Vollbreit hat geschrieben:Stimmt ja alles, aber es fällt nicht unter Deine Version des Utilitarismus. Gut ist, was die Masse macht, manchmal aber auch nicht. Ja, stimmt, aber so als Lebensregel völlig unbrauchbar.
Interessant, was du mir erklärst, was meine Einstellung ist. Ich habe ja keine Lebensregeln, ich habe Beobachtungen und entscheide anhand dieser. Der Witz ist ja eben, dass meine Beobachtungen mir Freiraum geben letztlich so zu entscheiden wie ich es will und nicht immer wieder gleich entscheiden zu müssen. Das ist es, was ich angestrebt habe, was mir Freiheit gibt und dir nicht, da du diesen Weg fürchtest. Es muss nichts geklärt werden, schon gar nichts prinzipiell. Gerade dadurch machst du es dir einfach, durch eine grundsätzliche Festlegung und kein permanentes Abwägen, Denken. Du meinst, es würde ausreichen, sich mal kurz anzustrengen und dann nie wieder denken, fühlen zu müssen. Das ist das Verbrechen, der Fehler der Ethik.
Vollbreit hat geschrieben:Richtig, weil das noch immer egozentrisch ist, aber hier hast Du bereits andere im Blick. Ich kriege was von denen, Schutz, Anerkennung, Nahrung und muss dafür was leisten, mich grob an die Spielregeln halten. Freuds Triebverzicht als Wurzel der Kultur. Ich muss mich etwas bändigen, aber dafür erwächst mir auch Lohn.
Bändigen bedeutet nicht vergessen, verleugnen. Ich kanalysiere den Trieb, erreiche dadurch letztlich bessere Befriedigung. Das ist keine Kultur, jedes Raubtier hält sich solange zurück, bis es nahe genug an seiner Beute ist.
Vollbreit hat geschrieben:Es ist einfach der nächste Abstraktionsschritt. Das Wollen gehört insofern dazu, als dass man sich freiwillig – aus Einsicht in de Richtigkeit – unter das (Sitten)Gesetz stellt, das man rationalerweise als allgemein richtig erkannt hat.
Einfach, dumm, unnötig und unlogisch. Der Wille wird unterworfen, verliert seine Flexibilität. Es existiert noch nichtmal ein allgemeines, gutes und schlüssiges Sittengesetz, ich würde mich der Willkür einer kulturellen Prägung von Gehorsam und Traditionen unterwerfen. Das wird nicht geschehen.
Ja, der Ethikprofessor könnte das sehr wohl tun, derjenige, der aber wie ich Egoismus und Empathie als Basis hat, nicht. Diejenigen, die Ethik und Moral predigen, halten sich oft selbst nicht dran. Hoeneß ist doch wieder ein gutes Beispiel, der ganze katholische Klerus ist ein perfektes Beispiel dafür. Ich predige nichts, ich belüge (diesbezüglich) nicht. Ich handle so, wie es mir am Nützlichsten ist, und ich merke auch, dass diejenigen, die ebenso handeln mir auch am nützlichsten sind. Deswegen befürworte ich Ethik und Moral weder für mich noch für andere. Sie sind ein grundsätzliches Verbrechen.Vollbreit hat geschrieben: Sonst landet man in der narzisstischen Version (und ich meine Dich jetzt hier ausdrücklich nicht), dass Gesetze gut und nützlich sind, solange sich die anderen dran halten. Aber für mich gelten selbstverständlich andere Regeln, da ich nicht, wie die anderen bin.
Damit kann man Ethikprofessor werden, der nach Hause kommt und erst mal seinen Hund tritt und die Frau verprügelt, aber ansonsten brillante Vorlesen hält.
Vollbreit hat geschrieben:Nix da, Du verkennst, dass es kein die ethischen Regeln widerlegendes Argument ist, dass sich Leute nicht dran halten.
Mord ist schlecht, daran ändert die Tatsache nichts, dass es Mörder gibt. Es macht die Lüge nicht bessern, dass gelogen wird.
Ist richtig, aber damit bist du durch Ethik meiner Haltung in nichts voraus. Ich suche nach Nutzen, du erklärst mir nur, dass deine Einstellung durch Nutzlosigkeit nicht wertlos ist. Ich sehe das anders. Es gibt bei meiner Einstellung eine logische Herleitung, bei deiner nicht, sie ist inkonsequent. Damit ist meine im Vorteil, zudem ist sie praktisch flexibel und individuell. Und mir kommt es nicht drauf an, was ethisch besser ist, sondern was nützt und praktikabel ist, was der Realität entspricht und nicht auf Illusionen basiert.
Vollbreit hat geschrieben:Ja eben, was bindet denn da. Der eine will eben anständig sein, der andere morden, genau das passiert ja auch. Du kannst ja gerade nicht erklären, warum das nicht sein sollte, wenn es so ist, dass manche einfach nicht kooperieren wollen.Darth Nefarius hat geschrieben:Nur der Wille ist das. Der Wille setzt sich aus dem egoistischen Antrieb zusammen und der Empathie. Der Verstand kann den egoistischen Antrieb formen und überlegen lassen, nach dem maximalen, eigenen Nutzen durch verschiedene Methoden suchen lassen (bevorzugt beim Menschen: Kooperation). Manche Menschen besitzen weder noch und werden zu Verbrechern.
Ich muss es auch nicht erklären. Ich muss auch nicht das Gegenteil fordern. Durch die gesellschaftliche Ächtung (durch Empathie!!!) wird der Verbrechter verfolgt. Er verursacht Hass; wir sehen, dass bereits Anschuldigungen zu soetwas reichen.
Vollbreit hat geschrieben: Dem stellen die Menschen Moral und Ethik gegenüber, die besagen, dass nicht jeder das was er will, umsetzen sollte, zum Wohle des Ganzen.
Warum soll ich das Wohl des Ganzen wollen? Wer zwingt mich? Warum muss man mich zwingen? Wenn ich es nicht freiwillig will, wird auch der Zwang nicht fruchten.
Vollbreit hat geschrieben:Nur, dass das Ganze eben nicht einer biologischen Zufälligkeit folgt, sondern dem das die Gesellschaft sich selbst als Gesetz, nach vernünftiger Absprache, gibt.
Ja gewiss. Und die Absprache wurde auch von den Vergewaltigern und Narzissten gemacht. Die werden sich deswegen auch an die Regeln halten, die sind schließlich effizienter und bindender als die der Natur. Die Biologie ist nicht zufällig, sie erfolgt nach einem System. Der Darwinismus ist ein System, sogar Mutationen sind letztlich keine Zufälle.
Vollbreit hat geschrieben:Aber so im Großen und Ganzen verlässt Du Dich darauf, dass das, was die Natur Dir und uns allen mitgegeben hat, schon automatisch zum Guten/Nützlichen führen wird. Da klemmt es halt.
Nein, nicht automatisch sondern meistens. Natürlich bin ich dennoch vorsichtig. Die Grundlagen der Natur helfen mir besser zu antizipieren. Und gerade das Wissen um Mutationen lässt mich nicht unvorsichtig und leichtsinnig werden. Mir wird immer bewusst sein, dass es unempathische, dumme Tiere gibt, die als Menschen bezeichnet werden und eine andere Behandlung verdienen. Das habe ich früh gelernt. "Das Gute" postuliere ich auch nicht. Der Nutzen des einen kann zum Schaden des anderen werden.
Vollbreit hat geschrieben:Woher weißt Du das? Du musst es eben schließen, vor 20 Jahren waren Spiegelneuronen unbekannt, die Menschen aber dennoch empathisch.Darth Nefarius hat geschrieben:Ich fühle Leid durch Empathie, durch Spiegelneuronen. Die Ursache des Leids ist das Leid des Freundes/der Freundin/des geliebten Menschen/der geliebten Menschen.
Spiegelneuronen existieren ja nicht erst seit 20 Jahren, sondern auch vor ihrer Entdeckung, auch ohne ihr Wissen konnten sie uns empathisch machen. Welcher Logik folgst du eigentlich? Deine Frage ist einfach nur dämlich.
Vollbreit hat geschrieben:Hier hast Du einen Vorteil, Du könntest fragen.Darth Nefarius hat geschrieben:Aber ich kann wie gesagt gar nichts wissen, ich nehme immer nur an. Und es ist eine instinktive und somit zuverlässige Annahme, dass sie leiden, wenn ich Mitleid empfinde.
Tja, und auch dann würde ich es nicht wissen. Manche sagen ja nicht, was sie wirklich fühlen.
Vollbreit hat geschrieben:Nicht zwingend, es ergeben sich (mindestens) zwei Strategien: 1) Leid des anderen nervt mich, ich halte mir die anstregenden andern konsequent von Leib, um mich nicht runterziehen zu lassen. Damit stimmt mein Emotionshaushalt und da ich immer ein Sunnyboy bin, können die anderen ja wiederkommen, wenn es ihnen besser geht, ich bin dann gut drauf und die können Spaß mit mir haben. Wenn ich mich um ihren Mist kümmern muss, bin ich auch nicht mehr gut drauf und ich kann nicht mehr die Stimmungskanone sein, also ist es nützlich für die anderen mich mit ihren Problemen in Ruhe zu lassen. Da leidende Menschen aber oft den klaren Blick verlieren, entscheide ich das für sie und halte mir sie vom Leib, erkläre ihnen aber gerne, warum das auch für sie nützlich ist. 2) Ich kümmere mich, vielleicht wirklich weil mir Beziehungen wichtig sind. Oder weil es mir ja auch mal schlecht gehen könnte und wenn ich da nichts geboten haben, hilft mir auch keiner.
Das Problem erkennt man klarer bei Punkt 1), der keineswegs unlogisch ist, sondern ekelhaft logisch und folgerichtig argumentiert.
Was diesen Punkt letztlich problematisch macht, ist, dass der von sich ausgeht und nie die Perspektive anderer einnimmt.
Das tut das zweite Szenario auch. MIR sind Beziehungen wichtig, ICH will sie aufrechterhalten, ICH will, dass mir andere mal helfen. Auch alles egozentrisch.
Vollbreit hat geschrieben:Es geht hier auch nicht darum, ob Dir das gefällt, nur argumentierst Du gerne so als würde Verbrechen sich nicht lohnen, weil ja jeder immer erwischt wird. Und das stimmt eben nicht.
Ach, ist das etwa ein Argument bei der Ethik? Du würdest sagen, dass es keine Rolle spielt, dass nicht alle erwischt werden. Das sage ich dir auch. Es spielt keine Rolle, damit es insgesamt funktioniert.
Vollbreit hat geschrieben:Doch wenn ich alle ausrotte, die ALS haben, mit dem tollen Argument, man müsse den Genpool fit halten, ist leider auch Hawking übern Jordan.Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, sie sind willkürlich, und eventuell gefährlich, aber gewiss nicht menschenverachtend!
Die Natur und der Darwinismus geben dir keine Grundlage zu handeln, sie formen keine Ethik (so wie ich es auch nicht tue, was du mir gerade vorwirfst). Sie beschreiben, was ohnehin passiert, aber sie erlauben dir nicht andere auszurotten oder zu entscheiden, was für den Genpool richtig ist. Das kann man auch nicht wissen. Vielleicht ergibt sich ja aus ALS eine nützliche Mutation, wenn eine weitere auf sie folgt. Wir sind letztlich auch nur das Ergebnis von Krankheiten, die irgendwann aufhörten schädlich zu sein.
Vollbreit hat geschrieben:Was macht es denn für Dich so abstoßend ein Menschenfreund zu sein?
Es ist für mich nicht abstoßend, ich bin nur kein Philantrop. Das ist alles. Philantropie ist für mich wie ein nutzloser, ungeliebter Mensch: Ich ignoriere sie. Hör mal auf mir immer zu unterstellen, dass ich entweder etwas fordere oder abstoße. Beides stimmt nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Das „Argument“ war das des Unnützen, des Schädlings, des Ungeziefers. Wenn Du sagst, hier müsse man den Begriff anders definieren, bist Du ja schon in einer philosophischen Diskusion.
Der Begriff muss nicht anders definiert werden, die Arbeitssoftware muss sozusagen besser werden (oder zumindest nicht verkümmern).
Vollbreit hat geschrieben:Ganz falscher Weg, da spielst Du den Nazis nachträglich noch in die Karten, indem Du sagst, die Idee ist ja super nur sind gibt es eben Detailfehler und braune Augen sind besser.
Du hast nicht richtig gelesen: Sich eine Gruppe aufgrund eines willkürlichen Phänotypen zum Feind zu machen geht nie gut aus. Und wie gesagt, der Darwinismus erlaubt uns nicht Evolution zu spielen und zu entscheiden, was eine nützliche Mutation ist und was nicht. Wir können die Ergebnisse beobachten und deuten, aber nur für den Moment. Wir können sogar Spekulationen aufstellen, aber wir erhalten kein Recht auf Handeln, auf Genozid.
Vollbreit hat geschrieben:Grandios war das ganz sicher und im Rahmen dessen was die Nazis so dachten, war das sehr effizient, inklusive der hochrationalen Tötungsmaschinerie in den Konzentratitionslagern. Streng sachlich, mit eingebautem Nutzenkalkül, die nützlichen Juden wurden geschont und besser versorgt, bis sie eben entkräftet, krank und damit unnütz wurden.
Da hast du ein falsches Bild: Heutzutage werden Schüler irgendwann zwangsweise mindestens einmal in ein Konzentrationslager geführt. Die Techniken waren nicht effizient, sondern darauf ausgerichtet, möglichst grausam zu sein. Es war keine Sklaverei, in der die nützlichen Juden noch gut behandelt wurden, solange sie produktiv waren. Nicht mal das. Es wurde auch gearbeitet, wenn es keinen Nutzen darstellte, es wurde nicht nur erschossen, sondern danach (!) auch noch vielleicht gehängt, verbrannt. Zu gerne wurde willkürlich gefoltert. Es ging nicht um Zwangsarbeit oder Reinigung des Volkskörpers, sondern nur um das Ausleben von Grausamkeit, die erst durch das Ausschalten von Empathie und Verstand, durch das Ausschalten des Willens wie es die Ethik und Moral fordert, möglich wurde. Es gibt da ein berühmtes Experiment, welches das Ausschalten von Verstand und Empathie durch anerzogenen Gehorsam zeigte und wie die Wirkungen sind: Grausamkeit.
Vollbreit hat geschrieben:Dass Nutzenkalkül wurde bei den Nazis vielleicht historisch (zumindest in neueren Zeit) maximal pervertiert. Übrigens war auch Hitler ungeheuer pragmatisch, sogar Elemente des Marxismus hat er sich angeeignet, aber egal, das ist ein anderes Thema.
Weder Hitler noch die Nazis waren besonders klug, konsequent oder pragmatisch. Weder der Ansatz noch die Ausführung war effizient, noch nützlichkeitsorientiert oder logisch und klug. Das Ergebnis spricht für sich. Der Darwinismus erklärt, dass das stirbt, was nicht nützt. Der Nazionalsozialismus ist faktisch tot, Hilter ist mausetot. Es wurde nicht kooperiert, es wurde nicht nachgedacht, es wurde kein Mitleid empfunden. Alle Fehler der Moral und Ethik summierten sich auf und ließen viele unmenschlich werden. Dadurch waren sie zum Scheitern verurteilt.