halbverstandenen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich verliere ja durch das Nicht-Anhaften permanent etwas. Gerade das stört mich!
Was denn genau? Ich sehe nicht, dass man durch den Verzicht auf Anhaften irgendwas verliert, außer dem Leid.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Diese Erfahrung ist wohl nur dann zu vermeiden, wenn die Liebe nie existierte, das bedeutet, dass diese Form von Glück zu vermeiden ist. Aber was ist dann der Gewinn des ganzen?

Das ist eine gute Frage, denn an diesem Punkt kann man ins Grübeln kommen. Erleuchtung und Liebe schließen sich nicht kategorisch aus und auch andere Mystiker kommen zu der Auffassung, dass man zu einer Liebe zu allen fühlenden Wesen durchdringen kann. M.E. sind aber knackige Erleuchtungserfahrungen dazu nötig, soll das nicht nur leeres Gerede sein. Da es diese Erfahrungen gibt, wird die Sache rund aber, nicht eben einfacher.
Ich empfinde keine Liebe für alle Wesen. Warum sollte ich?
Sollst Du nicht, wie könnte man Liebe verordnen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist an ihnen allen liebenswert? Ich kann mich auch nicht zu so einer umfassenden Liebe zwingen, ich kann mich zu gar keiner Liebe zwingen, wenn sie nicht von selbst vorhanden ist. Also scheint mir das keine echte Liebe zu sein, was da angestrebt wird.

Kommt drauf an, was ist denn echte Liebe, für Dich?

Darth Nefarius hat geschrieben:Mit der Rechthaberei ist gar nichts gewonnen; andererseits ist es ja kein Gegenargument, zu sagen, dass ich selektiv ausgewählt habe (was auch du getan hast).
Wenn Du selektiv ausgewählt hast, dann schon.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ging mir letztlich darum, meine Einstellung zu Angst vor dem Tod zu vertreten. Wenn die dem entgegenstehende Philosophie Widersprüche oder Fehler aufzeigt, meine in Konfrontation hingegen nicht, ist das mein Triumph.
Wer Dir widerspricht, kann nur im Irrtum sein? Wenn das mal kein knackiges Anhaften ist. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:Zum mittleren Weg kann ich nur sagen, dass er Unsinn ist. Letztlich kann man ihn nicht wählen, die Maßlosigkeit ist nur ein Extrem, welches aus einem größeren verlangen resultiert.
Warum sollte man nicht wählen können und was genau sollte man nicht wählen können.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es kann nicht gestillt werden, wenn man nach üblichen Maßstäben vorgeht, bei denen es reichen würde. Zentral ist die Befriedigung eines Verlangens, solange es da ist, spielt es keine Rolle, ob viel oder wenig reicht, um dieses Verlangen zu beseitigen. Es ist lediglich schwieriger, ein großes Verlangen zu tilgen, aber dadurch wird Maßlosigkeit nicht zur Absicht, sondern zu einer notwendigen Konsequenz.
Das würde heißen, dass Gier angeboren und nicht zu korrigieren ist. Eine in meinen Augen fatalistische Einstellung. Die Gene werden eben ungerecht verteilt, da hat der eine mehr Glück als der anderen, kann man nix machen, ist eben Pech. Den Tod willst Du besiegen, aber hier kapitulierst Du schon?
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 19. Apr 2013, 17:51

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Richtig, aber wozu brauchst du denn ausgerechnet in dieser Situation einen metaphysischen Überbau?

Ich meinte den Physikalismus.

Inwiefern? Kannst du das erläutern?
Vollbreit hat geschrieben:Wenn alles Bewusstsein ist, ist Bewusstsein unsterblich.

Nein, denn "alles" ist nicht unsterblich. Alles, was wir kennen, ist als Universum zu bezeichnen, und auch von dem gehen wir aus, dass es endlich ist, im sogenannten Kältetod die Marterie zerreißt, eventuell sogar kollabiert. Also nur weil etwas "alles" ist, ist es noch lange nicht unsterblich.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Zum anderen Punkt: Ist halt meine Beobachtung, dass die Menschen, die über ein eher eingegrenztes emotionales Spektrum verfügen, in bestimmte Emotionen sehr tief einntauchen und eine Neigung zum Extrem haben.

Wie willst du das beobachten?
Ich frage nach.

Und die Leute sagen dir dann, dass sie nur Neid oder nur Missgunst empfinden? Jeden Moment? Oder dass sie grundsätzlich nur zu wenigen Emotionen fähig sind? Nun, vielleicht fragst du dann lediglich etwas seltsame Leute, oder sie fühlen sich verarscht, wenn ein Depp sie gerade fragt, was sie grundsätzlich empfinden, wie vielfältig ihre Empfindungen sind und reagieren sarkastisch. Meinen Humor verstehen auch nicht viele und denken, dass ich einiges ernst meine. Allerdings spricht das auch wohl für meinen Ruf, durchzuziehen, was ich plane.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe nicht, was denn gut daran sein soll, sich "fallen zu lassen" (ich mag diese deutsche Redewendung ehrlich gesagt kein bisschen, sie klingt bereits dämlich. Was soll klug daran sein, auch noch freiwillig zu fallen? Was ist am Fallen gut?).
Es entspannt.

Durch den Riss "entspannt" ein Gummiband auch, allerdings ist es dann kaputt. Spannung bedeutet Leben, Energie. Zu fallen bedeutet, sich weh zu tun. Das auch noch freiwillig geschehen zu lassen, zeugt von Dummheit.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es hat den definitiven Nachteil, dass du zu keinem (langfristig erstrebten) Ziel kommst. Welchen Vorteil hat es denn?
Dass man zu kurzfristig erstrebten Zielen kommt. Darüber hinaus, dass man nicht zwingend zum Sklaven (s)eines Fahrplnas wird, was allerdings nicht zwingend ist, man kann planen und flexibel genug sein.

Zu kurzfristigen Zielen komme ich auch, sie betrachte ich als Etappenerfolge auf dem Weg zur Priorität. Den Fahrplan habe ich mir selbst angefertigt und kann ihn jederzeit ändern, wenn ich will. Auch so bin ich flexibel. Z.Bsp. hatte ich zuletzt einige unangenehme Vorlesungen zum Lipidstoffwechsel. Die Mortalitäten und verschiedenen Häufigkeiten für diverse Stoffwechselkrankheiten in diesem Bereich lassen einen schwitzen. Alleridings gibt es dann noch die Onkologie, welche ebenso mit einer Vielfältigkeit an Prädisposition zu diversen Arten von Krebs vorstellt. Die Frage ist, gegen welche Art von Mortalität ich gedenke vorzugehen. Also bin ich in meinem grundsätzlichen Ziel, nicht sterben zu wollen, letztlich in der Ausführung sehr frei, da es leider sehr viele Arten gibt zu sterben.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du tatsächlich nur Leidlosigkeit anstrebst, würdest du dich (wie vermutet) auch mit weniger/gar keinem Glück "zufrieden" geben. Das ist traurig und scheint mir auch sinnlos.
Darum tue ich es ja auch nicht und versuche lediglich auf das Anhaften zu verzichten.

Glück zuzulassen (also größeres, echtes Glück) bedeutet unweigerlich, anzuhaften und es auch zu wollen.
Vollbreit hat geschrieben:Für Buddhisten ist Glück die Abwesenheit von Leid. Das muss kein High-Gefühl sein und hat eher was von Zufriedenheit.

Lässt einen aber irgendwann leer werden. Ein monotones Fehlen von Leid bedeutet kein Glück. Ich hatte vor einiger Zeit auch diese Erkenntnis. Soetwas reicht aus, um noch das Abitur zu erreichen, aber nicht um weiter zu gehen, weiter zu kommen. Das Leben verliert durch bloße Zufriedenheit ohne echtes Glück an Bedeutung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Glück ist ein Empfinden, für Empfindungen braucht ein lebendes Wesen einen Input, einen Auslöser.
Buddhisten sind lebende Wesen.

Und auch sie benötigen einen Input.
Vollbreit hat geschrieben:Damit koppelst Du das Glück mit etwas, was Du dazu benötigst. Etwas muss kommen, eintreten, fehlt Dir zu Deinem Glück. Finde ich prinzipiell okay, Glück (auch) so zu definieren, nur Buddhisten tun das eben nicht. Ihre Idee ist, dass alles was kommt oder entsteht auch wieder (ver)geht und damit letztlich das Leid vergrößert. Genauer, dass Anhaften an das was kommt, was aber im Effekt mit der „das fehlt mir noch zum Glück“-Idee identisch ist.

Das "Nichts" macht nicht glücklich. Die Konsequenz der Buddhisten müsste sein, Selbstmord zu begehen, da im Zustand des Todes kein Leid vorhanden ist und es folglich den ultimativen Glückszustand darstellt. Dahinter kannst du nicht stehen. Glück braucht einen Auslöser, einen Input, wie ich schon sagte. So sehen das alle Lebewesen, die keinen Selbstmord begangen haben.
Vollbreit hat geschrieben:„Natürlich“ und „logisch“ sind nichtidentische Begriffe und schließen sich nicht selten sogar aus.

Die Natur folgt einer klaren Logik von Thermodynamik, von chemischen Kettenreaktionen und anderen logischen Prinzipien. Wann schließt Natur denn Logik aus?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Damit verursacht a) der Verlust von Glück Leid, aber b) die Abwesenheit von Leid kein Glück.

a) Ja. b) Nein, zumindest für Buddhisten.

Das Nein scheint nur durch Selbstbetrug als Antwort erfolgen zu können. Manche Menschen wissen nicht, was sie wirklich wollen und reden sich Blödsinn ein. Und abgesehen davon frage ich dich, wie du das siehst, schließlich diskutiere ich nicht mit dem Buddhismus, sondern mit einem, der meinen Standpunkt versucht mit dem Buddhismus auszuhebeln. Wenn du nicht voll und ganz dahinter stehst, ist dein Versuch doch vergebens, oder?
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das bedeutet, solange ich ein Verlangen danach habe, zu essen, ist es kein Anhaften, wenn ich esse, da ich mich hungrig fühle und nicht satt.
Dicke Kinder haben ständig verlangen nach essen, sind aber satt, die meisten von ihnen kennen das Gefühl Hunger zu haben gar nicht. Das wäre also Anhaften.

Du würdest dich wundern, wieviel du von Fettleibigkeit auf genetische Ursachen (also Stoffwechselkrankheiten) zurückführen kannst. Dann gibt es noch einen Teufelskreis an LDL-Triglyceride-Stoffwechsel, welcher das Problem noch verschlimmert. Und auch wenn ich nicht übergewichtig bin, kann ich mir gut vorstellen (so wie es doch immer gesagt wird), dass zwar kein Hunger, doch aber ein bestimmtes Defizit, ein Verlangen vorherrscht und sie quasi buddhistisch dieses Defizit versuchen mit Essen zu kompensieren. Insofern ist auch ein Verlangen dar, welches Fresssucht oder sonst eine Überkompensation als "Nicht-Anhaften" klassifitziert. Und abgesehen davon ging es bei deiner Definition um das Verlangen, welches auch schon ein Defizit darstellt (oder mit ihm assoziiert ist). Dieses Defizit muss nicht unweigerlich ein logisches, direktes sein. Die Verknüpfung von Hunger und Mangel an Nahrung ist keineswegs selbstverständlich, hat sich jedoch in der Natur als nützlich erwiesen. Jedoch wird de Buddhismus sich gewiss nicht auf körperliche, materielle Defizite beziehen, sondern auf das Verlangen durch den Geist, oder nicht? Insofern spielt der Hunger eine Rolle, sondern das Verlangen nach Essen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ebenso ist es also auch kein Anhaften, wenn ich Liebe oder Leben anstrebe, wenn ich keine Sättigung verspüre, das Verlangen jedoch schon.
Liebe ist ja auch ein „natürliches“ Bedürfnis (je nach dem, was man darunter versteht), Leben tust man ja bereits.

Na und? Essen zu wollen ist ebenso natürlich. Beides kann Leid verursachen. Der Buddhismus hilft da nicht weiter, da er unsinnig definiert.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nur etwas zu verlangen, was man eigentlich nicht will, nicht anstrebt, wäre demnach echtes Anhaften.
Man will ja, darum ist es ja Anhaften.

Der Wille wird durch Motive, durch Triebe geformt. Triebe sind Resultate aus Defiziten. Entweder willst du mir also verkaufen, dass ein Wesen mit einem Willen grundsätzlich anhaftet und die Buddhisten ihren Willen verlieren wollen, oder dass die Buddhisten von einem paradoxen Dualismus ausgehen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Der Sexsüchtige tut ja nichts anderes als der Normale: Er versucht den Trieb zu befriedigen, bei ihm gelingt das nur nicht unbedingt, da das Verlangen größer ist.
Das Verlangen ist nicht unbedingt größer, es kann nur nicht gestillt werden. Der Organsmus entspannt und befriedigt nicht. Ist eben eine Sucht.

Verlangen definiert sich nicht dadruch, dass es grundsätzlich gestillt werden kann. Und das psychohydraulische Instinktmodell hilft bei dieser Betrachtungsweise. Zumal man wirklich im Gehirn von Sättigungen, Rezeptoren und Hormonen ausgehen muss. Sucht wird im Gehirn klar durch eine veränderte Physiologie bedingt, welche tatsächlich dafür spricht, dass das Verlangen größer ist (da mehr Rezeptoren vielleicht gesättigt werden müssen, aber die herkömmliche Dosis des Neurotransmitters oder eines anderen Liganden nicht reicht). Die Biologie spricht jedenfalls klar für größeres Verlangen bei entsprechendem Verhalten.
Vollbreit hat geschrieben:Es obläge also der Norm, festzustellen, was denn "Anhaften" ist und was nicht, wenn es nicht um die Befriedigung eines Verlangens geht (so wie ich es aber eigentlich annehme).
Wenn Leid auftaucht, ist es anhaften. Man isst und isst und wird nicht „satt“. Man hat 10 mal einen Orgasmus und ist nicht entspannt. Man hat Kohle und dennoch Mangelempfinden oder Angst vor Verlust. Und so weiter.
[/quote]
Und ich sage dir abermals, dass du es dir leicht machst und damit Fehler begehst. Leid ist nur vermeidbar durch den Tod. Leidlosigkeit bedeutet nicht Glück. Anhaften, also einen Zustand aufrechterhalten zu wollen, resultiert aus dem gesteigerten Verlangen. Das Verlangen, der Wille, verursacht automatisch bei Nicht-Sättigung durch Befriedigung Leid, jedoch nicht irgendein Anhaften.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Abgesehen davon hast du mich da vielleicht missverstanden: Du hast Philosophien aufgezählt, die es eben so sehen. Ich habe vielmehr
grundsätzlich danach gefragt, wieso denn Vergrößerung des Glücks und dadurch das Inkaufnehmen des Leids gleich Verblendung bedeuten soll.
Nur aus Sicht des Buddhismus. Erstaunlicherweise kommen aber auch die Ideengeber von Systemen die positiv das Glück suchen zu ähnlichen Ergebnissen. Der Hedonismus eines Epikur wird nicht umsonst auch als Graeco-Buddhismus bezeichnet.

Interessiert mich nicht. Das ist ein indirektes Autoritätsargument. Wenn sie alle unlogisch argumentierten oder nicht verständliche Axiome setzten, werde ich nicht überzeugter, weil sie vor 2000 Jahren lebten und man ihre Namen heute noch kennt. Deswegen berufe ich mich fast nie auf einzelne Personen in meiner Argumentation. Ich formuliere das, wohinter ich selbst stehe, was ich selbst meine erkannt zu haben (das historische Wissen einiger Philosophen und ihrer Texte bringt den verwandten Ideen lediglich einen Namen). Und ich habe auch klar gezeigt, wieso die aktive Suche nach Glück unweigerlich zum Anhaften und zum Leid führt. Du kannst ja dem die Ideen Epikurs entgegenstellen, auch dort werde ich die Fehler aufdecken.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe nicht nach Priorisierung zwischen Glück und Erkenntnis gefragt, sondern, wieso die Mehrung des Glücks (und damit unweigerlich des Leids) denn Verblendung bedeutet.Nochmal: Ich habe nicht verstanden, wieso die Mehrung des Leids = Verblendung bedeutet und wieso Erkenntnis = Glück bedeutet (also das, was ich zunächst den Annahmen des Buddhismus entnommen habe).
Das, was ich unterstrichen habe, kann ja von dir noch kommentiert werden.

Das geht durcheinander. Die Mehrung des Glücks bedeutet im Buddhismus kein Leid, sondern das Gegenteil.

Es ist ein Axiom, welches ich widerlegt habe, wohl einige Kommentare zuvor.
Vollbreit hat geschrieben:Mehr Leid bedeutet mehr Leid und Leid entsteht nach buddhistischer Interpretation durch Anhaften. Was ist daran so schwer zu verstehen? Es geht doch nicht darum dem zustimmen zu müssen, sondern, dass Du erst mal siehst, was Buddhisten (oder sonst wer) als Idee haben.

Es ist nichts schwierig daran, es zu verstehen. Aber ich muss nicht auf dieser Grundlage argumentieren (tue ich ja auch nicht), wenn ich zum einen gezeigt habe, dass es nicht so ist und zum anderen ohnehin andere Prämissen habe.
Vollbreit hat geschrieben: Der Kommunismus ist der Auffassung, dass Eigentum das Leid vergrößert, über die ungerechte Verteilung der Besitzverhältnisse, Biologen würden es vielleicht als die Unfähigkeit sehen, bestimmte Neurotransmitter zu produzieren/verarbeiten, Glücksforscher gehen in der Regel den Weg, dass sie Menschen interviewen und fragen, ob sie (un)glücklich sind und was sie so werden lässt.
Wenn man diese Konzepte versteht und trennen kann, kann man schauen, in welchem Bereich sie zusammenlaufen oder voneinander abweichen. Wo sie, in anderer Sprache, dasselbe meinen und wo sie völlig andere Wege/Konzepte verfolgen.
Sich ohne Kenntnis der Grundlagen gleich in Details zu verheddern bringt doch niemanden weiter oder siehst Du das anders?
Die Grundlagen hast du mir ja nahe gebracht, und ich habe ausgedrückt, dass ich sie nicht akzetiere, gegen sie argumentiert. Das Problem ist, dass wir an verschiedenen Punkten über den Buddhismus diskutieren. Ich dachte, dass es reicht, eine Prämisse des Buddhismus zu widerlegen, um mich nicht aus daraus resultierenden Gedanken beschäftigen zu müssen (bzw. habe ich für diese daraus resultierenden Dogmen die Argumente verwandt, die ich den Axiomen entgegensetzte, quasi das Problem bei der Wurzel zu nehmen). Leider hat das bei dir zu einer Verwirrung geführt und du offensichtlich meinst, dass ich ab einer Ebende der Argumentation nicht davorstehende Ebenen zur Argumentation nützen könnte, obwohl nach meinem Verständnis die dahinterstehenden Ebenen das Problem verursachen. Mag sein, dass einige Gedanken innerhalb ihrer Ebene unter bestimmten Prämissen logisch sind, jedoch kann und muss ich sie nicht beführworten, wenn die Grundlagen falsch sind. Du hingegen wunderst dich über dieses Vorgehen und meinst, dass ich erstmal die Prämissen hinnehmen muss, um über diesen Gedanken zu diskutieren. Das muss ich nicht, wenn die Prämissen falsch sind.
Vollbreit hat geschrieben:Meine Position ist, dass Angst generell kein erstrebenswerter Zustand ist, wenngleich ich die Funktion der Angst als Warnung durchaus als sinnvoll anerkennen kann. Aber Angst als permanenten Hintergrund (und sei es als Motor) finde ich nicht erstrebenswert. Die Analyse des Buddhismus finde ich hier gelungen und ich brachte sie ins Spiel, weil ich den angestrengten Versuch der Verlängerung (bis zur zeitlichen Unendlichkeit) des Lebens, eher als Anhaften im Sinne des Buddhismus verstehe. Aber, Buddhismus hin oder her, auch in eigenen Worten sehe ich die Gefahr darin, dass Du dabei das was heute da ist, das Leben, durch den ständigen Blick auf Morgen, auf Zukünftiges verpasst. Der (durchaus auch buddhistische) Ansatz im Jetzt anzukommen und hier und heute möglichst intensiv zu leben, erscheint mir da sinnvoller. Die Vergrößerung der Intensität wird dabei aber nicht über grellere Reize herbeigeführt, sondern über eine Steigerung der Sensibilität. Auch hier hat der Buddhismus m.E. viel zu bieten, über die Technik aus dem gewohnten Muster der Reizverarbeitung auszubrechen. Üblicherweise neigen wir dazu Spannungen entweder zu agieren, also in Aktion zu verwandeln (Lachen, Weinen, Wüten....) oder die Emotionen abzublocken, zu betäuben, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bestimmte buddhistische Richtungen versuchen die Emotion sehr genau zu spüren und ihre Energie zu nutzen, ohne sie sofort in Aktion zu verbraten. So bekommt, nach ihrer Ansicht, die stinknormale Welt immer mehr Farbe, Strahlkraft, Glanz, zugleich lernt man die Fülle der Emotionen kennen und auszuhalten. Das geht nicht von jetzt auf gleich und es muss auch nicht buddhistisch gehen, aber der Ansatz mehr ins Jetzt zu kommen und das Spektrum der Emotionen zu vergrößern, ist einer, der quer durch die Systeme greift, hier reichen sich Buddha und Freud sozusagen die Hände. So weit ich das bei mir selbst erlebe ist das nicht nur eine nette theoretische Ergänzung, sondern es funktioniert in der Praxis. Der Tod verliert dadurch ein wenig seinen Stachel, seine Bitterkeit, das heißt ja nicht, das man augenblicklich lebensmüde wird oder an sich resignativ abfindet, der Druck geht einfach etwas raus, im vollen Bewusstsein, dass man sterben wird.

Nun, ich habe ja grob deine Zustimmung schon verstanden, aber wenn du in konkreten Defiziten der buddhistischen Argumentation schon nicht mehr hinter bestimmten Knackpunkten stehst, verliert dein Standpunkt eine konsequente Argumentation. Vielleicht ist es aber nur bei mir so, dass alles konsequent durchdacht sein muss. Jedem die eigenen Ansprüche. Wenn du kein Problem damit hast, dass an irgendeiner Stelle der Buddhismus der Logik und auch noch deiner persönlichen Einschätzung widerspricht, du aber daraus resultierende Behauptungen wiederum stützt (ohne bestimmten Grund, einfach aus Empfindung heraus), ist das in Ordnung, verliert jedoch seine Berechtigung, in einer Diskussion einem vollständig durchdachten Konzept entgegengestellt zu werden.
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Re: Jährliche 'Edge'-Frage

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 19. Apr 2013, 18:52

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Er ist vor allem unlogisch und nicht nachvollziehbar. Letztlich ist das eine Anleitung zum geistigen Tod.

Ja, völlig richtig. Es wird auch Ichtod oder mystischer Tod genannt. Den Begriff „Ichtod“ halte ich für problemantisch, weil das Ich m.E. nie in Gänze sterben kann. Aber es geht darum jede Form von Egofixierung sterben zu lassen, das entspricht m.E. dem mystischen Tod und viele sagen, es sei das Selbstmordprogramm für das Ego. Da das aber in unserem Kulturkreis ein ungewohnter Gedanke ist, ist er vielfach nicht besonders genial interpretiert worden. Die fähigen Lehrer haben das sofort bemerkt und von Chögyam Trungpa (einem tibetischen Buddhisten) gibt es genau hierzu ein lehrreiches Buch („Spirituellen Materialismus durchschneiden“), das zeigt, wie man sich inmitten spiritueller Übungen und in durchaus bester Absicht nur noch mehr ins egofixierte Anhaftungen verwickeln kann. Die Irrtumsmöglichkeiten sind also reichlich.

Der Irrtum scheint mir eher in der Position zu bestehen, dass dies tatsächlich wünschenswert sei. Das ich ist unweigerlich egofixiert. Unsere Gedanken, unsere Empfindungen, unser Wille, unsere Motive, unsere Erinnerungen sind unweigerlich subjektiv, also an unser "Ich" gebunden, also egofixiert. Dies abzulegen bedeutet auch sein "Ich" zuverlieren, seinen Geist tatsächlich in den Selbstmord zu treiben.
Vollbreit hat geschrieben:Warum geht man denn zum Psychotherapeuten? Weil man leidet, weil es einem mies geht und man selbst keinen Ausweg findet.

Richtig, und die Annahme, dass der Psychotherapeut einem das Leid nimmt, ist jedoch schlichtweg falsch. Das Leben verursacht das Leid, der Therapeut ist kein Wundertäter und kann einem die Arbeit oder die Frau oder das Haustier wiedergeben, er kann dich lediglich so manipulieren, dass du glaubst, du hättest diese Dinge nicht wirklich nötig oder macht dir falsche Hoffnungen.
Religiöse sind da eigentlich konsequenter: Sie gehen beten und sagen, was sie wollen. Natürlich ist das noch viel weniger hilfreich. Das Dümmste, was ich immer in diesem Zusammenhang von leidenden Gläubigen höre ist "Das macht doch keinen Sinn!" Sie meinen immer, ihr Glaube sei unerschütterlich, in Wahrheit haben sie lediglich nur noch kein solches Leid erlebt, ihre Welt war geschützt, behütet, sie kannten keine größeren Defizite, dachten deshalb mit kleinem Horizont, dass die ganze Welt so sei. Oder sie denken, dass ihr Leid anders als das Leid anderer, tatsächlich ungerecht sei, was mich noch mehr anwidern würde.
Vollbreit hat geschrieben:Nur Verhaltenstherapeuten sind der Ansicht, dass man über die Korrektur des Verhaltens, also einen Umerziehungsprozess, auch die inneren Blockaden löst. Bzw. sie sind der Ansicht, wenn man sich richtig und normgerecht verhält, sei bereits alles in Butter, das Innere ist für sie eine black box.
Demgegenüber steht die gesamte Tradition aufdeckender, analytischer Verfahren, deren Weg von der Bewusstmachung verdrängter oder verleugneter Konflikte ausgeht. Man ist dort der Meinung, dass diese Bearbeitung der Konflikte ihre Auswirkung auch auf das Verhalten hat. Zwischen diesen extremen Positionen gibt es inzwischen beliebig viele Graustufen, längst sind Verhaltenstherapeuten viel analytischer geworden und die klassische freudsche Analyse ist ein Verfahren in der Familie der aufdeckenden Therapien, das bei Neurosen (leichten Persönlichkeitsstörungen) angewendet wird und führend ist, während es für die sogenannten schweren Persönlichkeitsstörungen andere und bessere Verfahren gibt.

Mir ist kein Konflikt bewusst, welchen ich verdrängen könnte, wollen könnte/habe. Ich denke, dass ein Mensch (wobei ich davon ausgehe, dass ich so einer bin), der mit sich völlig im Klaren ist, keine verdrängten Probleme hat, und die atheistischen, naturwissenschaftlichen Prämissen aufstellt, zum gleichen philosophischen Ergebnis kommen müsste. Ich denke jedoch nicht, dass mein Verhalten (oder besser die Philosophie, die dahintersteht) von Therapeuten angestrebt wird. Du selbst hast mir doch schonmal im Zusammenhang mit dem sogenannten Biologismus oder meinem Amoralismus vesucht, eine kindische Persönlichkeit/Unreife anzudichten. Im diesem Zusammenhang gehe ich nach dieser Diskussion übrigens davon aus, dass (auch wenn du meine Positonen wohl nicht teilst) diese Meinung revidiert hast, da ich klar durchdenke, was ich mir als Prinzip zurechtlege. Zumindest scheinst du in dieser Diskussion mehr Bereitschaft zu zeigen, dein Gegenüber zu verstehen, das rechne ich dir positiv an. Im übrigen ist das jedoch kein unbekanntes Phänomen zu meiner Person: Vermeindliche Widersprüche meiner Haltung werden nach längerer Kenntnis der Philosophie nicht mehr gesehen; eventuell bestehende Abneigungen verschwinden.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, und gut begründet hast du deine Ablehnung nie, also kann ich das weiterhin verwenden.

Ich habe doch sogar einen eigenen Thread daraus gemacht. Ich bin da übrigens rein pragmatisch orientiert. Es ist einfach nie gelungen, bei einer biologischen Beschreibung eine hinreichende Trennschärfe zu erreichen. Man stochert vielfach im Nebel. Nicht mal die Serotoninmangel-Hypothese der Depression ist gesichert (sondern eher ein Werbegag amerikanischer Pharmaunternehmen, um SSRI Präparate vermarkten zu können). Die Gleichung Glück = viele Endorphine, Depression = wenig Serotonin und so weiter geht einfach nicht auf. Auch eine hinreichende (praxisrelevante) Kenntnis der Kombination der diversen Neurotransmitter und ihrer psychischen Zuordnung gibt es nicht.

Nun, da muss ich zugeben, dass manche Pharmazeuten und Mediziner sich das Leben leicht gemacht haben, auch wenn die Biochemiker (auf deren Argumentation und den postulierten, aber auch bewiesenen Signaltransduktionswegen) keine absolute Aussage dazu machen. Die eigentlichen Forscher entdecken einen Pathway, ein Target und erfinden/finden eine Leitstruktur und können damit mehr oder weniger spezifisch eine bestimmte Sorte an Krankheit bekämpfen. Aber es gibt immer kleinere Ausnahmen, Polymorphismen, Mutationen, die einen Rezeptor/Liganden/ein Protein etwas anders falten lassen und dadurch die Wirksamkeit vielleicht verloren geht. Es ist also nicht so, dass keine Zusammenhänge zwischen bestimmten Hormomen und dem Empfinden bestehen, sondern dass es für die meisten gilt. Es geht hauptsächlich darum, dass die Ergebnisse repräsentativ sind. Wenn keine größeren Studien möglich sind, wird die Gruppe mit den Genpools aus Datenbanken verglichen. Wenn eine Studie über Diabeteswahrscheinlichkeit in Europa angefertigt werden soll, muss die Gruppe (sofern sie nicht so groß ist), mit dem kaukasischen Genpool (zu dem die Europäer gehören) verglichen werden. Dabei ist es im Nachhinein immer leicht, irgendwelche Ausnahmefälle zu finden. Deswegen gehen einem nie die Themen für wissenschaftliche Arbeiten aus. Die eine Arbeit ermöglicht bereits 100 darauf folgende.
Aber abgesehen davon würde ich gern wissen, welche Alternative du zu diesem Konzept anbietest (die jetzt nicht auf metaphysischem Firlefanz basiert).
Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht habe ich den Buddhismus nicht sonderlich gut erklärt, was tatsächlich sein kann, da ich ihn eigentlich nicht sonderlich gut kenne. Aber Dir ein wenig Überblick über die Kernaussagen des Buddhismus zu verschaffen, wäre dann, bei hinreichendem Interesse Dein Part. Wiki ist da nicht die schlechteste Quelle für den Einstieg.

Wir hatten ja bereits festgestellt, dass ein Wikipediaartikel unterschiedliche Aussagen beinhalten kann, die sich auch irgendwie widersprechen können (Dukkha). Abgesehen davon ist es ja nicht so, dass ich mir sowas nicht mal durchlese, überfliege.
Deine Annahme ist letztlich, dass ich dem Buddhismus schon zustimmen müsste, sobald ich genug über ihn weiß. Aber so funktioniert das nicht. Die Gegenseite kann man effektiv nur durch dargebotene Argumente überzeugen. Du findest es doch gewiss auch nicht überzeugend, wenn dir ein Religiöser sagt, dass du eigentlich glauben müsstest, wenn du auch ihre Glaubensmanifeste gut genug kennen würdest, auch wenn sie selbst es nicht tun. Ich lasse mich also nicht von Vertretern einer Positon überzeugen, die von sich nicht behaupten, das, was sie vertreten, auch wirklich zu verstehen und dahinterzustehen. Es ist nicht meine Aufgabe, mich zu überzeugen, es ist deine, wenn du mir und meinen Aussagen widersprichst! Du wirst vielleicht Verständnis für meinen Standpunkt haben.
Vollbreit hat geschrieben:Die Bereitschaft bei hinreichendem Interesse des anderen mich mitzuteilen habe ich durchaus, der Verweis auf diesen oder jenen link oder ein Buch ist dabei ja nicht unüblich, Dein Prof kommt sicher auch nicht zu Dir nach Hause.

Profs, nicht Singular. Die Profs versuchen ja auch nicht, mich zu widerlegen, wir befinden uns nicht in einem akademischen Streit. Sie versuchen mir etwas beizubringen, ich will gutgläubig erstmal glauben, was sie mir verkaufen (sofern ich nicht bereits widersprüchliches gelesen/gehört habe in anderen Vorlesungen, was vorkommt). Dir habe ich jedoch nicht den Auftrag gegeben, mich im Buddhismus zu unterrichten, du hast dich in eine Diskussion begeben, in der die Parteien gleichberechtigt versuchen den anderen von ihrer Position zu überzeugen. Es ist nicht meine Aufgabe, mich vom Gegenteil zu überzeugen, diese hast du dir selbst gestellt.
Vollbreit hat geschrieben:Das ist insofern schwer, weil das tatsächlich eine Altersfrage ist, [...]Du liest, mit diesen biologischen Kenntnissen, [...]
Zum Biologismus wird sie in dem Moment,[...]
Psychische Probleme sind dann auf einmal nur noch Neurotransmitterdysregulationen, gesellschaftliche Spannungen treten auf, weil man eben Frauen nicht artgerecht in der Küche festbindet und so weiter.

Bla, bla. Aber das mit den Frauen habe ich so nie behauptet!
Vollbreit hat geschrieben:
Dein Trend ist, zu sagen, die Biologie sagt das, die Soziologie was anderes, also ist die Soziologie falsch, weil die Biologie ja viel exakter ist und so weiter, anstatt erst mal zu verstehen, was die Soziologie überhaupt macht. Was der Buddhismus oder Marxismus oder wer auch immer eigentlich aussagt. Was wollen die, was sagen sie, was denken die, das ist jene Empathie, von der Du in letzter Zeit so viel schreibst.

Empathie bedeutet nicht, dass ich ihren Glauben, ihre Prämissen akzeptieren muss. Ich verstehe eventuell deren Beweggründe, kann mir welche herleiten, die sie selbst ablehnen oder selbst nicht verstehen. Die Aussagen vieler entgegenstehender Positionen sind nicht gleichberechtigt, nur weil sie zur selben Frage etwas sagen. Natürich schaue ich dann, was besser begründet ist, das sind dann (bis jetzt eigentlich immer) naturwissenschaftlichere (oder philosophisch dem nahestehende) Ansichten. Hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit reifer Meinungsbildung.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Anhaften ist ein natürliches Verlangen, oder das Fortbestehen des Verlangens, welches du (mit deinem Hunger-Beispiel) erlaubt hast, füllen zu dürfen (laut Buddhismus). Der Buddhismus (so wie du ihn darstellst) verkennt hierbei, dass das Anhaften durch fortbestehendes Verlangen bedingt ist (wenn ich nicht mehr esse, habe ich keinen Hunger mehr, aber solange ich essen will, habe ich auch das Verlangen).

Genau diese Stelle ist sehr schön, weil exemplarisch für das oben Gesagte. Du versuchst nicht die Denkweise des Buddhismus zu verstehen, sondern nimmst das, was Du verstanden hast und beginnst, statt wirklich mal empathisch verstehen zu wollen, was so ein Buddhist will und denkt, auf halber Strecke mit einer Fehleranalyse, die immer schief sein muss, weil Du in die Kritik gehst bevor Du auch nur einen groben Überblick gewonnen hast. Dein gutes Recht ist zu sagen: Was juckt mich der Buddhismus?, aber mein gutes Recht ist keine Einführungsvorlesung über den Buddhismus runterleiern zu müssen.

Ich sehe nicht ein, wieso ich erst an das glauben muss, was ich kritisiere. Wenn mir etwas dargeboten wird, analysiere ich es zuerst, um es zu bewerten. Das logische Vorgehen mit Behauptungen ist, sie auf Konsistenz zu überprüfen. Mir ist dabei letztlich egal, welche Absicht hinter Doktrin XYZ steht. Die Absicht mag noch so lobenswert sein, aber das ist nicht entscheidend für die Praktikabilität des Konzepts.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich verliere ja durch das Nicht-Anhaften permanent etwas. Gerade das stört mich!
Was denn genau? Ich sehe nicht, dass man durch den Verzicht auf Anhaften irgendwas verliert, außer dem Leid.

Ich verliere Glück, ich verliere Dinge, die mich glücklich machen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist an ihnen allen liebenswert? Ich kann mich auch nicht zu so einer umfassenden Liebe zwingen, ich kann mich zu gar keiner Liebe zwingen, wenn sie nicht von selbst vorhanden ist. Also scheint mir das keine echte Liebe zu sein, was da angestrebt wird.

Kommt drauf an, was ist denn echte Liebe, für Dich?

Ich habe in etwa eine Vorstellung, aber festlegen werde ich mich erst, wenn diese Emotion auch praktisch vorhanden ist. Wenn ich aber auf Grundlage dessen, was ich bereits weiß, ungefähr (wenn ich nicht direkt auf diese Frage) antworten soll: Ich suche nach subjektiver Perfektion. Ich suche ein Wesen, welches in meinen Augen keine Defizite aufweist (naja, außer dem notwendigerweise duldbaren Defizit der Sterblichkeit). Bis jetzt fehlt mir immer mindestens ein Defizit auf, sei es körperlicher oder geistiger Natur. Bei den meisten anderen Dingen des Lebens ist es für mich genauso: Es gibt irgendwo ein Defizit, welches optimiert werden müsste/könnte. Auch mein Körper stellt mich nicht zufrieden, auch wenn er vergleichsweise wenige Defizite hat. Ich kann jedenfalls keine Liebe bei Fehlern empfinden, die sehe ich leider überall. Dennoch habe ich Vorstellungen vom Idealen.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Mit der Rechthaberei ist gar nichts gewonnen; andererseits ist es ja kein Gegenargument, zu sagen, dass ich selektiv ausgewählt habe (was auch du getan hast).
Wenn Du selektiv ausgewählt hast, dann schon.

Du hast ja auch selektiv gewählt. Mir schien eben ein anderer Punkt wichtiger als dir. Jetzt steht Aussage gegen Aussage.
Vollbreit hat geschrieben:Das würde heißen, dass Gier angeboren und nicht zu korrigieren ist. Eine in meinen Augen fatalistische Einstellung. Die Gene werden eben ungerecht verteilt, da hat der eine mehr Glück als der anderen, kann man nix machen, ist eben Pech. Den Tod willst Du besiegen, aber hier kapitulierst Du schon?

Nein, ich kapituliere nicht, da dies nicht mein Kampf ist. Man kann natürlich angeborene Gier entsprechend manipulieren, wie alles an biologischen Systemen. Aber ich habe dazu weder die Motivation, noch ist dies gesellschaftlich erwünscht.
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