stine hat geschrieben:Ostfriese hat recht, wenn er schreibt, dass ich mir meinen Glauben "bastle".
stine hat geschrieben:Sich ohne ein festes Bild zu haben, getragen und geborgen zu fühlen, ist das, was die meisten Christen suchen.
stine hat geschrieben:Warum christliche Erziehung?
Kinder brauchen Halt und eine Vision. Kinder brauchen Ideale und Kinder brauchen Liebe. Ein Kind das von Gott gehört hat, darf bitten und seine Sorgen abladen, ohne dass es sich fürchten muß. Kinder werden automatisch später ihre Zweifel anmelden und sie werden ganz von selbst drauf kommen, dass der liebe Gott nicht im Himmel sitzt und seinen Bart krault, aber selbst als Zweifler werden sie in schweren Zeiten das in der Kindheit erworbene Urvertrauen nützen können.
stine hat geschrieben:Klar, ein Ratonalist kann jetzt sagen, das klingt nach einer ausgewachsene Psychose, aber ist es nicht ganau das, was die Menschen brauchen? Ein Fundament? Ein Urvertrauen?
stine hat geschrieben:Mit Gott bezeichne ich alles, was mich stark macht, was mir meine Leere nimmt, was mich tröstet, was ich in Menschen nicht finden kann, aber dringend brauche. Meine Ausgeglichenheit und meine Zufriedenheit habe ich nur, weil ich im Gebet, in der Meditation auftanken kann.
ostfriese hat geschrieben:Und damit ist es eigentlich kein religiöser Glaube im eigentlichen Sinne mehr.
das europäische Christentum war gezwungen, sich dem "shifting moral Zeitgeist" (Dawkins) anzupassen
hatte sich für mich der unausweichliche Schluss ergeben, dass der Allmächtige angesichts des Leidens in der Welt keinesfalls gütig sein konnte (meine Eltern und Großeltern mussten sich diesbezüglich irren), sondern einzig danach trachtete, die Lebenspläne von Menschen auf höllische Weise zu durchkreuzen, sobald sie gegen irgendeinen himmlischen Paragraphen verstießen.
Kinder brauchen Werte, ja. Und die fallen nicht vom Himmel, sondern sind teilweise angeboren, zum anderen Teil müssen sie von Eltern und Erziehern vermittelt oder im Umgang mit Geschwistern, Gleichaltrigen und Haustieren erlernt werden.
Ist es nicht viel stärkender zu erkennen, dass es immer nur Deine eigenen seelischen Heilkräfte waren, die Dir in solchen Situationen geholfen haben?
ganimed hat geschrieben:Jeder ist gezwungen, sich mit der Zeit anzupasssen. Die Wissenschaftler verfeinern dazu ihre Modelle. Wieso darf das Christentum das nicht? Ist doch eigentlich gut, wenn sie flexibel bleiben und sich zu verbessern trachten. ... Natürlich nur, wenn man nicht einer jener Vertreter ist, die irgendwelche ewigen Wahrheiten verkünden und jedes Dazulernen ablehnen (was zugegebenermaßen die überwiegende Mehrheit so macht).
ganimed hat geschrieben:Wenn stine trotz Bastelei an einen Gott glaubt, was sonst als ein religiöser Glaube sollte das sein?
ganimed hat geschrieben:Ich habe den Eindruck, der Rest deiner Argumente passt gar nicht auf stines Auslegung sondern ist nur auf allgemeine Religionen bzw. das Christentum gemünzt.
ganimed hat geschrieben:Und in diesem deinen ersten Gegenargument wirfst du stine sozusagen vor, sich nicht ganz in dein Zielgebiet gestellt zu haben. Danach nimmst du das übliche Zielgebiet unter Feuer und verfehlst für mein Gefühl damit stines Ausführungen um mehrere Meilen.
ganimed hat geschrieben:Jeder ist gezwungen, sich mit der Zeit anzupasssen. Die Wissenschaftler verfeinern dazu ihre Modelle. Wieso darf das Christentum das nicht?
ganimed hat geschrieben:Wirfst du stine im Grunde genommen also vor, dass du ein sehr ungünstiges Gottesbild entwickelt hast, das genau jenes Urvertrauen vermissen lässt von dem stine aber redet? Ich verstehe an dieser Stelle nicht die Stoßrichtung deiner Kritik. Stine hat eben ein anderes Gottesbild auf das deine Kritik gar nicht passt.
ganimed hat geschrieben:Die Werte fielen ja auch bei stine nicht vom Himmel. Ich vermute jedenfalls, dass sie sich genau deshalb eine eigene Glaubensvariation basteln musste, um genau ihre eigenen angeborenen oder erlernten Werte perfekt unterbringen zu können.
ganimed hat geschrieben:Wenn man "Gott" so versteht, einfach nur als psychologisches Hilfskonstrukt, hätte ich eigentlich nichts gegen stines Vorgehensweise einzuwenden. Nur wenn man so weit geht, an Wunder zu glauben und an ein ewiges Leben nach dem Tod, da steige ich dann spätestens aus. Da wird es auch mir zu gefährlich bzw. zu irreal.
ganimed hat geschrieben:Die naheliegendste Erklärung für mich wäre, dass bei dir die Erziehung eben eine andere war als bei stine und mir.
ganimed hat geschrieben:Man müsste jetzt bei stine also doch nur insofern ergänzen, als dass nicht jede x-beliebige christliche Erziehung gut und wichtig für Kinder ist, sondern vielleicht nur ganz bestimmte.
stine hat geschrieben:Nichts anderes aber lehrt den Christen die Figur Jesus: Er will, dass sich die Menschen darüber klar werden, dass sie es sind, die tun müssen, dass sie es sind, die die Liebe auf der Erde verbreiten müssen, dass der Mensch selbst es ist, der die Liebe verteilen muß, weil sie sonst nicht zu finden ist.
stine hat geschrieben:Klar, nun kann man sagen, all die guten Attribute sind dem Menschen per se angeboren und er muß nur noch aus sich selbst schöpfen, dann klappt das auch mit der Liebe und dem Paradies auf Erden.
stine hat geschrieben:Aber wo ist der Quell dieser Liebe?
Was mach ich, wenn ich dauernd Liebe gebe und nichts zurückbekomme?
Was mach ich, wenn ich zu allen nett sein möchte und nichts zurück bekomme?
Was mach ich, wenn ich ausgelaugt bin?
Wo tanke ich auf?
stine hat geschrieben:Wer sich sträubt und verschließt, weil er rational nicht erklären kann, was das bedeuten soll, kann das nicht erleben.
stine hat geschrieben:Wenn all die wunderbaren Eigenschaften in uns angelegt sind und wir sie nur mobilisieren müssen, dann frage ich mich, warum das so selten gelingt.
stine hat geschrieben:Wer aber kein Gegenüber hat und keinen Partner, der ihn beständig auffängt, wird früher oder später im Frust der unerwiderten Liebe enden.
Ja, es hilft, wenn man darauf vertraut als einzigartiges Individium geliebt zu werden. Und menschlich gesehen stellen wir uns eben die Größe als Größe vor, obgleich wir gerade das nicht tun sollten.ostfriese hat geschrieben:Haben Gläubige in dieser Hinsicht einen Vorteil? Da ich als Naturalist ein ewiges Leben ausschließe, verengt sich die Frage für mich: Nützt es Gläubigen, denen das Leben nicht so recht gelingen will, dass ein gestaltloses, unbeschreibliches, unfassbares Wesen sie angeblich trotzdem liebt? Und warum muss es dann so überlebensgroß sein?
Das tun bereits viele Menschen, dass sie Kraft aus irdischen Begleitern zehren. Und was kommt, wenn sie dann einst tot sind? Oder uns wegen einer besseren Futterstelle verlassen?ostfriese hat geschrieben:Warum kann es nicht Katze oder Hund sein, wenn es (zeitweise) an menschlicher Liebe und Wärme mangelt?
Nein, das tut es nicht.ostfriese hat geschrieben:Es gibt nicht zu jeder seelischen Not garantierte Linderung.
Der Vergleich mit dem Alkoholiker ist so schlecht nicht, er barucht auch seinen Stoff...ostfriese hat geschrieben:Aber wenn schon eine Kopfgeburt, eine Illusion, eine Imagination als Lösung herhalten muss, warum dann nicht eine kreative? Warum muss ich sie aus der Schublade ziehen können oder mit gefalteten Händen auf einer kalten Holzbank suchen? Wäre das nicht sogar dem Reflex eines Alkoholkranken vergleichbar, der ohne Innehalten sofort zur Flasche greift, wann immer der Leidensdruck eine bestimmte Marke überschreitet?
Niemand muß Kindern eine transzendente Fertigwelt aufdrängen.ostfriese hat geschrieben:Auch und gerade Kinder erschaffen sich ohne erzieherisches Zutun die zauberhaftesten Parallelwelten, in denen sie die wichtigsten Eventualitäten des Lebens simulieren und gefahrlos durchspielen. Warum muss ich ihnen eine transzendente Fertigwelt aufdrängen, in der die Regentschaft bereits vergeben und die Freiheit bereits eingeschränkt ist? Lassen wir sie doch erzählen, hören wir ihre Geschichten und erkennen wir an, dass unsere Bibel-Story genauso erfunden ist wie ihre seelenfrischen, bedeutungsaufgeladenen Fabeln!
Vielleicht ist es das, vielleicht nennt es jeder anders? Die "ganzheitliche Verbundenheit mit dem Kosmos" kommt dem schon ziemlich nahe...ostfriese hat geschrieben:Jeder kann das erleben, denn das, was religiöser Glaube uns angeblich schenkt, ist gar keine Frage des Glaubens an etwas Bestimmtes, des Erkennens einer festen Bedeutung. Meditation und andere gezielte Hirnmanipulationen vermögen ähnliche Erfahrungen auszulösen (deshalb werden sie gern als "spirituell" tituliert -- ein ebenso populärer wie irreführender Begriff), insbesondere das Gefühl "ganzheitlicher Verbundenheit mit dem Kosmos", unter dem jede Verlassen- und Verlorenheit verschwindet.
Auch hier widerspreche ich dir ganz und gar nicht. Es heißt auch, wir sollen wie die Kinder werden: Offen, vertrauensselig und neugierig auf alles was kommt.ostfriese hat geschrieben:Da der Umgang mit jungen Menschen schon seit dem Zivildienst zu meinem Job gehört, bin ich nun schon so oft Kindern begegnet, die ich nicht erziehen, sondern denen ich am liebsten einfach nur lernend zusehen und -hören wollte. Bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie intuitiv jenes Gelingen finden, dem ich rational hinterher jage. Die ihre Maßstäbe in sich tragen und nicht der von außen angelegten bedürfen. Was ich damit sagen will: Wann immer ein erwachsener Mensch unter der Last fortdauernden Misslingens unter sozialem Druck zusammenbricht, tut er das gewiss nicht, weil man ihm als Kind nicht gründlich genug das Gehirn gewaschen hat. Eher im Gegenteil...
ostfriese hat geschrieben:An dieser Stelle muss ich bekennen: Ich glaube nicht daran, dass die Liebe von und zu "Gott" über längere Zeiträume eine erfüllte Liebe zwischen Menschen ersetzen kann. Es widerspräche unseren körperlichen Dispositionen, und die zahlreichen Fälle von Kindesmissbrauch durch katholische Priester belegen dies.
ostfriese hat geschrieben:Nein, sie [die Erziehung] war in puncto Religionsvermittlung wahrscheinlich nahezu identisch (nämlich von genau den Motiven getragen, die stine genannt hat). Warum aber jene "harmlose Wohlfühlpille" mir so viel stärker geschadet als genützt hat, dafür gibt es genau eine Erklärung, und die hab ich in aller Ausführlichkeit dargelegt.
ganimed hat geschrieben:Ich, stine, ostfriese und Father George Coyne sind christlich erzogen worden. Ausgerechnet ostfriese ist nicht glücklich geworden damit. Ich würde denken, es lag an Unterschieden bei der Erziehung.
ganimed hat geschrieben:Ich habe mir, ungelogen, deine vorhergehenden Beiträge nochmal durchgelesen. Die Frage finde ich halt spannend. Kann aber eine ausführliche Erklärung nicht finden.
ostfriese hat geschrieben:Ich habe als Jugendlicher jenen Diskrepanzen ins Auge gesehen und war danach gezwungen, mein Gottesbild zu reformieren, damit mein Glauben ein ehrliches (!) Für-wahr-Halten bleiben konnte (und nicht zur a priori angenehmen Spekulation degenerieren musste). Den eigenen Sohn am Kreuz zu opfern ist kein Zeichen von Liebe, sondern von Grausamkeit. Wenn Gott einigen willkürlich erwählten Menschen ewige Geborgenheit offenbart und gleichzeitig das Leiden so vieler Kreaturen tatenlos geschehen lässt, dann ist er entweder ahnungslos oder ungerecht oder ohnmächtig -- ich musste mich entscheiden. Die Ideen der Allmacht und Allwissenheit erschienen mir noch am wenigsten Widersprüche aufzuwerfen zu meinem damals dualistischen Weltbild (ich wusste wie die meisten Kinder noch nichts von Evolutionärer Erkenntnistheorie, Explikationen für Komplexität oder neuronalen Korrelaten), also sah ich mich unvermittelt einem himmlischen Tyrannen anstelle eines lieben Gottes gegenüber. Eine alles andere als lebensdienliche Illusion, die sich von Natur aus garantiert niemals eingestellt hätte!!
ostfriese hat geschrieben:Ich selbst konnte mit dieser Art des "Glaubens" nie etwas anfangen. Entweder gibt es da oben eine Instanz, die Lebenssinn und moralische Letztgültigkeit garantiert, dann kann ich mir meine Glaubensinhalte nicht aussuchen, sondern lebe unter der Fuchtel eines himmlischen Tyrannen. Oder ich kann sie mir aussuchen, dann gehen jeder moralische Gültigkeitsanspruch und jede unbezweifelbare Sinnzuschreibung koppheister, und das Theodizee-Problem müsste meine Geborgenheit eigentlich ununterbrochen zerschreien.
...
Da ich über offensichtliche Widersprüche schon sehr früh nicht mehr hinweg sehen konnte, hatte sich für mich der unausweichliche Schluss ergeben, dass der Allmächtige angesichts des Leidens in der Welt keinesfalls gütig sein konnte (meine Eltern und Großeltern mussten sich diesbezüglich irren), sondern einzig danach trachtete, die Lebenspläne von Menschen auf höllische Weise zu durchkreuzen, sobald sie gegen irgendeinen himmlischen Paragraphen verstießen.
Aber weil genau das passieren kann, selbst wenn Eltern die allerbesten Absichten hegen, einen lieben(den) Gott zu vermitteln, kritisiere ich religiöse Indoktrination so entschieden.
ganimed hat geschrieben:Was haben ich, stine und Coyne, was du nicht hast?
Wobei der Spagat immer wieder versucht wird. Und das offenbar von jeder Seite aus...ostfriese hat geschrieben:Was allerdings auch daran liegt, dass wir uns in Kenntnis beider Seiten irgendwann (vorläufig) für eine entschieden haben, da der Spagat über dem Graben auf Dauer keine bequeme Haltung ist.
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